Freitag · 3. Mai 2013 20 Uhr · Volkshaus Großer Saal 7. Philharmonisches Konzert Reihe C Doppeltes Spiel Aulis Sallinen (*1935) Schatten (Shadows) op. 52 – Prelude for Orchestra Johannes Brahms (1833-1897) Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102 Allegro Andante Vivace non troppo Pause Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543 Adagio – Allegro Andante con moto Menuetto Allegro Dirigent: GMD Marc Tardue Violine: Doralice Borosz Violoncello: Jia Lu Der Dirigent Marc Tardue wurde als Sohn franko-italienischer Eltern in Amerika geboren. Er absolvierte das Peabody Conservatory in Baltimore und studierte anschließend Klavier und Dirigieren, darüber hinaus ist er ausgebildeter Gesangslehrer und Klavierbegleiter. Schon kurz nach Beendigung seiner Studien erhielt er von amerikanischen Choral-, Sinfonie- und Opernensembles Engagements als musikalischer Leiter und Chefdirigent. Von 1982 bis 1984 war Marc Tardue Chefdirigent der National Opera von Reykjavik, 1984 gewann er den internationalen Dirigentenwettbewerb Concours International d’Execution Musicale »Ernest Ansermet« (CIEM). 1985 übernahm er kurzfristig beim Ensemble Instrumentale de Grenoble Aufführungen der 9. Sinfonie von Beethoven und wurde sowohl vom Publikum wie auch den Musikern dermaßen umjubelt, dass das Orchester ihn anschließend umgehend zum Musikdirektor wählte. Unter seiner Leitung wurde das Repertoire des Klangkörpers um große Sinfonien sowie Chor- und Opernwerke erweitert. Zwischen 1991 bis 2002 war Marc Tardue Chefdirigent des Sinfonieorchesters des Theaters Biel (Schweiz), von 1999 bis 2009 Chefdirigent des Orquestra Nacional do Porto (Portugal), seit 2010 ist er Künstlerischer Leiter und Musikdirektor der Oper Schenkenberg (Schweiz). Als gern gesehener Gastdirigent arbeitet er mit renommierten Orchestern im In- und Ausland zusammen. Für seine künstlerischen Leistungen wurde Marc Tardue mit vielen Preisen und Auszeichnungen geehrt, u.a. erhielt er 1989 den französischen Kulturorden »Chevalier des Arts et des Lettres« und 2004 die »Medalha de Mérito Cultural«, eine der höchsten Ehrungen Portugals. Mit Beginn der Spielzeit 2012/2013 ist Marc Tardue Generalmusikdirektor der Jenaer Philharmonie. Die Solisten Doralice Borosz, geboren in der rumänischen Hauptstadt Bukarest, erhielt mit fünf Jahren ersten Violinunterricht, besuchte das George Enescu Musikgymnasium und begann im Jahr 2000 das Studium an der Hochschule für Musik in Bukarest. Als Austauschstudentin kam sie von 2003 bis 2004 an die Hochschule für Musik FRANZ LISZT in Weimar. Danach setzte sie hier ihr Studium fort, das sie mit Examen abschloss. Während der Weimarer Zeit arbeitete sie bereits als Substitutin in der Staatskapelle Weimar, am Theater Erfurt und bei der Jenaer Philharmonie, wo sie auch als Praktikantin engagiert war. Doralice Borosz nahm an Meisterkursen in Deutschland und den USA teil und gewann verschiedene Preise, darunter ein Stipendium des DAAD der Bauhaus Universität Weimar. Im Jahr 2004 nahm sie an Konzerten mit dem „Festival Chor und Orchester des Europäischen Musikfest Stuttgart“ unter der Leitung von Helmuth Rilling teil. Seit September 2008 ist sie zweite Konzertmeisterin der Jenaer Philharmonie; im April 2009 erhielt sie einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar. Jia Lu, 1981 in Peking geboren, erhielt mit sieben Jahren seinen ersten Violoncellounterricht und begann mit zwölf Jahren ein Studium an der Musikhochschule der Chinesischen Zentralmusikhochschule Peking bei Prof. You Zhou. Weitere Studien in Köln und Wien folgten; 2010 schloss Jia Lu diese mit der Magister-Diplomprüfung mit Auszeichnung ab. Neben zahlreichen Stipendien ist Jia Lu Preisträger des Nationalen Chinesischen Cellowettbewerbs, 2. Preisträger beim Liezen Internationalen Cellowettbewerb sowie zusammen mit seinem Quartett 1. Preisträger beim Concorso Internazionale Di Musica Marco Fiorindi. Zusammen mit Mitgliedern des Alban Berg-Quartetts und des Tokyo String Quartets widmet sich Jia Lu der Kammermusik. Jia Lu war mit Zeitvertrag Solocellist der Jenaer Philharmonie, zweiter Solocellist beim Sinfonieorchester Aachen und ist seit 2013 erster Solocellist beim Sinfonieorchester Macau, sowie Dozent am Konservatorium Macau und an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT, Weimar. Die Komponisten und ihre Werke Die Doppeldeutigkeit bleibt bis zum letzten Augenblick in den Kompositionen des Genies Mozart und des finnischen Komponisten Aulis Sallinen erhalten. Während Sallinen in »Schatten« mit den Emotionen, Harmonien und Rhythmen spielt, bietet Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 39, die immer wieder als „Vermächtnis für die Nachwelt“ bezeichnet wird, viel Stoff für Legenden. Ein ganz anderes doppeltes Spiel spielt Johannes Brahms mit seinem Doppelkonzert für Violine und Violoncello, indem er den beiden Solisten den größtmöglichen Spielraum zur musikalischen Entfaltung einräumt – die Grundlage für einen musikalischen Dialog. Aulis Sallinen wurde 1935 im damals zu Finnland gehörenden Salmi (1944 wurde das Gebiet der Sowjetunion zugeschlagen) geboren. Bereits im Kindesalter widmete er sich der Musik, begann Violine zu spielen und improvisierte in der Folgezeit am Klavier und komponierte kleine Stücke. Ab 1955 studierte Sallinen an der Universität Helsinki Pädagogik sowie an der Sibelius-Akademie Komposition unter Aarre Merikanto und Joonas Kokkonen. Von 1960 bis 1970 leitete er als Intendant das Finnische Rundfunk-Orchester und lehrte ab 1965 an der Sibelius-Akademie Kontrapunkt und Komposition. 1976 ernannte ihn die finnische Regierung zum „Künstler-Professor“ – von da an erhielt er vom Staat ein Professorengehalt; einige Jahre später erfolgte die Ernennung auf Lebenszeit. Seither widmet sich Aulis Sallinen voll dem Komponieren. Sein Schaffen ist zunächst geprägt durch einen meditativen, lyrischen, seriellen Stil. In den späten sechziger Jahren entwickelte Sallinen eine individuelle Technik, mit der er unzählige Klangelemente mit neuen Strukturen verband. Die finnische Volksmusik spielt dabei bis heute eine bedeutende Rolle; diese wird von Sallinen sehr häufig mit modernen klanglichen Strukturen wie Clustern verknüpft. Die Nähe zu Jean Sibelius ist dabei unverkennbar. Aulis Sallinens 1982/83 entstandene Komposition Schatten (Shadows) - Prelude for Orchestra op. 52, geht zurück auf die gleichnamige Novelle von Paavo Haavikko sowie das musikalische Material des dritten Aktes seiner dritten Oper »The King Goes Forth to France«. Dabei handelt es sich um eine postapokalyptische Erzählung über einen Englischen König, der sich auf den europäischen Kontinent begibt, um Land zu erobern, nachdem die Britischen Inseln von einer Eiszeit heimgesucht wurden. Sallinen selbst bezeichnet das Präludium als »Zwischenkomposition« des zweiten und dritten Akts seiner Oper. Trotzdem handelt es sich bei Shadows formal um eine völlig selbständige Komposition, wenngleich die lyrischen und dramaturgischen Inhalte die Philosophie der Oper widerspiegeln. Tragische und komische Elemente wechseln sich ab und erzeugen eine emotionale Doppeldeutigkeit, welche bis zum letzten Augenblick erhalten bleibt. Johannes Brahms’ letztes Orchesterwerk, das Konzert für Violine, Violoncello und Orchester in a-Moll, op. 102, entstand für den Geiger und Freund Joseph Joachim und den Cellisten Robert Hausmann als eine Art Versöhnungsversuch nach einem privaten Zwist mit Joachim: Brahms hatte in einer »Ehekrise« der Joachims für Joachims Frau Partei ergriffen. Sogleich bei dessen Uraufführung am 18. Oktober 1887 im Gürzenich in Köln unter der Leitung des Komponisten fand es Anklang beim Publikum, brauchte in der Folge doch ein wenig Zeit, um sich endgültig durchzusetzen und sich einen Platz im Orchesterrepertoire zu sichern. Brahms verzichtet bei diesem sinfonisch angelegten Doppelkonzert auf eine vorangestellte Tutti-Exposition und bricht damit keineswegs als erster diese Regel, hatten doch bereits Mozart und Beethoven bei zahlreichen Klavierkonzerten dies so gehandhabt. Der Kopfsatz hat zwar sinfonischen Charakter, doch in erster Linie bedenkt Brahms die beiden Solisten. Nach vier kompromisslosen, das erste markante Hauptthema andeutenden Tuttischlägen, setzt sogleich das Solocello mit einer ausgedehnten Kadenz ein. Danach erscheint in den Bläsern versteckt eine Vorwegnahme des Seitenthemas, das auf das a-MollViolinkonzert von Giovanni Battista Viotti zurückgeführt werden kann. Es folgt ein Miteinander der beiden Solisten, in dem das Orchester bis auf kleine Einwürfe zurücktritt. Danach erst beginnt die recht kurz gehaltene Tutti-Exposition. Das Hauptthema mit seiner Mischung aus Vierteln und großen Triolen ist typisch für Brahms. Zum Schluss überwiegen brillant-virtuose Momente. Das Andante folgt der dreiteiligen Liedform. Das Thema wird von Solisten und Orchester ausdrucksvoll eingeführt, es besteht aus gerade einmal vier Takten, die ganz übersichtlich ausgeführt sind. Im Mittelsatz erscheint in den Holzbläsern ein ruhig dahin schreitendes Legato-Thema – eine trügerische Ruhe. Denn kurz darauf bringt die Solovioline zu Orchestersynkopen Triolenbewegungen ins Spiel, in welche sich das Violoncello antwortend einfügt. Dieser Dialog gipfelt in einem Höhepunkt, ehe die Holzbläser über PizzicatoStreichern zur Haupttonart zurück modulieren. Das ausgedehnte Finale ist in Form eines Sonatenrondos gestaltet. Leichtfüßig beginnt das Cello mit dem chromatisch gefärbten Hauptthema. Es folgt eine recht freie Überleitung in den Solostimmen, bis ein schwelgerisches Thema einsetzt. Eine Sonderrolle wird der Klarinette zugestanden. Mehr als in den beiden ersten Sätzen rückt die instrumentale Virtuosität des einzelnen Solisten in den Vordergrund, das Orchester tritt im Schlusssatz deutlich zurück. Der ungarische Ton, den Brahms so liebte, wird hier besonders deutlich. Im Jahre 1788 entstanden innerhalb von knapp zwei Monaten Wolfgang Amadeus Mozarts drei letzte Sinfonien (KV 543, KV 550 und KV 551), die zugleich Abschluss und Höhepunkt seines sinfonischen Schaffens darstellen. Die Sinfonie Nr. 39 in Es-Dur KV 543 besticht durch eine größere stilistische Komplexität. Mozart paart barocke Ausdrucksfülle mit Bläserklängen, die an Joseph Haydn erinnern, und verweist mit massigen Skalenbewegungen und Dreiklangsbrechungen bereits auf Ludwig van Beethoven. In beeindruckender Art und Weise zeigt Mozart den gesamten Gestaltungsspielraum dieser Gattung auf. Um Mozarts Es-Dur-Sinfonie ranken sich Legenden: ein Auftraggeber ist unbekannt; eine Aufführung zu seinen Lebzeiten nicht gesichert. So verwundert es nicht, dass diese Sinfonie als »Vermächtnis für die Nachwelt« und »Appell an die Ewigkeit« bezeichnet wurde. Darüber hinaus wird die Sinfonie, welche besonders im Finalsatz nur so vor Optimismus und Leichtigkeit strotzt, sehr häufig mit Mozarts bedrückenden Lebensumständen im Jahre 1788 kontrastiert. Finster, geradezu unheimlich ist der Charakter der Introduktion. Abenteuerliche Harmonien, prägnante Dissonanzen und klare Punktierungen prägen die recht langsame Einleitung. Erst das romantische, zärtliche erste Allegro-Thema löst die Spannung, welches sogleich in die Hörner übergeht. Wehmutig gestaltet sich auch das Seitenthema in den Violinen und Bläsern. Erst die Durchführung mit ruppigen Unisono-Motiven kann die schwebende, verträumte Stimmung aufbrechen. Im Andante con moto – mit einem marschartigen Rhythmus - konzentriert sich Mozart besonders auf vielschichtige Motivgruppen, die kontinuierlich neu gestaltet und angeordnet werden; Lied- und Variationsform vermischen sich. Das Menuett vereint prägnante Rhythmik mit farbiger Instrumentation sowie Geigen- mit Bläserklang. Aus einem einzigen Thema entwickelt sich das in Sonatensatzform gestaltete Finale, welches sich als große Durchführung präsentiert. Mozart verzichtet dabei auf sämtliche Gegenthemen, geht direkt vom Hauptthema in die ständige Verwandlung und Verarbeitung des Hauptgedankens über und erzeugt somit besonders durch die Holzbläser das Gefühl eines sich fortwährenden musikalischen Hintereinanders. Die tatsächliche Durchführung wird dann nochmals harmonisch verdichtet, und so rollt der Satz triumphal seinem Ende entgegen. Text: Markus Pietrass