Die offene Gesellschaft und ihre Feinde I

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Fachhochschule St. Pölten-Studiengang Medienmanagement
VO Pädagogik - Wintersemester 2001/02
Vortragende: Dr. Astrid Wiesenöcker
Die offene Gesellschaft und
ihre Feinde
Teil 1 Der Zauber Platons
Karl R. Popper
Markus Derler mm0110
Barbara Hinger mm011030
Christoph Ramler mm011064
Gernot Schwendtner mm0110
Der Autor
Sir Karl Raimund Popper (1902 - 1994) war Österreicher jüdischer Abstammung.
Sohn eines liberalen, sozial engagierten Rechtsanwalts mit philosophischer und
geschichtlicher Bildung, der Mitglied der illegalen Freimaurerloge in Wien war.
Popper stammte aus einer sehr musikalischen Familie. So sehr ihm Bücher auch
wichtig waren, ging ihm nichts näher als die Meisterwerke der klassischen Musik.
Um sich gegen die poetische Weltflucht und den Kulturpessimismus seiner
gesellschaftlichen Umgebung (im Gefolge des Untergangs des Habsburger Reiches
nach dem 1. Weltkrieg) und gegen intellektuelle Anmaßung abzugrenzen,
entschloss Popper sich, Arbeiter zu werden und ein Handwerk zu erlernen. So
machte er neben seiner Ausbildung zum Grundschullehrer eine Tischlerlehre.
Anschließend war er Hauptschullehrer für Mathematik und Physik in Wien.
Wegen seiner starken philosophischen und wissenschaftlichen Interessen und seiner
intellektuellen Leistungsfähigkeit blieb er dort allerdings nicht stehen, sondern
entwickelte sich zu einem der wichtigsten Erkenntnis- und Gesellschaftstheoretiker
des 20. Jahrhunderts. Während der Nazizeit nach Neuseeland emigriert, lebte er
seit 1946 bis zu seinem Tode in Großbritannien, wo er Professor an der 'London
School of Economics and Political Sciences war.
K. R. Popper gilt als Begründer des Kritischen Rationalismus.
Seine berühmtesten Werke sind:
 Logik der Forschung
 Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde
Fehlbarkeit des Wissens – eine Einleitung
Popper befasste sich zunächst mit der Frage nach sicherem Wissen. Dabei ging er
davon aus, dass unser Wissen fehlbar ist. Diese These ist nicht neu: Bereits die
Vorsokratiker sowie Platon und auch David Hume sind von dieser Annahme
ausgegangen.
Den Fortschritt der Wissenschaft sah Popper- trotz aller Irrtümer- im Wesentlichen
in der Annäherung an die Wahrheit.
Der Gang der Wissenschaft bestand für ihn in einem ständigen Probieren, Irren,
Weitersuchen.
Wissenschaftliche Theorien sind als Hypothesen zu verstehen, die sich einer
permanenten kritischen Prüfung unterziehen müssen und die nur so lange gültig
sind, wie sie nicht falsifiziert worden sind. Die Falsifikation wurde zum
wesentlichen Verfahren wissenschaftlicher Theorienbildung.
Damit stellte sich Popper dagegen, dass die Wissenschaft ihre Aufgabe darin sieht ,
ihre Theorien zu verifizieren (bestätigen, bewahrheiten). Auf diese Art könne man
Fehler im Denken nicht korrigieren.
„Alle Schwäne sind weiß“ – der 3765 Schwan beweist nicht, dass alle Schwäne weiß
sind, aber der erste schwarze Schwan beweist, dass nicht alle Schwäne weiß sind –
folglich gilt die Theorie nur solange, bis sie nicht durch eine solche Beobachtung
widerlegt wird.
2
Die offene Gesellschaft
Der Raum, in dem die kritische Überprüfung aller Hypothesen geschehen kann, war
für Popper allein in der Demokratie, in der offenen Gesellschaft gegeben.
Diese gewährt zugleich Sicherheit und Freiheit. Sie ist gefährdet durch die
totalitäre Tendenz, die Popper bei den falschen Propheten Hegel und Marx, vor
allem aber bei Platon sah. Die Utopien die diese Theoretiker entwarfen, waren für
Popper totalitär und menschenfeindlich.
Vor allem aber gingen sie davon aus, dass sie richtig sind, der Wahrheit
entsprechen.
Eine Falsifikation, wie Popper sie für alle Hypothesen forderte, ist nicht möglich.
Für die offene Gesellschaft, die Demokratie, zitierte Popper den Griechen Perikles:
„Obgleich nur wenige eine politische Konzeption entwerfen und durchführen
können, so sind wir doch alle fähig, sie zu beurteilen.“
Poppers vehementes Eintreten für die Demokratie hat nicht zuletzt historische
Gründe. Faschismus und Kommunismus als Versuche, politische Utopien zu
verwirklichen, haben Poppers erste Lebenshälfte geprägt.
„Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, produziert stets die Hölle.“
Popper meinte, wir sollten den Anspruch aufgeben, das Glück aller zu verwirklichen
(womöglich um den Preis zeitweisen Leidens bestimmter Schichten oder ganzer
Generationen) und lieber darauf achten, das Leiden zu vermindern, sich darüber
hinaus auch noch um das positive Glück anderer zu sorgen. Dieses Bestreben sollten
wir auf den engen Kreis unserer Freunde beschränken.
PLOT
Der Historizismus und der Schicksalsmythos
Der deutschen Ausgabe des ersten Bandes stellt Popper einen kurzen Rückblick auf
Kant, seine Ideen und Theorien voran und führt an, dass Kant gezeigt habe, "dass
jeder Mensch frei ist: nicht weil er frei geboren, sondern weil er mit einer Last
geboren ist – mit der Last der Verantwortung für die Freiheit seiner Entscheidung."
In der Einleitung definiert Popper den Begriff des Historizismus, mit dem er im
Laufe des Buches laufend arbeitet. Eine historizistische Denkweise meint, dass man
mit Hilfe der Geschichte und den beobachtbaren Gesetzen der Geschichte auf die
Zukunft schließen und gesellschaftliche und politische Entwicklungen voraussagen
könne.
Um dem Ursprung des Historizismus auf den Grund zu gehen, führt er im ersten
Kapital noch an, dass es verschiedene Formen von Historizismus gibt (theistisch,
ökonomisch), dass aber vielen historizistischen Theorien die Lehre vom
auserwählten Volk gemeinsam ist.
Die beiden modernsten Formen des Historizismus, der Faschismus und die
Geschichtsphilosophie Marx – beim Faschismus wird von einer auserwählten Rasse
und bei Marx von einer auserwählten Klasse ausgegangen – gehen laut Popper auf
Hegel zurück. Dessen Philosophie folgte aber wiederum den Philosophen des
Altertums Heraklit, Platon und Aristoteles.
3
Heraklit
Im Kapitel 2 beschreibt Popper Heraklits Lehre vom Feuer und seine Idee der
Veränderung, durch welche Platon ganz maßgeblich beeinflusst wurde. Heraklit
sieht die Welt nicht als Ansammlung von Dingen, sondern als Prozess und als eine
Gesamtheit der Ereignisse. Veränderung bringt in diesem Prozess vornehmlich der
Krieg, der als Streit und Kampf überall vorkommt. Er ist das dynamische und
schöpferische Prinzip aller Veränderung und stellt Unterschiede zwischen den
Menschen dar. "Die einen erweist er als Götter, die anderen als Menschen,... "
Platons Ideenlehre
Im Kapitel 3 befasst sich Popper dann mit Platons Ideenlehre, der ganz wesentlich
vom Peloponnesischen Krieg, seinen Seuchen, Hungersnöten und dem Fall der Stadt
Athen und der darauf folgenden Herrschaft der dreißig Tyrannen geprägt war. Wie
wohl diese Schreckensherrschaft gestürzt und eine Demokratie eingerichtet wurde,
stellte sich für Platon keine Entspannung ein.
Er stellte ein historisches Entwicklungsgesetz auf, in dem sich die kosmische
Ordnung im Verlauf der Geschichte widerspiegelt. Hierbei meinte er, dass der Staat
und die Gesellschaftsordnung auf einem ständigen Weg der Degeneration sei, vom
vollkommenen Staat ausgehend zur Verderbnis führend. Dieses Gesetz des Verfalls
sei aber möglich durch eine übermenschliche Anstrengung zu durchbrechen, indem
ein statischer Staat eingerichtet wird. Diesen Überlegungen liegt Platons Theorie
der Ideen zu Grunde, in der er festhielt, dass allen veränderlichen Dinge, wie wir
sie in der Welt sehen, ein vollkommenes unvergängliches Urbild zu Grunde liegt.
Aus dieser Ideenlehre ergeben sich wichtige Funktionen für Platons Philosophie,
und zwar, dass es Wissen ermöglicht, das sich auf die Welt der sich ständig
verändernden Dinge anwenden lässt. Somit konnte er Probleme einer sich
verändernden Gesellschaft untersuchen und eine politische Wissenschaft aufbauen,
mit der es auch möglich war Instrumente zu konstruieren, mit denen man dem
gesellschaftlichen Verfall entgegenwirken kann, indem man einen idealen Staat
plant, der der Idee des idealen Staates so entspricht, dass er sich nicht verändern
kann.
Außerdem führt Popper den Begriff des methodologischen Essentialismus ein,
dessen Prinzip von Platon auf die ganze Welt angewendet wurde. Nach ihm hat die
Wissenschaft zur Aufgabe, die wahre Natur, das wahre Wesen der Dinge mithilfe
der Formulierung von Definitionen zu beschreiben.
Ruhe und Veränderung
Im Kapitel 4 Platons deskriptive Soziologie betont Popper die Bedeutung Platons als
Sozialwissenschaftler, dessen Soziologie eine Mischung aus Spekulationen
(Ideenlehre) und genauer Tatsachenbeobachtung war.
Hauptaspekte dieses Kapitel sind aber Platons Theorie der sozialen Entwicklung und
die Mitteln, mit denen man dieser Degeneration entgegenwirken kann.
Das Urbild der Gesellschaftsordnung ist das Königtum der weisesten und
gottähnlichsten Menschen. Die unmittelbar nachfolgende ist die Timokratie –
Herrschaft der nach Ruhm und Ehre strebenden Vornehmen – diese hat Platon mit
den dorischen Konstitutionen Spartas und Kretas identifiziert. Durch spaltenden
4
Ehrgeiz und Geldgier entsteht die Oligarchie – Herrschaft der reichen Familien –
durch auflehnende Bürger entsteht dann die Demokratie – Herrschaft der Freiheit –
diese setzt Platon mit freier Gesetzlosigkeit gleich. Schließlich die entartetste
Form, die Tyrannei – Herrschaft eines Führers.
Popper führt dann an, wie Platon sich einen vollkommenen Staat vorstellte und
betont, dass es Platon nicht darum ging einen neuen Staat zu konstruieren, sondern
er wollte mehr oder weniger das Urbild, den Vater des spartanischen Staates
wiederherstellen. Er dachte dabei an einen Sklaven- bzw. Kastenstaat, der im
Wesentlichen aus zwei Klassen bestand. Die Herrscher kennzeichnen sich durch das
Tragen von Waffen und Ausbildung und die Klasse der unbewaffneten,
unausgebildeten Beherrschten dadurch, dass sie als untergeordnete Rasse nur der
Funktion der Befriedigung materieller Bedürfnisse der herrschenden Klasse dienen.
Diese starre und geschlossene Gesellschaftsordnung erhoffte sich Platon durch die
Einführung des Kommunismus in der Herrscherklasse zu bewahren, sodass
ökonomische Interessen ausgeschaltet und das Privateigentum abgeschafft werden.
Außerdem darf es unter keinen Umständen zu einer Vermischung der Klassen
kommen und die Beherrschten, die Platon in weiterer Folge menschliche Herde
heißt, solle genauso behandelt werden, wie ein hartherziger Hirte seine Schafe
hüte, nicht zu grausam aber mit gebührender Verachtung. Zu diesem Zwecke sollte
die Erziehung der Herrscher, die Platon Wächter nennt, aus einem wilden und
einem sanften Element bestehen. Sie sollten also in Gymnastik und Musik (auch
Literatur) geschult werden, auf das Ziel hin die Stabilität des Staates aufrecht zu
erhalten.
Natur und Konventionen
Am Anfang des 5. Kapitels wird erst einmal unterschieden zwischen Naturgesetzen
und normativen Gesetzen oder Normen. Die Naturgesetze sind demnach
unveränderlich und außerhalb der menschlichen Kontrolle. Die normativen Gesetze
jedoch sind Richtlinien für das Verhalten und in Form von Sanktionen und
Bestrafung vom Menschen durchsetzbar.
Der Ausgangspunkt für die Unterscheidung zwischen natürlichen und normativen
Gesetzen war der naive Monismus. Er ist charakteristisch für die geschlossene
Gesellschaftsform. Das Endstadium ist dann schließlich der kritische Dualismus.
Hier wird bewusst unterschieden zwischen den auf Entschluss und Übereinkunft
gegründeten normativen Gesetzen und den natürlichen Regelmäßigkeiten. Man
erkennt den Dualismus von Tatsachen und Normen, sowie von Natur und
Konventionen. Da die Normen vom Menschen gemacht und verändert werden
können, sind wir auch verantwortlich für diese Entscheidungen.
Entscheidungen beziehen sich auf Tatsachen, sie lassen aber niemals aus Tatsachen
herleiten. So meint schon der erste kritische Dualist Protagoras, dass die Natur
keine Normen kennt; die Einführung der Normen geht auf den Menschen zurück
(Lehre von der Autonomie der Ethik).
Im sozialen Leben gibt es Naturgesetze, sog. soziologische Gesetze. Sie sind mit
dem Funktionieren sozialer Institutionen verbunden. Durch sie kann etwas erreicht
werden, was die bloße Muskelkraft übersteigt.
Vom naiven Monismus bis hin zum kritischen Dualismus gab es drei Zwischenstufen.
Die erste, der biologische Naturalismus, zeigt laut Platon den natürlichen
Gegensatz zwischen Griechen und Barbaren, sprich dem natürlichen Herren und
5
den natürlichen Sklaven. Dieser Gegensatz ist aber der Grund für das
Zusammenleben der beiden, ihre natürlichen Gaben ergänzen einander. Die zweite
Zwischenposition, der ethisch/juridische Positivismus sieht das positive Recht als
die einzig zulässige Norm und ist daher sehr konservativ und autoritär. Er hebt den
konventionellen Charakter aller Normen hervor, als Produkt der menschlichen
Gesellschaft Der psychologische oder spirituelle Naturalismus kann als Kombination
der beiden gesehen werden. Er kritisiert u.a. am biologischen Naturalismus, dass
dieser übersieht, dass manche Menschen nach Höherem streben.
Später in diesem Kapitel wird Platons Naturalismus ausführlicher analysiert. Es
wird erwähnt, dass die Natur eines Dinges die eingeborene, ursprüngliche Qualität,
m.a.W. das inhärente Wesen ist. Künstlich ist all das, was später vom Menschen
geändert wurde. Die Seele (physis) ist also das erste. Seine Lehre von der "Natur"
eröffnet einen Zugang zu seiner historizistischen Methodologie. Diese besagt, das
die Geschichte nicht um ihrer selbst Willen studiert wird, sondern sie dient als die
Methode der Sozialwissenschaften. Die Frage nach der Natur der menschlichen
Gesellschaft, des Staates muss demnach in die Frage nach dem Ursprung
umgewandelt werden. Der Ursprung ist der Gesellschaftsvertrag, Gesellschaft und
Individuen hängen voneinander ab. Es wird das ökonomische Prinzip der
Arbeitsteilung eingeführt und schafft so die einzig bedeutsame Arbeitsteilung laut
Platon, nämlich zwischen Herrschern und Beherrschten.
Des weiteren sagt Platon, dass ein idealer Staat wegen seiner Selbstgenügsamkeit
das vollkommene Individuum ist. Er vergleicht den Staat mit seiner Einteilung der
menschlichen Seele in Vernunft, Energie und Begierde (biologische Theorie des
Staates). Das entspricht den drei Klassen des Staates: Wächter, Krieger und
Arbeiter. Sogleich liefert er seine Theorie vom Untergang dieses ersten,
vollkommenen Staates, der durch die biologische Degeneration der Menschenrasse
vor sich ging. Da die Kenntnisse zur Züchtung der Herrenrasse, so Platon, nur
empirischer, nicht aber rationaler Natur waren, geschahen Fehler und Entartung
setzte ein. Das war der Ursprung der Zwietracht innerhalb der herrschenden Klasse
und somit der Ursprung der historischen Entwicklung.
Die totalitäre Gerechtigkeit
Das Kapitel 6 beschäftigt sich mit der totalitären Gerechtigkeit in Platons
politischem Programm. Seine Forderungen lassen sich in der idealistischen Theorie
von Ruhe und Veränderung sowie seinem Naturalismus ausdrücken. Der politischen
Veränderung muss Einhalt geboten werden, um dem Urbild des Staates zu gleichen.
Das lässt sich laut Platon durch die Rückkehr zur natürlichen Klassenherrschaft der
weisen Wenigen über die unwissenden Vielen realisieren. Die Grundelemente der
gefestigten Klassenherrschaft sind sehr totalitär und beruhen auf seinem
Historizismus. Das sind folgende: strenge Klasseneinteilung und Identifikation des
Schicksals des Staates mit dem Schicksal der herrschenden Klasse. Daraus folgt,
dass die herrschende Klasse ein Alleinrecht auf militärische Ausbildung und
Erziehung hat, aber vom Geldverdienen ausgeschlossen ist. Die Zensur muss die
intellektuelle Tätigkeit dieser Klasse kontrollieren, um Neuerungen zu verhindern;
und der Staat muss sich selbst versorgen können. Konträr jedoch zu heutigen
totalitären Lehren, sind Platons Ziele die Wohlfahrt der Bürger und die Herrschaft
der Gerechtigkeit.
Platon sah das als Gerechtigkeit, was im Interesse des besten Staates gelegen ist.
Es ist also jeglicher Austausch oder Wechsel zwischen den drei Klassen als
6
Ungerechtigkeit zu sehen, Klassenprivilegien sind gerecht, sie tragen zur Stabilität
des Staates bei. Sein Begriff von Gerechtigkeit ist demnach grundverschieden zu
unserer herkömmlichen, humanitären Auffassung davon. Sie dient nämlich seinem
Verlangen nach einer totalitären Klassenherrschaft. Seine Gerechtigkeits-Begriff
entspricht dem Prinzip der natürlichen Vorrechte, dem allgemeinen Prinzip des
Kollektivismus und dem Prinzip, dass die Erhaltung und Stabilisierung des Staates
der Zweck des Individuums sei.
Das widerspricht vehement dem Prinzip der Gleichberechtigung, das Perikles einige
Zeit vor Platon aufstellte. Platons Antwort auf die Gleichheitsidee: "Gleiche
Behandlung Ungleicher muss Ungleichheit zeugen." Aristoteles entwickelte dies
weiter zu: "Gleichheit für Gleiche und Ungleichheit für Ungleiche." Für Platon war
Gerechtigkeit so etwas wie die Unparteilichkeit. Er schlussfolgert, dass es gerecht
ist, wenn man seinen Platz innerhalb der Klasse oder Kaste, der man angehört,
beibehält.
Platon greift auch den Individualismus, die Rechte menschlicher Individuen, an.
Demnach sollen alle Bürger, selbst Kinder, seines Kastenstaates ihr Leben in einem
Zustand dauernder Kriegsbereitschaft verbringen. Durch lange Gewöhnung soll
jeder seine Seele so in Zucht nehmen, dass niemand auch nur auf den Gedanken
kommt, unabhängig zu handeln. Platon hasste das Individuum und seine Freiheit.
Auf dem Gebiet der Politik ist das Individuum für ihn das Böse selbst, ein völlig
minderwertiges Ding. Durch seinen radikalen Kollektivismus ist er an der
Gerechtigkeit aus Sicht der Individuen nicht interessiert, nur das kollektive Ganze
ist für ihn von Bedeutung. Gerechtigkeit ist demnach nichts anderes als die
Gesundheit, Einheit und Stabilität des Kollektivkörpers, sprich des Staates. Sein
Ideal war aber nicht die größtmögliche Ausbeutung der arbeitenden Klasse durch
die Oberklasse, sondern, wie erwähnt, die Stabilität des Ganzen. Diese totalitäre
Staatsauffassung ist also die Moral der geschlossenen Gesellschaftsordnung, wie in
Stämmen und Horden.
Obwohl Platons Theorie die Klassenvorrechte betont, sollen dennoch die Weisesten
und Besten herrschen.
Das Prinzip des Führertums
In diesem Kapitel versucht Popper weiter auf die Analyse einzugehen, welche
Aufgaben haben die sittlichen Ideen, wie die Idee der Gerechtigkeit , des Guten ,
des Schönen, der Weisheit, der Wahrheit und der Glückseligkeit in diesem
Programm erfüllen.
Popper meint, dass die Fragestellung von Platon, wer soll in einem Staat herrschen
oder wessen Wille soll der höchste sein, die Philosophie sehr verwirrt hat.
Denn sobald diese Frage gestellt ist, ist es schwer sie zu umgehen. Logischerweise
wird sie mit, der Beste, der Weiseste oder welcher die Kunst des Herrschens
beherrscht, beantwortet.
Eine derartige Antwort führt uns in einen Irrglauben. Sie überzeugt uns nämlich,
dass ein fundamentales Problem in der Politik gelöst ist, jedoch haben wir die
Schwierigkeit mit dieser Frage nur übergangen.
Popper meint, dass wir die Frage anders formulieren müssen. Wie können wir
politische Institutionen so organisieren , dass es schlechten oder inkompetenten
Herrschern unmöglich ist, allzu großen Schaden anzurichten?
7
Leute die die ältere Frage für fundamental halten, nennen den Zustand dass ein
Herrscher tun und lassen kann was er will, souverän.
Popper fügt jedoch an, dass es schwerwiegende Einwände gegen eine vorschnelle
und unkritische Annahme der Theorie der Souveränität gibt.
Er meint diese Theorie sei unrealistisch. Ein Herrscher wird immer von seinen
Helfern abhängig bleiben.
Er meint, dass die Frage, sollten wir nicht eine institutionelle Kontrolle der
Regierenden anstreben, gestellt werden sollte. Die Macht des Herrschers sollte im
Gleichgewicht gehalten werden. Diese Theorie der Kontrolle und gegenseitigen
Beschränkung der Kräfte im Staat verdienen eine ernsthafte Diskussion.
Popper meint, dass es in der Politik ein kluges Prinzip wäre, wenn wir uns, so gut
wir können, für das Ärgste vorbereiten, obschon wir natürlich zur gleichen Zeit
versuchen sollten, das Beste zu erreichen. „ Es scheint mir Wahnsinn, alle unsere
politischen Bemühungen auf die schwache Hoffnung zu gründen, dass die Auswahl
hervorragender oder auch nur kompetenter Herrscher von Erfolg begleitet sein
kann.“1 Weiter meint er, dass alle Theorien der Souveränität paradox sind .
Das die Demokratie die Herrschaft des Volkes sei zweifelt Popper immens an. Die
Bevölkerung kann zwar mit Drohung durch Absetzen des Herrschers drohen, regiert
jedoch niemals selbst.
Man solle jedoch lieber die schlechteste Demokratie aushalten, bevor man sich
einer noch so weisen und wohlwollenden Tyrannei (Poppers Bezeichnung für
Diktatur) unterwirft.
Platons Führerprinzip sei von einem reinen Personalismus weit entfernt, da es
nämlich mit Institutionen arbeitet. Weiter ist ein reiner Personalismus unmöglich,
sowie sich auch ein reiner Institutionalismus nicht durchführen lässt.
Institutionen sind wie Festungen, die wohlgeplant und wohlbemannt sein müssen.
Oft übersehen die Kritiker der Demokratie die Unterscheidung zwischen den
menschlichen oder persönlichen und dem institutionellen Element in einer sozialen
Situation.
Der moralische Intellektualismus des Sokrates hat auf der einen Seite
demokratische Aspekte, jedoch auf der anderen auch stark antidemokratische
Tendenzen.
„Der Nachdruck, mit dem er die Notwendigkeit von Aufklärung und Erziehung
hervorhebt, kann leicht als eine Forderung nach autoritären Methoden
missverstanden werden.“2
Sokrates wusste, dass das politische Leben des Staates durch die Erziehung der
Bürger zur Selbstkritik verbessert werden könnte. Er hat weiters seine
erzieherische Tätigkeit mit seiner politischen identifiziert.
Im weiteren verlauf geht Popper noch genauer auf Platon ein.
Er meint, dass Platon hoffte, die politische Veränderung durch die institutionelle
Kontrolle der Nachfolge in der Führerschaft zum Stillstand bringen zu können.
Ein guter Politiker sollte ein Liebhaber der Wahrheit und Weisheit, aber kein
Fachmann sein. Dieser sei nur dann weise, wenn er seine Grenzen kenne.
1
2
Vgl. S. 147
Vgl. S. 155
8
Der königliche Philosoph
Popper beginnt dieses Kapitel mit folgendem Zitat von Platon:
„Und der Staat wird Monumente errichten,.....um ihr Angedenken zu wahren. Und
Opfer werden ihnen als Halbgötter dargebracht werden,....als Menschen, die durch
Gnade geheiligt und den Göttern ähnlich sind.“3
Platon glaubt nicht wirklich an die Behauptung, „wer sind die eigentlichen
Philosophen? – diejenigen, die die Wahrheit lieben.“ An anderen Stellen seines
Werkes erklärt er nämlich, dass es eines der Privilegien des Herrschers sei, Lüge
und Täuschung in vollem Ausmaß verwenden zu können.
Popper meint auch, dass Platons Zögern, seine Rassenlehre in ihrer radikaleren
Form vorzutragen, scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass er wusste, wie sehr sie
den demokratischen und humanitären Tendenzen seiner Zeit zuwiderlief.
Laut Kritias ist die Religion nichts anderes als die vornehme Lüge eines großen und
geschickten Staatsmannes. Platons Ansichten sind sehr ähnlich. Seine Theorie der
Wahrheit sind nicht ganz so radikal, wie seine Theorie der Gerechtigkeit.
„Die erste und bedeutendste Funktion des königlichen Philosophen ist die des
Gründers und des Gesetzgebers des Staatswesens.“4
Popper meint es sei einleuchtend, warum Platon für eine derartige Aufgabe einen
Philosophen benötigt. Wenn ein Staat nämlich stabil sein soll, dann muss er eine
Wahre Kopie der göttlichen Form oder Idee des Staates sein und nur ein Mensch der
in der Dialektik wohl bewandert ist, besitzt auch die Fähigkeit diesen himmlischen
Ort nachzubilden.
Platons philosophische Erziehung hat eine politische Funktion. „Sie zeichnet die
Herrscher aus und sie errichtet eine Schranke zwischen ihnen und den
Beherrschten.“5
Popper ist der Ansicht, dass dies auch bis auf unsere Zeit eine der Hauptfunktionen
der sogenannten „Höheren“ Erziehung geblieben ist.
Die Eugenik spielt in der Lehre Platons eine sehr wichtige Rolle, da ein Staat zum
Verderben verurteilt ist, sobald nicht mehr die Herrenrasse regiert.
Platons Idee des Menschen ist nicht wie viele dachten ein Universalbegriff, sondern
eine spezielle Art von Mensch, nämlich dem gottähnlichen, schönen und
charakterstarken Menschen.
In der Folge hat also der Philosoph nicht nur das göttliche Urbild des Staates
nachzubilden, sondern auch den Menschen selbst.
Die Überwachung der Menschenzüchtung durch Philosophen hat ihre wichtigste
Aufgabe darin, die Gefahr der Degeneration zu bekämpfen.
Platon selbst wollte auf die Königsherrschaft anspielen, da er der einzige war (dies
geht aus seinem Werk hervor) der das Geheimnis des wahren Wächteramts der
Herrenrasse kannte.
„Wenn ihr mich wünscht müsst ihr zu mir kommen, und wenn ihr drängt, so werde
ich vielleicht euer Herrscher werden. Aber ich werde euch nicht darum bitten.“6
3
Vgl. S.165
Vgl. S.173
5
Vgl. S 176
6
Vgl. S. 184
4
9
Manchmal, meint Popper, kommt es ihm vor, dass ein Teil der Begeisterung für
Platon dem Umstande zuzuschreiben ist, dass er vielen heimlichen Träumen
Ausdruck verlieh. Sogar dort wo er gegen den Ehrgeiz argumentiert, zwingt sich
Popper und vielen anderen Menschen der Gedanke auf, dass Platon von ihm
inspiriert ist.
Weiter ist es die Ansicht Poppers, dass hinter der Idee des königlichen Philosophen
auch ein Machtanspruch steht.
Diese Idee des Platon findet nicht sehr große Anerkennung bei Popper, da sich
Platon zu sehr über die gewöhnlichen Menschen stellt, jedoch nicht auf Lügen im
Staat verzichten will.
Ästhetizismus, Perfektionismus, Utopismus
In Kapitel 9 beschäftigt sich Popper weiterhin kritisch mit Platons politischem
Programm. Er wirft ihm vor, einer sogenannten "utopischen Sozialtechnik"
anzuhängen und trifft ganz klar die Unterscheidung zwischen "utopischer
Sozialtechnik" und der von ihm favorisierten "Sozialtechnik der kleinen Schritte".
Popper erklärt die utopische Sozialtechnik "als utopischen Versuch, einen Idealstaat
aufgrund eines Entwurfs einer völlig neuen Gesellschaftsordnung zu verwirklichen,
eine streng zentralisierte Herrschaft einiger weniger; und er führt daher aller
Wahrscheinlichkeit zu einer Diktatur." Das Hauptaugenmerk liegt auf einem, meist
noch weit entfernten Endziel, das unter Erbringung großer Opfer erreicht werden
soll. Weiters dürfen sich während dieser langen Zeit des Umbruchs die Ideale nicht
ändern, sonst ist das Endziel in Gefahr. Außerdem scheitert die utopistische
Sozialtechnik schon an der rationalen Auswahl des Endziels. So gibt es keine
rationale Methode zur Bestimmung eines allumfassend gültigen Ideals und schon gar
keine rationale Methode zu seiner Verwirklichung.
Popper empfiehlt nun im Gegensatz zu Platons Philosophie die "Sozialtechnik der
kleinen Schritte. Darunter versteht er ein Vorgehen, das anerkennt, dass jede
Generation von Menschen, also auch die lebende, ihren Anspruch auf eine
lebenswertes Leben hat und nicht irgendeinem utopischen Endziel geopfert werden
darf. Der Politiker der kleinen Schritte hat zwar auch ein Ideal im Kopf, ist sich
aber durchaus bewusst, dass dieses in weiter Ferne liegt und vielleicht erst von
kommenden Generationen verwirklicht werden kann. Er versucht vielmehr die
dringend anstehenden Probleme der Gegenwart zu lösen.
Popper geht in diesem Teil des Buches auch auf Marx ein und distanziert sich von
ihm und der Art und Weise wir Marx einerseits jede Art von Sozialtechnik kritisiert
und anderseits trotzdem der ästhetischen Idee eines vollkommenen Umbaus der
Gesellschaft anhängt.
Popper hält es für unrealistisch, anzunehmen, "dass eine völlige Rekonstruktion
unserer sozialen Welt sogleich zu einem arbeitsfähigen System führen wird."
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
In diesem Kapitel beschäftigt sich Popper noch einmal genauer mit den moralischen
Ideen Platons, und hier besonders mit der Idee der Glückseeligkeit.
Einerseits sagt Platon sinngemäß, dass Glückseeligkeit nur durch Gerechtigkeit
erreicht werden kann, und zwar Gerechtigkeit in Form von strenger Klassenteilung.
D. h. er meint, dass der Herrscher muss Glückseeligkeit im Herrschen finden, der
10
Krieger im Kriege führen und der Sklave in der Sklaverei. Mit dieser Thematik
befasst sich Popper jedoch schon ausführlich in vorangegangenen Kapiteln.
Hier am Ende seines Buches sucht er nach Schwachstellen in seiner These, die
besagt, dass Platon ein totalitärer Parteipolitiker war.
Er setzt hier an folgendem Punkt an: Platon hasste die Tyrannei und rühmte die
Freiheit im Gegensatz zu Tyrannei.
Popper versucht Platon in Analogie zu den modernen totalitären Ideen zu verstehen
und gewinnt dabei eine neue Sicht der totalitären und ihrer sozialen Funktionen.
Wie er schreibt, ändert die neue Sicht keineswegs seine Abscheu vor totalitären
Ideen, er gesteht ihnen jedoch zu, dass sie den Versuch machen, einem Bedürfnis
aus dem Volk entgegenzukommen.
Umgelegt auf Platon bedeutet das nach Popper, dass die Bürger zur Zeit Platons
wirklich unter einer schweren Last litten, nämlich der sozialen Revolution, die mit
dem Aufstieg der Demokratie einherging. Platon wollte also mit der Bekämpfung
des sozialen Wandels die Bürger glücklich machen. Nur die Methode, die er dazu
wählte, war nach Poppers Meinung die falsche.
An diesem Punkt wendet sich Popper dem historischen Material zu, das ihn bei
seinen Erkenntnissen begleitet.
Er beschreibt, dass unsere abendländische Gesellschaft von den Griechen
herstammt und dass sie die erste war, die den Schritt von der Stammesmoral zu
humanitärer Gesinnung, d. h. von der „geschlossenen“ zur „offenen Gesellschaft“
getan hatte.
Popper geht nun auf die Merkmale von „geschlossenen Gesellschaften“, also
Stammesgesellschaften ein und beschreibt hier vor allem ein Hauptmerkmal:
Stammesgesellschaften unterscheiden nicht zwischen natürlichen und
konventionellen Regelmäßigkeiten des sozialen Lebens, d. h. sie erachten
gesellschaftlich vereinbarte Regeln, wie z. B. Stammesrituale, als genauso von
einem übernatürlichen Willen aufgezwungen wie die Gegebenheiten der Natur
(Unwetter etc.), und dementsprechend unveränderbar sind diese Regeln. Tabus
beherrschen den Alltag.
Dafür hat das einzelne Individuum selten Probleme sich zu orientieren, es kennt
seinen Platz (den es ja nicht verlassen kann) in der Gesellschaft.
Im Gegensatz dazu, die „offene Gesellschaft“. Mitglieder einer offenen
Gesellschaft versuchen laut Popper in der Hierarchie emporzukommen. Die offene
Gesellschaft kann sich zu einer abstrakten Gesellschaft entwickeln, in der sich die
einzelnen Individuen nicht kennen, im Extremfall vollkommen isoliert voneinander
leben und nur mehr über Maschinen kommunizieren, handeln etc.
Popper beschreibt unsere heutige Gesellschaft als eine Mischform aus offener und
geschlossener Gesellschaft. Einerseits bestehen auch heutzutage jede Menge
gesellschaftlicher Tabus, anderseits hat unsere Gesellschaft auch sehr viele
Merkmale eines abstrakten, entpersönlichten Zusammenlebens.
Die offene Gesellschaft, für die Popper ja plädiert, bietet die Möglichkeit,
persönliche Beziehungen neuer Art, unabhängig von Traditionen einzugehen und
den Geist zu entfalten, unabhängig von biologischen und physischen
Voraussetzungen.
Für die Griechen musste der Übergang von der geschlossenen zu offenen
Gesellschaft eine schwere Erschütterung gewesen sein und sie wurde auch nicht
bewusst herbeigeführt. Die Bevölkerung der Städte wurde einfach zu groß, der
Organismus begann zu zerfallen und Tochterstädte, zu gründen. Tochterstädte
bedeuteten Reisen und Kolonisation, was wiederum Berührung mit fremden
11
Kulturen und das erstmalige Infragestellen der eigenen Kultur mit sich brachte. Es
entstand eine neue Klasse des Handels und der Schifffahrt und damit eine der
größten Gefahren für die geschlossenen Gesellschaft.
Popper betrachtet diese Entwicklung anhand zweier konträrer Beispiele, nämlich
Sparta, das diese Entwicklung aufzuhalten versuchte, und Athen, die führende
Demokratie, die durch Kolonisation ihren Einflussbereich immer mehr ausweitete.
Zur Zeit der peloponnesische Kriege 431 - 421 und 413 – 404 v. Chr. zwischen Athen
und Sparta löste das Aufbrechen der Stammesgesellschaften viel Leid und
Verwirrung unter den Menschen aus. Gleichzeitig aber meint Popper entstand in
der neuen Generation ein Glaube an Vernunft, an die Freiheit und an die
Brüderlichkeit aller Menschen. Zum Beweis zitiert er freigeistige Philosophen, die
der Demokratie positiv oder zumindest kritische gegenüber stehen, wie Sophokles,
Protagoras und Perikles. Vor allem aber geht Popper auf Sokrates ein, der als
Kritiker Athens und ihrer demokratischen Institutionen ihr größter Förderer war.
Sokrates gilt als Erfinder der Individualität, begründet auf Vernunft.
Popper klagt nun Platon an, den verstorbenen Sokrates in seinen Werken für die
eigenen Zwecke missbraucht zu haben, indem er Sokrates Dinge in den Mund legte,
die dieser so sicher nie gesagt hätte. Platon hätte auch zeit seines Lebens einen
inneren Kampf ausgefochten zwischen seinen totalitären Lehren und den Ideen
Sokrates´, die auf Platon großen Eindruck gemacht hatten.
Zurück zu Platons Hass der Tyrannei: Platon wollte zwar das Volk in seine Klassen
einzementiert und damit unterdrückt sehen, aber er verurteilte die Unterdrückung
als Selbstzweck. Platon wollte die vollkommene Rückkehr zur Natur, zur
geschlossenen Gesellschaft. Popper aber sagt, dass dieser Weg nicht mehr möglich
und schon gar nicht erstrebenswert ist. Er sagt vielmehr:
„Aber wenn wir Menschen bleiben wollen, dann gibt es nur einen Weg, den Weg ins
Unbekannte, ins Ungewisse, ins Unsichere weiterzuschreiten und die Vernunft, die
uns gegeben ist, verwenden, um, so gut wir es eben können, für beides zu planen:
nicht nur für die Sicherheit, sondern zugleich auch für die Freiheit.“
Unser Kommentar
Das Buch ist nicht ganz einfach zu lesen, weil die Sprache und umfangreiche
Satzkonstruktionen gewöhnungsbedürftig sind. Vereinfachend wirkt, dass Popper
sehr redundant schreibt und seine Thesen während verschiedener Kapitel immer
wieder aufnimmt, ausbaut und erklärt, sodass seine Ideen immer transparenter
werden.
Das Buch hat zwar einen soziologischen Ansatz, basiert jedoch auf philosophischen
Grundlagen. Deshalb bekommt man einen guten, wenn auch durch Poppers Meinung
gefärbten, Einblick, in Platons Ideenlehre, Ansätze einiger anderer Philosophen und
philosophische Begriffe, wie das Gute, Wahre und Schöne.
In diesen philosophischen Kontext stellt Popper seine soziologische Theorie, die
sicher auch heute noch aktuell ist.
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Das Buch
Erhältlich ist eine Ausgabe des Buches in der NÖ Landesbibliothek. Für die
Entlehnung weiterer Ausgaben sollte man die Universitätsbibliothek in Wien
aufsuchen.
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde I. Der Zauber Platons
Karl R. Popper
UTB
Stuttgart 1992
ISBN: 3825217248
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