Klausur Demokratie gk2_2stündig

Werbung
Klausur
Name:
Punkte:
gk2 K1
/ 24
02.12.2015
Note:
Beachte:
- Zeilenangaben bei Aufgabe 1
- Operatoren richtig anwenden
M1 Die Stimme des Volkes
02.06.2011 • Repräsentative Demokratie
und plebiszitäre Instrumente schließen
einander nicht aus. Weder in der Theorie
noch in der Praxis. (...)
Von Professor Dr. Werner J. Patzelt
5
10
15
20
25
Die
Befürworter
einer
direkten
Beteiligung der Bürger an politischen
Entscheidungen halten die repräsentative
Demokratie nicht selten für unzulänglich
oder gar falsch. Vermutlich ist sie aber die
bestmögliche Weise, um in einem
bevölkerungsstarken Land für gutes
Regieren zu sorgen. Die parlamentarische
Demokratie,
in
der
gewählte
Volksvertreter entscheiden, ließe sich
aber durch weitere Formen der
Bürgerbeteiligung vervollkommnen. In
der Schweiz werden die dafür geeigneten
plebiszitären Instrumente unter dem
Begriff der "direkten Demokratie"
zusammengefasst. (...)
Wie aber ließe sich die repräsentative
Demokratie durch zusätzliche plebiszitäre
Instrumente verbessern? Wenn große
Teile der Bevölkerung den Kurs von
Parteien verändern wollen und dabei auf
Widerstand der Parteiführer oder
Funktionäre stoßen, können sie nur etwas
erreichen, indem sie diese Parteien bei
der Wahl bestrafen. Der Bürger geht nicht
zur Wahl, lässt also seine eigentlich
30
35
40
45
50
55
60
bevorzugte Partei im Stich. Oder er wird
zum Wechselwähler und geht das Risiko
ein,
mit
dem
Politikangebot
unberechenbar werdender Parteien
sowie mit Zufallskoalitionen leben zu
müssen. Er kann sich auch für eine
Protestpartei entscheiden, wie damals für
die Republikaner, als die politische Klasse
den Wunsch nach Veränderung des
Asylrechts ignorierte, oder wie später für
die westdeutsche Linke zur Strafe für die
SPD. Mitunter wird man dann die Geister
aber nicht mehr los, die man einst
herbeiwählte. Dieses Vorgehen gleicht
der
Krebsbehandlung
durch
Chemotherapie: Der ganze Körper wird
mit Gift überschwemmt, weil man
nirgendwo gezielt ansetzen kann. Genau
das aber können plebiszitäre Instrumente
leisten.
Zwischen
den
Wahlen
können
öffentlichkeitswirksame
Minderheiten
leicht glauben machen, hinter ihnen
stehe eine Mehrheit. Das bringt
Mehrheitsentscheidungen nicht selten
um die allgemeine Akzeptanz und erlaubt
es, demokratische Legitimität gegen
rechtsstaatliche Legalität auszuspielen.
Wäre da nicht die Möglichkeit
wünschenswert, der behaupteten oder
gefühlten Mehrheit der Protestierenden
auf den Zahn zu fühlen?
Für plebiszitäre Elemente spricht ein
Weiteres:
Konflikte
zwischen
konkurrierenden Interessenträgern –
etwa für oder gegen Stuttgart 21 –
werden
bislang
als
Konflikte
wahrgenommen, in denen sich "der
65 Staat", dessen Amts- und Mandatsträger
etwas
entschieden
haben,
und
aufbegehrende
"Bürger"
gegenüberstehen. Bei einer solchen
Frontstellung kann sich jener Teil der
70 Bürgerschaft wegducken, der die
Entscheidung
der
Amtsund
Mandatsträger befürwortet. Man fordert
dann Mut von den Politikern – und
bestraft sie bei der nächsten Wahl sowohl
75 für Übermut beim Durchhalten als auch
für Wankelmut beim Nachgeben, beteiligt
sich aber nicht selbst am Ringen um den
Bestand einer lautstark abgelehnten
Entscheidung.
Solches
80 Zuschauerverhalten ist unfair gegenüber
politischen Amtsinhabern und schädlich
für die Demokratie.
Wie aber hält man die Befürworter einer
politisch angegriffenen Entscheidung zu
85 deren öffentlicher Unterstützung an? Am
besten durch die Verfügbarkeit eines
plebiszitären Instruments, das aus einem
Konflikt zwischen "dem Staat" und "den
protestierenden Bürgern" einen ganz
90 normalen Konflikt zwischen Gruppen
macht, die eben unterschiedliche
Absichten verfolgen. (...)
Aufgaben:
1. Arbeite aus dem Text Schwächen unseres repräsentativen Systems heraus, die durch
plebiszitäre Instrumente behoben werden können. (8VP)
2. Beschreibe knapp den Unterschied zwischen einem Referendum und einem
Volksentscheid. (4VP)
3. Deutschland braucht mehr direkte Demokratie! Mit einem fakultativen
Gesetzesreferendum könnte zum Beispiel ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz dem
Volk zur Abstimmung vorgelegt werden und so Entscheidungen korrigiert oder rückgängig
gemacht werden. Damit es zu einer Abstimmung kommt, müssten innerhalb einer
festgelegten Frist eine bestimmte Zahl an Unterschriften vorgelegt werden.
Nimm begründet Stellung zu der gemachten Forderung. (12VP)
Erwartungshorizont
Aufgabe 1:
Operator richtig angewendet, Einleitungssatz 1VP
Kohärenz 1VP
1. Wenn große Teile der Bevölkerung erfolglos versuchen, den Kurs von Parteien zu
beeinflussen oder zu verändern, bliebt ihnen nur noch die Möglichkeit bei der
nächsten Wahl eine andere Partei zu wählen oder gar nicht wählen zu gehen (1VP).
Das kann zur Folge haben, dass unberechenbar werdende Parteien die Politik
mitbestimmen oder Zufallskoalitionen entstehen. (vgl. Z.26ff) (1VP).
2. Oft sind es Minderheiten, die getroffene Entscheidungen in Frage stellen; in der
Öffentlichkeit erscheinen sie aber als Mehrheiten (1VP). Durch plebiszitäre
Instrumente könnte überprüft werden, wie groß die Ablehnung getroffener
Mehrheitsentscheidungen tatsächlich ist. (vgl. Z.54ff) (1VP).
3. Interessenskonflikte werden häufig als Konflikte zwischen Staat und Bürger
wahrgenommen, anstatt zwischen den Interessensgruppen. Wenn der Bürger
getroffene Entscheidungen von Politikern befürwortet, sieht er keinen Anreiz sich an
dem Interessenkonflikt zu beteiligen. Ist er hingegen nicht damit einverstanden, wie
die eigenen Interessen vertreten werden, straft er das bei der nächsten Wahl ab. Der
Bürger kommt damit leicht in eine „Zuschauer-Rolle“, anstatt sich selbst an der
Auseinandersetzung zu beteiligen (1VP). Ein solches Zuschauerverhalten ist unfair
gegenüber den Amts- und Mandatsträgern und schädlich für die Demokratie (1VP).
(vgl. 79ff)
Aufgabe 2: (4VP)
Ein Referendum ist ein direktdemokratisches Instrument, bei dem die Regierung oder das
Parlament dem Volk eine bestimmte Frage zur Abstimmung vorlegt.
Beim Volksentscheid hingegen hat das Volk einen Antrag gestellt (Volksbegehren), um über
eine bestimmte Fragestellung abzustimmen.
Aufgabe 3: (max. 12 VP)
Mögliche Argumente:
Pro
Größeres Interesse an der Politik – man
muss sich mit der Fragestellung, spätestens
bei der Abstimmung auseinandersetzen
Contra
Nur interessierte Bürger beschäftigen sich
mit den Fragestellungen und gehen zur
Abstimmung. Es entsteht kein größeres
Interesse an der Politik
Gesetze müssen nicht nur verfassungssicher,
sondern auch „referendumssicher“ sein
Wenn Entscheidungen immer wieder
rückgängig gemacht werden können, wird
die Handlungsfähigkeit eingeschränkt und
Prozesse verlangsamt (weiterer VetoSpieler)
Entscheidungen und politisches Handeln
legitimieren sich durch ein solches
Instrument. Wenn Entscheidungen durch
Volksabstimmungen korrigiert oder
rückgängig gemacht werden, ist die
Akzeptanz in der Bevölkerung zu den
Entscheidungen höher
Bürger sind über komplexe Zusammenhänge
oft nur unzureichend informiert, stattdessen
sind Volksabstimmung oft emotionalisiert
und begleitet von Populismus (vgl.
Kampagnen zu bisherigen
Volksabstimmungen z.B. in der Schweiz)
Die Bürger sind dazu angehalten, sich auch
zwischen den Wahlen zu beteiligen 
verlassen der „Zuschauer-Rolle“ (vgl. Patzelt)
Herunterladen