Slides for class Logic III: probability

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Aufbau-SE Logik III: Wahrscheinlichkeit (G. Schurz, Ws 2016-17, Mi 10:3012:00, 23.31, U1.46)
Zeitplan:
19.10. Objektive (statistische) vs. subjektive (epistemische) Wahrscheinlichkeit
(Carnap, Reichenbach)
26.10. Mathematische Gesetze der Wahrscheinlichkeit (Kolmogoroff)
02.11. entfällt (Konferenzreise)
09.11. Probabilistische Rechtfertigung von Schlussarten (Suppes, Adams)
16.11. Philosophische Probleme der objektiv-statistischen Wahrscheinlichkeit (von
Mises, Reichenbach, Salmon, Kutschera) - Determinismus und stat. W.keit
23.11. Philosophische Probleme der subjektiv-epistemischen Wahrscheinlichkeit
(Ramsey, de Finetti, Carnap, Skyrms, Earman, Howson-Urbach)
30.11. Verbindungen von objektiver und subjektiver Wahrscheinlichkeit
(Reichenbach, Carnap, de Finetti, Lewis, Strevens, eigener Ansatz)
07.12. Überprüfung statistischer Hypothesen (Fisher, Neyman)
14.12. Likelihood-Intuition und ihre bayesianische Rechtfertigung (Earman, Gillies)
21.12. Objektiver und subjektiver Bayesianismus (Howson-Urbach, Laplace,
Williamson)
11.01. Induktionsproblem I: No free lunch Theorem (Wolpert)
18.01. Induktionsproblem II: Algorithmische Komplexität (Solomonoff)
25.01. Induktionsproblem III: Metainduktion (eigener Ansatz)
01.02. Zeitpuffer / Wiederholung
08.02. Klausur/BN
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Literatur: Das Aufbau-Seminar stützt sich auf mein Buch:
Gerhard Schurz: Wahrscheinlichkeit, De Gruyter, Berlin/Boston 2015
(25 Euro). Siehe:
https://www.amazon.de/Wahrscheinlichkeit-Grundthemen-Philosophie-GerhardSchurz/dp/3110425505)
Weitere Literatur:
Adams, E.W. (1998): A Primer of Probability Logic, CSLI Publications, Stanford.
Bortz, J. (1985): Lehrbuch der Statistik, 2. Aufl., Springer, Berlin (Neuaufl. als
Statistik für Human- u. Sozialwissenschaflter, 6. überarb. Aufl. 2005).
Carnap, R. (1959): Induktive Logik und Wahrscheinlichkeit. Bearbeitet von W.
Stegmüller, Springer, Wien.
Carnap, R. und Jeffrey, R. (1971): Studies in Inductive Logic and Probability, Univ.
of California Press, Berkeley.
Gillies, D. (2000): Philosophical Theories of Probability, Routledge, London.
Earman, J. (1992): Bayes or Bust?, MIT Press, Cambridge/Mass
Howson, C. und Urbach, P. (1996): Scientific Reasoning: The Bayesian Approach,
Open Court, Chicago (2. Aufl.).
Stegmüller, W. (1973b), Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und
Analytischen Philosophie. Band IV: Personelle und Statistische Wahrscheinlichkeit,
Springer, Berlin.
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1. Objektive (statistische) vs. subjektive (epistemische) Wahrscheinlichkeit
Geschichte: Theorie der Wahrscheinlichkeit entstand im 16. und 17. Jahrhundert, im
Kontext von Glücksspielen: Galilei, 1654 Briefwechsel Pascal-Fermat, 1657 Huygens, 1713 Bernoulli (Binomialverteilung, Gesetz der großen Zahlen), 1763 Theorem
von Bayes, 1814 Laplace, 1933 axiomatische Fundierung durch Kolmogorov.
Intuitive Begriff der Wahrscheinlichkeit involviert etwas Objektives („wahr-“) und
etwas Subjektives („-scheinlich“).
Erst im 20. Jahrhundert wurde die unterschiedliche Natur der beiden Wahrscheinlichkeitsbegriffe herausgearbeitet.
Frühen Begründer hatten dies nur unzureichend bemerkt.
Laplace (1814) unterschied das subjektive „Gleichverteilungsprinzip“ nicht von der
objektiven Gleichwahrscheinlichkeit der Wurfresultate eines regulären Würfels; erst
von Mises (1928, 69) machte den Unterschied deutlich.
Gegenwärtige Wahrscheinlichkeitstheorie durch eine anhaltende Lagertrennung
gekennzeichnet (vgl. auch Gillies 2000):
 in den empirischen Wissenschaften objektiv-statistische Wahrscheinlichkeit
(Begründer von Mises 1964, Reichenbach 1935, 1949, und Fisher 1956; Einführungsliteratur Bortz 1985; Spezialvariante "objektive Einzelfallwahrscheinlichkeit").

in
Philosophie
und
kognitiver
Wissenschaft
subjektiv-epistemische
Wahrscheinlichkeit im Sinn von rationalen Glaubensgraden (Begründer Ramsey
1926 und de Finetti 1934/70; Einführungsliteratur Earman 1992, Howson/Urbach
1996); Spezialvarianten "objektiver Bayesianismus", "logische Wahrscheinlichkeit"
Carnap 1959).
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 in Mathematik wird Interpretationskonflikt systematisch ignoriert.
Objektive Wahrscheinlichkeit  drückt eine subjektunabhängige Eigenschaft der
Realität aus.
Subjektive Wahrscheinlichkeit  drückt
Glaubensgrad eines (aktualen oder
hypothetischen) rationalen Subjekts aus.
Wenn es sich dabei um intersubjektive Glaubensgrade handelt, spricht man auch von
„epistemischer“ Wahrscheinlichkeit.
Zur Unterscheidung beider verwenden wir die prädikatenlogische Schreibweise:
"Fx" für "x ist ein F" und „Fa“ für "a ist ein F".
"F" ist ein Prädikat, das wiederholbares (binäres) Merkmal / Ereignistyp F
bezeichnet,
z.B.
"rothaarig
zu
sein".
„x“
Individuenvariable
und
„a“
Individuenkonstante.
(In Mathematik unterscheidet man das nicht formal, schreibt für beides eine binäre
mathematische 'Zufallsvariable' Xï)
Die
statistische
(objektive)
Wahrscheinlichkeit
eines
Merkmals
oder
wiederholbaren Ereignistyps, z.B. Fx, ist die relative Häufigkeit seines Eintretens
bzw. der Grenzwert seiner relativen Häufigkeit auf lange Sicht.
Formal kleines p(): p(Fx) =
Häufigkeit bzw. Häufigkeitsgrenzwert, mit der
beliebige Individuen x eines gegebenen Bereichs die Eigenschaft F besitzen.
Beispiel: Die Häufigkeit von Sonnentagen in Düsseldorf.
Die epistemische (subjektive) Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Ereignisses
bzw. Sachverhaltes, z.B. Fa, ist der rationale Glaubensgrad, in dem ein
(oder
mehrere gegebene) Subjekt(e) an das Eintreten des Ereignisses glauben.
Formal großes P(): P(Fa) = der subjektive Glaubensgrad dafür, dass das Individuum
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a die Eigenschaft F besitzt.
Beispiel: Unser Glaubensgrad, dass der morgige Tag in Düsseldorf ein Sonnentag
sein wird.
Für endlichen Individuenbereich (Population, Grundgesamtheit) D ist die statistische
Wahrscheinlichkeit gleich der relativen Häufigkeit eines Ereignistyps Fx in D:
h(Fx) = Anzahl aller Fs in D geteilt durch die Anzahl aller Individuen in D.
Problem: Endliche Häufigkeiten sind Zufallschwankungen unterworfen; sie geben
nicht direkt die Wahrscheinlichkeitsdispositionen wieder (Beispiel: Münzwurf)
Für unendlichen Individuenbereich D ist die relative Häufigkeit undefiniert.
Man bezieht sich auf eine zufällige Anordnung der Individuen in D in Form einer
(unendlichen) Zufallsfolge (a1,a2,), produziert durch ein "Zufallsexperiment".
Statistische Wahrscheinlichkeit p(Fx) =def limn hn(Fx) = Grenzwert der relativen
Häufigkeiten hn(Fx) von Fs in den n-gliedrigen Anfangsabschnitten einer
Zufallsfolge, für n gegen unendlich.
p(Fx) = 0,6 heißt per definitionen: für jedes noch so kleines >0 gibt es eine
Stellenzahl n, sodass für alle m  n die relative Häufigkeit hm(Fx) vom Grenzwert 0,6
um weniger als  abweicht
(je kleiner , desto größer n)
hn(Fx)
limnhn(Fx)=0,6
n
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6
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Konvergenz der relativen Häufigkeiten eines Ereignisses mit Häufigkeitsgrenzwert
p(Fx) = 0.6 in zwei Zufallsfolgen (programmiert in Visual Basic).
 Häufigkeitsgrenzwerte sind theoretische Idealisierungen  p(Fx) = 0.6 bedeutet:
Zufallsexperiment hat gewisse Disposition, Ergebnis Fx mit einer auf lange Sicht
nach 0.6 konvergierenden Häufigkeit zu produzieren („generische Propensität“).
 Auch zufälliges Ziehen eines Individuums aus Individuenbereich D ist
Zufallsexperiment.
Zusammenhang: Statistischen Wahrscheinlichkeit, zufällig ein F-Individuum aus D
zu ziehen = endliche Häufigkeit von Fx in D gdw. jedes Individuum in D dieselbe
statistische Chance besitzt gezogen zu werden. (Ziehen mit Zurücklegen)
Zur Interpretation von Eins- und Nullwahrscheinlichkeiten:
Im epistemischen Fall bedeutet die Aussage P(A) = 1, dass sich Subjekt hinsichtlich
der Aussage A sicher ist.
Im statistischen Fall komplizierter:
Nur bei endlichem Individuenbereichs ist p(Fx) = 1 gleichbedeutend mit
ausnahmslosen Allsatz xFx (Alle Individuen sind F), bzw. p(Fx) = 0 mit xFx.
Bei unendlichem Individuenbereichs ist p(Fx) = 1 schwächer als xFx, bedeutet nur,
dass die Häufigkeiten hn(Fx) gegen eins konvergieren.
Beispiel: Sei Zufallsfolge (1, 2,3) und Fx das Prädikat „x ist eine ganzzahlige
Potenz von 2“. Dann gibt unter den natürlichen Zahlen unendlich viele ganzzahlige
2er-Potenzen; dennoch gilt limk p(Fx) = limk(k/2k) = 0.
Grundlegender Unterschied: Statistische Wahrscheinlichkeit p(Fx) bezieht sich
immer auf wiederholbaren Ereignistyp (Sachverhaltstyp) ausgedrückt durch Prädikat
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bzw. offene Formel Fx; der Operator "p" bindet die freie Individuenvariable ("px").
Subjektive Wahrscheinlichkeit p(Fa) bezieht sich auf bestimmtes Ereignis
(Sachverhalt) ausgedrückt in einem Satz bzw. einer geschlossenen Formel Fa.
Bekannteste
Prinzip,
um
statistische
Wahrscheinlichkeiten
auf
subjektive
Einzelfallwahrscheinlichkeiten zu übertragen (Reichenbach 1949, §72):
Prinzip der engsten Referenzklasse: Die subjektive Wahrscheinlichkeit P(Fa) eines
Einzelereignisses wird bestimmt als die (geschätzte)
bedingte statistische
Wahrscheinlichkeit p(Fx|Rx) des entsprechenden Ereignistyps Fx in der engsten
(relevanten, nomologischen) Bezugsklasse bzw. Referenzklasse R, von der das
zugrundeliegende Subjekt 'weiß' bzw. mit Sicherheit glaubt, dass a in ihr liegt (also
Ra gilt).
Anwendung in Alltag und Wissenschaft:
 Subjektive Wahrscheinlichkeit dafür, dass gegebene Person Autounfall hat
(Versicherungsstatistik): engste bekannte Referenzklasse, die nicht unter Datenschutz
fällt.
 Wahrscheinlichkeit dafür, dass es morgen in NRW regnet: engste Referenzklasse =
die vom Meteorologen berücksichtigte vorausgehende Wetterentwicklung.
Bezug zum induktiven Spezialisierungsschluss (Carnap 1950; "direct inference" nach
Levi 1977):
Generelle Prämisse 1: r % aller Fs sind Gs
Singuläre Prämisse 2: Dies ist ein F
===================== [mit r % Glaubenswahrscheinlichkeit]
Konklusion: Dies ist ein G
Prinzip der Gesamtevidenz: die singuläre Prämisse muss die gesamte für die
Konklusion relevante Evidenz enthalten.
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 Mit Prinzip der engsten Referenzklasse kann nur subjektive Wahrscheinlichkeit
von Singulärsätzen durch statistische Wahrscheinlichkeiten bestimmt werden, nicht
subjektive W.keit von generellen Hypothesen (Problem des Bayesianismus).
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2. Mathematische Gesetze der Wahrscheinlichkeit
Statistische und der epistemische Wahrscheinlichkeitsbegriff gehorchen denselben
Grundgesetzen (Kolmogorov 1933)
 Kolmogorov benutzt die mathematisch übliche mengenalgebraische Darstellung:
Möglichkeitsraum  = {e1,e2,.}
Elemente ei von  = {e1,e2,}: mögliche (maximal bestimmte) Ergebnisse eines
Zufallsexperimentes.
"Ereignisse" = Teilmengen von , als Disjunktionen aufgefaßt.
Beispiel Würfelwurf:
 = {1,2,3,4,5,6} Ergebnis z.B. "1" Ereignis z.B. "gerade Zahl" = {2,4,6}.
Anderes Beispiel: Ziehen eines Individuums aus dem Individuenbereich:  = D.

 Wir verwenden sprachliche Darstellung (zwecks Unterscheidung von p und P):
Im statistischen Fall:
 = Menge möglicher Ergebnistypen eines (wiederholten) Zufallsexperimentes,
dargestellt durch maximal starke offene Formeln der Sprache:
Ei(x)(binäre Zufallsvariable), oder f(x) = ei (mehrstufige Zufallsvariable)
Beliebige Ereignisse dargestellt durch offene Formel (entsprechen Disjunktionen
maximal starker Formeln, z.B. "Gerade(x)" = "x=2  x=4  x=6".
Im epistemischen Fall:

=
Menge
möglicher
Ergebnisse
eine
einzelnen
Durchführung
des
Zufallsexperimentes, dargestellt durch maximal starke geschlossene Formeln der
Sprache:
Ei(aj)(binäre Zufallsvariable) oder f(aj) = ei (mehrstufige Zufallsvariable).
Beliebige Ereignisse dargestellt durch geschlossene Formel.
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Axiome der Wahrscheinlichkeit:
Im folgenden bezeichnen A, B, (Ereignisse)
offene Formeln im statistischen Wahrscheinlichkeitsaufbau,
geschlossene Formeln im epistemischen Aufbau,
 -Teilmengen im mathematischen Aufbau.
Dass A und B disjunkt sind (können nicht gemeinsam auftreten) bedeutet
 dass die Extension von AB faktisch (im gegebenen Modell) leer ist ist, im
statistischen Aufbau.
 dass AB in allen (logisch, analytisch-epistemisch) möglichen Modellen der
Sprache unerfüllbar ist, im epistemischen Aufbau.
dass AB leer ist,im mathematischen Aufbau.
Zur Erinnerung:  entspricht ,  entspricht  , A entspricht A.
Grundaxiome der Wahrscheinlichkeit
Für alle A, B, , wobei statt „p“ auch „P“ stehen kann:
(A1) p(A)  0
(Nicht-Negativität)
In Worten: Wahrscheinlichkeiten sind immer größer-gleich null.
(A2) p(AA) = 1
(Normierung auf 1)
In Worten: die Wahrscheinlichkeit des gesamten Möglichkeitsraumes ist 1.
(A3) Wenn A, B disjunkt sind: p(AB) = p(A) + p(B)
(endliche Additivität)
In Worten: für disjunkte Ereignis(typen) addieren sich die Wahrscheinlichkeiten.
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Dass A exhaustiv (notwendig) ist bedeutet dass
 A von allen Individuen erfüllt wird, im statistischen Aufbau,
 A von allen möglichen Modellen wahr gemacht wird, im epistemischen Aufbau,
 A =  gilt, im mathematischen Aufbau.
Eine Partition von  ist eine Menge {A1,,An} vom wechselseitig disjunkten und
zusammen exhaustiven Ereignissen Ai.
Z.B. {gerade, ungerade}
Theoreme unbedingter Wahrscheinlichkeit
(T1) p(A) = 1p(A) (Komplementärwahrscheinlichkeit)
In Worten: Die Wahrscheinlichkeit der Negation eines Ereignisses ist 1 minus jener
des Ereignisses.
(T2) p(A)  1 (obere Schranke)
In Worten: Die Wahrscheinlichkeit jedes Ereignisses ist kleiner-gleich 1.
(T3) p(AA) = 0 (Kontradiktion).
In Worten: Ein Widerspruch besitzt die Wahrscheinlichkeit Null.
(T4) Für jede Partition A1,,An: 1in p(Ai) = 1 und p(B) = 1in p(BAi).
In Worten: Die Summe der Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse einerPartition
{A1,,An} von addiert sich zu 1, und die Ereignisse {AiB: 1in} bilden eine
Partition von B, deren Wahrscheinlichkeiten sich zu p(B) aufaddieren.
(T5) p(A1A2) = p(A1) + p(A2)  p(A1A2) (allgem. Additionsgesetz)
(T6) Wenn A1A2 =def A1A2 exhaustiv ist, dann gilt p(A1)  p(A2) (Monotonie)
In
Worten:
Wenn
A1
mit
Notwendigkeit
A2
impliziert,
Wahrscheinlichkeitn von A1 kleiner-gleich der von A2.
(T7) Ist A1A2 exhaustiv, dann gilt p(A1) = p(A2) (Äquivalenz)
dann
ist
die
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Die Wahrscheinlichkeit von A unter der Annahme, dass B vorliegt, nennt man die
bedingte Wahrscheinlichkeit von A gegeben B, p(A|B) bzw. P(A|B):
Bedingte Wahrscheinlichkeit: p(A|B) =def
p(A  B)
, sofern p(B) > 0.
p(B)
(Analog für „P“ anstelle von „p“.)
B = bedingende Ereignis oder Antecedens; A = bedingte Ereignis oder Konsequens.
Im endlich-statistischen Fall ist p(A|B) die relative Häufigkeit von A-Individuen in
der Menge B  siehe Abbildung. („x“ kann man weeglassen)
A
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p(Bx|Ax) = 12/20 = 3/5
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B
4
p(Ax|Bx) = 12/16 = 3/4
|D| = 24, p(Ax) = 20/24 = 5/6
p(Bx) = 16/24 = 2/3
Im unendlich-statistischen Fall ist p(A|B) der Häufigkeitsgrenzwert von As in einer
(unendlichen) Zufallsfolge von B-Individuen.
Im subjektiv-epistemischen Fall ist P(A|B) der hypothetische Glaubensgrad an A
unter der hypothetischen Annahme, dass B sicher wäre.
Wird B tatsächlich mit Sicherheit geglaubt, gilt P(B) = 1 woraus P(A) = P(A|B) folgt.
 Subjektive Sicherheit bzgl. A impliziert nicht, dass A wahr ist: subjektiver Glaube
ist fallibel und Glaubensfunktion P ist unabhängig von Wahrheitswertfunktion v.
Hinweis: Gewöhnliche Definition von p(A|B) hat Nachteil, dass p(A|B) für ein 0wahrscheinliches Ereignis B undefiniert.
Carnap 1971, Popper 1935: direkte Axiomatisierung bedingter Wahrscheinlichkeit.
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Zwei (binäre) Ereignisse A, B heißen probabilistisch unabhängig voneinander,
abgekürzt AB, g.d.w. p(AB) = p(A)p(B).
Es gilt: AB g.d.w. p(A|B) = p(A) oderp(B) = 0
in Worten: g.d.w. die Annahme von B A's Wahrscheinlichkeit nicht ver
ändert, oder Null beträgt.
Ergo: Zwei nicht-nullwahrscheinliche Ereignisse sind probabilistisch abhängig g.d.w.
p(A|B)  p(A) gilt.
A und B sind
 positiv abhängig, wenn p(A|B) > p(A) (bzw. p(AB) > p(A)p(B))
 negativ abhängig, wenn p(A|B) < p(A) (bzw. p(AB) < p(A)p(B)) gilt.
Wichtig ist die Nichtmonotonie bedingter Wahrscheinlichkeiten:
ein hoher Wert von p(A|B) impliziert nicht einen hohen Wert von p(A|BC);
vielmehr kann zugleich p(A|BC) = 0 gelten.
Beispiel:
A
B
BC
C
p(A|B) ist hoch, aber p(A|BC) beträgt Null.
Beispiel: Die meisten Einwohner Deutschlands essen Schweinefleisch, aber nicht:
Die meisten islamischen Einwohner Deutschlands essen Schweinefleisch.
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Theoreme bedingter Wahrscheinlichkeit (sofern p(A|B) definiert):
(TB1): Für die auf B konditionalisierte Wahrscheinlichkeitsfunktion
pB(A) =def p(A|B) gelten alle Gesetze der unbedingten Wahrscheinlichkeit.
(TB2:) WennAB exhaustiv ist, dann gilt p(B|A) = 1. Die Umkehrung gilt nicht.
(TB3) p(AB) = p(A|B)p(B)
(TB4) Für jede Partition B1,,Bn giltp(A) = 1in p(ABi)  p(Bi)
(allg.
Multiplikationsprinzip). Speziell folgt: p(A) = p(A|B)p(B) + p(A|B)(1p(B))
(TB5) p(A|B) = p(B|A)  p(A) / p(B) (Bayes-Theorem, 1. Version)
(TB6) Für jede Partition A1,,An giltp(Ai|B) = p(B|Ai)p(Ai) / 1in p(BAi)p(Ai)
(Bayes-Theorem, 2. Version)
(TB7) Symmetrie der probabilistischen Abhängigkeit (sofern 1 > p(B), p(A) > 0):
p(A|B) > p(A) g.d.w. p(B|A) > p(B) g.d.w. p(A|B) > p(A|B) (analog für )
(TB7)  Symmetrie probabilistischer Abhängigkeiten
(TB5), (TB6)  Bedeutung bayesscher Theoreme liegt in Situationen, in denen man
an P(Ai|B) interessiert ist, aber nur inverse Wahrscheinlichkeit P(B|Ai) zugänglich ist.
Beispiel 1: Ai sind rivalisierende Hypothesen, B ein empirisches Resultat
Beispiel 2: Diagnoseprobleme, B Indikator für eine zu diagnostizierenden Zustand A.
Z.B.: B positiver Krebstestbefund, A Krebskrankheit.
Einfach messbar ist nur p(B|A).
("" für "unnegiert" oder "negiert")
p(B|A) die Sensitivität und p(B|A) die Spezifität des Indikators B für A.
p(A|B) Reliabilität des Indikators als Prognoseinstrument
Base rate fallacy: p(A|B) = p(B|A)p(A) / ( p(B|A)p(A) + p(B|A)p(A))
= 0,950,01 / ( 0,950,01 + 0,050,99) =
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16
= nur = 0,0095/0.059 = 0,16 = 16%.
Statistische Unabhängigkeit, Binomialverteilung und Gesetz der großen Zahl:
Unabhängige Wiederholungen desselben (identischen) Zufallsexperiments:
Beispiel: Ergebnisse von n Münzwürfen (x1,,xn), mit xi  {Zahl, Kopf}
Sprachlich dargestellt: Fx1Fxn
("F" für "Zahl", "F" für "Kopf")
Vereinbarung: i.te Variable der Formel, von links nach rechts angeordnet,
entspricht i.ter Durchführung des Zufallsexperimentes.
Unabhängigkeit bedeutet physikalisch, dass das Zufallsexperiment im Verlaufe
wiederholter Durchführungen seine Dispositionen nicht ändert (sonst: "MarkovKette").
Statistisches Unabhängigkeitsgesetz für Ereigniskombinationen:
Fx1Gx2, d.h. p(Fx1Gx2) = p(Fx)p(Gx)
(Produktgesetz)
In Worten: Statistische Wahrscheinlichkeit, in zwei Durchführungen einmal F und
dann G zu erzielen = Produkt der beiden Wahrscheinlichkeiten, in einmaliger
Durchführung F respektive G zu erzielen.
Mathematische Notation: p(F1,G2) = p(F1)p(G2)
Daraus folgt: p(Gx2|Fx1) = p(Gx2) und p(Fx1|Gx2) = p(Fx1).
Beispiel: Wahrscheinlichkeit, in zwei Würfen einmal eine Sechs und ein anderes Mal
eine gerade Zahl zu würfeln = (1/6)(1/2) = (1/12).
 Für subjektiven Wahrscheinlichkeiten kombinierter Ereignisse gilt das
Unabhängigkeitsgesetz im allgemeinen nicht.
Im Gegenteil: sobald das epistemische Wahrscheinlichkeitsmaß induktiv ist, wächst
unser Glaubensgrad dafür, dass das nächste Individuum ein F ist, mit der Häufigkeit
von bisher beobachteten F-Individuen an:
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Es gilt also P(Fa|Fb) > P(Fa) und somit P(FaFb) > P(Fa)P(Fb).
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Erklärung dieses Unterschieds:
 In subjektiver Wahrscheinlichkeitstheorie geht man davon aus, dass man
statistische Wahrscheinlichkeit nicht mit Sicherheit kennt.
Ist gegebenen Münze symmetrisch (p = 1/2) oder asymmetrische Münze mit Bias?
Dann induktiv sinnvoll, aus gehäuften Eintreten von Kopf zu schließen, dass die
Münze eher Kopf als Zahl ergibt.
 In der statistischen Wahrscheinlichkeitstheorie spricht man nicht über
Glaubensgrade, sondern über die statistische Wahrscheinlichkeit selbst und nimmt
diese als gegeben bzw. bekannt an.
Für diese gilt aufgrund physikalischen Unabhängigkeitsannahme das Produktgesetz.
D.h. wenn die Münze mit Häufigkeitsgrenzwert r auf Kopf landet, so tut sie dies
unabhängig von vorausliegenden Münzwürfen.
tiefliegender Unterschied zwischen obj. und subj. W.keit!
Aus statistischen Produktgesetz folgt Binomialgesetz (oder Bernoulli Gesetz) für nfache-Durchführung eines Zufallsexperimentes, bzw. Ziehen von n-elementigen
Zufallsstichproben:
Sei p(F) = p = Wahrscheinlichkeit von Merkmal F (schreibe kurz "p(F)" statt "p(Fx)")
hn(F) = relative Häufigkeit von Merkmal F in n-elementiger Zufallsstichprobe:
 
Binomialformel: p( hn(F) = kn ) =  nk   pk (1p)nk .
 
n
n!
 k  („n über k“) =
= Anzahl der Möglichkeiten, aus n Individuen k
(n
- k)!
k!

 
auszuwählen.
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p(hn) ( = Wahrscheinlichkeit einer Stichprobe mit F-Häufigkeit hn)
n = 1000
n = 100
n = 10
x
x
x
x
x
0
x
x
x
Drei Binomialverteilungen
Normalverteilungen).
x
p(hn=k/n)
hn= kn (Stichprobenhäufigkeit von F)
für
p=1/2
(approximiert
durch
Für zunehmende Stichprobengrößen n immer steilgipfeliger ( = p (1 - p)/n ) .
Daraus ergeben sich:
Gesetze der großen Zahlen:
Schwaches Gesetz der großen Zahlen: Für jede noch so kleine positive Zahl  strebt
die Wahrscheinlichkeit dafür, dass hn(F) von p(F) um weniger als  abweicht, für n
gegen unendlich gegen 1.
Starkes Gesetz der großen Zahlen: Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der
Häufigkeitsgrenzwert
von
F
in
einer
unendlichen
Zufallsfolge
mit
der
Wahrscheinlichkeit von F übereinstimmt, beträgt 1. (Beweis benötigt -Addditivität)
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Intuition: Gesetze der großen Zahlen sei "Bestätigung" statistischer W.keitstheorie.
Doch nur formale Theoreme, die für W.keit in jeder Interpetation gelten.
Das erkennt man daran dass die Konvergenz der Häufigkeiten nur mit W.keit
behauptet wird  was je nachdem, wie „W.keit“ interpretiert wird, unterschiedliches
bedeutet.
Interpretiert man Wahrscheinlichkeiten subjektiv, so besagt starkes Gesetz:
Mit subjektiver Sicherheit (P = 1) wird geglaubt, dass Häufigkeitsgrenzwert in einer
unendlichen Folge von (subjektiv) gleichwahrscheinlichen und voneinander unabhängigen Ereignissen mit der Glaubenswahrscheinlichkeit der Ereignisse übereinstimmt.
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Sigma-Additivität (unendliche Additivität): P/p heißt -additiv g.d.w.:
die Wahrscheinlichkeit der Vereinigung von unendlich vielen paarweise disjunkten
Ereignissen = unendliche Summe ihrer Wahrscheinlichkeiten.
 Problem: Unendliche Summe iN p({i}) kann nur dann Wert 1 (bzw. einen Wert
größer als Null und kleiner enendlich) annehmen, wenn die Folge der
Wahrscheinlichkeiten p({i}) hinreichend schnell gegen Null strebt (ohne nur aus
Nullen zu bestehen):
p=1
p=0
|N
-additive Wahrscheinlichkeitsmaße über |N.
Annahme zwingt jeder Wahrscheinlichkeitsverteilung über einem abzählbar
unendlichen Möglichkeitsraumeinen Bias auf; ist daher nicht generall adäquates
Axiom.
Kelly (1996): -Additivität von subjektiven Wahrscheinlichkeiten impliziert
schwache induktive Annahme: Für universelle Hypothese xFx über unendlichen
Bereich D muss W.keit, dass das n.te Individuum die erste falsifizierende Instanz von
xA(x) ist, mit zunehmenden n schnell gegen Null gehen.
Humescher Induktionsskeptiker würde nicht zustimmen:
nach jeder noch so großen endlichen Anzahl bestätigender Beobachtungen Fa1,,Fan
verbleiben unendlich viele unbeobachtete Individuen, die Allyypothese falsifizieren
können, weshalb für Induktionsskeptiker W.keit nicht gesunken ist.
 Nicht--additive W.keitsmaße: Bhaskara Rao & Rao (1983), Schurz & Leitgeb
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(2008). Erfüllen schwächerer Gesetze, z.B. p(ip({i}))  iN p({i}).
3. Probabilistische Rechtfertigung von Schlussarten
Deduktive Schlüsse sind sicher; induktive bzw. nichtdeduktive Schlüsse sind
unsicher. Beispiel:
Deduktiver Schluss
Induktiver Schluss
Alle Fische sind Kiemenatmer.
Alle bisher beobachteten Fische (Nr. 1,
Dieses Tier ist ein Fisch.
(2,....,n) waren Kiemenatmer.
Also ist dieses Tier ein Kiemenatmer.
Also sind (wahrscheinlich) alle Fische
Kiemenatmer.
Sicher: Wahrheitsübertragung in allen
Unsicher: Wahrheitsübertragung nur in
möglichen Welten
genügend ,uniformen‘ möglichen Welten.
Einfache Schlussstrich indiziert Sicherheit, der Doppelstrich Unsicherheit.
Induktive Schlüsse (im engen "Humeschen" Sinn) übertragen beobachtete
Zusammenhänge auf neue nicht beobachtete Fälle  sind "gehaltserweiternd".
Weitere nicht-deduktive Schlussart:
Abduktion bzw. Schluss auf die beste Erklärung.
Geht auf C.S. Peirce zurück.
 Einfach gesagt: Schluss von beobachteter Wirkung auf unbeobachtete) Ursache.
Schlussschema der Abduktion (Niiniluoto 1999):
Prämisse 1: Ein erklärungsbedürftiges (singuläres oder generelles) Faktum E.
,Prämisse‘ 2: Ein Hintergrundwissen W, das für eine gewisse Hypothese H
impliziert:
H
ist
eine
plausible
und
unter
Erklärungskandidaten die beste Erklärung für E.
den
gegenwärtig
bekannten
23
Abduktive Vermutung: H ist wahr.
 Durch abduktive Schlüsse können neue theoretische Begriffe/Modelle eingeführt
werden: Newton schloss aus der Bewegung der Planeten um die Sonne abduktiv auf
die Existenz einer Gravitationskraft.
 Geltungsstatus einer abduktiv erschlossenen Hypothese sehr unsicher und
vorläufig: die abduzierte Hypothese muss durch Deduktion und Induktion weiter
getestet werden.
Probabilistische Rechtferigung von Schlussarten: Man fragt nach der Höhe der
bedingten epistemischen Wahrscheinlichkeit der Konklusion, gegeben die Prämissen.
 Soll möglichst hoch sein und von möglichst wenig subjektiven Annahmen
abhängen.
23
24
24
3.1 Deduktives Schließen
"||" für logische Folgebeziehung
Wahrscheinlichkeitstheorie und logische Folgerung:
Sei P die Menge aller möglichen epistemischen Wahrscheinlichkeitsfunktionen über
den Propositionen einer Sprache L. Es stehe U(A) =def 1P(A) für die sogenannte PUnsicherheit von Satz A. Dann gilt für alle Sätze A1,,An, B:
(1.)
(i) A1,,An B g.d.w.
(ii) PP: P(B|A1An) = 1 g.d.w.
(iii) PP: P(B)  P(A1An) g.d.w.
(iv) PP: wenn P(A1An) = 1dann P(B) = 1.
In Worten: (i) Eine Konklusion folgt aus einer Menge von Prämissen, g.d.w.
(ii) die bedingte Konklusionswahrscheinlichkeit gegeben die Prämissenkonjunktion
ist für alle Wahrscheinlichkeitsfunktionen 1, g.d.w.
(iii) die Konklusionswahrscheinlichkeit ist für alle Wahrscheinlichkeitsfunktionen
größer oder gleich der Wahrscheinlichkeit der Prämissenkonjunktion, g.d.w.
(iv)
die
Konklusionswahrscheinlichkeit
Wahrscheinlichkeitsfunktionen
1,
für
die
beträgt
für
Wahrscheinlichkeit
alle
der
Prämissenkonjunktion 1 beträgt.
(2.) PP: U(A1An)  U(A1) +  + U(An).
In
Worten:
Die
Unsicherheit
einer
Satzkonjunktion
für
alle
Wahrscheinlichkeitsfunktionen kleiner oder gleich der Summe der Unsicherheiten
der Einzelsätze.
("Unsicherheitssummenregel", "uncertainty sum rule", Suppes 1966).
(3.) (folgt aus 1.+2.) A1,,An B g.d.w.
PP: U(B)  U(A1) +  + U(An).
25
In Worten: Eine Konklusion folgt aus einer Menge von Prämissen, g.d.w. die Summe
der Prämissenunsicherheiten für alle Wahrscheinlichkeitsfunktionen kleiner oder
gleich der Konklusionsunsicherheit ist.
 Zusammenhang zwischen logischer Folgerung und Wahrscheinlichkeit bezieht
sich auf das, was in allen Wahrscheinlichkeitsmodellen gilt.
ur Erfassung des Zusammenhangs muß man die Wahrscheinlichkeit der
Konjunktion aller Prämissen kennen.
Hinweis: Popper (1935/76, Anhänge II*, IV*) zeigt, dass sich die KomolgorovW.keit sogar ohne vorausgesetzten Folgerungsbegriff axiomatisieren lässt, woraus
man eine Definition von logischer Folgerung durch Wahrscheinlichkeit gewinnt.
25
26
26
3.1* Schließen aus unsicheren Konditionalen
Unsicheres Konditionale ausgedrückt durch Doppelpfeil A B:
Bedeutet: As sind normalerweise/meistens Bs; d.h. bedingte W.keit P(B|A) ist hoch.
Nicht dasselbe wie hohe unbedingte Wahrscheinlichkeit der materialen Implikation.
Es gilt nur P(AB) = P(AB)  P(B|A), aber trotz hohem P(AB) kann P(B|A)
klein sein.
Beispiel: P(BundeskanzlerZirkusclown) ist hoch, weil die meisten Personen keine
Bundeskanzler sind, aber P(Zirkusclown|Bundeskanzler) ist sehr gering.
Für  gelten schwächere Gesetze als für : Beispiel:

 erfüllt Transitivität: Alle Fs sind Gs, Alle Gs sind Hs Alle Fs sind Hs“.

 aber erfüllt Transitivität nicht. Z.B.:
"Die meisten Deutschen leben nicht in München"
"die meisten nicht in München lebenden Menschen sind keine Deutschen", aber nicht
"Die meisten Deutschen sind Nichtdeutsche".
27
Regeln der konditionalen Wahrscheinlichkeitslogik, System P (Adams 1975)
Vorsichtige Transitivität VT:
A  B, AB  C |P A  C
Vorsichtige Monotonie VM:
A  B, A  C |P AB  C
Vorsichtige Disjunktion VD:
A  C, B  C |P AB  C
Supraklassikalität SK:
Wenn A  B, dann |P A  B.
Einige abgeleitete Regeln:
Konjunktion K:
A  B, A  C |P A  BC
Linke Logische Äquivalenz LLÄ:
Wenn | A  B, dann A  C |P B  C
Rechte Abschwächung RA:
Wenn | B  C, dann A  B |P A  C
Vorsichtiger Konditionalbeweis VKP: AC  B |P A  (B C)
Theorem (Adams 1975): A1 ,,An  Bn |P C D
g.d.w. für alle
Wahrscheinlichkeitsfunktionen Pgilt: U(D|C)  U(B1|A1) +  + U(BnAn).

(Semantik dieses Schließens beschränkt sich auf Unsicherheitssummenregel)
Problem:
Bei
mehreren
unsicheren
Unsicherheitszuwachs: Konjunktionsproblem.
Prämissen
gibt
es
einen
27
28
28
3.2 Induktives Schließen
Die wichtigsten probabilistischen Formen induktiver Schlüsse:
Induktiver Generalisierungsschluss:
(a) Statistisch:
Informell: r% aller bisher beobachteten Indiviuduen waren Fs, also sind
wahrscheinlich zirka r% aller Individuen Fs.
Halbformal: (wobei "[r]"  symmetrisches 2-Intervall um r für kleines ):
Der Wert von
P(„p(Fx)  [ kn ]“ | hn(F) = kn ) ist so-und-so hoch (abhängig von  und n), und strebt
für n gegen 1.
(b) Strikt: (Spezialfall von (a)):
Alle bisher beobachtetenIndividuen waren Fs, also sind wahrscheinlich alle
Individuen Fs.
Der Wert von P(xFx | Fa1Fan) ist so-und-so hoch (abhängig von n), und strebt
für n gegen 1.
 Damit induktive Schlüsse probabilistisch gelten, muss zugrundeliegende W.keitsfunktion zusätzliche induktive Bedingungen erfüllen (z.B. Vertauschbarkeit,
Indifferenz)  genaues später. Erst dann kann man genaue W.keitswerte (rot)
präzisieren.
Vertauschbarkeit: P(F(a1)) = P(F(ai)) für beliebige Individuenkonstanten ai (schwach)
Indifferenz: P(F(a)) = P(F(a)) und P(Fa) = P(Ga) für beliebige Prädikate G; somit
P(F(a)) = 0.5 (stark!)
 Nicht-zirkuläre Rechtfertigung induktiver Wahrscheinlichkeitsschlüsse ist ohne
29
Annahme zusätzliche induktiver Axiome nicht möglich.
29
30
30
Induktiver Voraussageschluss:
(a) Statistisch:
r% aller beobachteten Individuen waren Fs, also wird mit einer r% nahekommenden
Wahrscheinlichkeit auch das nächste Individuum ein F sein.
Halbformal: P(Fan+1 | hn(F) = kn ) liegt -nahe bei kn ( abhängig von n) und strebt für
n gegen r.
(b) Strikt (Spezialfall von (a)):
Alle bisher beobachteten Indivuduen waren Fs, also ist mit hoher Wahrscheinlichkeit
auch das nächste Individuum ein F.
Halbformal: P(Fan+1 | Fa1Fan) = so-und-so hoch (abhängig von n), und strebt für
n gegen 1.
Induktiver Spezialisierungsschluss:
(a) Statistisch:
r % aller Fs sind Gs, dies ist ein F, also wird dies mit r% Wahrscheinlichkeit ein G
sein.
Formal: P(Ga| p(Gx|Fx) = r  Fa) = r.
(b) Strikt  dieser Schluss ist deduktiv gültig: x(FxGx), Fa / Ga.
Auch
statistischer
Spezialisierungsschluss
(a)
beruht
auf
induktiver
Uniformitätsannahme (Grundgesamtheit Einzelfall).
Macht nur Sinn, wenn "F" die Bedingung der engsten Referenzklasse erfüllt.
 Diese induktiven Schlussarten sind  obwohl unsicher  formale Schlussarten:
Gelten inhaltsungebunden. Ihre Korrektheit ist unter Ersetzung ihrer nichtlogischen
Symbole durch syntaktisch formgleiche Symbole abgeschlossen.
31
3.3 Abduktives Schließen (verallgemeinerter Bayesianismus)
Auch Rechtfertigung abduktiver Schlüsse bedarf zusätzlicher probabilistischer
Annahmen  aber:
diese sind im Regelfall nicht mehr durch zusätzliche formale Axiome begründbar,
sondern benötigen inhaltsspezifische Annahmen für P (sind auf inhaltlich bestimmte
Hypothesen bezogen; sind abhängig von relevantem Hintergrundwissen).
Konklusion abduktiver Schlüsse im einfachsten Fall:
P(H1|E) > P(H2|E)
H1 und H2 rivalisierende Hypothesen, die Erfahrungsdaten E implizieren oder wahrscheinlich machen.
Beispiel: Gegeben heutiger Beobachtungsstand ist Darwinsche Evolutuionstheorie
wahrscheinlicher als Linnésche Theorie unvergänglicher Arten.
Bayes-Theorem und abduktives Schließen:
P(H1|E) > P(H2|E) g.d.w. P(E|H1)P(H1) > P(E|H2)P(H2).
In Worten: Eine Evidenz macht eine Hypothese wahrscheinlicher als eine zweite,
genau dann wenn das Produkt aus Likelihood und Ausgangswahrscheinlichkeit der
ersten Hypothese größer ist als das der zweiten.
Welches Hi von am wahrscheinlichsten gemacht wird, hängt von zwei Faktoren ab:
(1) dem Likelihood von Hi, P(E|Hi), = inverse Wahrscheinlichkeit von E gegeben Hi,
mißt die Stärke der Implikationsbeziehung von Hi für E, sowie
(2) der Ausgangswahrscheinlichkeit P(Hi) der Hypothesen (Problem: Subjektivität)
 Beide Faktoren hängen – zumindest oft - von inhaltlichen Natur von E und Hi und
dem gegebenen Hintergrundwissen ab.
Rechtfertigung abduktiven Schließens als formale Schlussart so nicht möglich.
(Man müsste hierfür die formale Struktur von Hi und E spezifizieren.)
31
32
32
4. Probleme des objektiv-statistischen Wahrscheinlichkeitsbegriffs
Definitionsfragen: Was ist Wahrscheinlichkeit? Wie lässt sie sich explizieren?
Rechtfertigungsfragen: Wie lassen sich die Wahrscheinlichkeitsaxiome rechtfertigen?
Warum ist der so explizierte W.keitsbegriff wissenschaftlich/praktisch relevant?
 Die Probleme des statistischen Wahrscheinlichkeitsbegriff sind vor alledem
Definitionsprobleme, die des subjektiven Wahrscheinlichkeitsbegriffs Rechtfertigungsprobleme.
4.1 Rechtfertigung statistischer Wahrscheinlichkeit

Geltung der Axiome: Man kann zeigen, dass sowohl Häufigkeiten wie
Häufigkeitsgrenzwerte die Basisaxiome erfüllen.
(Nur -Additivität ist nicht erfüllt. Ausserdem: Menge der Ereignisse, die
Häufigkeitsgrenzwert besitzen, nicht immer abgeschlosseen unter algebraischen
Operationen; lösbare Spezialprobleme: Schurz und Leitgeb 2008).
Relevanz der statist. W.keit:
Entscheidungstheorie (z.B. Raiffa 1973):
Erwartungswert (langfristiger Mittelwert) des Nutzen einer Handlungsweise hängt
von den statistischen W.keiten der möglichen Umstände ab, die für ihre
Auswirkungen relevant sind.
(Allerdings hat Kenntnis des "Häufigkeitsgrenzwertes" nur praktische Relevanz,
wenn es induktiven Zusammenhang zur "Häufigkeit auf kurze Sicht" gibt; s. später.)
33
Mögliche Handlungsweisen: h1,,hn
Mögliche Umstände: u1,,um
Erwartungsnutzen der Handlung hi: EN(hi) = 1im N(hi,uj)p(uj)
In Worten: Der EN einer Handlung ist die Summe ihrer Nutzwerte in allen möglichen
Umständen, jeweils multipliziert mit dem Wahrscheinlichkeitswert des Umstandes.
 Um den Durchschnittsnutzen zu maximieren, müssen die statistischen
Wahrscheinlichkeiten zumindest näherungsweise bekannt sind  darin liegt ihre
Relevanz.
Beispiel: Ich stehe vor der Entscheidung, ein Auto zu kaufen oder nicht.
Nutzenmatrix (relative Nutzwerte; mit Konstante multiplizierbar):
Mit dem Auto
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Nutzen Stadtfahrten (Häufigkeit p)
1
2
Nutzen Landfahrten (Häufigkeit 1p)
3
2
EN(Auto) = 1p + 3(1p) = 3  2p
EN(Öffentlich) = p2 +(1p)2 = 2
Annahme p = 2/3: Dann EN(Auto) = 5/3 < EN(Öffentlich) = 2 liegt.
Gleichgewichtswahrscheinlichkeit: 32p = 2  p = 0.5.
33
34
34
4.2 Definition / Explikation statistischer Wahrscheinlichkeit
Begriff des Häufigkeitsgrenzwertes ist theoretische Idealisierung  definierbar nur
durch "kontrafaktische" Aussage:
p(Fx) = r bedeutet: wenn man das zugrundeliegende Zufallsexperiment (mit
möglichem Ergebnis F) unendlich oft wiederholen würde, würden die Häufigkeiten
von F gegen den Grenzwert r konvergieren.
 ist gesetzesartige Aussage über die Disposition des zugrundeliegenden
Zufallsexperimentes bzw. physikalischen Prozesstyps.
Problem 1: Kontrafaktische Aussagen lassen sich durch die Beobachtungen endlicher
Häufigkeiten niemals definitiv verifizieren/falsifizieren, sondern nur induktiv
bestätigen/schwächen.
 Nicht "schwerwiegend": auch strikte Gesetzesaussagen wie Zucker ist
wasserlöslich müssen durch kontrafaktische Konditionale expliziert werden: Zucker
ist auch dann wasserlöslich, wenn man ihn nie ins Wasser gegeben nicht.
Problem 2 (Kernproblem, spezifisch für statistische W.keiten): durch wiederholte
Durchführungen des Zufallsexperimentes können potentiell unendlich viele potentiell
unendlich anwachsende Ergebnisfolgen (e1,e2,)   produziert werden.
Beispiele:
 Gesamtfolge aller Würfe aller Personen (hypothetisch verlängert…)
 jede Person ihre eigene Folge
 jeder Würfel hat seine eigene Folge,
 Folge aller Würfelwürfe in Januarmonaten (usw. ...).
35
Warum sollten alle diese (idealisierten) Folgen denselben Häufigkeitsgrenzwert p(Fx)
besitzen. Warum sollten sie alle überhaupt einen Häufigkeitsgrenzwert besitzen?

 Problem: Häufigkeitsgrenzwerte sind abhängig von der Anordnung der Ereignisse
in einer gegebenen Folge.
Durch Permutationen (Umordnungen) oder Stellenauswahlen einer gegebenen
Ereignisfolge kann sich ihr Häufigkeitsgrenzwert drastisch ändern;
Beispiel:
Sei (1,0,0,1,1,0,1,0,) beliebige Zufallsfolge mit  vielen 1en und 0en und
beliebigen Häufigkeitsgrentzwert (z.B. p = 1/5).
Wir können daraus durch Umordnung Folgen mit beliebigem anderen Grenzwert
r = kn konstruieren (für k<n; k,n > 0):
Wir nehmen die ersten k 1en, die ersten n-k 0en, die nächsten k 1en, die nächsten
nk 0en, usw. [Zeichnung]
 1en und 0en gehen diese niemals aus
 jedes Element der Folge "kommt dran".
Man kann auch Folgen ohne Häufigkeitsgrenzwert konstruieren, z.B. eine Folge
deren Häufigkeiten ewig zwischen 2/3 oszillieren:
Nimm so viele Einsen wie nötig um hx(1) auf  2/3 hochzutreiben, dann soviele 0en
wie nötig, um die Häufigkeit hn(1) auf  1/3 zu senken, usw. [Zeichnung]
 Noch einfacher sind ,seltsamen‘ Folgen statt durch Umordnungen durch
Stellenauswahlen erzeugbar. [Zeichnung]
Von Mises beschränkt sich auf Stellenauswahlen.
35
36
36
Knackpunkt des Problems (von Mises):
Solche Konstruktionen sind ergebnisabhängig: Man muss das Ergebnis der Stelle n
kennen, um zu wissen, ob man sie auswählt (bzw. bei Umordnung vorzieht).
Solche Folgen sind keine Zufallsfolgen. Sie "zählen" daher nicht.
Einwand: Wäre es nicht möglich, dass häufigkeitsabweichende Ergebnisfolgen mit
einer regulären Münze durch extrem unwahrscheinlichen Zufall erzielt werden?
"Naiver" Lösungsvorschlag: Gesetz der großen Zahlen (GGZ) besagt ja nicht, dass in
allen Zufallsfolgen der Häufigkeitsgrenzwert von Fx mit p(Fx) übereinstimmt,
sondern lediglich, dass er dies mit Wahrscheinlichkeit 1 tut.
Einwand: Als Definition betrachtet ist GGZ zirkulär:
im Definiens kommt Ausdruck „mit Wahrscheinlichkeit 1“ vor.
 Vgl. Literatur: Skyrms (1980, 29f), Eagle (2004, 396f). Hájek (1999, 223),
Kutschera (1972, 104). Stegmüller (1973b, 37): „tödlicher Einwand“.
Inwiefern ist die zirkuläre Definition wertlos?
Weil sie Wahrscheinlichkeitsbegriff inhaltlich nicht bestimmt; nicht zwangsweise mit
Häufigkeiten verbindet  folgt schon daraus, dass GGZ aus Axiomen logisch folgt.
Fiktives Beispiel: Angenommen P bedeutet "rationaler Erwünschtheitsgrad":
Dann besagt GGZ, dass es in maximalem Grad erwünscht ist, dass die Häufigkeiten
mit Erwünschtheitsgrad übereinstimmt.
Versucht man Bedingung „p = 1“ erneut mit GGZ umzuformen, gerät man in
infiniten Regress (Spezialfall des Zirkularitätsproblems):
„p(Fx) = r“  „mit Wahrscheinlichkeit 1 ist in einerZufallsfolge vonZufallsfolgen
Häufigkeitsgrenzwert jener Folgen mit Häufigkeitsgrenzwert = p(Fx) gleich 1“.
 Bedingung „mit Wahrscheinlichkeit 1“ kann so nicht eliminiert werden.
37
Lösung(sversuch) des Zirkularitätsproblem durch von Mises (1928, 1964):
Annahme einer einzigen Grundfolge von Experimentrealisierungen
Z.B. "Folge aller Würfe mit Würfeln desselben physikalischen Typs"  hypothetisch
verlängert in die Zukunft: ein "statistisches Kollektiv".
Reale Einzelfolgen werden
durch
den
Begriff der
ergebnisunabhängigen
Stellenauswahl charakterisiert  wird gemäß Weiterführung durch Wald und Church
mittels Begriffs der berechenbaren Funktion erklärt:
Definition (von Mises 1928, Church 1940):
Eine zulässige Stellenauswahl s der Grundfolge g = (e1,e2,) ist eine berechenbare
Funktion, die angewandt auf eine beliebige Stelle n|N von g besagt, ob diese Stelle
ausgewählt werden soll (+) oder nicht () (s(n,Input)  {+,}).
Als zusätzlicher Input für s(n) fungieren die vorausliegenden Ergebnisse der
Grundfolge (e1,,en1), aber nicht aber das Ergebnisse en.
s(g) = die durch Stellenauswahl s aus g erzeugte Folge.
Eine Grundfolge g ist statistische Grundfolge g.d.w.t:
(a) (Konvergenzbedingung). Jedes mögliche (disjunktive) Ereignis E in der Algebra
AL über (abzählbarem)  besitzt in g einen Häufigkeitsgrenzwert p(E)
(b) (Zufälligkeitsbedingung): dieser Häufigkeitsgrenzwert ist insensitiv gegenüber
zulässigen Stellenauswahlen.
Zufallsfolgen = alle durch zulässige Stellenauswahlen gewonnene Teilfolgen von g.
37
38
38
Leistungen des von Mises Ansatz:
 Natürliche Definition von "Zufallsfolge"
 Ermöglicht Beweis statistischen Unabhängigkeitsgesetzes für Zufallsfolgen:
p(Fx1Gx2) = p(Fx)p(Gx)  d.h. bei von Mises:
Limes-h von Paaren (Fn,Gn+1) in g = (Limes-h von F-in-g)(Limes-h von G-in-g)
für endliche Häufigkeiten gilt Unabhängigkeit schon durch simple Kombinatorik)
 Beweis Binomialgesetz im von Mises Rahmen
 GGZ im von Mises Rahmen:
Grundfolge enthält unendliche Folge von überlappenden unendlichen Folgen:
Für Folgen von zulässig ausgewählten Teilfolgen gilt GGZ "per definitionem".
GGZ ist im von Mises Rahmen für noch größere Klasse beweisbar (Schurz 2015).
 Von Mises‘schen Ansatzes löst fast alle bekannten Einwände gegen
frequentistische Wahrscheinlichkeiten (Übersicht in Hájek 1999).
Nur ein Einwand verbleibt (Wiederholung):
 Einwand Schritt 1: W.keit als idealisierte Dispositionon ist nicht empirisch (nur
kontrafaktisch) definierbar.
 Antwort: ist positive Einsicht! Statistische W.keit ist theoretischer Begriff.
Bezieht sich auf mögliche Verlängerungen der bisher erzeugten Zufallsfolge.
 Einwand Schritt 2: Dann gibt es aber doch nicht nur eine, sondern unendliche
vielen Zufallsfolgen (auch ‚Grundfolgen‘) qua theoretisch (physikalisch) mögliche
Fortsetzungen realer (bisheriger) Zufallsfolgen (der Einwand kehrt wieder).
39
M.E. gibt es nur zwei sinnvollen Methoden, auf den Einwand zu reagieren:
Methode 1: Annahme dass strikt alle physikalisch mögliche (hypothetisch
fortgesetzte) Zufallsfolgen gegen denselben Grenzwert konvergieren.
Nullwahrscheinliche Zufallsfolgen werden als physikalisch unmöglich erachtet.
 Methode ist "im Geiste von Mises' (enthält nur "statistische" W.keit.)
Methode 2: Nullwahrscheinliche Zufallsfolgen sind physikalisch möglich.
Phrase „mit Wahrscheinlichkeit 1“wird  um der Zirkularität zu entgehen  als
epistemische (induktive) Wahrscheinlichkeitsaussage betrachtet (Kolmogorov 1933,
Cramér 1946: „praktischen Sicherheit“).
 Vorschlag führt zu dualistischen W.keitsbegriff.
Schurz 2015: Vorteil "statistischer Reinheit" von Methode 1 ist oberflächlich, denn:
 Sobald man die Frage des empirischen Gehaltes statistischer W.keitsaussagen
stellt,
ist
man
(auch
bei
Methode 1)
gezwungen, induktiv-epistemische
Wahrscheinlichkeitsannahmen zu machen.
Diese Aussagen bleiben dieselben, egal ob man Methode 1 oder 2 anwendet
(w.keitstheoretisch besteht zwischen "p=1" und "unmöglich" kein Unterschied.)
Schurz 2015: statistisch-dualistischer Wahrscheinlichkeitsbegriff.
39
40
40
Empirischer Gehalt statistischer Wahrscheinlichkeitsaussagen:
Es gibt keine Beobachtungsaussage, die aus Aussage über Häufigkeitsgrenzwert
logisch folgt: limnhn(E) = r ist mit jedem hn(E) = q logisch verträglich.
[Zeichnung]
 Problem wurde weder von von Mises noch von Reichenbach befriedigend gelöst.
Konvergenzkriterium sagt uns nie, wie nahe wir "jetzt" schon am Grenzwert sind
(Lenz 1974).
Traditionelle Definition von "empirischer Gehalt" ist deduktiv.
Muß auf beobachtbare induktive-wahrscheinliche Konsequenzen erweitert werden.
Mithilfe des induktiven Spezialisierungsschlusses, der Häufigkeitsgrenzwert von
Stichprobenhäufigkeiten
(berechenbar
mittels
Binomialgesetz)
als
Glaubenswahrscheinlichkeit auf einzelne Stichproben überträgt (vorbehaltlich
"Prinzips der engsten Referenzklasse").
 Ist ein induktives Prinzip ("statistisch-induktives Koordinationsprinzip", Strevens
2004, s. später).
Beispiel: Glaubenswahrscheinlichkeit, in einem Münzwurfexperiment mit einer
regulären Münze in 10.000 Würfen zwischen 4900 und 5100 mal Kopf zu erzielen,
beträgt 95%.
Gehört zum induktiv-empirischen Gehalt der statistischen Hypothese p(Kopf) = 1/2.
Grundidee der statistischen Testtheorie: Statistische Hypothese "p(Fx)=r" nur
solange akzeptierbar, solange die beobachteten Stichprobenhäufigkeit hn(Fx) unter
Annahme von der Wahrheit von "p(Fx)=r" nicht zu unwahrscheinlich ist (s. später.)
41
4.3 Objektive Zufälligkeit, Determinismus und Indeterminismus
Ontologie: Statistische Wahrscheinlichkeitsbegriff ist Dispositionsbegriff.
Generische Propensität des zugrundeliegenden Zufallsexperimentes (Popper 1959).
 Statistische W.keit wird nicht identifiziert mit Häufigkeitsgrenzwert, sondern mit
Disposition, diesen Häufigkeitsgrenzwert tendenziell zu produzieren.
Ganz anders singuläre Propensitäten = objektive Wahrscheinlichkeiten von
Einzelereignissen  die von Popper (1990) einführte  um seinen Deduktivismus zu
verteidigen.
Singuläre Propensitäten, die nicht generischen Propensitäten beruhen, sind kognitiv
fragwürdig, weil völlig unüberprüfbar.
Beispiel: In diesem Münzwurf gelang es dem Mentalisten Uri Geller mithilfe seiner
Geisteskraft, die Münze auf Kopf landen zu lassen (allerdings gelingt ihm dies nur in
50% aller Fälle).
W.keit, eine 1 in diesem Münzwurf zu werfen, ist bestimmt durch statistische W.keit
in zugrundeliegenden Zufallsexperiment ...
... plus Reichenbachs Prinzip der engsten Referenzklasse: ich muß auf gesamte
relevante Information über Zufallsexperiment konditionalisieren.
 Führt uns zum Unterschied zwischen (folgen-)interner und objektiver Zufälligkeit.
Interne Zufälligkeit (von Mises' Definition): betrachtet nur Abhängigkeiten (der
Stellenauswahlen) von vorausliegenden Ereignissen innerhalb der Folge
Objektive (externe) Zufälligkeit: auch Abhängigkeiten von vorausliegenden externen
Ereignissen werden mit einbezogen (Reichenbach 1949, Salmon 1984).
41
42
42
Die Ergebnisse eines Zufallsexperimentes sind objektv zufällig, wenn sie intern
zufälig (im Sinne von von Mises) sind und der Häufigkeitsgrenzwert ihrer
Zufallsfolgen auch insensitiv gegenüber zulässigen externen Stellenasuwahlen ist
(Stellenauswahlen abhängig von externen Fakten in der Vergangenheit des
Zufallsereignisses)
Beispiel:
Prozess des Werfens eines Würfels erzeugt interne und objektive Zufallsfolge.
Prozess des willentlichen Legens eines Würfels kann ebenfalls intern zufällige
Ergebnisfolge generieren, die aber nicht objektiv zufällig ist, weil sich die Resultate
durch Willensentschluss der Person voraussagen lassen.
Frage: Setzt der Begriff der objektiven Zufälligkeit die Annahme eines
Indeterminismus der Naturgesetze voraus?
Traditionelle Ansicht: Ja. Z.B. Coffa (1974), Salmon (1989).
Moderne Ansicht: Nein. Z.B. Norton (2009), Strevens (2008).
Traditionelle Ansicht: Genuinen Zufall gibt
es nur in der Mikrophysik /
Quantenphysik, aber nicht in der klassischen Physik, denn die Gesetze der
klassischen Physik sind deterministisch.
Beispiel: Radiokative Zerfall ist objektiver Zufallsprozess.
Regulärer Münzwurf nur interner und epistemischer Zufallsprozess.
 W.keit dafür, dass dieses radioaktive Cäsium-137 Atom in nächsten 30 Jahren
zerfällt,
ist
1/2,
gegeben
vollständiges
physikalisches
Wissen
über
Anfangsbedingungen.
 W.keit dass Münze in diesem Münzwurf auf Kopf fällt, gegeben vollständiges
physikalisches Wissen, ist nicht 1/2, sondern 0 oder 1.
(?)
43
Problem der traditionellen Ansicht:
 Warum spielen scheinbar objektive Zufallsprozesse in Alltagswelt (Bereichen
der klassischen Physik) eine so große Rolle?
 Warum ist es noch niemandem gelungen, die Resultate eines Roulettespiels mit
signifikant überzufälligem Erfolg vorauszusagen?
 D.h.: wie erklären sich makrophysikalische Zufallsprozesse?
Eine moderne Ansicht: Es gibt auch in klassischer Physik objektive Zufallsprozesse.
Instabile Systeme sind trotz deterministischer Gesetze unvoraussagbar und objektiv
zufällig.
Erster Teil der Erklärung:
Lösungen von gewöhnlichen deterministischen Differentialgleichungen können
instabile Punkte (Bifurkationen) besitzen.
 Systeme in instabilen Zuständen sind hochgradig sensitiv gegenüber minimalen
Variationen der Anfangsbedingungen: für jede (unmeßbar) kleine Variation derselben
weichen die hervorgehenden Trajektorien schon bald maximal voneinander ab.
Beispiel: Ideale Kugel plaziert auf der Spitze einer idealen Halbkugel  auf welcher
Seite die Kugel herunterrollen wird, wird von unmessbar kleinen Fluktuationen
bestimmt und ist daher unmöglich voraussagbar.
Chaotische Systeme: Anhäufung instabiler Punkte
"deterministisches Chaos", Schuster 1994)
Determinismusfreundliche Philosophen wenden ein, dass es sich hier nur um
praktische und keine prinzipielle Unmöglichkeit handle.
 Irrtum, da Fluktuationen so gering sind, dass sie in quantenphysikalische
Dimensionen fallen, wo genauer Messbarkeit prinzipielle Grenzen gesetzt sind.
43
44
44
Zweiter Teil der Erklärung:
 Bisher wurde nur erklärt, warum Würfelwurf ein objektiv unvoraussagbarer
Zufallsprozess ist  weil minimale Schwankungen in Anfangsbedingungen (minimale
Luftbewegungen etc.) darüber entscheiden, welche Würfelseite oben liegen wird.
Frage: Warum führt dies (bei einem symmetrischen gebauten Würfel) zu einer
stabilen Gleichverteilung der Ergebnisse?
Nichts
garantiert,
dass
die
W.keitsverteilung
über
makrophysikalische
Anfangsbedingungen gleichverteilt ist:typischerweise werfen unterschiedliche
Personen anders; einige heftiger, anderen sanfter, usw.
 Warum produzieren verschiedenen Personen und Wurftechniken dennoch
dieselben Häufigkeitsgrenzwerte?
Erklärung der Gleichverteilung von Würfelwurfergebnissen trotz fast beliebiger
makrophysikalischer Anfangsverteilung
 Weil nicht alle, aber fast alle (99,99% aller)  Häufigkeitsverteilungen über
makrophysikalischen
Anfangsbedingungen
zu
Gleichverteilung
der
Ergebnishäufigkeiten des Würfelwurfes führen (Strevens 2008, Schurz 2015):
Wir
betrachten
die
Abhängigkeit
der
Würfelwurfresultate
(Y)
von
makrophysikalischen Anfangsbedingungen (X).
Einfacheres Beispiel Glücksrad: X umfaßt nur Anfangsgeschwindigkeit des Glücksrades; abhängige Variable Y diskret, umfasst Werte 0,,n.
Knackpunkt ist „Mikroperiodizität“ (Strevens):  Minimale Änderungen der XVariable bewirken Maximalveränderung und damit einen Periodenzyklus der YVariable.
45
Funktionsgraph von Y in Abhängigkeit von X ist extrem steil
Fast alle makrophysikalischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen haben viel flachere
Steigung.  Resultierenden Y-Verteilungen sind daher annäherend gleichverteilt.
Y (Würfelergebnis)
1
2
3
4
5
6
Hell:Y Dunkel: Häufigkeit von X
X
(a) Y hängt mikroperiodisch
(b) X in extrem gedehnter Darstellung
von X ab; Verteilung extrem steil.
Dunkel: eine Anfangsverteilung, die
ein bestimmtes Y-Ergebnis präferieren
würde  sie müsste noch steiler sein.
Hell: Y Dunkel: Häufigkeit von X
1
2
3
4
5
6
X
Hell: Y Dunkel: Häufigkeit von X
(c) Wie (a). Dunkel: makrophysikalische (d) X in extrem gedehnter Darstellung
Verteilungen über X. Sie führen alle zu
Dunkel: Häufigkeit der X-Werte ist über
Gleichverteilungen über Y: siehe (d).
extrem kleine X-Intervalle gleichverteilt.
 Führt zu Gleichverteilung über
Häufigkeit von Y-Werten.
45
46
46
5. Probleme des subjektiv-epistemischen Wahrscheinlichkeitsbegriffs
5.1 Definition
Kein Problem: Subjektive Wahrscheinlichkeiten sind definiert als die epistemischen
Glaubensgrade von Subjekten, die Kolmogorovschen Basisaxiome erfüllen.
5.2 Rechtfertigungsprobleme: Kohärente faire Wettquotienten
Hartnäckiger Befund der Kognitionspsychologie (z.B. Kahneman et al. 1982):
die realen Glaubensgrade von Versuchspersonen erfüllen Basisaxiome häufig nicht.
Vertretern des Baysianismus: Axiome seien Rationalitätsbedingungen.
Herausforderung:
 Warum müssen rationale Glaubensgrade die Axiome erfüllen?
 Warum sind solche Glaubensgrade wisenschaftlich/praktisch bedeutsam?
Bekannteste subjektive Rechtfertigung der Wahrscheinlichkeitsaxiome A1-3:
Subjektive Glaubensgrade werden aufgrund des Wettverhalten rationaler Personen als
faire Wettquotienten expliziert (Frank Ramsey 1926 und Bruno de Finetti 1937).
(vgl. Carnap 1971, Skyrms 1999, Howson/Urbach 1996, Gillies 2000)
47
Wette W auf eine Proposition A = abstrakt definiert als Tripel W = (A, g, v).
g  monetäre Gewinnbetrag, den Wettperson gewinnt und Wettgegner verliert, wenn
sich A als wahr herausstellt.
v  Verlustbetrag, den Wettperson verliert und Wettgegner gewinnt, wenn sich A als
falsch herausstellt.
(g, v nichtnegative reelle Zahlen)
e = g+v heißt ‚stake‘ (Erläuterung: e Wetteinsatz des Wettgegners = Ausschüttung, v
Kaufpreis der Wette), und
q = v/(g+v) Wettquotient (betting quotient).
Ergo: g = (1q)e
v = qe
Wc = (A, v, g) ist Gegenwette von W = (A, g, v); Wettgegner von W wettet auf Wc.
Wann ist es für die Wettperson rational, Wette W = (A, g, v) anzunehmen?
Bayesianismus: wenn subjektiver Erwartungswert E(W) des Wettgewinns  0 ist:
 E((A,g,v)) = gP(A)  vP(A)  0.
Wette W heißt fair, wenn E(W) = 0.
 Fairness meint, dass Wettperson und Wettgegner gleichen Gewinnchancen
besitzen, denn es gilt nachweislich E(W) = E(Wc). [Aufgabe]
D.h. meine Bereitschaft, Wette und Gegenwette einzugehen, ist gleich hoch.
Für eine faire Wette auf A gilt unter der Annahme P(A) = 1P(A):
P(A) = Wettquotient q = v/(g+v)
[Beweis: Aufgabe]
Idee der subjektiven Wahrscheinlichkeitstheorie (Ramsey, de Finetti):
Identifiziere subjektiven Glaubensgrade mit fairen Wettquotienten der Person
Warum sollten faire Wettquotienten Axiome der Wahrscheinlichkeitstheorie erfüllen?
Hauptresultat von Ramsey (1926) und de Finetti (1937):
47
48
48
Definition Kohärenz: Die durch fairer Wettquotienten explizierte Glaubensfunktion
qX:AL[0,1] einer Wettperson X heißt kohärent g.d.w. es kein endliches und aus
(bzgl. qX) fairen Einzelwetten bestehendes Wettsystem WS ={W1,,Wn} gibt, das in
jedem möglichen Weltzustand w für X zu einem Gesamtverlust < 0 führt.
Inkohärente Wettperson würde faires Wettsystem annehmen, bei der sie mit
Sicherheit verliert  damit könnte man Person ,übers Ohr hauen‘ = 'Dutch book'.
Beispiel eines Dutch Books: Sie wetten mit Wettquotient 1/2 darauf, dass es
morgen regnet, und zugleich mit Wettquotient 3/4 darauf, dass es morgen nicht
regnet.
Mit e als Wetteinsatz ist Gesamtgewinn dann
0,5e  0,75e = 0,25e wenn es morgen regnet und
0,5e+0,25e = 0,25e, wenn es nicht regnet.
Sie verlieren in jedem Fall ein Viertel des Wetteinsatzes.
Theorem Kohärenz: Eine durch faire Wettquotienten explizierte subjektive
Glaubensfunktion q genau dann die drei Wahrscheinlichkeitsaxiome (A1)-(A3, wenn
sie kohärent ist.
Definition
strikte
Kohärenz:
Eine
Glaubensfunktion
q
über
abzählbarem
Möglichkeitsraum heißt strikt kohärent g.d.w. es kein aus fairen Einzelwetten
bestehendes Wettsystem gibt, dass in keiner möglichen Welt einen Gewinn und in
mindestens einer möglichen Welt einen Verlust liefert.
Definition Regularität: Eine Wahrscheinlichkeitsfunktion P über abzählbarem
Möglichkeitsraum heißt regulär g.d.w. q allen möglichen Propositionen einen
Glaubensgrad größer 0 zuordnet.
Theorem
strikte
Kohörenz:
Eine
durch
faire
Wettquotienten
explizierte
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Glaubensfunktion ist strikt kohärent g.d.w. sie Axiome (A1-3) erfüllt und regulär ist.
Kritik der
Rechtfertigung
subjektiven Wahrscheinlichkeit
durch faire
Wettquotienten: (Earman 1992; Howson 1995; Gillies 2000).
Drei Einwände, auf die es passable Antworten gibt, auch wenn diese von starken
Idealisierungen Gebrauch machen:
(1.) Der Erwartungswert einer fairen Wette ist null. Weshalb sollten rationale
Nutzenmaximierer eine faire Wette überhaupt annehmen?
Antwort: Mag sein; wenn sie das nicht tun, stellt sich die Frage, wie kann ich dann
fairen Wettquotienten bestimmen?  Faire Wettquotienten einer Person werden
durch Befragung zu einer hypothetischen Situation ermittelt, in der die Wettperson
sagen soll, welche Wette sie vorziehen würde. Fairer Wettquotient (rationaler
Glaubensgrad) = Wettquotient bei Antwort „gleich“ ist.
(2.) Der Nutzen einer Wette hängt typischerweise nicht linear vom Wettgewinn ab
(was in der Bildung des Erwartungswertes angenommen wird).
Steigt für höhere Gewinne (in Geldeinheiten) schwächer als linear, sinkt für hohe
Wettverluste stärker als linear.
Antwort: Befragung zu hypothetischen Wettsituationen mit Wetteinsätzen, die
verglichen zum Vermögen der Person gering sind. (?: sind dann die Antworten
reliabel?)
(3.) Echte Wetten kann man nur auf empirisch verifizierbare Propositionen
abschließen. Gerade auf jene Propositionen, die für Anwendungen des Bayesianismus
am bedeutsamsten sind  nämlich unverifizierbare wissenschaftliche Hypothesen 
kann man nicht echt wetten.
Antwort: Man benutzt kontrafaktische Fragen folgender Form: Wie viele Euro
würden Sie darauf wetten, dass die Relativitätstheorie wahr ist, wenn es angenommen
einen perfekten Experten gäbe, der nach Abschluss der Wette eine mit Sicherheit
49
50
50
wahre Auskunft über diese Frage gibt?
(? seltsame Idealisierungen, die reale Personen überfordern können)
Drei schwerwiegende Einwände:
(4.) Sollten vernünftige Personen quantitative Glaubensgrade über alle Propositionen
besitzen?
Beispiel: Welche vernünftige Person besitzt Glaubensgrade zu Fragen wie ob es
einen Urknall oder mehrere gegeben hat, oder ob es Gott gibt?
Meisten Personen würden hier stattdessen mit qualitativen Urteilen aufwarten, wie
„für hinreichend erwiesen“, „für eher wahrscheinlich als sein Gegenteil“, oder „zu
unwahrscheinlich, um diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen“.

Subjektive Glaubensgrade scheinen nur dann stabil zu sein, wenn sie sich auf
Erfahrungen von Häufigkeiten gründen (psychologischen Experimente)
(5.) Erster philosophischer Haupteinwand: Kohärente faire Wettquotienten sind noch
lange nicht rational im Sinne von objektiv wahrheitsorientiert.
Reale Erfolgshäufigkeit wird durch faire Wett-Rechtfertigung gar nicht berührt.
Beispiel: Ein Subjektivist wettet begeistert 1:1 darauf, dass er mit einem regulären
Würfel eine Sechs würfelt. Sein Wettquotient ist fair, d.h. er wäre bereit, die
Gegenwette 1:1 darauf anzunehmen, dass er keine Sechs würfelt.
Er bleibt auch dann noch kohärent, wenn er sein ganzes Vermögen verloren hat und
er wird keinen "logischen Fehler" in seinem Wettverhalten erblicken können. Wird
sich nur darüber wundern, dass ihm die nach seiner Ansicht nach ebenso fairen
Gegenwetten nie abgenommen wurden.
Kann sich nicht erklären, warum er sein Vermögen verlor, während andere abgesahnt
haben, solange er nicht objektiven Häufigkeitendes Ereignistyps in Betracht zieht.
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 Einwand (5.) zeigt, dass die Axiome A1-3 nur eine Minimalbedingung für
rationale Glaubensgrade liefern, die viel zu schwach ist, um aus objektiver Sicht
irrationales Wettverhalten auszuschließen.
Howson (2000, 133)
Darüber hinaus folgt aus Einwand (5.), dass kohärente subjektive Glaubensgrade
unterschiedlicher Personen beliebig voneinander abweichen können.
(6.) Zweiter Haupteinwand (Ryder 1981): Sobald mehrere Personen zur selben
Proposition unterschiedliche Glaubensgrade besitzen, kann ein Dutch book gegen die
Gruppe von Personen konstruiert werden.
Es gibt dann ein System fairer Wetten, die für alle möglichen Weltzustände zu einem
Gesamtverlust für die Gruppe und zu einem Gesamtgewinn der gegen die Gruppe
wettenden Person führt.
Beispiel: Gruppe = {X,Y}. Person X wettet mit einem fairen Wettquotient von 1/2
darauf, dass es morgen regnet, und Person Y mit einem fairen Wettquotient von 3/4
dagegen.
Ich nehme beide Wetten als Wettgegner an und gewinne in jeder möglichen Welt ein
Viertel des Wetteinsatzes e, denn:
(i) wenn es morgen nicht regnet, erhalte ich von X die Hälfte von e und muss Y
ein Viertel von e auszahlen, und
(ii) wenn es morgen regnet, erhalte ich von Y drei Viertel von e und muss X die
Hälfte von e auszahlen.
 Somit verlieren X und Y zusammen auf jeden Fall ein Viertel von e, obwohl beide
Wettquotienten kohärent sind.
 Ryder (1981): eine Regel des Wettverhaltens, die wenn von mehreren Personen
befolgt zu einem notwendigen Verlust dieser Personen führen kann, kann nicht als
„rational“ bezeichnet werden.
51
52
52
Gillies (2000, 170ff): auf Kooperation ausgerichtete Personen sollten ein Interesse
daran haben, Übereinstimmung ihrer Glaubensgrade herzustellen.
 Es fragt sichwie kann eine solche intersubjektive Übereinstimmung in nichtwillkürlicher Weise hergestellt werden kann. Artifizielle Übereinstimmung der
Glaubensgrade durch Diktator löst nicht das Problem (5.) nicht.

 Nur intrinsischen Bezug zu statistischen Wahrscheinlichkeiten löst gleichzeitig
Problem (5.) und (6.).
Damit ergibt sich überlegener Weg, die Grundaxiome (A1-3) für subjektiven
Wahrscheinlichkeitsein zu rechtfertigen: weil sie intendieren, die objektiven
statistischen Wahrscheinlichkeiten widerzuspiegeln  können sie nur, wenn sie die
Grundaxiome (A1-3) erfüllen.
"häufigkeitsintendierte Rechtfertigung" von A1-3 (Carnap 1950, Earman 1992, 46).
 Das gelingt nur, wenn funktionsfähige Brückenbeziehungen zwischen subjektiven
und statistischen Wahrscheinlichkeiten hergestellt werden, wie z.B. Prinzip der
engsten Referenzklasse (nächstes Kapitel).
53
6. Verbindungen von statistischer und subjektiver Wahrscheinlichkeit: das
statistische Koordinationsprinzip (StK, „principal principle“)
Zwei Versionen:
1. Das singuläre Koordinationsprinzip (Lewis 1980): verbindet subjektive
Wahrscheinlichkeiten
mit
Einzelfallpropensitäten
('chances').
Einfacher
als
statistisches Koordinationsprinzip, da sich Einzelfallpropensitäten so wie subjektive
W.keiten auf singuläre Sätze und nicht auf offene Formeln beziehen.  Problem:
Einzelfallpropensitäten empirisch gehaltleer sind (daher führen wir dies nicht weiter
aus).
2. Das statistische Koordinationsprinzip StK (Kutschera 1972, Howson/Urbach 1996,
Strevens 2004, Williamson 2010).
StK für einstellige Prädikate (verallgemeinerbar auf mehrstellige Prädikate)
Fx (bzw. Fa) steht für eine möglicherweise komplexe Formel in genau einer
Individuenvariable x (bzw. Individuenkonstante a).
h(F|{a1,,an}) für die Häufigkeit von Fx in einer bestimmten n-elementigen
Stichprobe bestehend aus den Individuen a1,,an.
53
54
54
Definition Statistisches Koordinationsprinzip StK:
(a) Sei H statistische Hypothese, die p(Fx)=r wahrscheinlichkeitstheoretisch impliziert. Dann gilt: P(Fa | H  E(b1,,bn)) = r,
sofern die Zulässigkeitsbedingung „a  bj für alle j{1,,n}“ erfüllt ist.
Spezialfall: P(Fa | p(Fx)=r  E(b1,,bn)) = r.
In Worten: Der rationale Glaubensgrad dafür, dass ein bestimmtes Individuum a die
Eigenschaft F besitzt, unter der Annahme, dass die statistische Wahrscheinlichkeit
von Fs im gegebenen Individuenbereich den Wert r besitzt  wobei im Antecedens
sonst nichts über a, sondern höchstens über von a verschiedene Individuen b j oder
über weitere statistische Fakten angenommen wird)  ist identisch mit dem Wert r.
(b) Sei H eine statistische Hypothese, die p(Gx|Fx)=r wahrscheinlichkeitstheoretisch
impliziert. Dann gilt: P( Ga | H  Fa  E(b1,,bn) ) = r, wobei die
Zulässigkeitsbedingung wie in (a) erfüllt ist.
Spezialfall: P( Ga | p(Gx|Fx)=r  Fa  E(b1,,bn) ) = r.
In Worten: Der rationale Glaubensgrad dafür, dass ein bestimmtes Individuum a die
Eigenschaft G besitzt, unter der Annahme, dass die statistische Wahrscheinlichkeit
von Gs in der Klasse der Fs den Wert r besitzt und a die Eigenschaft F besitzt 
wobei  (Klammerbemerkung wie in (a)  ist identisch mit dem Wert r.
(c) StK für Zufallsstichproben:
P(h(Fx|{a1,,an}) = kn | p(Fx)=r  E(bj))=
n k
 k   r (1r)nk.
 
In Worten: Die rationale Glaubensgrad dafür, dass die Häufigkeit von Fs in einer
bestimmten Zufallsstichprobe von n Individuen k/n beträgt, unter der Annahme einer
statistischen F-Wahrscheinlichkeit vom Wert r, stimmt mit der durch die
Binomialformel berechneten Häufigkeit von k r-wahrscheinlichen Ergebnissen in
Wiederholungen eines binären Zufallsexperimentes.
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(StK) ist Grundlage der Bayesianischen Statistik. Inverse W.keit P(E|H) der Evidenz
(Stichprobe) E gegeben Hypothese H heißt Likelihood von H.
 Wenn subjektives Likelihood mit statistischem Likelihood übereinstimmt,
konvergieren
subjektiven
Hypothesenw.keiten
P(H|E)
mit
zunehmendem
Stichprobenumfang gegen statistische W.keiten.
(b) folgt wahrscheinlichkeitstheoretisch aus (a).
Mögliche Verstärkung der statistische Hypothese in (a) und (b) wird zur Herleitung
des StK für unabhängige Kombinationen von Zufallsexperimenten benötigt.
Beispiel: P(FaGb | p(Fx)=r p(Gx)=q) Ec) = rq [= p(FxGy)]
Zulässigkeitsbedingung:
Konditionalisierung
auf
zusätzliche
(hypothetische)
Evidenzen E(b1,,bn) nur erlaubt, wenn diese nichts über jenes Individuum a
besagen, auf die das StK angewandt wird  daher bj  a (für 1jn).
 Ohne Zulässigkeitsbedingung könnte StK zu Inkohärenzen führen:
Beispiel: H = (p(Fx|Gx) = 0.5)  (p(Fx|Qx) = 0.8), dann erhielte man zugleich
P(Fa|GaQaH) = 0,5 und P(Fa|GaQaH) = 0,8 (Widerspruch).
Gemäß dem (StK) sind nur P(Fa|QaH) = 0,8 und P(Fa|GaH) = 0,5 korrekt.
(„All I know“ Interpretation; Pearl 1988)
Um StK auf kombinierte Evidenz GaQa anzuwenden, muss man (gemäss dem
Prinzip der engsten Referenzklasse" die statistische W.keit auf "GxQx"
konditionalisieren, sofern diese bekannt ist: P(Fa|GaQa  p(Fx|GxQx) = s) = s.
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56
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Durch das StK für Zufallsstichproben ergibt sich der induktive empirische Gehalt
statistischer Hypothesen  die Menge aller epistemischen Wahrscheinlichkeitssätze,
die aus StK und Akzeptanz der Hypothese mit P=1 folgen:
Beispiel: Induktiv-empirischer Gehalt einer statistischen Hypothese p(Fx) = r:
Alle W.keitssätze der Form „P(h(Fx |{a1,,an}) = kn ) = (nk ) rk(1r)nk“
für alle individuellen Stichproben{a1,,an}.
 Darauf beruhen die Überprüfungsverfahren für statistische Hypothesen (später).
Weitere Einschränkung des StK:
Bei
P
soll
es
sich
gemäß
Carnap
um
eine
erfahrungsunabhängige
Ausgangswahrscheinlichkeit handeln: "apriori W.keit"
Moderne Bayesianer:
Zumindest darf P von keiner Beobachtung über jene
Individuen (ai) abhängen, auf die das StK angewandt wird: Ausgangsw.keit, prior
probability
Sonst kann das StK ebenfalls zu Widersprüchen führen.
Beispiel: Wissen wir durch Beobachtung zum Zeitpunkt t, dass die eben geworfene
Münze (a) auf Kopf gelandet ist (Ga), dann gilt für aktuale Glaubensfunktion Pt
zum Zeitpunkt t, Pt(Ga) = 1  auch wenn wir wissen, dass statistische W.keit von
Kopf 1/2 beträgt.
Für aktuale Glaubensfunktion Pt gilt: Pt(Ga|p(Gx)=1/2) = 1  Widerspruch zum StK.
Auch wenn wir unserer Beobachtung von „Ga“ nicht sicher sind, sondern Pt(Ga) =
0,95 gilt, würde Konflikt zum StK entstehen.
Nur wenn wir Ausgang des Münzwurfes (Ga oder Ga) noch nicht beobachtet haben
und abgesehen von statistischen W.keit 1/2 nichts darüber wissen, macht es Sinn,
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dem Ergebnis Ga den Glaubensgrad 1/2 zuzuschreiben.
Pt : aktuale Glaubensfunktion des Subjekts zur Zeit t
P erfahrungsunabhängige Ausgangsw.keit
Von
Ausgangswahrscheinlichkeiten
zu
aktualen
Glaubensgraden
durch
Konditionalisierung auf die Gesamtevidenz: (Reichenbachs Prinzip der engsten
Referenzklasse; Carnap 1971, Earman 1992, Howson/Urbach 1996, 102f).
Konditionalisierung auf die Gesamtevidenz ("strikte Konditionalisierung"):
Sei P = P0 die Ausgangswahrscheinlichkeitsfunktion (eines gegebenen Subjekts) zu
Startzeitpunkt t0,
 sei Pt die aktuale Wahrscheinlichkeit zur Zeit t, und
 sei W0-t das gesamte singuläre und statistische Wissen (eine lange Konjunktion),
dass diese Person zwischen t0 und t erworben hat (Pt(W0-t) = 1).
Dann gilt für jede Proposition S: Pt(S) = P0(S | W0-t).
Aus StK und Konditionalisierungsregel folgt Reichenbachs Prinzip der engsten
Referenzklasse:
Denn:
Gemäß StK gilt, sofern H p(Gx|Rx)=r impliziert: P0(Ga | RaE(bj)H)= r.
Angenommen: W0-t = R(a)E(bj)H (id.h., das ist die Gesamtevidenz).
Dann ergibt die Konditionalisierungsregel Pt(Ga) = r ( = Prinzip der engsten
Referenzklasse).
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