2 Biomechanische Merkmale und Untersuchungsmethoden im Sport 2.1 Kinemetrie 2.2 Dynamometrie 2.3 Biomechanische Anthropometrie 1 Gliederung biomech. Messverfahren - nach Art der gemessenen Größe DYNAMOMETRIE KINEMETRIE ANTHROPOMETRIE EMG - nach dem Messprinzip MECHANISCH ELEKTRONISCH OPTISCH 2 2.1 Kinemetrie 2.1.2 Elektronische Verfahren 2.1.3 Optische Verfahren 3 Merkmal Zeit Symbol Einheit t s Frequenz f 1/s, Hz Ortsveränderung s m Geschwindigkeit v m/s r r ds = s& v = dt a m/s² r r dv a= = v& = &s& dt r s v= ∆t Beschleunigung r ∆v a= ∆t 4 SPRINTER 5 s-t-Diagramm 120 100 s(m) 80 60 s(t) 40 20 t s (s) (m) 0 0 4 32 8 88 10 100 0 0 2 4 6 8 10 t(s) 6 v(m/s) v-t-Diagramm 16 14 12 10 8 6 4 2 0 t v (s) (m/s) v(t) 2 8 6 14 9 6 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 t(s) 7 a-t-Diagramm a(m/s2) 5 4 3 2 1 0 a(t) t a (s) (m/s2) 1 4 4 -1 -2 1,5 7,5 -2,6 -3 0 1 2 3 4 5 6 7 8 t(s) 8 v-s-Diagramm von 100 m Läufern (Ikai 1968) 9 Beinstreckkraft – Beschleunigungskraft Korrelation: Männer r = 0.73 Frauen r = 0.62 (Ikai 1968) 10 Fig. 4. (a) Anteroposterior component of the ground reaction force (FYmean, in N/kg) Rabita et al., Sprint mechanics in world-class athletes: a new insight into the limits of human locomotion, Scand J Med Sci Sports 2015: ••: ••–•• doi: 10.1111/sms.12389 Leistungsrelevante Eigenschaften Sprint 1. Reaktionsschnelligkeit: 0,1–0,2s Weltklassesprinter 0,05–0,07s 2. Sprintbeschleunigung: 9,6 m/s2 Herren ca. 40 m, 6,2 m/s2 Damen, je höher und je länger desto besser 3. Sprintschnelligkeit: > 10 m/s Herren Weltklasse -> 85% auf 2 und 3 (nach Ballreich) -> Muskelquerschnitt, Fasertyp, Nervensystem, Trägheit, ... 4. Sprintausdauer: Abnahme der max. Schnelligkeit ca. 10% -> nur 10% auf 4 (Ballreich) Limitierung: energetische, neuromuskuläre, mechanische 12 Kinematische Merkmale Translation s [m] v [m/s] a [m/s²] Rotation φ [°, rad] ω = ∆φ / ∆t [°/s, rad/s] α = ∆ω / ∆t [°/s², rad/s²] Zusammenhang Translation – Rotation: s=φ.r v=ω.r a=α.r r ... Radius Differentation: dt s Integration: ∫ dt v a a ∫ v s 13 Freier Fall a=g v=gt +v g s = t + v t + s 2 2s t = g 0 2 0 0 v = 2gs Bsp.: Sprung vom 10 m Turm Wie lange dauert der Fall? Wie hoch ist die Eintauchgeschwindigkeit? 14 Wurfparabel vx = v0 cos α x = v0 t cos α vy = v0 sin α – g t y = v0 t sin α – g/2 t2 Wurfparabel: y = tan α . x – - (g / (2 v02 (cos α)2)) . x2 Flugweite: xmax = v02 sin (2 α) / g Flughöhe: ymax = v02 . (sin α)2 / 2 g 15 Beispiel Weitsprung Angaben: v0 = 9 m/s, α = 45°, g = 10 m/s² Sprungweite: xmax = v02 sin (2 α) / g xmax = (9 .9 . sin(90°)) / 10 = 8.1 m Flughöhe: ymax = v02 . (sin α)2 / 2 g ymax = (9 . 9 . sin²(45°)) / (2 . 10) = 2 m Was stimmt nicht? 1. KSP-Landehöhe liegt tiefer als KSP-Absprunghöhe: senkt optimalen Absprungwinkel auf 42° 2. Umsetzen der horizontalen Anlaufgeschwindigkeit in vertikale Richtung ist schwierig, gute Springer bremsen vx auf ca. 8.5 m/s und erreichen ein vy von ca. 3 m/s, tan α = 3/8.5, α =19.4°, Extremwerte bei 24° 16 Beispiel Skisprung Um Sprungweite zu bestimmen, wird Schanzenprofil benötigt: BergIsel Schanzenprofil ys(x), Anlaufgeschwindigkeit va = 90 km/h, Absprunggeschwindigkeit vs = 2,4 m/s und Neigungswinkel Schanzentisch a = 10,75° ohne Luftkräfte Sprungweite 61 m mit Luftwiderstand geringer als 61 m mit Auftrieb 120 m Beispiel Airbag Luftwiderstand geringer Einfluss, da v gering Wie wird überspringen verhindert? Flugweite: xmax = v02 sin (2 α) / g Flughöhe: ymax = v02 . (sin α)2 / 2 g 2.1 Kinemetrie 2.1.1 Kinematische Merkmale 2.1.3 Optische Verfahren 19 Zeitmessung 20 Probleme Zeitmessung 1. Lichtschranken müssen vom bewegten Körper in gleicher Haltung unterbrochen werden. 2. Bei kleinen Messstrecken und/oder hohen Bewegungsgeschwindigkeiten machen sich bereits Zeitmessfehler bemerkbar. Um Fehler auf +- 1% zu begrenzen, muss gemessene Zeit wenigstens 100 mal größer sein als Einheit der letzten angezeigten Uhrstelle. Z.B. letzte Uhrstelle 1 ms, Zeit um Messstelle zu durchlaufen muss ≥ 100 ms sein, v = 25 m/s Lichtschranken zumindest 2.5 m auseinander. 21 Anwendungsbeispiel Ziel: Bestimmung der Schneereibung Messtrecke Sprungschanze Seefeld, 25 Lichtschranken on line geschaltet, Lichtschranken geodätisch vermessen, Abstand 5m, Hangneigung vermessen Über Bewegungsgleichung des Skifahrers die Geschwindigkeitsabhängigkeit des Gleitreibungskoeffizienten bestimmt . (Nachbauer/Kaps 1996) 22 Goniometer 23 Schematische Darstellung – Messprinzip Potentiometer (Goniometrie) 24 Vor-/Nachteile der Goniometrie Vorteile: 1. sehr genaue Winkelbestimmung mit Potentiometer 2. sofortige Verfügbarkeit auch von ω und α 3. körperfestes Bezugsystem Nachteile: 1. Goniometer erlauben zumeist nur Rotation um eine Achse, Gelenksbewegungen zumeist mehrere Freiheitsgrade 2. Drehachse bei Gelenken nicht konstant, z.B. Knie, ... 3. Befestigung des Goniometers schwierig: Verschiebung durch Bewegung, durch Stöße 25 Anwendungsbeispiel Technikanalyse Telemark: Bestimmung von SohlenSprunggelenk- und Kniewinkel beim Telemarken (Hauer O., Diplomarbeit, 2003) 26 Geschwindigkeitsmessung: Fadenmethode 27 Anwendungsbeispiel Bestimmung der Schwimmgeschwindigkeit Unterschied rechter und linker Arm Geschwindigkeitsschwankungen pro Zyklus 28 Messprinzip Faden, der auf einer drehbaren Trommel gelagert ist, wird am Körper befestigt. Durch Bewegung wird Faden abgespult. Drehgeschwindigkeit der Trommel ist proportional der Bewegungsgeschwindigkeit. Drehgeschwindigkeit wird mit inkrementalem Drehgeber und digitalem Impulszähler bestimmt. Nachteile: 1. nur geradlinige Bewegung messbar 2. Schwingungen des Fadens 29 Ergebnis Geschwindigkeitsmessung Geschwindigkeit [m/s] 3,2 3,0 Höchstgeschw. [m/s] 2,57 2,8 2,6 Mittelwert [m/s] 1,84 2,4 2,2 2,0 Stdabw[m/s ] 0,25 1,8 1,6 N umerisch 1,4 100 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 13,0 13,5 14,0 14,5 15,0 15,5 16,0 16,5 17,0 17,5 18,0 18,5 19,0 19,5 20,0 20,5 21,0 21,5 22,0 Schindelwig 200230 Beschleunigungsmessung 31 Schematische Darstellung – Messprinzip Beschleunigungsaufnehmer Dehnungsmessstreifen Piezoaufnehmer 32 Probleme Beschleunigungsaufnehmer 1. Koordinatensystem des a-Aufnehmers ist körperfest aber nicht raumfest, um Richtung im raumfesten System zu bestimmen, muss Orientierung des a-Aufnehmers mitbestimmt werden. 2. Messwert ist abhängig von der Orientierung des Aufnehmers zur Vertikalen (Erdbeschleunigung). 3. Befestigung: a-Aufnehmer können nicht starr am Menschen befestigt werden. es entstehen Schwingungen, Resonanzschwingung (erhöhte Amplitude), Phasenverschiebung und Amplitudendämpfung durch lockere Verbindung zwischen Haut und Skelett. 33 Befestigung der Beschleunigungsaufnehmer bei einer Motocrossstudie 34 Beschleunigung [m/s²] Anwendungsbeispiel - Rodelstart 35 2.1 Kinemetrie 2.1.1 Kinematische Merkmale 2.1.2 Elektronische Verfahren 36 Optische Verfahren Objekt --------Abbildendes System Fotographische Verfahren foto-chemische Schicht Film Optisch-elektrische Verfahren foto-elektrische Schicht Video erfasste Grundgrößen: Ortskoordinaten und Zeit rückwirkungsfreies Messsystem 37 Datenerfassung Zeitliches Auflösevermögen: Aufnahmefrequenz je nach Bewegungsschnelligkeit: 50-500 Hz Räumliches Auflösevermögen: Abbildungsmaßstab = Bildgröße zu Objektgröße, technische Auflösung 2-D Analyse: nur ebene Bewegungen, optische Achse normal zur Bewegungsebene, großer Kameraabstand und zoomen, Maßstab aufnehmen 3-D Analyse: zumindest 2 synchronisierte Kamera, Winkel zw. optischen Achsen zwischen 30 und 120 Grad, Passpunktsystem, stationäre oder bewegte Kamera 38 Casio Exilim EX-ZR700 • • • • • 640x480 – 120 fps und 512x384 – 240 fps 224x64 – 1000 fps 18-fach Zoom, bei HS-Aufnahme Zoom fixiert Lichtempfindlichkeit (ISO): bis 3200 Ca. € 300,- Sony NEX FS700 • • • • • • Highspeedvideo von 50 – 800 fps Full-HD (1920/1080) bis 200 fps (Aufnahmezeit 10 s) Telezoomobjektiv austauschbar (ca. 11-fach) Verschlusszeit 1/3 – 1/10000 Lichtempfindlichkeit (ISO) bis 16000 Je nach Ausstattung ab € 8.000,- 40 Datenerfassung Zeitliches Auflösevermögen: Aufnahmefrequenz je nach Bewegungsschnelligkeit: 50-500 Hz Räumliches Auflösevermögen: Abbildungsmaßstab = Bildgröße zu Objektgröße, technische Auflösung 2-D Analyse: nur ebene Bewegungen, optische Achse normal zur Bewegungsebene, großer Kameraabstand und zoomen, Maßstab aufnehmen 3-D Analyse: zumindest 2 synchronisierte Kamera, Winkel zw. optischen Achsen zwischen 30 und 120 Grad, Passpunktsystem, stationäre oder bewegte Kamera 41 Anwendungsbeispiel - Carving 42 Anwendungsbeispiel - Carving 43 Anwendungsbeispiel - Landekräfte 44 Digitalisieren Digitalisieren: Bestimmung der Bildkoordinaten der zu analysierenden (Körper)punkten (Körper)punkte werden für die Aufnahme markiert, Umrechnung auf Gelenkszentren, Schätzen der Gelenkszentren Manuelles, semi-automatisches, automatisches Digitalisieren Digitalisieren von Passpunkten zur 3-D Rekonstruktion 45 Digitalisieren von Pass- und Körperpunkten 46 Digitalisieren von Pass- und Körperpunkten 47 Digitalisieren von Pass- und Körperpunkten 48 Transformation von Bild- in Objektkoordinaten 2-D Analyse: Skalierung über Maßstab 3-D Analyse: DLT- Methode (Kalibrierung und 3-D Rekonstruktion) DLT … direkte lineare Transformation 49 DLT–Methode (direkte lineare Transformation) 1. Schritt: Berechnung der DLT-Parameter 6 oder mehr Paßpunkte mit bekannten Koordinaten (X,Y,Z) korrespondierenden Bildkoordinaten (x,y) DLT-Parameter (b1 ... b11) - hängen ab von Kamera Position, Orientierung x= (b1 X + b2 Y+ b3 Z + b4) / b9 X + b10 Y + b11 Z + 1) y= (b5 X + b6 Y + b7 Z + b8) / b9 X + b10 Y + b11 Z + 1) 2. Schritt: Berechnung von 3-D Koordinaten aus Bildkoordinaten Bildkoordinaten (x,y) von 2 oder mehr Kameras nötig ergibt 4 oder mehr Gleichungen zur Berechnung der 3 Unbekannten (X,Y,Z) 50 Datenglättung Mathematische Verfahren die Messfehler ausgleichen: 1. Gleitende Ausgleichsparabel: nach Methode der kleinsten Fehlerquadrate wird Parabel durch z.B 5 Messpunkte gelegt, an mittlerer Stelle Wert berechnet, erster Messwert weggelassen, ein neuer Messwert dazu genommen und Verfahren wiederholt. 2. Ausgleich-Spline: Spline besteht aus stückweise zusammengesetzten Polynomen, die an den Stützstellen (=Messwerte) glatt verlaufen. 3. Digitale Filter: bestimmte Frequenzen der Messreihe werden weggefiltert. Tief-, Hochpassfilter, Band-Passfilter 51 Rohdaten: Gelenkswinkel 52 Geglättete Daten: Quintischer Spline, p = 2e-8 53 Geglättete Daten: Quintischer Spline, p = 2e-3 54 Datenanalyse Berechnung von translatorischen und rotatorischen kinematischen Größen, z.B. v, a, ... Körperschwerpunktsberechnungen: Teilschwerpunkte und Teilmassen von Clauser Hanavan Modell (siehe biom. Anthropometrie) graphische Darstellung Programmpakete: MATLAB, KINTRAK, PEAK 55 Anwendung – BergIsel Hochgeschwindigkeitsvideo, 200 Hz; Widhölz, 10/2002 Quantitative Auswertung: Kinegramm, Gelenkswinkel, Winkelgeschwindigkeiten, Köperschwerpunkt 56 Anwendung - BergIsel 57 Anwendung - BergIsel 58 Anwendung - BergIsel 59 Anwendung - BergIsel 60 Anwendung – BergIsel Hochgeschwindigkeitsvideo, 200 Hz; Widhölz, 10/2002 Qualitative Auswertung: Head to Head, Reihenbilder, Überblenden ... (Programme: MaxAnalyse, Kinovea, Dartfish ...) 61