Lösung 1

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Quantenmechanik II
Musterlösung 1.
Übung 1.
FS 2017
Prof. Thomas Gehrmann
[CHSH-Ungleichung]
In dieser Aufgabe betrachten wir eine verallgemeinerte Formulierung der Bell’schen Ungleichung mit vier
Messungen, die aus einem Werk von Clauser, Horne, Shimony und Holt stammt1 und in der Quanteninformationstheorie weit verbreitet ist. Wir betrachten zwei Beobachter (Alice und Bob), die jeweils eine
von zwei möglichen Messungen durchführen können. Diese Messungen definieren vier Observablen: a0 ,
a1 für Alice und b0 , b1 für Bob. Wir betrachten nun die folgende Grösse
C ≡ (a0 + a1 )b0 + (a0 − a1 )b1 .
(1)
Wir werden zeigen, dass die Werte, die C in der Quantenmechanik annehmen kann, mit den Resultaten
der Messungen in einer lokalen Theorie mit verborgenen Variablen unverträglich sind.
(a) Wir nehmen an, dass die Messergebnisse nur die Werte ±1 annehmen können. Dies trifft z.B.
für eine mit ~/2 skalierte Spin-Messung in Richtung von ~n (|~n| = 1) eines Spin 1/2-Teilchens zu.
Zeige, dass C = ±2.
(b) Wir nehmen nun an, dass die Werte der Observablen nicht direkt im Modell enthalten sind, sondern
noch eine verborgene Variable λ benötigen, um exakt berechnet zu werden. Die Variable λ kann durch
eine Wahrscheinlichkeitsverteilung PHV (λ) beschrieben werden. Berechne den Erwartungswert von
C unter solchen Bedingungen und leite die CHSH-Ungleichung her:
|hCi| = |ha0 b0 i + ha1 b0 i + ha0 b1 i − ha1 b2 i| ≤ 2
(2)
Wir wollen nun zeigen, dass die CHSH-Ungleichung in der quantenmechanischen Beschreibung des EPR
Versuches nicht erfüllt ist. Wir betrachten dazu den Singulett-Zustand
1
|ΨiAB = √ (| ↑↓iAB − | ↓↑iAB )
2
(3)
und schreiben die Observablen als Bloch-Vektoren âi , b̂i , mit ai = ~σ · âi und bi = ~σ · b̂i , wobei ~σ =
êx σx + êy σy + êz σz .
(c) Zeige, dass die Regeln der Quantenmechanik für diese Observablen
hΨ|(~σA · â)(~σB · b̂)|ΨiAB = −â · b̂
(4)
besagen.
(c) Wir wählen nun für die Observablen zwei Sätze von orthogonalen Richtungen, z.B. â0 = êx , â1 = êy
und z.B. b̂0 = √12 (êx + êy ), b̂1 = √12 (êx − êy ). Zeige, dass der Erwartungswert von C für solche
Observablen die CHSH-Ungleichung verletzt. Was kann man aus dieser Verletzung folgern?
Lösung.
(a) Wir betrachten die möglichen Werte der Summanden a0 + a1 und a0 − a1 , wenn a0 = a1 =
±1. Es gilt a0 + a1 = ±2, a0 − a1 = 0 falls a0 = a1 und a0 + a1 = 0, a0 − a1 = ±2 falls
a0 6= a1 . Somit ist für alle Kombinationen von a0 , a1 jeweils nur ein Summand ungleich
Null und gleich ±2. Multiplikation mit b0 = ±1 oder b1 = ±1 ändert nur das Vorzeichen.
1
John F. Clauser, Michael A. Horne, Abner Shimony, and Richard A. Holt, Phys. Rev. Lett. 23, 880.
1
(b) Die Wahrscheinlichkeit, dass die Observablen die Werte a0 = α0 , a1 = α1 , b0 = β0 und b1 =
β1 annehmen, ist gerade durch P (a0 = α0 , a1 = α1 , b0 = β0 , b1 = β1 |λ)PHV (λ) gegeben.
Wenn wir mit dieser Wahrscheinlichkeit den Erwartungswert von C bilden, werden wir
über alle λ mitteln müssen und das führt zu
|hCi| = |ha0 b0 i + ha1 b0 i + ha0 b1 i − ha1 b1 i| ≤ 2,
da der Erwartungswert kleiner als der maximale Wert der Wahrscheinlichkeitsverteilung
sein muss.
(c) Der Singlet-Zustand ist rotationsinvariant, d.h. (UA ⊗ UB ) |ΨiAB = |ΨiAB für alle unitäre
U mit det U = 1. Da die Pauli-Matrizen antiunitär sind, folgt
X
hΨ| (~σA · â) ~σB · b̂ |ΨiAB = hΨ|
aj bk (σj ⊗ σk )|ΨiAB
(L.1)
jk
= −hΨ|
X
aj bk (1A ⊗ σk σj ) |ΨiAB
(L.2)
aj bk (1A ⊗ (δkj 1B + ikjl σl )) |ΨiAB
(L.3)
jk
= −hΨ|
X
jk
= −hΨ|
X
aj bj |ΨiAB − hΨ|
j
X
(1A ⊗ ikjl σl ) |ΨiAB
(L.4)
jk
= −â · b̂.
(L.5)
Im zweiten Schritt haben wir das System mit σj rotiert (oder anders gesehen σj2 nach
σk eingeführt und σj ⊗ σj |Ψi = −|Ψi mit det(σj ) = −1 benutzt). Ausserdem haben wir
σk σj = δkj 1B + ikjl σl benutzt.
(d) Wir wählen â0 = êx , â1 = êy und b̂0 = √12 (êx + êy ), b̂1 = √12 (êx − êy ) (zwei Sätze von orthogonalen Polarisationsrichtungen im ursprüglichen Argument von Bell mit verschränkten
Photonen, horizontal/vertikal und +45◦ /-45◦ ). Mit diesen Richtungsvektoren bekommen
wir für die Erwartungswerte im Zustand |Ψi:
1
1
ha0 b0 i = ha1 b0 i = ha0 b1 i = − √ ,
ha1 b1 i = + √ .
(L.6)
2
2
√
Dann folgt unmittelbar | hCi | = 2 2 2. Die Quantenmechanik verletzt die CHSHUngleichung und kann dementsprechend keine lokale Theorie der Realität mit verborgenen
Variablen sein.
Übung 2.
[Verkettete Bell’sche Ungleichungen]
In dieser Aufgabe werden wir eine Form der Bell’schen Ungleichung kennen lernen, deren Verletzung
durch die Quantenmechanik (QM) noch stärker ist, als die Verletzung der in der Vorlesung besprochenen
Version. Wir bezeichnen mit X das Resultat der Messung des ersten Spins und mit Y das Resultat einer
raum-zeitlich getrennten Messung des zweiten Spins eines Singulett-Zustandes
1
|ψ − i := √ (|~e1 iA ⊗ |~e2 iB − |~e2 iA ⊗ |~e1 iB ) .
2
Die Messung findet jeweils bezüglich einer um einen Winkel α rotierten Basis |αi := cos(α)|~e1 i +
sin(α)|~e2 i, |α⊥ i := − sin(α)|~e1 i + cos(α)|~e2 i statt. Der Index in Xα gibt diesen Winkel an.
2
(a) Betrachte die “Bell-Quantity” IN für i ∈ {0, 2, . . . , 2N − 2} und j ∈ {1, 3, . . . , 2N − 1},
i
h
i
h
X
i π = Y j π .
IN := P X0 6= Y 2N −1 π +
P X 2N
2
2N
2
(5)
2N 2
|i−j|=1
P [Xα = Yβ ] ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Observablen Xα und Yβ den gleichen Wert annehmen. Analog wird die Wahrscheinlichkeit für unterschiedliche Messresultate definiert.
Wir gehen zunächst von der Existenz verborgener Variablen aus. Dazu wollen wir annehmen, dass
jede Messung von X, Y die Realisierung zweier unabhängiger Zufallsvariablen ist, die ausschliesslich Werte ±1 annehmen können. Zeige, dass dann IN ≥ 1 gilt.
Hinweis. Betrachte
FN := 1 − δX0 Y 2N −1 π +
2N
2
X
|i−j|=1
δX
i π
2N 2
Y
j π
2N 2
,
(6)
wobei δXα Yβ das Kronecker-Delta der Resultate der Messung Xα und Yβ ist. Zeige, dass für jede mögliche Realisierung der verschiedenen Zufallsvariablen FN ≥ 1 gilt, und folgere daraus die
Behauptung.
(b) Bevor wir IN quantenmechanisch berechnen können, benötigen wir zuerst die Wahrscheinlichkeit für
α
eine Messung in der rotierten Basis. Dazu definieren wir noch die Projektionsoperatoren OA,B
:=
β
⊥
⊥
−
α
|αihα| − |α ihα |. Zeige nun, dass im Zustand |ψ i der Operator OA ⊗ OB den Wert −1 mit
folgender Warscheinlichkeit annimmt:
β
α
P r[OA
⊗ OB
= −1]|ψ− i = cos2 (α − β) .
(c) Berechne nun IN nach den Gesetzen der Quantenmechanik. Wie verhält sich IN für N → ∞?
Verwende dazu das Resultat aus Teilaufgabe (b).
(d) Betrachte den Fall N = 2 und verifiziere die Verletzung von I2 ≤ 1 durch die Quantenmechanik.
Vergleiche das Resultat mit der relativen Abweichung des quantenmechanischen Erwartungswerts
von der Schwelle der üblichen (Bell’schen) CHSH-Ungleichung.
(e) Bei der Behandlung der Bell’schen Ungleichung im Skript werden Messungen bezüglich gedrehter
Raumachsen ~n betrachtet, während wir bisher von abstrakten Rotationen im Hilbertraum C2 ausgegangen sind. Wie muss man ~n im Experiment wählen, wenn man einen Spin bezüglich einer im
Hilbertraum um den Winkel α gedrehten Basis messen möchte?
3
Lösung.
(a) Wir betrachten mögliche Kombinationen der 2N Messwerte für die verschiedenen Messrichtungen und versuchen diese so zu wählen, dass FN < 1. Wir sehen, dass die Summe in
(6) in diesem Fall den Wert 0 annehmen muss, und somit auch jedes einzelne Delta in der
Summe verschwindet. Wir wählen für X0 den Wert +1 schliessen aus der Betrachtung der
folgenden Tabelle, dass dann Y 2N −1 π = −1 gelten muss.
2N
2
Xα
+1
α
0
+1
2 π
2N 2
..
.
..
.
+1
2N −2 π
2N 2
β
Yβ
1 π
2N 2
−1
3 π
2N 2
−1
..
.
..
.
2N −1 π
2N 2
−1
Somit verschwindet aber auch das erste Delta in (6) und wir haben FN = 1. Analog
können wir auch argumentieren, falls X0 den Wert −1 annimmt. Somit ist die im Hinweis
aufgestellte Behauptung bewiesen. Da es sich bei IN um den Erwartungswert von FN
handelt, folgt daraus IN ≥ 1.
0
1
. Dann ist | ψ − i gegeben durch
und | ~e2 iA,B =
(b) Wähle | ~e1 iA,B =
1
0
1
1
1
0
0
1
)
| ψ i = √ (|~e1 iA ⊗ |~e2 iB − |~e2 iA ⊗ |~e1 iB ) = √ (
⊗
−
⊗
0
1
1
0
2
2
   
 
0
0
0
 0
1
1 
1
1
 −  ) = √   ,
= √ (
2 0 1
2 −1
0
0
0
−
die gedrehte Basis durch
| αi =
cos(α)
,
sin(α)
| α⊥ i =
− sin(α)
cos(α)
,
α ⊗ O β durch
und der Operator OA
B
β
α
OA
⊗ OB
= (|αihα| − |α⊥ ihα⊥ |) ⊗ (|βihβ| − |β ⊥ ihβ ⊥ |)
= |αihα| ⊗ |βihβ| − |α⊥ ihα⊥ | ⊗ |βihβ| − |αihα| ⊗ |β ⊥ ihβ ⊥ | + |α⊥ ihα⊥ | ⊗ |β ⊥ ihβ ⊥ |
=: (+1)P1 + (−1)P−1 .
α−β
0 anstatt O α ⊗ O β zu betrachten. Der entspreEs ist äquivalent, den Operator OA
⊗ OB
A
B
4
chende Projektor P−1 , dessen Warscheinlichkeit wir berechnen möchten, ist also
P−1 = |(α − β)⊥ ih(α − β)⊥ | ⊗ |0ih0| + |α − βihα − β| ⊗ | 0⊥ ih0⊥ |
− sin(α − β)
1
− sin(α − β) cos(α − β) ⊗
1 0
=
cos(α − β)
0
cos(α − β)
0
cos(α − β) sin(α − β) ⊗
0 1
+
sin(α − β)
1


sin2 (α − β)
0 − cos(α − β) sin(α − β) 0

0
0
0
0

=
2
− cos(α − β) sin(α − β) 0
cos (α − β)
0
0
0
0
0


0
0
0
0
2
0
cos (α − β)
0 cos(α − β) sin(α − β)

+

0
0
0
0
2
0 cos(α − β) sin(α − β) 0
sin (α − β)
und somit folgt

β
α
= −1]|ψ− i
P r[OA
⊗ OB

0
1
1

0 1 −1 0 P−1 
= hψ − | P−1 | ψ − i =
−1
2
0
 


0
cos(α − β) sin(α − β)
 


1
cos2 (α − β)
0
+
]
0 1 −1 0 [
=
2




0
− cos (α − β)
2
cos(α − β) sin(α − β)
0
= cos2 (α − β) .
(c) Aus der Lösung von Teilaufgabe (b) entnehmen wir P [Xα 6= Yβ ] = cos2 (α − β). Daraus
folgt
P [Xα = Yβ ] = 1 − cos2 (α − β) = sin2 (α − β).
Somit haben wir
IN = cos2
2N − 1 π
2N 2
+ (2N − 1) sin2
1 π
2N 2
= 2N sin2
1 π
2N 2
und limN →∞ IN = 0.
(d) Wir setzen N = 2 und erhalten aus b)
I2 = 4 sin
2
π 8
π √
= 2 1 − cos
= 2 − 2 < 1.
4
Für die relative Abweichung
der Verletzung der verketteten Bell’schen Ungleichung haben
√
2
wir ∆CBI ≡ 1−I
=
2
−
1.
Wir vergleichen diese relative Abweichung mit dem Resultat
1
aus
der
CHSH-Formulierung,
wo die relative Abweichung der Verletzung ist ∆CHSH =
√
√
2 2−2
= 2 − 1 (siehe Aufgabe 1). Das heisst, dass die relative Abweichung des QM2
Erwartungswerts vom durch die verkettete Bell’sche Ungleichung gegebenen Grenzwert
gerade gleich gross ist, wie bei der üblichen CHSH-Formulierung.
5
(e) Wir betrachten den in Teilaufgabe (b) definierten Operator Oα zur Messung des Spin
bezüglich der Basis (|αi, |α⊥ i), wobei |αi = cos(α)|~e1 i+sin(α)|~e2 i und |α⊥ i = − sin(α)|~e1 i+
cos(α)|~e2 i.
Oα = |αihα| − |α⊥ ihα⊥ |
= cos2 (α)|~e1 ih~e1 | + cos(α) sin(α) |~e1 ih~e2 | + |~e2 ih~e1 | + sin2 (α)|~e2 ih~e2 |
− sin2 (α)|~e1 ih~e1 | + cos(α) sin(α) |~e1 ih~e2 | + |~e2 ih~e1 | − cos2 (α)|~e2 ih~e2 |
= cos(2α) |~e1 ih~e1 | − |~e2 ih~e2 | + sin(2α) |~e1 ih~e2 | + |~e2 ih~e1 | .
In der Matrixschreibweise bezüglich der nicht rotierten Basis von C2 sieht man nun


sin(2α)
cos(2α) sin(2α)
Oα =
=  0  · ~σ .
sin(2α) − cos(2α)
cos(2α)
Die Messung bezüglich einer um den Winkel α rotierten Basis entspricht also der Messung
des Spin entlang einer um den Winkel 2α gedrehten Raumachse. Somit entspricht das
Setup mit einem Raumwinkel von jeweils π4 zwischen den Messachsen wieder Situation aus
Teilaufgabe d), bei der die Spins bezüglich um den Winkel π8 gedrehten Basen gemessen
werden.
6
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