1. Angebot und Nachfrage Georg Nöldeke WWZ, Universität Basel Intermediate Microeconomics (HS 10) Angebot und Nachfrage 1 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.1 Marktnachfrage Wir betrachten einen Markt für ein Konsumgut. Die Marktnachfragefunktion für das betrachtete Gut beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Preis p ≥ 0 des Gutes und der Gesamtmenge q = D(p) ≥ 0 des Gutes, welches die Konsumenten erwerben wollen. Alle anderen Faktoren, welche die Nachfrage des betrachteten Gutes beeinflussen, betrachten wir zunächst als gegeben. Preise anderer Güter, Einkommen, ... Die Marktnachfragefunktion ergibt sich aus der Addition individueller Nachfragefunktionen. 2 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.1 Marktnachfrage Wir unterstellen im Regelfall das Gesetz der Nachfrage. Genauer: Für alle p ≥ 0 mit D(p) > 0 ist die Marktnachfragefunktion differenzierbar mit streng negativer Ableitung: dD (p) < 0. dp Preise, für die D(p) > 0 gilt, bezeichnen wir manchmal als relevante Preise. 3 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.2 Marktangebot Die Marktangebotsfunktion für das betrachtete Gut beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Preis p ≥ 0 des Gutes und der Gesamtmenge q = S(p) ≥ 0 des Gutes, welches die Unternehmen anbieten wollen. Alle anderen Faktoren, welche das Angebot des betrachteten Gutes beeinflussen, betrachten wir zunächst als gegeben. Preise der verwendeten Inputs, Produktionstechnologie, ... Die Marktangebotsfunktion ergibt sich aus der Addition individueller Angebotsfunktionen. 4 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.2 Marktangebot Wir unterstellen im Regelfall das Gesetz des Angebots. Genauer: Für alle p ≥ 0 mit S(p) > 0 ist die Marktangebotsfunktion differenzierbar mit streng positiver Ableitung: dS (p) > 0. dp Beachte: Das Lehrbuch macht diese Annahme nicht. Preise, für die S(p) > 0 gilt, bezeichnen wir manchmal als relevante Preise. 5 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.3 Wettbewerbsgleichgewicht Unter einem Wettbewerbsgleichgewicht versteht man eine Situation, in welcher das betrachtete Gut zu einem einheitlichen Preis p gehandelt wird und alle Konsumenten und alle Unternehmen die von ihnen zu diesem Preis p nachgefragten bzw. angebotenen Mengen kaufen bzw. verkaufen. Definition (Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge) Gilt D(p∗ ) = S(p∗ ) so heisst der Preis p∗ Wettbewerbspreis. Die Menge q∗ = D(p∗ ) = S(p∗ ) heisst Wettbewerbsmenge. Wenn klar ist, dass über einen Wettbewerbsmarkt gesprochen wird, nennt man p∗ auch Gleichgewichtspreis und q∗ Gleichgewichtsmenge. 6 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.3 Wettbewerbsgleichgewicht Abbildung: Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge sind durch den Schnittpunkt von Marktnachfrage- und Marktangebotsfunktion bestimmt. Beachte, dass in der grafischen Darstellung der Preis auf der vertikalen Achse abgetragen wird. 7 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.3 Wettbewerbsgleichgewicht Wir unterstellen, dass Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge eindeutig bestimmt sind und p∗ > 0 sowie q∗ > 0 gilt. Eine hinreichende Annahme hierfür ist, dass es Preise p und p mit 0 < p < p gibt, so dass D(p) > S(p) > 0 und S(p) > D(p) > 0 gilt. Dies bedeutet, dass für hinreichend kleine Preise die Nachfrage das Angebot übersteigt, während für hinreichend grosse Preise das Gegenteil gilt. Die gewünschte Eigenschaft folgt dann aus den Gesetzen der Nachfrage und des Angebots. 8 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.5 Wieso Wettbewerbsgleichgewicht? Die Unterstellung, dass in einem Markt die Wettbewerbsmenge zu dem Wettbewerbspreis gehandelt wird, ist eine Hypothese. Ökonomische Intuition und experimentelle Evidenz suggerieren, dass diese Hypothese unter bestimmten Voraussetzungen eine brauchbare Beschreibung des Marktgeschehens liefert. Ob diese Voraussetzungen in einem bestimmten Markt gegeben sind hängt insbesondere von der Struktur der Interaktion zwischen den Marktteilnehmern ab. Diese kann in der Realität ganz unterschiedliche Formen annehmen. Z.B.: Auktionen. Börsen. Basare. Bilaterale Verhandlungen. Das hier betrachtete Modell eines Wettbewerbsmarktes ist ein Versuch von solchen Details der Interaktion zu abstrahieren. 9 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.6 Inverse Marktnachfrage und inverses Marktangebot Ist die Marktnachfragefunktion – wie oben unterstellt – für alle relevanten Preise streng fallend, so kann man für diese Preise ihre Umkehrfunktion bestimmen, die als inverse Marktnachfragefunktion bezeichnet wird. Die inverse Marktnachfragefunktion wird im Folgenden mit PD bezeichnet. Der Preis PD (q) gibt den Preis an, zu dem die Konsumenten gerade bereit sind, die Menge q zu kaufen. Ist die Marktangebotsfunktion – wie oben unterstellt – für alle relevanten Preise streng steigend, so kann man für diese Preise ihre Umkehrfunktion bestimmen, die als inverse Marktangebotsfunktion bezeichnet wird. Die inverse Marktangebotsfunktion wird im Folgenden mit PS bezeichnet. Der Preis PS (q) gibt den Preis an, zu dem die Unternehmen bereit sind, die Menge q zu verkaufen. 10 / 39 1. Gleichgewicht in Wettbewerbsmärkten 1.6 Inverse Marktnachfrage und inverses Marktangebot Sind Marktnachfrage und Marktangebot durch die inverse Marktnachfragefunktion und die inverse Marktangebotsfunktion beschrieben, kann man den Wettbewerbsmenge als die Lösung der Gleichung PD (q∗ ) = PS (q∗ ) bestimmen. Der dazugehörige Wettbewerbspreis ist dann durch p∗ = PD (q∗ ) = PS (q∗ ) gegeben. 11 / 39 2. Komparative Statik 2.1 Fragestellung und Vorgehensweise Die Fragestellung der komparativen Statik ist: Wie reagieren Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge auf eine Veränderung der Parameter? Vorgehensweise der komparativen Statik: 1 2 3 4 5 Gehe davon aus, dass der Markt in einer Ausgangssituation durch das Wettbewerbsgleichgewicht für gegebene Werte der Parameter beschrieben ist. Unterstelle, dass sich einer dieser Parameter ändert. Bestimme die Auswirkungen der Parameteränderung auf die Marktnachfrage- und/oder Marktangebotsfunktion. Bestimme das Wettbewerbsgleichgewicht für die geänderten Parameterwerte. Vergleiche mit der Ausgangssituation: Wie haben sich Wettbewerbspreis und -menge geändert? 12 / 39 2. Komparative Statik 2.1 Fragestellung und Vorgehensweise In einer grafischen Darstellung resultiert die Veränderung eines Parameterwertes in einer Verschiebung von Marktnachfrageund/oder Marktangebotsfunktion. Die Auswirkung einer solchen Veränderung auf Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge wird an Hand der resultierenden Verschiebung des Schnittpunktes zwischen Nachfragefunktion bestimmt. Beispiel: Steigt der Preis eines Substituts (Was ist das?) für das betrachtete Gut, so werden die Käufer zu einem gegebenen Preis eine grössere Menge des betrachteten Gutes nachfragen wollen. Die Marktnachfragefunktion verschiebt sich nach rechts. Wettbewerbspreis und -menge steigen an. 13 / 39 2. Komparative Statik 2.1 Fragestellung und Vorgehensweise Abbildung: Eine Verschiebung der Nachfragekurve nach rechts – hier von D1 (p) zu D2 (p) – führt zu einem Anstieg von Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge – hier von p∗1 auf p∗2 bzw. von q∗1 auf q∗2 . 14 / 39 2. Komparative Statik 2.1 Fragestellung und Vorgehensweise Für eine mathematische Analyse ist erforderlich, dass man die Abhängigkeit der Marktnachfrage bzw. des Marktangebotes von dem Parameter, der verändert werden soll, explizit berücksicht: Ist z.B. a ein Parameter, welcher (lediglich) die Marktnachfrage beeinflusst, so ist zunächst die Marktnachfragefunktion in Abhängigkeit von p und a als D(p, a) zu bestimmen. In Abhängigkeit von a ist der Wettbewerbspreis p∗ (a) dann durch die Lösung der Gleichung D(p∗ (a), a) = S(p∗ (a)) gegeben; die dazugehörige Wettbewerbsmenge ist q∗ (a) = S(p∗ (a)) = D(p∗ (a), a). Der Vergleich von p∗ (a) und q∗ (a) für unterschiedliche Werte von a liefert dann die gesuchten Ergebnisse zur komparativen Statik. 15 / 39 2. Komparative Statik 2.2 Komparative Statik durch Bestimmung von Ableitungen Oftmals ist es nicht möglich, die Funktionen p∗ (a) und q∗ (a) analytisch zu bestimmen. Die Auswirkungen einer kleinen Änderung des Parameters kann in solchen Fällen mit Hilfe der Differentialrechnung bestimmt werden: Da die Gleichung D(p∗ (a), a) = S(p∗ (a)) als Identität gilt, stimmen die Ableitungen von linker Seite und rechter Seite diese Gleichung nach a überein. Also gilt (Kettenregel!) ∂ D(p∗ (a), a) d p∗ (a) ∂ D(p∗ (a), a) dS(p∗ (a)) d p∗ (a) + = ∂p da ∂a dp da und somit d p∗ (a) da = ∂ D(p∗ (a),a) ∂a dS(p∗ (a)) ∂ D(p∗ (a),a) − dp ∂p . 16 / 39 2. Komparative Statik 2.2 Komparative Statik durch Bestimmung von Ableitungen Beachte: Da die Marktnachfragefunktion streng fallend und die ∂ D(p∗ (a),a) dS(p∗ (a)) − > 0, Marktangebotsfunktion streng steigend ist, gilt dp ∂p so dass das Vorzeichen von d p∗ (a) da mit dem von ∂ D(p∗ (a),a) ∂a übereinstimmt. Also steigt der Wettbewerbspreis an, wenn eine Erhöhung des Parameters a zu einem Anstieg der Marktnachfrage bei dem ursprünglichen Wettbewerbspreis p∗ (a) führt. Aus der Gleichung q∗ (a) = S(p∗ (a)) bestimmt sich die Auswirkung auf die Wettbewerbsmenge als dq∗ (a) dS(p∗ (a)) d p∗ (a) = . da dp da Da die Marktangebotsfunktion streng steigend ist, impliziert dieses insbesondere, dass das Vorzeichen der Mengenänderung mit dem Vorzeichen der Preisänderung übereinstimmt. 17 / 39 2. Komparative Statik 2.2 Komparative Statik durch Bestimmung von Ableitungen Wird die Änderung eines Parameters b betrachtet, der die Marktangebotsfunktion beeinflusst, so kann man entsprechend argumentieren: Aus der Gleichung D(p∗ (b)) = S∗ (p∗ (b), b) folgt d p∗ (b) db = ∂ S(p∗ (b),b) ∂b ∂ S(p∗ (b),b) dD(p∗ (b)) − dp ∂p . d p∗ (b) db Hieraus folgt, dass das umgekehrte Vorzeichen von hat. Aus der Gleichung q∗ (b) = D(p∗ (b)) erhält man ∂ S(p∗ (b),b) ∂b dq∗ (b) dD(p∗ (b)) d p∗ (b) = , db dp db so dass die Wettbewerbsmenge in bei einem Anstieg des Wettbewerbspreises fällt und bei einem Absinken des Wettbewerbspreises steigt. 18 / 39 2. Komparative Statik 2.2 Komparative Statik durch Bestimmung von Ableitungen Abbildung: Bei dem Wettbewerbspreis p∗ (b1 ) führt eine Erhöhung von b von b1 auf b2 hier zu einem Anstieg des Marktangebots. Also fällt der Wettbewerbspreis, während die Wettbewerbsmenge steigt. 19 / 39 2. Komparative Statik 2.2 Komparative Statik durch Bestimmung von Ableitungen Beispiel: Gilt ∂ S/∂ b = 2, dD/d p = −1 und ∂ S/∂ p = 3, so gilt d p∗ /db = −2/4 = −0.5 und dq∗ /db = 0.5. Bei einem Anstieg von b um eine Einheit fällt der Wettbewerbspreis also um ca. 0.5 Einheiten, während die Wettbewerbsmenge um ca. 0.5 Einheiten steigt. Verläuft die Nachfragekurve flacher – dies bedeutet, dass der Absolutwert von dD/d p steigt – so ist bei ansonsten unveränderten Parameterwerten die Preisreaktion geringer und die Mengenreaktion grösser. Für dD/d p = −5 gilt im obigen Beispiel d p∗ /db = −0.25 und dq∗ /db = 1.25. Entsprechend fällt bei einem steileren Verlauf der Nachfragekurve die Preisreaktion grösser und die Mengenreaktion kleiner aus. 20 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.1 Einleitung und Definitionen Für viele Fragestellungen der komparativen Statik ist es üblich und zweckmässig mit Elastizitäten zu arbeiten. Definition (Preiselastizitäten) Die Preiselastizität der Marktnachfragefunktion ist dD(p) p ε(p) = . d p D(p) Die Preiselastizität der Marktangebotsfunktion ist dS(p) p η(p) = . d p S(p) 21 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.1 Einleitung und Definitionen Interpretation der Preiselastizitäten: Prozentuale Änderung der nachgefragten bzw. angebotenen Menge im Verhältnis zur prozentualen Preisänderung. Die mathematische Formulierung ist eine lokale Annäherung. dD/d p < 0 impliziert ε < 0, so dass die Preiselastizität der Marktnachfragefunktion im relevanten Preisbereich negativ ist. dS/d p > 0 impliziert η > 0, so dass die Preiselastizität der Marktangebotsfunktion im relevanten Preisbereich streng positiv ist. Beachte: Berücksichtigt man explizit, dass die betrachtete Funktionen nicht nur vom Preis des Gutes abhängt, so ist die Ableitung in der Definition der Elastizität durch die partielle Ableitung zu ersetzen. 22 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.1 Einleitung und Definitionen Definition (Elastisch, unelastisch, einheitselastisch) Die Marktnachfragefunktion heisst beim Preis p elastisch, wenn ε(p) < −1 gilt. unelastisch, wenn ε(p) > −1 gilt. einheitselastisch, wenn ε(p) = −1 gilt. Die Marktangebotsfunktion heisst beim Preis p elastisch, wenn η(p) > 1 gilt. unelastisch, wenn η(p) < 1 gilt. einheitselastisch, wenn η(p) = 1 gilt. Elastisch (bzw. unelastisch) heisst also, dass der Absolutwert der prozentualen Mengenänderung streng grösser (bzw. kleiner) als die prozentuale Preisänderung ist. Im einheitselastischen Fall stimmen die Absolutwerte der prozentualen Änderungen überein. 23 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.2 Spezialfälle Eine Nachfragefunktion der Form D(p) = Apε besitzt konstante Preiselastizität: ε(p) = ε. Beachte die Parameterrestriktionen A > 0 und ε < 0. √ Beispiel: Für D(p) = 5/ p gilt ε(p) = −1/2. Der Grenzfall ε → 0 beschreibt eine vollkommen unelastische Marktnachfrage; der Grenzfall ε → −∞ eine vollkommen elastische Marktnachfrage. Eine Angebotsfunktion der Form S(p) = Bpη besitzt konstante Preiselastizität: η(p) = η. Beachte die Parameterrestriktionen B > 0 und η > 0. Beispiel: Für S(p) = 3p2 gilt η(p) = 2. Der Grenzfall η → 0 beschreibt ein vollkommen unelastisches Marktangebot; der Grenzfall η → ∞ ein vollkommen elastisches Marktangebot. 24 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.3 Preiselastizität der Marktnachfrage und Ausgaben Frage Wie ändern sich die Ausgaben der Konsumenten für das betrachtete Gut, wenn der Preis steigt? Beachte: Die Ausgaben der Konsumenten entsprechen den Erlösen der Unternehmen, die das betrachtete Gut verkaufen. Die aggregierten Ausgaben für das Gut sind R(p) = pD(p). Ableitung nach p (Produktregel): dR(p) dD(p) = D(p) + p = D(p) [1 + ε(p)] dp dp Also gilt Die Ausgaben steigen bei unelastischer Marktnachfrage. Die Ausgaben fallen bei elastischer Marktnachfrage. Die Ausgaben sind konstant bei einheitselastischer Marktnachfrage. 25 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.3 Preiselastizität der Marktnachfrage und Ausgaben Bemerke: Aus der Preiselastizität der Marktnachfragefunktion kann man unmittelbar die Preiselastizität der Ausgaben bestimmen: Die Preiselastizität der Ausgaben ist dR(p) p dR(p) 1 ρ(p) = = d p R(p) d p D(p) Einsetzen aus der Formel für dR/d p: ρ(p) = 1 + ε(p). Beispiel: Fällt die Marktnachfrage bei einer einprozentigen Preiserhöhung um zwei Prozent, so sinken die Ausgaben um ein Prozent. 26 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.4 Andere Elastizitäten Analog zur Preiselastizität der Marktnachfragefunktion und der Marktangebotsfunktion kann man Elastizitäten in Bezug auf die Änderung eines Parameters definieren: a εa (p, a) = ∂ D(p,a) ∂ a D(p,a) : Elastizität der Marktnachfrage bezüglich eines Parameters a. Ist a das aggregierte Einkommen, nennt man εa (p, a) die Einkommenselastizität der Marktnachfrage. Diese wird im Lehrbuch als ξ bezeichnet. Ist a der Preis eines anderen Gutes, nennt man εa (p, a) eine Kreuzpreiselastizität der Marktnachfrage. b ηb (p, b) = ∂ S(p,b) ∂ b S(p,b) : Elastizität des Marktangebots bezüglich eines Parameters b. 27 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.5 Komparative Statik mit Elastizitäten Ausgehend von der Formel d p∗ (a) da = ∂ D(p∗ (a),a) ∂a . dS(p∗ (a)) ∂ D(p∗ (a),a) − dp ∂p kann man das Verhältnis der prozentualen Änderung des Wettbewerbspreises zu einer prozentualen Änderung des Parameters a bestimmen: εa (p∗ (a), a) d p∗ (a) a = . ∗ ∗ ∗ da p (a) η(p (a)) − ε(p (a), a) Das Verhältnis der prozentualen Mengenänderungen zur prozentualen Änderung des Parameters ist ∗ (a) dq∗ (a) a d p a ∗ = η(p (a)) · . ∗ ∗ da q (a) da p (a) 28 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.5 Komparative Statik mit Elastizitäten Analog erhält man bei Änderung eines Parameters b, der die Marktangebotsfunktion beeinflusst: d p∗ (b) b ηb (p∗ (b), b) = ∗ db p (b) ε(p∗ (b)) − η(p∗ (b), b) und ∗ (b) dq∗ (b) b d p b ∗ = ε(p (b)) · . ∗ ∗ db q (b) db p (b) Die folgenden Beispiele illustrieren die Anwendung dieser Zusammenhänge. 29 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.5 Komparative Statik mit Elastizitäten 1 Das aggregierte Einkommen der Konsumenten steigt um 1 Prozent. Die Einkommenselastizität der Marktnachfrage sei 0.2; die Preiselastizität der Marktnachfrage sei −1.2 und die Preiselastizität des Marktangebots sei 0.4. Frage: Wie ändern sich Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge? Antwort: Der Wettbewerbspreis steigt um (ca.) 0.2/(0.4 + 1.2) = 1/8 Prozent. Die Wettbewerbsmenge steigt um (ca.) 0.4/8 = 1/20 Prozent. 2 Das preisunabhängige Angebot eines Gutes steigt um 4 Prozent. Die Preiselastizität der Marktnachfrage sei −0.5. Frage: Wie ändern sich Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge? Beachte: Die Preiselastizität des Marktangebots ist hier gleich Null, die Elastizität des Marktangebots bezüglich des Parameters ist gleich 1. (Wieso?) Antwort: Der Wettbewerbspreis fällt um (ca.) 1/(0.5) · 4 = 8 Prozent. Die Wettbewerbsmenge steigt um 4 Prozent. 30 / 39 3. Elastizität von Nachfrage und Angebot 3.5 Komparative Statik mit Elastizitäten Anwendung auf Solved Problem 2.3 aus dem Lehrbuch: In der Ausgangssituation gilt p∗ = 50, q∗ = 82. Angebot steigt um 0.8, d.h. ca. 1 Prozent. Mit ε = −0.4 und η = 0.3 folgt aus den obigen Formeln, dass der Gleichgewichtspreis um ca. 1/0.7 Prozent fällt, während die Gleichgewichtsmenge um ca. 0.4/0.7 Prozent steigt. Also fällt der Gleichgewichtspreis um ca. 0.71 Einheiten, während die Gleichgewichtsmenge um ca. 0.47 Einheiten fällt. Vergleiche mit den Ergebnissen im Lehrbuch! 31 / 39 4. Auswirkungen einer Steuer 4.1 Mengen- und Wertsteuern Werden auf ein Gut Steuern erhoben, so muss man zwischen dem Preis pd , den die Konsumenten zahlen, und dem Preis ps , den die Unternehmen erhalten, unterscheiden. Die Differenz zwischen dem Konsumentenpreis pd und dem Produzentenpreis ps ist der Steuerbetrag, der pro Einheit des Gutes zu zahlen ist. Bei einer Mengensteuer mit Satz τ ≥ 0 ist der Steuerbetrag pd − ps = τ, so dass pd = ps + τ gilt. Bei einer Wertsteuer mit Satz β ≥ 0 ist dieser Betrag pd − ps = β ps , so dass pd = (1 + β )ps gilt. Mengen- bzw. Wertsubventionen werden durch negative Werte von τ bzw. β erfasst. Wir betrachten im Folgenden den Fall einer Mengensteuer – die Vorgehensweise im Fall einer Wertsteuer ist analog. 32 / 39 4. Auswirkungen einer Steuer 4.2 Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung Wettbewerbsgleichgewicht bei einem Mengensteuersatz τ ist durch p∗d (τ), p∗s (τ) und q∗ (τ) gegeben, so dass 1 nachgefragte und angebotene Menge übereinstimmen und der Gleichgewichtsmenge entsprechen: D(p∗d (τ)) = S(p∗s (τ)) = q∗ (τ). 2 die Differenz zwischen p∗d (τ) und p∗s (τ) dem Steuerbetrag pro Einheit des Gutes entspricht: p∗d (τ) − p∗s (τ) = τ. Die Steuereinnahmen (bzw. Subventionszahlungen) T ∗ im Wettbewerbsgleichgewicht mit Mengensteuer sind T ∗ (τ) = τq∗ (τ). Die Gleichgewichtsbedingungen hängen nicht davon ab, ob die Steuern bei den Konsumenten oder den Unternehmen erhoben werden. 33 / 39 4. Auswirkungen einer Steuer 4.2 Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung Abbildung: Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung. Da τ = p∗d (τ) − p∗s (τ) gilt, können die Steuereinnahmen T ∗ (τ) durch das Rechteck mit Länge q∗ (τ) und Höhe p∗d (τ) − p∗s (τ) dargestellt werden. 34 / 39 4. Auswirkungen einer Steuer 4.2 Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung Meine Grafik sieht anders als die im Lehrbuch aus - Wieso? Fasse das Marktangebot als Funktion des Konsumentenpreises auf: S(pd − τ) Grafisch entspricht dies einer Verschiebung der Marktangebotskurve um den Betrag τ nach oben. p∗d (τ) ist als Schnittpunkt der verschobenen Marktangebotskurve und der Marktnachfragekurve bestimmt: D(p∗d (τ)) = S(p∗d (τ) − τ). Entsprechend kann man das Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung auch mit Hilfe der verschobenen Marktnachfrage D(ps + τ) und der Gleichgewichtsbedingung D(p∗s (τ) + τ) = S(p∗s (τ) bestimmen - siehe Abbildung 2.13 des Lehrbuchs. 35 / 39 4. Auswirkungen einer Steuer 4.3 Komparative Statik Frage Welche Auswirkung hat eine Änderung des Steuer- oder Subventionssatzes auf Konsumentenpreis, Produzentenpreis und Steuereinnahmen? Betrachtung der Grafik suggeriert: Gleichgewichtsmenge q∗ (τ) ist fallend in τ. Konsumentenpreis p∗d (τ) ist steigend in τ, während der Produzentenpreis p∗s (τ) fallend in τ ist. Steuereinnahmen T ∗ (τ) sind für kleine τ steigend und für grosse τ fallend in τ. Ausgehend von einer Situation ohne Besteuerung, d.h. τ = 0 können die Preis- und Mengeneffekte mit Hilfe von Elastizitäten beschrieben werden. 36 / 39 4. Auswirkungen einer Steuer 4.3 Komparative Statik 1 Aus p∗d (τ) − p∗s (τ) = τ folgt d p∗d (τ) d p∗s (τ) − = 1. dτ dτ 2 Aus D(p∗d (τ)) = S(p∗s (τ)) folgt dD(p∗d (τ)) d p∗d (τ) dS(p∗s (τ)) d p∗s (τ) = dp dτ dp dτ Verwendet man die erste Gleichung, um d p∗s /dτ bzw. d p∗d /dτ aus der zweiten Gleichung zu eliminieren und setzt man dann τ = 0 erhält man: 37 / 39 4. Auswirkungen einer Steuer 4.3 Komparative Statik d p∗d (0) = dτ sowie d p∗s (0) dτ = dS(p∗ ) dp dD(p∗ ) dS(p∗ ) dp − dp η(p∗ ) >0 = ∗ ∗ η(p ) − ε(p ) dD(p∗ ) dp dS(p∗ ) dD(p∗ ) dp − dp ε(p∗ ) < 0. = ∗ ∗ η(p ) − ε(p ) wobei p∗ = p∗d (0) = p∗s (0) der Wettbewerbspreis ohne Besteuerung ist. Schlussfolgerung: Die Aufteilung der “Steuerlast” ist umgekehrt proportional zu den Preiselastizitäten von Marktnachfrage- und Marktangebotsfunktion: d p∗s (0)/dτ ε(p∗ ) − ∗ =− . ∗ d pd (0)/dτ η(p ) 38 / 39 4. Auswirkungen einer Steuer 4.3 Komparative Statik Änderung der Gleichgewichtsmenge kann durch dq∗ (0) dD(p∗ ) d p∗d (0) = dτ dp dτ oder durch dq∗ (0) dS(p∗ ) d p∗s (0) = dτ dp dτ bestimmt werden. Einsetzen aus den Formeln für d p∗ /dτ führt zu dq∗ (0) ε(p∗ )η(p∗ ) q∗ = dτ η(p∗ ) − ε(p∗ ) p∗ Schlussfolgerung: Je grösser die Absolutwerte der Elastizitäten von Marktangebotsfunktion und Marktnachfragefunktion, desto stärker reagiert die Gleichgewichtsmenge auf die Einführung einer Mengensteuer. 39 / 39