Peter I. Tschaikowsky Violinkonzert D-Dur op. 35 - Schulmusik

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Peter I. Tschaikowsky
Violinkonzert D-Dur op. 35
RSO CLASSIX am Mittag
Mittwoch, 1. Oktober 2014, 13 Uhr
Stuttgart, Liederhalle, Beethoven-Saal
Live-Übertragung in SWR2 ab 13.05 Uhr
Außerdem auf dem Programm:
Peter Tschaikowsky
Slawischer Marsch op.31
Nikolaj Znaider, Violine
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Dirigent: Stéphane Denève
Moderation: Kerstin Gebel
Empfohlen für weiterführende Schulen
Erstellt von Joachim Westendorf
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Inhalt
1.
Vorwort ......................................................................................................................................2
2.
Leben und Werk des Komponisten ..............................................................................................4
3.
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35......................................................................... 13
4.
Instrumentenkunde: Die Violine ................................................................................................ 18
5.
Didaktische Hinweise für die Grundschule ................................................................................. 22
6.
Arbeitsblatt ............................................................................................................................... 23
1. Vorwort
Das Musikstück der Woche vom 02.06.2014 in SWR 2 Kultur stellt Redakteurin Katharina
Höhne mit den Worten vor:
Im Rausch des Lebens: Peter Tschaikowsky: Violinkonzert D-Dur op. 35
„In solchem Gemütszustand verliert das Schaffen gänzlich das Gepräge der Arbeit", schrieb
Peter Tschaikowsky 1878 euphorisch seiner Gönnerin Nadeshda von Meck. Wie im Rausch
arbeitete er am Genfer See an seinem Violinkonzert D-Dur, das pure Lebensfreude
ausdrücken sollte. Pure Lebensfreude! Dass Tschaikowsky die noch einmal fühlen würde,
hatte der feinfühlige Komponist nicht für möglich gehalten. Zu tief war das seelische Loch, in
das er kurz zuvor gefallen war.
Vom melancholischen Tondichter
Peter Tschaikowsky war ein Melancholiker, sensibel und dünnhäutig. Er zweifelte oft und
viel, doch am meisten an sich selbst. Die Musik blieb zeitlebens sein Ventil, genau wie die
mehrwöchigen Reisen, zu denen er immer dann aufbrach, wenn ihm seine Gedanken und
Gefühle kaum noch Luft zum Atmen ließen. Als Tschaikowsky 1878 den Frühling in der
Schweiz verbrachte, lag eine schwere Depression hinter ihm. Aus Scham, seine
Homosexualität öffentlich bekannt zu machen, hatte er Antonia Miljukova geheiratet, eine
ehemalige Schülerin, wie er behauptete. Die Ehe, die Ruhe in sein Leben bringen sollte, hielt
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drei Monate. Zu groß war der innere Kampf des Komponisten etwas Unrechtes zu tun, um
der Gesellschaft zu gefallen.
Dass Tschaikowsky keine Frauen liebte, wurde ihm bewusst, als er Anfang der 1870er Jahre
Iosif Kotek, Violinist und Kompositionsstudent, am Moskauer Konservatorium kennenlernte.
Der junge Mann löste etwas in Tschaikowsky aus, das er kaum in Worte fassen konnte. Er sei
so verliebt, schrieb er Nadeshda von Meck, als er sich paradoxerweise im Jahr seiner
Hochzeit erstmals zu Kotek bekannte. Kotek begleitete Tschaikowsky auch in seinen
Genesungsurlaub an den Genfer See. Mit ihm an seiner Seite gelang es dem russischen
Komponisten die Krise zu überstehen und zu neuer, scheinbar grenzenloser Lebensfreude
und Schaffenskraft zurückzufinden. „Bisher hielt ich mich fest an die Regel, niemals eine
neue Arbeit anzufangen, solange die alte nicht beendet war", schrieb er über die ersten
Takte des berühmten Violinkonzerts. „Aber diesmal geschah es, dass ich die Lust in mir nicht
bezwingen konnte." So rauschhaft der Kompositionsprozess verlief, so problematisch
gestaltete sich die Uraufführung. Der ungarische Violinist Leopold von Auer, dem
Tschaikowsky das Stück anvertraute, lehnte es ab. Es sei unspielbar, sagte er, er wolle es
bearbeiten. Die Bearbeitung lief ins Leere. Erst zwei Jahre später nahm sich der russische
Geiger Adolph Brodsky Tschaikowskys Komposition an und führte es auf. Wo und wann
genau ist nicht eindeutig datiert.
Obwohl das Violinkonzert heute zu den bekanntesten und meistgespielten Werken gehört,
wurde es zu Tschaikowskys Lebzeiten von der Presse zerrissen. Eduard Hanslick, DER
Musikkritiker jener Zeit, sagte, dass die Violine darin nicht mehr spiele sondern nur noch
zause, zupfe und bläue. Er behielt insoweit Recht, als dass das Konzert voller technischer
Tücken steckt, die jeden Violinisten an die Grenzen seines Könnens treiben. Was Hanslick
jedoch als Zausen oder Bläuen abtat, waren Tschaikowskys künstlerische Mittel, die eigene
innere Zerrissenheit auszudrücken. Auf höchst expressive Art treffen in seinem Konzert
tiefer Schmerz – lyrisch und melancholisch – auf neu gewonnene Lebensfreude –
leidenschaftlich und pulsierend. Brodsky ließ sich von Hanslick nicht beirren. Der Reiz des
Stückes lag seiner Meinung nach in seiner Kritik: der Virtuosität des Geigers und der
emotionalen Vielfalt der Musik. „Man kann es endlos spielen und wird nicht müde", sagte
Brodsky, dem Tschaikowsky aus tiefer Dankbarkeit das Konzert später widmete.
(Quelle: www.SWR2.de)
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2. Leben und Werk des Komponisten
Tschaikowsky (geb. 25. April 1840 in Kamsko-Wotkinski Sawod Russland; † 25. Oktober 1893.
in Sankt Petersburg, Russland) war ein russischer Komponist. Bereits zu seinen Lebzeiten
wurden viele seiner Werke international bekannt. Heute zählen sie zu den bedeutendsten
der Romantik. Auch in Russland gilt er heute als bedeutendster Komponist des 19.
Jahrhunderts, obwohl er nicht der Gruppe der Fünf angehörte, sondern die von westlichen
Einflüssen geprägte Schule Anton Rubinsteins fortsetzte. Zu seinen bekanntesten
Kompositionen zählen seine drei letzten Sinfonien, das Violinkonzert, sein erstes
Klavierkonzert, die Ouvertüre 1812 und seine Oper Eugen Onegin. Mit Schwanensee und Der
Nussknacker verfasste er zudem die beiden berühmtesten Ballette der Musikgeschichte.
Frühe Jahre (1840–1861)
Pjotr („Peter“) Iljitsch Tschaikowsky war der zweite Sohn
eines Bergbauingenieurs und dessen zweiter Frau
Alexandra Andrejewna, der Enkelin eines französischen
Immigranten namens Michel d’Assier. Aus dieser Ehe
gingen neben Peter die Kinder Nikolai, Alexandra, Ippolit
(Hyppolit) und die Zwillinge Anatoli und Modest hervor.
Die musikalischen Neigungen der Familie waren nicht
sehr ausgeprägt. Gleichwohl erhielt Tschaikowsky auf
seinen Wunsch hin mit vier Jahren Klavierunterricht. Ab
dem Jahr 1844 beschäftigten Tschaikowskys Eltern die
französische Gouvernante Fanny Dürbach (1822–1901),
welche einen großen Einfluss auf Tschaikowskys Entwicklung ausübte und mit der er
zeitlebens in Kontakt blieb.[1] Tschaikowsky schrieb zu dieser Zeit bereits Gedichte und
wurde von Fanny Dürbach le petit Pouchkine („der kleine Puschkin“) genannt.[2][3]
Die erste Musik, die ihn prägte, kam von einem mechanischen Klavier, das sein Vater aus
Petersburg mitgebracht hatte – der noch nicht einmal fünf Jahre alte Peter war begeistert.
Als seine Mutter ihn zum ersten Mal auf einem Klavier Tonleitern spielen ließ, konnte er
schon ein Stück nachspielen, das er gehört hatte. Die Familie war erstaunt über sein Talent,
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und deswegen stellte der Vater Maria Paltschikowa ein, die seinem Sohn Klavierunterricht
gab. Peter spielte vom Blatt bald besser als seine Klavierlehrerin.
Da die Eltern für ihren Sohn eine Karriere im Staatsdienst vorgesehen hatten, besuchte
Tschaikowsky von 1850 bis 1859 die Rechtsschule in Sankt Petersburg und war anschließend
im Justizministerium tätig. Eine musikalische Fortbildung während der Zeit gewährte er sich
allein in privaten Klavierstunden bei dem aus Nördlingen stammenden, nach Russland
ausgewanderten Pianisten Rudolf Kündinger.[4] Dieser notierte über Tschaikowsky:
„Er war ohne Zweifel sehr talentiert, besaß ein feines Gehör und gutes Gedächtnis, daraus
konnte man aber noch nicht folgern, dass aus ihm einst ein großer Pianist, geschweige denn
ein berühmter Komponist werden könnte. […] Das einzige, womit er meine Aufmerksamkeit
in etwas höherem Maße fesselte, waren seine Improvisationen.“
In einem Punkt behielt Kündinger recht: Tschaikowski wurde nicht Pianist, denn dafür
reichten die insgesamt acht Jahre Klavierunterricht (als Kind und als angehender
Musikstudent) nicht aus – nicht von ungefähr wurden seine Klavierkonzerte von anderen
uraufgeführt.
Einflussnahme auf Tschaikowsky vermutet man auch bei einem italienischen Gesangslehrer
namens Piccioli. Von Bach und Mozart hielt dieser nichts, kannte sich aber hervorragend mit
der italienischen Oper aus und veranlasste Tschaikowsky zur Veröffentlichung seines ersten
Werks, einer italienischen Kanzonette unter dem Titel Mezza notte.
1861–1871
Obwohl der Beamtenstatus Tschaikowsky ein gutes Auskommen bot, das ihm ermöglichte,
allerlei kostspieligen Vergnügungen nachzugehen, wurde er 1861 dieses Lebens überdrüssig.
Er, der bis dahin nur über mittelmäßige musikalische Kenntnisse verfügte, nahm das
Musikstudium auf – ein Schritt, der nicht bei allen Familienmitgliedern auf Verständnis traf.
Sein Onkel Peter Petrowitsch kommentierte: „Dieser Peter. Dieser nichtsnutzige Peter! Nun
hat er die Jurisprudenz mit dem Dudelsack vertauscht!“ Und sein Bruder Modest notierte
später in seinen Erinnerungen:
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„Ob die Übersättigung plötzlich in ihm erwacht war – vielleicht unter dem Eindruck
irgendeines uns unbekannt gebliebenen Ereignisses, oder ob sie sich nach und nach in seine
Seele geschlichen hat, das weiß keiner, denn Peter Iljitsch hat sich durch jene schweren
Stunden ganz allein durchgerungen. Seine Umgebung hat erst dann etwas davon bemerkt,
als die Wandlung bereits vollzogen war.“
1862 trat Tschaikowsky in das von Anton Rubinstein gegründete Petersburger
Konservatorium
ein.
Rubinstein
persönlich
unterwies
ihn
in
Komposition
und
Instrumentation. Den theoretischen Unterricht erhielt Tschaikowsky bei dem polnischen
Komponisten Nikolai Zaremba. Mit großer Zielstrebigkeit versuchte er, die fehlenden
Kenntnisse in Sachen Komposition aufzuholen. In einem Brief vom 4. Dezemberjul./
16. Dezember 1862greg. schrieb er an seine Schwester:
„Ich hatte dir schon geschrieben, dass ich die Theorie der Musik zu lernen begonnen habe
und zwar recht erfolgreich. […] Ich fürchte nur für meine Charakterlosigkeit; am Ende wird
meine Trägheit siegen, wenn aber nicht, so verspreche ich dir, dass aus mir noch etwas
werden wird. Zum Glück ist es noch nicht zu spät.“
1866 wechselte er nach Moskau. Bei Anton Rubinsteins Bruder Nikolai Rubinstein fand
Tschaikowsky eine Bleibe. Dieser ließ den nunmehr mittellosen Musiker bei sich wohnen,
ersetzte dessen abgetragenen Anzug durch neue Bekleidung und vermittelte ihm eine Stelle
als Dozent am Moskauer Konservatorium.
In Moskau entstanden die ersten erfolgreichen Kompositionen, so auch die Ouvertüre
Romeo und Julia, die der Komponist Mili Balakirew angeregt hatte und in welcher
Tschaikowsky Elemente der Sonatensatzform verwendet. Auf Kritik an seinen Werken
reagierte Tschaikowsky zu der Zeit höchst sensibel: Die Opern Der Wojewode, in der er,
ähnlich wie die Mitglieder der Gruppe der Fünf, eine typisch russische Musiksprache
verwendete und russische Volkslieder zitierte (uraufgeführt 1869 ohne die erhoffte
Resonanz), und Undine (Aufführung wurde abgelehnt) verbrannte er in Reaktion auf den
Misserfolg sofort, verwendete jedoch später Teile aus Undine für seine nächste Oper Der
Opritschnik. Zahlreiche Zeugnisse belegen, dass er zunehmend depressiv und neurotisch
wurde. Seine geheim gehaltene Homosexualität war für ihn eine seelische Belastung.[5]
Gleichwohl hätte es 1868 fast eine andere Wendung in seinem Leben gegeben: Nachdem er
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die Sängerin Désirée Artôt kennengelernt hatte, weihte er seinen Vater ein, sie heiraten zu
wollen. Daraus wurde aber nichts, Freunde Tschaikowskys und die Mutter der Braut
hintertrieben die Verbindung. 1869 gab Artôt einem spanischen Bariton das Ja-Wort.
1871–1874
1871 zog Tschaikowsky bei Rubinstein aus. Er widmete sich weiterhin seiner Lehrtätigkeit am
Moskauer Konservatorium und komponierte einige Opern, die auf geteilte Resonanz stießen.
Die Uraufführung seiner Oper Der Opritschnik (Leibwächter) 1874, in welcher ukrainische
Volkslieder verwendet werden und die der englische Musikwissenschaftler Gerald Abraham
im 20. Jahrhundert als „eine gründliche Übersetzung von Meyerbeer ins Russische“
bezeichnete, bereitete Tschaikowsky Seelenqualen. Er schrieb an seinen Schüler Sergei
Iwanowitsch Tanejew:
„Die Oper ist so schlecht, dass ich es bei den Proben nicht aushalten konnte und davonlief,
um keinen Ton mehr zu hören; in der Vorstellung war mir zumute, als müsse ich versinken
vor Scham.“
1874–1877
Die
aus
den Moskauer Jahren für sein
Leben
bedeutsamste Komposition ist das 1. Klavierkonzert
op. 23 in b-Moll. Tschaikowsky hatte es 1874 geschrieben
und gleich seinem Freund Nikolai Rubinstein vorgespielt,
dem es auch gewidmet sein sollte. Die Erschütterung
über die Reaktion Rubinsteins war so nachhaltig, dass
Tschaikowsky noch drei Jahre später in einem Brief an
seine Mäzenin Nadeschda von Meck schilderte:
„Ich spielte den ersten Satz. Nicht ein Wort, nicht eine
Bemerkung … Ich fand die Kraft, das Konzert ganz
durchzuspielen. Weiterhin Schweigen. ‚Nun?‘, fragte ich, als ich mich vom Klavier erhob. Da
ergoss sich ein Strom von Worten aus Rubinsteins Mund. Sanft zunächst, wie wenn er Kraft
sammeln wollte, und schließlich ausbrechend mit der Gewalt des Jupiter Tonans. Mein
Konzert
sei wertlos,
völlig
unspielbar.
Die
Passagen seien so bruchstückhaft,
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unzusammenhängend und armselig komponiert, dass es nicht einmal mit Verbesserungen
getan sei. Die Komposition selbst sei schlecht, trivial, vulgär. Hier und da hätte ich von
anderen stibitzt. Ein oder zwei Seiten vielleicht seien wert, gerettet zu werden; das Übrige
müsse vernichtet oder völlig neu komponiert werden.“
Rubinstein schlug vor, das Konzert komplett zu überarbeiten. Tschaikowsky änderte nicht
eine Note, schnürte die Partitur zum Paket und schickte dieses dem Dirigenten und Pianisten
Hans von Bülow. Dieser hatte gegen das Werk nichts einzuwenden und saß bei dessen
Uraufführung 1875 in Boston selbst am Klavier. Die Resonanz des Publikums war
überwältigend. Später änderte auch Rubinstein seine negative Meinung.
In der Zeit entstanden auch die ersten drei Sinfonien, außerdem die Musik zu
Schneewittchen und das Ballett Schwanensee, das 1877 unter widrigen Umständen
uraufgeführt wurde. Das musikalisch und tanztechnisch anspruchsvolle Ballett war von den
Ausführenden des Moskauer Bolschoi-Theaters stark vereinfacht worden und fiel in der
Form beim Publikum und der Kritik durch, wodurch es lange Zeit kaum und stets mit
mäßigem Erfolg aufgeführt wurde. Eine größere Umarbeitung lehnte Tschaikowsky stets ab.
Das Werk wurde erst nach seinem Tod zu einem Klassiker des Balletts, ausgehend von einer
richtungsweisenden Inszenierung von Marius Petipa, Lew Iwanow und Riccardo Drigo unter
Autorisierung von Tschaikowskys Bruder Modest im Jahr 1895.
In seiner freien Zeit bereiste Tschaikowsky verschiedene Städte Europas, darunter auch
Neapel und Paris. Ein Besuch der Erstaufführung von Der Ring des Nibelungen in Bayreuth
rief höchstes Missfallen bei Tschaikowsky hervor. Er schrieb an seinen Bruder Modest:
„Die Auftürmung der kompliziertesten und ausgetüfteltsten Harmonien, die Farblosigkeit
des Gesanges auf der Bühne, die unendlich langen Monologe und Dialoge, das Dunkel des
Zuschauerraums, die Abwesenheit jeglicher Poesie, jeglichen Interesses der Handlung – alles
das hat meine Nerven bis zum letzten Grade ermüdet. Also das ist es, was die Reform
Wagners erstrebt! Früher war man bemüht, die Leute durch die Musik zu erfreuen –
heutzutage jedoch quält man sie.“
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In
Bayreuth
aber
wurde
es
Tschaikowsky zum ersten Mal
bewusst,
Komponist
dass
sein
über
die
Ruf
als
Grenzen
Russlands hinausreichte.
Nadeschda von Meck
Tschaikowsky (rechts) mit Iosif Kotek, 1877
Krisenjahr 1877
1877 war das Jahr der schwersten inneren Krise des Komponisten. Anfang 1877 traf er
erstmals Nadeschda von Meck (1831–1894). Sie war die reiche Witwe des Deutsch-Balten
Karl von Meck, der 1876 gestorben war. Sie bewies großen Kunstsinn und unterstützte
später auch Claude Debussy eine Zeit lang finanziell. Tschaikowsky und Frau von Meck
pflegten über Jahre hinweg eine innige Brieffreundschaft. Der Komponist war aber stets
darauf bedacht, Frau von Meck nicht zu treffen. Als es 1879 doch zu einer flüchtigen
Begegnung bei einer Kutschfahrt kam, wich Tschaikowsky ihr aus und sprach sie nicht an.
Trotz der mehrfachen finanziellen Unterstützung durch Frau von Meck gab es immer wieder
finanzielle Engpässe.
Während dieser Zeit hatte Tschaikowsky auch eine romantische Liebesbeziehung mit Iosif
Kotek, einem seiner ehemaligen Schüler am Moskauer Konservatorium, der als
Privatmusiker bei Nadeschda von Meck angestellt war. In einem Brief an seinen Bruder
Modest beschrieb Tschaikowsky im Januar 1877 seine Gefühle ausführlich:[6]
„Ich bin so verliebt, wie ich es lange nicht war … ich kenne ihn schon seit sechs Jahren. Ich
habe ihn immer gemocht und war einige Male dabei, mich zu verlieben. […] Jetzt habe ich
den Sprung gemacht und mich unwiderruflich ergeben. Wenn ich stundenlang seine Hand
halte und mich quäle, ihm nicht zu Füßen zu fallen […] ergreift mich die Leidenschaft mit
übermächtiger Wucht, meine Stimme zittert wie die eines Jünglings und ich rede nur noch
Unsinn.“
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Ende April oder Anfang Mai 1877 erhielt Tschaikowsky einen Brief von der ihm unbekannten
Antonina Miljukowa, in dem sie behauptete, sie habe ihn am Konservatorium getroffen; in
weiteren Briefen drohte sie mit Selbstmord, falls er sie nicht treffen würde. Tschaikowsky
gab ihrem Drängen schließlich nach, auch weil er ein gewisses Verständnis und Mitleid für
ihre verzweifelte Liebe empfand. Von Biographen wird vermutet, dass Tschaikowsky auch
der Gedanke gefiel, durch eine Ehe mit einer Frau nach außen hin von seiner Homosexualität
ablenken zu können. Am 18. Juli 1877 fand die Hochzeit statt. Abgesprochen war, dass beide
eine Ehe in geschwisterlicher Verbundenheit praktizieren würden. Die Beziehung währte
jedoch kaum drei Monate. Schon nach drei Wochen des häuslichen Zusammenseins soll sich
Tschaikowsky nachts an die Moskwa geschlichen haben und ins tiefe Wasser gegangen sein,
kehrte aber später wieder zurück und erklärte sein völliges Durchnässtsein mit einem
versehentlichen Sturz in den Fluss. Dieser Vorfall wird heute allerdings in den Bereich der
Anekdote verwiesen. Tatsächlich aber litt der ohnehin labile Tschaikowsky immens unter
dem falschen Spiel. In einem späteren Brief gesteht Tschaikowsky:
„Kaum war die Trauung vollzogen, kaum war ich mit meiner Frau allein geblieben und kaum
hatte ich erkannt, dass uns das Schicksal untrennbar verbunden hatte, da begriff ich
plötzlich, dass ich nicht einmal Freundschaft, sondern im wahrsten Sinne des Wortes
Widerwillen gegen sie empfand. Der Tod schien mir der einzige Ausweg, doch Selbstmord
kam nicht in Frage.“
Die Auseinandersetzungen zwischen dem Paar und die Nachstellungen seitens Miljukowa
nach der Trennung waren ein Alptraum für Tschaikowsky. Gleichwohl ist die Ehe nie
geschieden worden.
Tschaikowsky erholte sich von diesen Ereignissen in Kamjanka (heute Ukraine) bei seiner
Schwester sowie während eines fast einmonatigen Aufenthalts in Clarens am Genfersee.
Dort entwickelte er zusammen mit Kotek sein einziges Violinkonzert. Auch dieses Werk stieß
wie sein 1. Klavierkonzert auf Vorbehalte aus seinem Musikerumfeld, etwa vom als Solisten
für die Uraufführung vorgesehenen Leopold Auer, der das Konzert als „unspielbar“
abqualifizierte. Erneut ließ sich Tschaikowsky nicht beirren, die Uraufführung des Konzerts
mit Adolph Brodsky als Solisten wurde zwei Jahre später in Wien zu einem großen Erfolg.
Seine Gönnerin Frau von Meck stellte ihm in dieser Zeit eine Jahresrente von 6000 Rubel
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aus, was ihn finanziell unabhängiger machte. So konnte er es sich schließlich leisten, seine
Ernennung als russischer Vertreter an der Pariser Weltausstellung 1878 abzusagen und
weitere Reisen, etwa nach Frankreich und Italien, zu unternehmen.
Edvard Grieg und seine Frau Nina unterhielten eine innige Freundschaft zu Peter
Tschaikowsky. Obwohl sich dessen klassischer Stil nicht mit dem von Grieg vergleichen ließ,
fanden damals schon Kritiker eine Art „musikalische Seelenverwandtschaft“. In Frankreich
sprach man gar von einer russischen und einer norwegischen Dominanz in der klassischen
Musik des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Letzte Jahre
Porträt von 1888 für Frau Grieg
Die Jahre 1878–1884 werden für Tschaikowsky als
schöpferisches Tief bezeichnet, obwohl er durch seine
französischen Verleger Mackar und Jurgenson gefördert
wurde und weitere Werke schrieb. Ab 1879 entstanden
unter anderem die Werke Die Jungfrau von Orleans,
Capriccio Italien, das 2. Klavierkonzert G-Dur op. 44 (es
wurde mit dem Pianisten Sergei Tanejew in Moskau
uraufgeführt), die Konzert-Fantasie für Klavier und
Orchester, die Oper Mazeppa und die Manfred-Sinfonie.
Tschaikowskys bekannteste Oper, Eugen Onegin, wurde
am
29.
März
1879
im
Moskauer
Maly-Theater
uraufgeführt.
Der soziale Wiederaufstieg Tschaikowskys begann 1884, als er nach einer Aufführung von
Mazeppa von Zar Alexander III. den Wladimirorden vierter Klasse erhielt und zu diesem
Zweck im März von Paris nach Russland zurückkehren musste. 1887 entdeckte Tschaikowsky
sein Talent als Dirigent. Es folgten Konzerttourneen durch Europa, unter anderem auch in
Berlin, Prag und London, später in Dresden, Köln und Frankfurt am Main. Eine
Auslandstournee 1891 führte ihn nach New York, Philadelphia und Baltimore. Ab 1888
entstanden die 5. Sinfonie e-Moll op. 64, das Ballett Dornröschen, die Ouvertüre Hamlet, die
Oper Pique Dame und das Ballett Der Nussknacker.
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Im Jahr seines Todes 1893 komponierte Tschaikowsky das (unvollendete) 3. Klavierkonzert
Es-Dur und die 6. Sinfonie h-Moll op. 74 Pathétique, deren Uraufführung am 28. Oktober er
noch selbst leitete.
Plötzlicher Tod
Tschaikowsky starb überraschend am 25. Oktober 1893 im Alter von 53 Jahren in
St. Petersburg. Wenige Tage zuvor hatte er noch seine Pathétique dirigiert. Die Todesursache
konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden. Dazu werden zwei Meinungen vertreten.
Nach Aussagen seines Bruders Modest infizierte sich Tschaikowsky mit der damals in
St. Petersburg grassierenden Cholera, als er aus Unachtsamkeit in einem Restaurant ein Glas
unabgekochten Wassers trank. Modest Tschaikowsky notierte später:
„Seine Seelenstimmung war in den letzten Tagen weder ausschließlich fröhlich noch
besonders gedrückt. Im Kreise seiner intimen Freunde war er munter und zufrieden, in
Gesellschaft Fremder wie gewöhnlich nervös und erregt und später erschöpft und welk.
Nichts gab Anlass, an das Herannahen des Todes zu denken.“
– Modest Tschaikowsky
Nach der anderen habe sich Tschaikowsky mit Arsen vergiftet, nachdem er von einem
„Ehrengericht“, bestehend aus Mitgliedern der St. Petersburger Rechtsschule, an der er
selbst studiert hatte, mit dem Hinweis auf seine Homosexualität aufgefordert worden war,
sich das Leben zu nehmen.[12] Für die zweite These spricht, dass sich seine Freunde mit
einem Kuss auf die Lippen des Leichnams verabschiedet haben sollen – was wie der
geöffnete Sarg des Toten einer typisch russischen Tradition entspricht und nur
vorgenommen wird, wenn die Gefahr einer Infektion gering ist. In verschiedenen
Fachpublikationen wurde diese ursprünglich 1979 von Alexandra Orlowa aufgestellte These
vertreten. Allerdings wies Alexander Poznansky in seinem 1998 erschienenen Buch über
Tschaikowskys Tod verschiedene Unstimmigkeiten dieser Theorie nach. Das Ergebnis seiner
dokumentarischen Untersuchungen, wonach Tschaikowsky an einer Urämie als Folge der
asiatischen Cholera starb, wird heute von weiten Teilen der internationalen TschaikowskyForschung akzeptiert.
(Quelle: www.wikipedia.de)
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3. Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35
Aus dem Booklet-Text von Michael Tegethoff:
Das Violinkonzert von Peter Iljitsch Tschaikowsky zählt zu den großen Violinkonzerten des
19. Jahrhunderts und wird in einem Atemzug mit den Beiträgen von Ludwig van Beethoven
(1806), Felix Mendelssohn Bartholdy (1845), Max Bruch (Konzert Nr. 1, 1868) und Johannes
Brahms (1879) genannt. Durch einen Verzicht auf weihevolle Erhabenheit unterscheidet sich
das Tschaikowsky-Konzert allerdings von den meisten dieser Werke, denn dem Russen war
sehr an der unmittelbaren Wirkung des musikalischen Gedankens gelegen: „Nur die Musik
vermag zu rühren, zu bewegen und zu erschüttern, die der Tiefe einer durch Inspiration
erregten Künstlerseele entströmt“.
Obwohl zur Bewältigung einer persönlichen Krise geschrieben, ist das Violinkonzert von
Peter Iljitsch Tschaikowsky ein lebensbejahendes und optimistisches Werk. Es genießt
außerordentliche Beliebtheit beim Publikum, und die Geiger finden in ihm ein überaus
anspruchsvolles Werk mit großen technischen Herausforderungen.
Die Überwindung des Krisenjahres 1877
Peter Iljitsch Tschaikowsky schrieb sein einziges Violinkonzert im Jahr 1878. Es war nicht sein
erstes Solokonzert, denn 1874 hatte er bereits das berühmte Klavierkonzert b-Moll op. 23
komponiert. In den wenigen Jahren hatten sich die Lebensumstände jedoch einschneidend
gewandelt. 1877 hatte Tschaikowsky Antonina Miljukowa geheiratet, doch die Beziehung
wurde nach nicht einmal drei Monaten beendet (gleichwohl wurde die Ehe offiziell nicht
geschieden). Bereits Ende 1876 hatte aber der umfangreiche Briefwechsel mit Nadeshda von
Meck (1831-1894) eingesetzt. Die Witwe eines Eisenbahningenieurs bewilligte Tschaikowsky
schließlich eine Jahresrente in Höhe von 6000 Rubel, was den Komponisten finanziell
unabhängig machte und eine Beendigung der Lehrtätigkeit am Moskauer Konservatorium
erlaubte. 1877 war die persönliche Situation jedoch noch verzweifelt: Anekdoten berichten
von einem Selbstmordversuch während der scheiternden Ehe, seine Erfahrungen versuchte
der Komponist darauf in besonders persönlich geprägten Werken wie der vierten Sinfonie fMoll op. 36 und der Oper Eugen Onegin zu verarbeiten. Außerdem suchte der Komponist
Abwechslung bei längeren Auslandsreisen.
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Die Entstehung des Violinkonzerts
Eine solche Reise führte den Komponisten zu Beginn des Jahres 1878 in die Stadt Clarens am
Genfersee. Mit dem Geiger Iosif Kotek (1855-1885) spielte er die 1873 entstandene
Symphonie espagnole von Edouard Lalo und begann bald darauf mit der Komposition eines
eigenen Violinkonzerts, das sich ebenfalls durch Eleganz und prickelnde Rhythmen
auszeichnen sollte. Tschaikowsky kam mit der Arbeit erstaunlich schnell voran, obwohl er
völlig entgegen seiner Gewohnheit zur gleichen Zeit auch an der Klaviersonate G-Dur op. 37
arbeitete.
Bereits am 10. März 1878 informierte Peter Iljitsch Tschaikowsky Nadeschda von Meck über
den Fortgang der Arbeit am Violinkonzert: „In solchem Gemütszustand verliert das Schaffen
gänzlich das Gepräge der Arbeit; es ist reinste Seligkeit. Während des Schreibens spürt man
gar nicht, wie die Zeit vergeht.“ Dennoch mussten auch Schwierigkeiten überwunden
werden. Sie betrafen beispielsweise den langsamen Mittelsatz, der in seiner ersten Fassung
bei Tschaikowsky keine Gnade fand. „Das Finale des Konzerts reißt uns hin, aber wir haben
das Andante verworfen, und morgen will ich ein neues schreiben“, informierte der Komponist
am 4. April 1878. (Der verworfene Mittelsatz wurde später als Méditation für Violine und
Klavier op. 42 Nr. 2 publiziert.) Der neue Mittelsatz stellte den Komponisten weitaus mehr
zufrieden: „Die Canzonetta ist geradezu herrlich. Wieviel Poesie und welche Sehnsucht in
diesen Sons voilés, den geheimnisvollen Tönen! “, schrieb er an Nadeschda von Meck. „Ich
arbeitete schwer an der Instrumentation des Konzerts“, klagte Tschaikowsky zwar noch,
doch wurde die Arbeit an dem Violinkonzert bereits am 11. April 1878 abgeschlossen.
Diskussionen über die Unspielbarkeit des Violinkonzerts
Hatte Peter Iljitsch Tschaikowsky das Violinkonzert D-Dur op. 35 in einem einzigen großen
Schaffensrausch niedergeschrieben, so stellten sich die größten Schwierigkeiten erst nach
Abschluss der Arbeit ein. Nachdem er seinem Ratgeber Iosif Kotek die Widmung und die
Uraufführung verweigert hatte, bot Tschaikowsky das Konzert zunächst dem renommierten
Geiger Leopold Auer (1845-1930) an. Auer wirkte von 1868 bis 1917 am Petersburger
Konservatorium und unterrichtete zuletzt Künstler wie Nathan Milstein und Jascha Heifetz.
Der Geiger bedauerte, dass eine gedruckte Notenausgabe des Violinkonzerts von Peter
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Iljitsch Tschaikowsky inzwischen vorbereitet worden war, da er eine gründliche Revision für
notwendig hielt. Auer versprach, diese Revision vorzunehmen, doch ließ er das Werk dann
für zwei Jahre liegen. Peter Iljitsch Tschaikowsky zog daraufhin seine Widmung zurück.
Später gestand Leopold Auer, Tschaikowskys Violinkonzert in seiner Bedeutung nicht
sogleich erkannt zu haben.
Seit Auers Durchsicht stand Peter Iljitsch Tschaikowskys Violinkonzert in dem Ruf, unspielbar
und geigerisch undankbar zu sein. Damit wiederholte sich das Urteil, das wenige Jahre zuvor
dem Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23 gegolten hatte. Damals hatte der Pianist Nikolai
Rubinstein das Werk als „wertlos“ und „völlig unspielbar“ bezeichnet.
Mit Nachdruck setzte sich schließlich Adolf Brodsky für das Violinkonzert ein. Brodsky (18511929) war sechs Jahre jünger als Leopold Auer. Er hatte bei Josef Hellmesberger in Wien
sowie am Moskauer Konservatorium studiert; Von 1875 bis 1883 wirkte er als Professor am
Moskauer Konservatorium, anschließend verlagerte er seine Lehrtätigkeit nach Leipzig. Auch
Brodsky sah die enormen Schwierigkeiten, die das Violinkonzert von Peter Iljitsch
Tschaikowsky an den Solisten stellte, doch befand der Geiger auch: „Man kann es endlos
spielen und wird nicht müde. Das ist sehr wichtig, wenn man die Schwierigkeiten überwinden
will.“
Uraufführung und frühe Rezeption
Wie bereits das erste Klavierkonzert erlebte auch Tschaikowskys Violinkonzert seine erste
Präsentation außerhalb Russlands, wobei es keine Bestätigung für eine Aufführung 1879 in
New York gibt. Das Werk kam offiziell in Wien heraus. Mit dem Solisten Adolf Brodsky, dem
Dirigenten Hans Richter und dem Philharmonischen Orchester erlebte das Konzert am 4.
Dezember 1881 seine Uraufführung. Damals polarisierte das Werk noch das Publikum und
rief Zustimmung und Ablehnung hervor. Das spiegelt sich auch in den Presseberichten wider,
wobei Eduard Hanslicks Urteil in der „Neuen Freien Presse“ traurige Berühmtheit erlangte:
„Friedrich Vischer behauptet einmal, es gebe Bilder, ‚die man stinken sieht’. Tschaikowskys
Violinkonzert bringt uns zum ersten Mal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch
Musikstücke gibt, die man stinken hört.“
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Adolf Brodsky stellte das Konzert – wiederum geleitet von Hans Richter – am 8. Mai 1882
auch in London sowie am 20. August 1882 in Moskau vor. Aus Dankbarkeit übertrug
Tschaikowsky ihm dafür die Widmung. Doch auch Leopold Auer ließ sich schließlich
überzeugen. Wenige Monate vor dem Tod des Komponisten trug er das Werk 1893 erstmals
vor, anschließend spielte er das Werk am 18. November in einem Gedenkkonzert. Zu diesem
Zeitpunkt hatte der Siegeszug des Werkes aber längst eingesetzt.
Musikalische Notizen zu Tschaikowskys Violinkonzert
Das Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 von Peter Iljitsch Tschaikowsky
unterscheidet sich deutlich von zahlreichen anderen Violinkonzerten. Tschaikowskys Musik
zielt weniger auf strenge Konstruktion als auf emotionale Vielfalt. So ist es bereits
bezeichnend, dass das Orchestervorspiel nach einmaliger Präsentation keine Rolle mehr
spielt und im weiteren Verlauf nicht wiederkehrt. Damit setzte Tschaikowsky den im
Klavierkonzert b-Moll op. 23 eingeschlagenen Weg fort. Im Violinkonzert ist es das
Soloinstrument, das die Themen vorstellt. Diese Themenaufstellung besitzt eine beispiellose
Gelassenheit, das Tempo ist anfangs ganz bewusst zurückgenommen („Moderato assai“).
Kaum vorhersehbar sind jedoch die enormen Steigerungen, die in den massigen,
schmetternden und dabei immer noch federnden Marschrhythmen des Orchesters ihren
Höhepunkt erreichen. Der Kopfsatz des Violinkonzerts von Peter Iljitsch Tschaikowsky – mit
Solokadenz an unerwarteter Stelle zwischen Durchführung und Reprise – stellt einen
regelrechten Kosmos dar und zielt nicht auf Vereinheitlichung.
Die an zweiter Stelle stehende „Canzonetta“ gleicht einem „Lied ohne Worte“. Der Satz
schließt behutsam an die brillante Coda des ersten Satzes an und führt erst langsam zur
Haupttonart g-Moll. Die Canzonetta wirkt schlicht, aufrichtig und niemals überladen oder gar
sentimental. Bemerkenswert ist auch, dass Tschaikowsky das Soloinstrument mit Dämpfer
spielen lässt, was ganz zauberhafte Farbwirkungen hervorruft.
Mit unmittelbarer Direktheit verschafft sich schließlich das brillante Finale („Allegro
vivacissimo“) Gehör. Der tänzerische Schwung dieses Satzes nimmt unmittelbar für sich ein,
doch ist es keine aristokratische Eleganz, die hier hervortritt. Aber dieser Satz besitzt nicht
nur russischen, sondern auch dörflichen Charakter, etwa bei dem zu den Bordunklängen
intonierten A-Dur-Seitenthema. Auffallend sind ferner die zahlreichen Tempozurücknahmen,
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die ihrerseits wieder rasante Neueinstiege erlauben. Mit seinem zigeunerhaft-skizzenhaften,
daneben aber auch zutiefst russischen Ausdruck kontrastiert dieses Finale auch mit dem
eleganten Kopfsatz.
Aufbau
Die Besetzung besteht aus 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotten, 4 Hörnern, 2
Trompeten, Pauken, Streichinstrumenten sowie Solovioline.
1. Allegro moderato
2. Canzonetta. Andante
3. Finale. Allegro vivacissimo
Erster Satz:
Der erste Satz überrascht dadurch, dass die Kadenz bereits der Durchführung folgt und nicht,
wie vorher üblich, der Reprise. Eine weitere Besonderheit ist, dass die einleitende
Orchestermelodie – wie in Tschaikowskys b-moll-Klavierkonzert – im ganzen Werk nicht
wiederkehrt.
Zweiter Satz:
Über den zweiten Satz, der vom melancholischen Spiel der Violine geprägt ist, schrieb
Tschaikowsky an seine Brieffreundin Nadeshda von Meck: „Die Canzonetta ist geradezu
herrlich. Wieviel Poesie und welche Sehnsucht in diesen Sons voilés, den geheimnisvollen
Tönen!“
Dritter Satz:
Das attacca subito des dritten Satzes unterbricht plötzlich die Schwermut des
Vorgängersatzes und führt zu den zwei beschwingten Hauptthemen des Finalsatzes.
Wirkung
Den einflussreichen Musikkritiker Eduard Hanslick erinnerte das Konzert an „die brutale und
traurige Lustigkeit eines russischen Kirchweihfestes“ sowie an „lauter wüste und gemeine
Gesichter“ und „rohe Flüche“; er meinte über das Werk, es bringe „uns auf die schauerliche
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Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört“. Auch andere
Musikkritiker reagierten ablehnend auf das Werk. Ähnlich ablehnend hatten Kritiker sich
über Tschaikowskys vier Jahre zuvor komponiertes 1. Klavierkonzert geäußert und ihre
Meinung später weitestgehend revidiert. Tschaikowsky reagierte daher gelassen auf die
Kritik und war überzeugt, dass das Konzert sich durchsetzen werde. Und so kam es auch. Das
Konzert wurde bei der Erstaufführung 1882 in London stürmisch gefeiert. Es gehört heute
noch zu den bekanntesten, meistaufgeführten und meisteingespielten Violinkonzerten
weltweit.
4. Instrumentenkunde: Die Violine
Die Violine wird auch Geige genannt, obwohl dieser Begriff früher auch Bratschen, Celli, die
Vorläufer des Kontrabasses und Gamben einschloss (siehe Namensursprung). Sie ist ein aus
verschiedenen Hölzern – oder neuerdings für experimentelle Zwecke auch aus
Verbundwerkstoffen wie Carbon – gefertigtes Saiteninstrument. Ihre vier Saiten werden mit
einem Bogen gestrichen. In der Tradition der klassischen europäischen Musik spielt die
Violine eine wichtige Rolle, viele Komponisten haben ihr einen wichtigen Teil des Schaffens
gewidmet. Violinen werden von Geigenbauern hergestellt. Die Bezeichnung Violine
bedeutet eigentlich „kleine Viola“ Der italienische Begriff Violino taucht erstmals um 1535
auf.
Die wichtigsten Bauteile
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Teile der Violine im Querschnitt
Der Hals hat eine Länge von ca. 13 cm und ist mit dem Griffbrett (ca. 27 cm Länge) verleimt,
das etwa 14 cm über den Korpus ragt. Das Griffbrett ist aus Ebenholz und daher schwarz,
hart und verschleißfest. Der Korpus ist ein ca. 35 bis 36 cm langer Hohlkörper. Über den
Sattel oder Obersattel am schmalen Griffbrettende führen die Saiten in den Wirbelkasten zu
den Wirbeln. Die Wirbel dienen zum Stimmen der Saiten. Die Schnecke am Ende des
Wirbelkastens ist oft durch besondere Gestaltung ein Erkennungsmerkmal des
Geigenbauers.
Der Korpus hat folgenden Aufbau: Die Decke ist der mit zwei F-Löchern versehene,
gewölbte, aus Fichtenholz gefertigte obere Teil. Die Decke ist fast immer aus zwei mittig
miteinander verleimten Teilen gefertigt. Idealerweise wird „feinjähriges“ Holz (die
Jahresringe
liegen
eng
und
gleichmäßig) verwendet, das auf
nährstoffarmem
Boden
Hochgebirgsregionen
in
langsam
gewachsen ist. Es wird in der
ersten Hälfte des Winters, wenn
sich möglichst wenig Saft im
Stamm befindet, geschlagen und
danach noch mehrere Jahre zur
weiteren Trocknung gelagert. Der
Boden bzw. Rücken ist meistens
aus
Ahorn gefertigt
(seltener
kommen auch Pappel oder Weide
zur Verwendung) und ebenfalls
gewölbt. Der Boden kann einteilig
oder
aus
zwei
miteinander
verleimten Teilen gefertigt sein,
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was an der Maserung des Holzes zu erkennen ist. Die Zargen sind die Seitenteile des Korpus
und sind mit Boden und Decke nutverleimt. Sie bestehen meistens aus demselben Holz wie
der Boden.
Der Steg ist auf die Decke aufgesetzt, jedoch nicht geleimt oder anderweitig befestigt. Über
ihn laufen die Saiten, deren Schwingung er auf den Korpus überträgt. Er besteht aus
feinjährigem Ahorn. Am Saitenhalter können für die zwei hohen, meistens aus Stahl
bestehenden Saiten Feinstimmer oder Feinstimmräder angebracht sein. Sind alle Saiten aus
Stahl, sind vier Feinstimmer sinnvoll. Die Henkelsaite führt über den Untersattel und hält den
Saitenhalter am Endknopf in der Zarge.
Der Bassbalken ist eine in Faserrichtung verlaufende Fichtenholzleiste, die unter leichter
Vorspannung auf die Deckeninnenseite geleimt ist. Er erhöht sowohl die Anisotropie als auch
die Steifigkeit der Decke. Der Bassbalken verläuft asymmetrisch unter dem bassseitigen
Stegfuß. Der Stimmstock (die Seele oder Stimme) und dessen präzise Platzierung beeinflusst
und reguliert den Klang der Violine erheblich. Es handelt sich bei ihm um einen zylindrischen
Fichtenholzstab (etwa 6 mm Durchmesser), der zwischen Decke und Boden eingepasst wird.
Seine Position ist etwa drei Millimeter unterhalb des diskantseitigen Stegfußes.
Der Lack schützt das Holz des Instrumentes vor Umwelteinflüssen, konserviert dessen
Schwingungseigenschaften und kann den Klang erheblich beeinflussen oder sogar deutlich
verbessern. Ebenso kann ein unfachmännisch aufgetragener Lack den Klang eines
Instruments „töten“.
Zur Verleimung der einzelnen Bauteile wird ein spezieller Knochenleim (Heißleim)
verwendet. Er besteht aus Proteinen, die aus Tierknochen oder -haut gewonnen werden.
Seine besondere Eigenschaft besteht darin, dass er wasserlöslich ist und bei einer
Temperatur von etwa 50 bis 60 Grad Celsius weich wird und so das Instrument problemlos
jederzeit auseinanderzunehmen ist, ohne dass Holz oder Lack Schaden nehmen.
Ober-, Unter- und Endklötze, sowie Reifchen im Innern des Korpus dienen der Stabilisierung
der Zargen. Die Klötze sind aus Fichtenholz, die Reifchen aus Fichte oder Weide gefertigt.
Sogenannte Einlagen oder Adern verzieren den Rand der Decke und des Bodens. Dies sind
drei nebeneinander liegende schmale, lange Holzstreifen, deren äußere schwarz gefärbt
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sind. Sie werden in den Adergraben eingelegt und verleimt. Sie dienen außerdem der
Stabilisierung der über den Zargenkranz hinausragenden Ränder von Decke und Boden.
Der Kinnhalter erleichtert das Halten des Instruments zwischen Kinn und Schulter, dem
gleichen Zweck dient die Schulterstütze.
Saiten
Die vier Saiten bestehen aus mit Silber- oder Aluminiumdraht umsponnenem Naturdarm,
Kunststoff oder Stahldraht. Die höchste Saite ist die E-Seite und besteht meistens aus
Stahldraht. Darmsaiten reagieren stärker auf Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschiede,
sie werden hauptsächlich in der historischen Aufführungspraxis verwendet. Die Saiten
heißen g, d, a und e, sind also im Quintenabstand gestimmt.
Bogen
Der Bogen ist mit 190 bis 250 Haaren vom Hengstschweif bestimmter Pferderassen
bespannt. Die Bogenstange ist meistens aus Pernambukholz. Zunehmend wird aber - auch
von Berufsgeigern - mit Bögen aus Kohlefaser (Karbonfiber) gespielt. Der Frosch besteht aus
Ebenholz; mit dem Drehen seiner Schraube wird der Bezug des Bogens nach Benutzung
entspannt. Oft befinden sich im Frosch zur Verzierung Perlmutt-Einlagen. Die Bespannung
des Bogens muss wiederholt durch Streichen auf einem Geigen-Kolophonium-Block mit dem
natürlichen Balsamharz Kolophonium präpariert werden, da nur so eine optimale
Schwingung der Saiten erreicht werden
kann.
Pädagogik
Kleine Geige im Geigenkasten
Das Violinspiel kann man bereits in sehr
frühem Kindesalter erlernen. Damit die
Kinder sich die Namen der Saiten merken
können (G-D-A-E), haben sich Lehrer eine „Eselsbrücke“ ausgedacht: Geh Du Alter Esel.
Pädagogen sind der Überzeugung, dass für eine erfolgreiche Karriere der frühestmögliche
Start, etwa im Alter von 3 bis 6 Jahren, unerlässlich sei. Deshalb existieren zahlreiche
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„kindgerechte“ Violinschulen. Ein weit verbreitetes Beispiel zum frühen Erlernen des
Geigenspiels ist die Suzuki-Methode, benannt nach ihrem Entwickler Shinichi Suzuki.
5. Didaktische Hinweise für die Grundschule
Die aktuellen Bildungspläne für die Grundschule geben zunächst unmittelbar keine Bezüge
zu diesem Konzertprogramm her. Man muss die Unterrichtswerke „quer“ lesen, um das
Thema herauszufinden. Beispielsweise sind in „Mobile 3“ sowie „Mobile 4“ aus dem
Westermann-Verlag immer wieder Unterrichtsthemen eingearbeitet, die auch Höreindrücke
mit klassischer Musik behandeln. Hier werden Orchestermusikstücke eingesetzt und
vorgelegt, die aber nicht weiter auf das Mitwirken von einzelnen Instrumenten hin analysiert
werden.
Doch damit findet sich für uns eine Tür zu dem Thema: Wir nehmen die Instrumentenfamilie
„Streichinstrumente“ näher in Augenschein. Sehr schöne Unterrichtsmaterialien finden sich
dazu in: Rondo 4, Mildenberger-Verlag, Thema: „Streichinstrumente“, Schülerbuch S. 18-21,
im Lehrerhandbuch dazu bei der U-Einheit 12 und 13, S. 29-32.
Auf diesem Wege lassen sich auch im Sinne der Kompetenzfelder des Bildungsplans neue
Erfahrungen für die Schüler herleiten.
Im dritten Bereich NATURPHÄNOMENE UND TECHNIK finden wir diese Ziele:
Die Schülerinnen und Schüler
1. kennen Leben und Werk bedeutender Erfinderinnen, Erfinder, Tüftlerinnen, Tüftler,
Künstlerinnen, Künstler, Komponistinnen und Komponisten und exemplarisch deren
Bedeutung für das Leben der Kinder heute;
2. können an einem Beispiel aus ihrem Alltag eine wichtige technische Erfindung
nachvollziehen, in ihrer Bedeutung für die Menschen erfassen und in einen
geschichtlichen Zusammenhang einordnen;
Dazu Angaben zu möglichen Inhalten:
Leben und Werk eines Künstlers oder Erfinders,
Klangkörper bauen und spielen
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Die Offenheit des Bildungsplans ermöglicht es, uns bei der Behandlung des Themas auf
verschiedenen Wegen zu nähern, sei es durch die Instrumentenkunde, den Bau eines
einfachen Saiteninstruments oder aber auch durch Aufgabenstellungen zum Thema
Musikhören – Assoziationen. Das Umsetzen der Musikhörerlebnisse in bildnerische
Eindrücke ist ebenso ein möglicher Zugangsweg.
6. Arbeitsblatt
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Merkblatt zum Konzert am 28.09.2014
Ergänze die Daten und Namen!
Musikstück:
_____________________________________________________________
Solist
_____________________________________________________________
Orchester
_____________________________________________________________
Dirigent
_____________________________________________________________
Konzertort
_____________________________________________________________
Preis meiner Eintrittskarte
___________€
Die Besetzung besteht aus 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotten, 4 Hörnern, 2
Trompeten, Pauken, Streichinstrumenten sowie Solovioline.
Aufbau:
1. Allegro moderato
2. Canzonetta. Andante
3. Finale. Allegro vivacissimo
Erster Satz
Der erste Satz überrascht dadurch, dass die Kadenz bereits der Durchführung folgt
und nicht, wie vorher üblich, der Reprise. Eine weitere Besonderheit ist, dass die
einleitende Orchestermelodie – wie in Tschaikowskys b-moll-Klavierkonzert – im
ganzen Werk nicht wiederkehrt.
Zweiter Satz
Über den zweiten Satz, der vom melancholischen Spiel der Violine geprägt ist, schrieb
Tschaikowsky an seine Brieffreundin Nadeshda von Meck: »Die Canzonetta ist
geradezu herrlich. Wieviel Poesie und welche Sehnsucht in diesen Sons voilés, den
geheimnisvollen Tönen!«
Dritter Satz
Das attacca subito des dritten Satzes unterbricht plötzlich die Schwermut des
Vorgängersatzes und führt zu den zwei beschwingten Hauptthemen des Finalsatzes.
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Zur Wirkung von Tschaikowskys Violinkonzert D-Dur op. 35
Den einflussreichen Musikkritiker Eduard Hanslick erinnerte das Konzert an »die
brutale und traurige Lustigkeit eines russischen Kirchweihfestes« sowie an »lauter
wüste und gemeine Gesichter« und »rohe Flüche«; er meinte über das Werk, es
bringe »uns auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die
man stinken hört«. Auch andere Musikkritiker reagierten ablehnend auf das Werk.
Ähnlich ablehnend hatten Kritiker sich über Tschaikowskys vier Jahre zuvor
komponiertes 1. Klavierkonzert geäußert und ihre Meinung später weitestgehend
revidiert. Tschaikowsky reagierte daher gelassen auf die Kritik und war überzeugt,
dass das Konzert sich durchsetzen werde. Und so kam es auch. Das Konzert wurde bei
der Erstaufführung 1882 in London stürmisch gefeiert. Es gehört heute noch zu den
bekanntesten, meistaufgeführten und meisteingespielten Violinkonzerten weltweit.
Impulse:
1) Kannst du dir vorstellen, wieso die Menschen auf
das Stück so unterschiedlich reagierten?
2) Gab es in deinem Leben schon einmal Situationen,
in denen du ein Musikstück ganz anders empfunden
hast als eine andere Person?
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