macht, herrschaft und gewalt

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VORTRAGSREIHE
2007
MACHT,
HERRSCHAFT UND
GEWALT
ORGANISIERT VOM
Lehrstuhl Sozialarbeit und Sozialpolitik
Deutschsprachiger Lehrstuhl
Universität Freiburg
Rte de Bonnesfontaines 11
CH–1700 Fribourg
http://www.unifr.ch/travsoc/d/
ZEIT UND ORT:
Dienstag: 17:15 – 18:45 Uhr
Miséricorde Auditorium B
Avenue de l’Europe 20
CH–1700 Fribourg
TITELBILD: http://www.muetterberatung.ch/SVM/mf_SVM/mf_dienstleitungen.htm
VORTRAGSREIHE
MACHT, HERRSCHAFT UND
GEWALT
Sommersemester 2007
Prof. Monica Budowski
Prof. Michael Nollert
VORTRAGSREIHE
MACHT, HERRSCHAFT UND GEWALT
ÜBERBLICK UND ORGANISATION
13.3.07
Monica Budowski und Michael Nollert
BLOCK 1: MACHTKONZEPTE
20.03.07
Peter Imbusch (Universität Marburg)
Macht, Herrschaft und die Frage der Gewalt
27.03.07
Silvia Staub-Bernasconi (Technische Universität Berlin, Universität Fribourg)
Macht in der Sozialen Arbeit
17.04.07
Susanne Krasmann (Universität Hamburg)
Gouvernementalität: Epistemologie, Macht und Subjektivierung
BLOCK 2: MACHT IN WIRTSCHAFT, POLITIK, RECHT UND
KULTUR
24.04.07
Hans-Jürgen Krysmanski (Universität Münster)
Geldmacht - Strukturen und Akteure des Reichtums in Europa
01.05.07
Marcel Niggli (Universität Fribourg)
Macht und Recht
08.05.07 Heinz Bonfadelli (Universität Zürich)
Agenda-Setting und Framing in den Massenmedien
15.05.07
Bernard Degen (Universität Basel)
Kollektive Arbeitskonflikte in der Schweiz
BLOCK 3: FELDER DER MACHT- UND GEWALTAUSÜBUNG
22.05.07 Walther Müller-Jentsch (Universität Bochum)
Macht als Ressource von Organisationen – Zur Konstitution und Verteidigung kollektiver Arbeitsbeziehungen
29.05.07 Barbara Kavemann (Katholische Hochschule für
Sozialwesen Berlin)
Gewalt in Paarbeziehungen Neue Forschung bringt neue
Herausforderungen
05.06.07 Johan Galtung (Transcend Peace University)
Alpha/beta deep structure and four types of structural violence
12.06.07
Gerhard Ebner (Psychiatriezentrum Breitenau, Schaffhausen)
Allmacht, Machtmissbrauch, Ohnmacht, Gewaltfreiheit in der
Psychiatrie
Peter Imbusch ♦ Universität Marburg
Macht, Herrschaft und die Frage der Gewalt (20.03.07)
Macht und Herrschaft sind ubiquitäre Phänomene menschlicher
Gesellschaften. Spätestens seit Max Webers klassischen Definitionen
zählen sie auch zu den Grund- und Hauptbegriffen der Soziologie.
Gleichwohl sind sie hochgradig kontrovers geblieben. Je nachdem, aus
welchem Blickwinkel man die Phänomene betrachtet, präsentiert sich die
soziale Welt in einem anderen Licht: Am einen Ende des Spektrums
finden sich macht- und herrschaftskritische Positionen, die Macht
dämonisieren und Herrschaft verteufeln; am anderen Ende stehen jene
Positionen, die Macht als allgemeines Medium des Handelns und
Herrschaft als ordnungsbegründend begreifen. Was in dem einen Fall
überdramatisiert wird, kommt im anderen allzu harmlos daher. Dies wird
schnell deutlich, wenn man beide Konzepte etwa mit der Gewalt in
Beziehung setzt. Ausgehend von den kontroversen Debatten um Macht
und Herrschaft soll deren spezifische Deutung an unterschiedliche
Traditionen der Soziologie rückgebunden werden und sodann der
politische Bedeutungsgehalt von Macht und Herrschaft am Thema der
Gewalt exemplifiziert werden. Dabei werden sowohl die blinden Flecken
der Diskussion wie auch die grundlegende Zweideutigkeit der Konzepte
erkennbar.
Biografische Angaben
PD Dr. Peter Imbusch, geb. 1960, studierte Soziologie,
Politikwissenschaft,
Sozialund
Wirtschaftsgeschichte
und
Volkswirtschaft; Promotion zum Thema «Sozialstrukturanalyse
Lateinamerikas» (1990), Habilitation über «Moderne und Gewalt» (2001);
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Politische Soziologie,
Sozialstrukturanalyse, Konflikt- und Gewaltforschung, Soziologische
Theorie, Entwicklungssoziologie; 2001–2005 wissenschaftlicher
Koordinator des Forschungsverbundes «Desintegrationsprozesse» an der
Universität
Bielefeld;
2003–2006
Vertretungsprofessur
für
Konfliktforschung am Zentrum für Konfliktforschung der Universität
Marburg. E-Mail: [email protected].
1
Silvia Staub-Bernasconi ♦ Technische Universität Berlin,
Universität Fribourg
Macht in der Sozialen Arbeit (27.03.07)
„Empowerment“ ist zum Zauberwort geworden – es gab deren schon
viele, z.B. Partizipation, Vernetzung, Sozialraumorientierung, die sich gegenseitig ablösten –, das alle handlungstheoretisch/methodischen Probleme der Sozialen Arbeit zu lösen vorgibt. Wenn ein Begriff in aller
Munde ist, so ist seine Verwässerung bis zur Unkenntlichkeit vorprogrammiert. Verwässert wird er, wenn man „Empowerment“ auf „Befähigung“ reduziert; verfälscht wird er, wenn man, wie in Texten der Betriebswirtschaftslehre, liest, dass „Empowerment“ die Delegation von
Verantwortung, genauer: von Pflichten an die Mitarbeiter bedeutet, damit das Management freie Hand für Entscheidungen erhält. Der Vortrag
soll als Erstes aufzeigen, welches die sozialen Probleme sind, die „Empowerment“ notwendig machen – nämlich Probleme von menschenfeindlichen und mithin illegitimen gesellschaftlichen Machtstrukturen. In
einem zweiten Teil soll auf das Tripelmandat der Profession Sozialer Arbeit und die wissenschaftliche wie berufsethische Begründung für den
wirksamen Einsatz von „Empowerment“ im Hinblick auf die Soziale
Arbeit mit Individuen/Familien, Gemeinwesen und sozialen Bewegungen eingegangen werden. Zentral für die Analyse von Macht als Ungleichheitsordnungen ist die Unterscheidung zwischen „begrenzenden“
und „behindernden“ Machstrukturen, deren kulturelle Legitimation sowie die Formen unwirksamen und wirksamen Protestes.
Biografische Angaben
Prof. Dr. habil. Silvia Staub-Bernasconi, geb. 1936 in Zürich, Studium
der Sozialen Arbeit in Zürich und USA, Studium der Soziologie,
Sozialpsychologie, Pädagogik und Sozialethik an der Universität Zürich;
Dozentin für Soziale Arbeit und Menschenrechte an der Hochschule für
Soziale Arbeit Zürich (1967-1997), der Technischen Universität Berlin
(1997-2003); Vizepräsidium der Deutschen Gesellschaft für Soziale
Arbeit. Arbeitsschwerpunkte: Soziale Probleme und Theorien Sozialer
Arbeit, Soziale Arbeit als systemtheoretisch begründete Handlungswissenschaft, Ökonomisierung und Soziale Arbeit, Menschenrechtsbildung und –praxis; Armut, Genderfrage und Migration in der Sozialen
Arbeit; interkulturelle Konflikte und Gewalt; Internationalisierung
Sozialer Arbeit.
2
Susanne Krasmann ♦ Universität Hamburg
Gouvernementalität: Epistemologie, Macht und Subjektivierung (17.04.07)
In seinen späten Vorlesungen am Collège de France entfaltet Foucault
eine neue Analytik der Macht, in deren Mittelpunkt er den Begriff der
Regierung stellt. Im Verhältnis zu gängigen soziologischen Ansätzen
überwindet dieses Konzept die dichotome Perspektive auf
gesellschaftliche Makro- oder Mikroprozesse, auf übergeordnete,
sedimentierte Herrschaftsverhältnisse hier und bloss ephemere Formen
der Machtausübung oder sozialer Interaktionen dort. Dabei ist der
Begriff der Regierung in einem weiten Sinne zu verstehen, er meint nicht
nur das politische Handeln von «Regierungen», sondern vielmehr jegliche
Form einer planvollen Steuerung menschlichen Handelns. Die Kunst des
Regierens, der Führung anderer wie auch von sich selbst, beruht ganz
elementar auf Formen des Wissens, auf einer Rationalisierung der
bestmöglichen Weise der Machtausübung. Der Begriff der Gouvernementalität ist für diese Analyse von Rationalitäten und Technologien des
Regierens Programm. Ausgelotet werden soll der sozialwissenschaftliche
Nutzen dieser Perspektive für die Analyse zeitgenössischer Formen der
Machtausübung, der Subjektkonstituierung und der Transformation von
Staatlichkeit.
Biografische Angaben
Privatdozentin, Dr. phil. (Soziologie). Wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Institut für Kriminologische Sozialforschung der Universität Hamburg.
Forschungsschwerpunkte: «Gouvernementalität der Gegenwart»; transnationale Sicherheitspolitik, Transformation von Staatlichkeit und
Gewalt. Publikationen: Bröckling, Ulrich, Susanne Krasmann und Thomas
Lemke (2000). Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung
des Sozialen. Frankfurt a/M.: Suhrkamp.
3
Hans-Jürgen Krysmanski ♦ Universität Münster
Geldmacht – Strukturen und Akteure des Reichtums in Europa
(24.04.07)
Reichtum und Geldmacht haben unter herrschaftstheoretischen
Gesichtspunkten eine neue historische Stufe erreicht. Die Postulierung
einer globalen „herrschenden Klasse“ mag verfrüht sein, aber die Frage
nach einem neuen Souverän drängt sich immer mehr auf. Die Akteure
und Profiteure des gegenwärtigen Globalisierungsprozesses können als
ein komplexes Netzwerk teils kooperierender, teils konkurrierender
Eliten begriffen werden. Im Zentrum dieses „Geldmachtapparats“ haben
sich verschiedene, per se höchst interessante Gruppen heimisch
gemacht: teils in Gestalt eines über Generationen vererbten Reichtums,
teils in Gestalt alten oder neuen europäischen Adels, teils in Gestalt eines
mithilfe technischer, finanzpolitischer oder marketingmässiger
Innovationen zusammengerafften Neureichtums, teils in Gestalt eines
durch korrupte Privatisierungspraktiken erzeugten Oligarchentums, teils
in Gestalt von Mafia-Milliardären. Diese „Geldelite“ wird unterstützt
von „Funktionseliten“: Spitzenmanagern, politischen Oligarchien,
Technokraten usw. Eine neue Oberschicht mit eigenen Macht- und
Herrschaftsperspektiven entsteht, deren vereinheitlichendes Vorbild die
US-amerikanische Plutokratie sein dürfte.
Biografische Angaben
Prof. em. Dr. Hans-Jürgen Krysmanski, geb. 1935, ist emeritierter
Professor für Soziologie an der Universität Münster; zahlreiche
Publikationen, u.a. Hirten & Wölfe. Wie Geld- und Machteliten sich die
Welt aneignen (2004); u.a. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von
Attac und der World Association for Political Economy. Homepage:
http://www.hjkrysmanski.de.
4
Marcel Niggli ♦ Universität Fribourg
Macht und Recht (01.05.07)
Die Gegenüberstellung von Recht und Macht ist so häufig und
allgegenwärtig, dass die Belege dafür Legion sind. Im Allgemeinen wird
dabei nicht ein neutrales Gegensatzpaar angesprochen, sondern eine
ganz ungleiche Paarung. Während Recht visualisiert wird als ein kleines,
schwächliches und unsicheres Bübchen, das nicht viel mehr als die
moralische Legitimation und das eigene reine Gewissen ins Feld zu
führen hat, wird dessen Gegner(in) gesehen als eine dicke, feisse Made,
die mit einhundert Händen zugreift, wo es ihr gefällt, und mit eintausend
Köpfen, die ihr – einer Hydra nicht unähnlich – gleich nachwachsen,
sobald man einen von ihnen endlich abzuschlagen vermag. Aber trifft
diese Gegenüberstellung tatsächlich zu? Der Vortrag versucht das
Verhältnis von Recht und Macht auszuloten.
Biografische Angaben
Prof. Dr. Marcel Alexander Niggli, geb. 1960 in Zug, Studium der
Rechtswissenschaft an der Universität Zürich, 1992 Promotion, 1998
Habilitation für Strafrecht, Kriminologie und Rechtsphilosophie an der
Universität Zürich, seit 1999 Ordinarius für Strafrecht, Strafprozessrecht
und Kriminologie und seit 2001 Ordinarius für Strafrecht und
Rechtsphilosophie an der Universität Freiburg. Er ist u.a. Koherausgeber
von Basler Kommentar StGB (Strafgesetzbuch) (2002, Reihe Basler
Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2 Bde., Basel: Helbing &
Lichtenhahn) sowie Herausgeber von Strafrecht – Sämtliche Erlasse des
Bundes zu Kompetenzen, Organisation, Prozess, Vollzug, Rechtshilfe
sowie das gesamte Nebenstrafrecht, mit Anmerkungen versehen (2006,
2. Auflage, Zürich: Orell Füssli).
5
Heinz Bonfadelli ♦ Universität Zürich
Agenda-Setting und Framing in den Massenmedien (08.05.07)
Die Medienwirkungsforschung hat die Frage nach der Macht der Medien
lange Zeit nur als Beeinflussung von Meinungen und Verhaltensweisen
untersucht. Der klassische Forschungsbefund dazu lautete: Medien
tendieren dazu, bestehenden Meinungen und Verhaltensweisen zu
bestätigen und zu verstärken; Meinungsänderung ist eher die Ausnahme.
Dieser Befund wurde als Medienohnmacht interpretiert. Erst ab den
1970er-Jahren wurde die Frage nach der Medienmacht neu und breiter
definiert: Die gesellschaftliche Funktion der Medien besteht nicht so sehr
darin, dass sie den Menschen vorschreiben, wie sie zu denken haben,
sondern worüber nachgedacht wird. Damit rückte das Phänomen ins
Zentrum, dass die Medien durch den Fokus ihrer Berichterstattung auf
gewisse Ereignisse diese in der Öffentlichkeit als dringlich herausstellen
können. Diese Agenda-Setting-Funktion wird ergänzt durch die Art und
Weise, wie Medien über ein Thema berichten. Medien-Framing meint,
dass Ereignisse immer aus einer bestimmten Perspektive beleuchtet
werden und so eine ganz spezifische Sicht der Realität erzeugt wird.
Biografische Angaben
Prof. Dr. Heinz Bonfadelli, geb. 1949, ist ord. Professor für Publizistikwissenschaft am IPMZ (Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich). Er beschäftigt sich in seiner Forschung und seinen Veröffentlichungen mit Fragen nach der Nutzung
und den Wirkungen von Medien, mit öffentlichen Informationskampagnen, mit der Risikokommunikation und mit Wissensklüften
im Zusammenhang mit dem Internet. Publikationen: Bonfadelli, Heinz
(2004). Wirkungsforschung. Bd. 1: Grundlagen und theoretische Perspektiven; Bd.
2: Anwendungen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Konstanz: UVK Verlag.
6
Bernard Degen ♦ Universität Basel
Kollektive Arbeitskonflikte in der Schweiz (15.05.07)
Seit Mitte der 1990er-Jahre kommt es auch in der Schweiz wieder öfters
zu Streiks. Zuvor galt das Land während fast eines halben Jahrhunderts
als paradigmatischer Fall des sozialen Friedens. Nicht dass es in dieser
Zeit keine Verteilungskonflikte gab; sie führten aber höchst selten zu
Streiks oder Aussperrungen. Der Vortrag stellt einige Grundzüge sowohl
der konfliktintensiven als auch der konfliktarmen Perioden vor. Dabei
steht der Wandel in den Beziehungen zwischen den Hauptakteuren –
den Gewerkschaften auf der einen und den Unternehmern und ihren
Organisationen auf der andern Seite – im Zentrum der Betrachtungen.
Es wird gezeigt, unter welchen Umständen sie eher kooperierten und
unter welchen es zu kollektiven Konflikten kam. Die Frage, auf welcher
Ebene die Arbeitsbedingungen geregelt werden sollten – auf vertraglicher oder auf gesetzlicher –, führte ebenfalls immer wieder zu
Differenzen nicht nur zwischen den beiden Arbeitsmarktparteien,
sondern auch innerhalb der Gewerkschaften.
Biografische Angaben
Dr. Bernard Degen, geb. 1952, Historiker, arbeitet am Historischen
Seminar der Universität Basel am Projekt «Quellen zur Sozialpolitik in
der modernen Schweiz». Zudem betreut er als wissenschaftlicher Berater
beim Historischen Lexikon der Schweiz (HLS) die Bereiche Wirtschaftsund Sozialgeschichte (19./20. Jh.), Arbeiterbewegung und Kantonsgeschichte Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Er veröffentlichte mehrere
Monographien und zahlreiche Aufsätze zur Schweizer Geschichte, vor
allem zur Gewerkschaftsbewegung und zur Sozialpolitik. Publikationen:
Boillat, Valérie, Bernard Degen, Elisabeth Joris, Stefan Keller, Albert
Tanner und Rolf Zimmermann (2006). Vom Wert der Arbeit. Schweizer
Gewerkschaften – Geschichte und Geschichten. Zürich: Rotpunktverlag.
http://histsem.unibas.ch/seminar/personen/person-details/profil/person/degen/
7
Walther Müller-Jentsch ♦ Universität Bochum
Macht als Ressource von Organisationen – Zur Konstitution und
Verteidigung kollektiver Arbeitsbeziehungen (22.05.07)
Aufgezeigt werden soll, dass die Institutionen der industriellen
Beziehungen (Tarifautonomie, Mitbestimmung) durch die Entfaltung
organisationaler Macht von Arbeiterorganisationen ins Leben gerufen
und am Leben erhalten werden. Die durch die wirtschaftliche
Liberalisierung im frühen Kapitalismus verursachten sozialen Probleme
hatten Organisationsbildungen von Gewerkschaften zur Folge. Diese
stützten sich auf primäre (d.h. Arbeitsplatz- bzw. Arbeitsmarkt-)Macht
vorwiegend qualifizierter Arbeitnehmerschichten, die durch sekundäre
Organisationsmacht gesteigert zur Geltung gebracht werden konnte. Die
Machtentfaltung
gewerkschaftlicher
Organisationen
provoziert
Reaktionen auf Seiten des Staates und der organisierten Arbeitgeber. Mit
Gewerkschaften, die weder zurückgedrängt noch ignoriert werden
können, muss man verhandeln und sich arrangieren. Im fordistischen
Kapitalismus haben Staat und Kapital die Gewerkschaften mit
institutionellen Zugeständnissen und Strategien zur Befriedung
gesellschaftlich integriert und für ihre Zwecke zu funktionalisieren
versucht. Wenn sie heute, geschwächt durch die säkulare Transformation
der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, im gegenwärtigen
Finanzmarkt-Kapitalismus nicht mehr benötigt werden, können sie nur
durch
erneute
Machtentfaltung
und
Mobilisierung
neuer
Arbeitnehmergruppen ihre Existenz und den Fortbestand der von ihnen
geschaffenen kollektiven Sicherungssysteme verteidigen.
Biografische Angaben
Prof. em. Dr. rer. pol. Walther Müller-Jentsch, Diplom-Soziologe, geb.
1935. Studium der Soziologie, Politikwissenschaft und Nationalökonomie in Frankfurt am Main und der Industrial Relations an der London
School of Economics, 1963–1969. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main, 1969–1981. Professor
für Sozialwissenschaften an der Universität Paderborn, 1982–1992.
Gastprofessor an der University of Warwick (Grossbritannien), 1990.
Professor für Soziologie (LS Mitbestimmung und Organisation) an der
Ruhr-Universität Bochum, 1992–2001. Publikationen: Müller-Jentsch,
Walther (1999). Konfliktpartnerschaft. Akteure und Institutionen der industriellen
8
Beziehungen. München: Hampp. Müller-Jentsch, Walther (2003).
Organisationssoziologie. Eine Einführung. Frankfurt a. M.: Campus Verlag.
9
Barbara Kavemann ♦ Katholische Hochschule für
Sozialwesen Berlin
Gewalt in Paarbeziehungen – neue Forschung bringt neue Herausforderungen
(29.05.07)
Der Vortrag will einen Überblick bieten über neue Forschungsergebnisse
zur Dimension häuslicher Gewalt. Dabei stehen Erkenntnisse zur Geschlechtsspezifik und zu unterschiedlichen Gewaltformen im Vordergrund. Ein weiterer Schwerpunkt ist die aktuelle Entwicklung in der
schützenden und unterstützenden Intervention, die ihren Anfang vor
zehn Jahren mit der Lancierung von Interventionsprojekten nahm und
zu deren Meilensteinen die Gewaltschutzgesetze und die polizeiliche
Wegweisung gehören. Es soll diskutiert werden, welche Konsequenzen
aus der bisherigen Entwicklung zu ziehen sind, wo Erfolge gesehen
werden bzw. wo Schwachstellen und weitergehender Veränderungsbedarf zu erkennen sind, welche ungewollten Nebenwirkungen auftreten
und welche Anforderungen zukünftig auf die Intervention und Unterstützung bei Gewalt in Paarbeziehungen zukommen.
Biografische Angaben
Prof. Dr. Barbara Kavemann, geb. 1949, Diplom-Soziologin, Berlin, Honorarprofessorin an der Katholischen Hochschule für Soziale Arbeit
Berlin. Seit 1978 Forschung und Fortbildungsarbeit zu Gewalt im
Geschlechterverhältnis und sexualisierter Gewalt gegen Mädchen und
Jungen. 1998 bis 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität
Osnabrück in der wissenschaftlichen Begleitung der Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt im Auftrag des BMFSFJ. 2004 bis
2005 Mitarbeit in der Evaluation des deutschen Prostitutionsgesetzes.
Zurzeit Evaluation von Modellprojekten für Kinder bei häuslicher
Gewalt sowie Evaluation von Maßnahmen gegen Zwangsprostitution.
Sozialwissenschaften. Information und Veröffentlichungen unter www.wibig.uni-osnabrueck.de.
10
Johan Galtung ♦ Transcend Peace University
Alpha/beta deep structure and four types of structural violence (05.06.07)
Is the deep structure in our mind, working its way into reality through
speech and action; is it "out there" working its way into us through observation; or is that a chicken-egg problem? Let us cut that knot by simply assuming that there are two deep, even primordial structures, both
written in the language of geometry: the pyramid and the circle. Like decision-making from above, and from togetherness. Two structural archetypes have been identified, the pyramid or alpha structure, and the wheel
or beta structure. Alpha is vertical and can connect large numbers of
elements interacting; beta is horizontal. In social systems the actors are
human beings; in world systems states or nations. The alpha pyramid organizes humans hierarchically in large organizations, bureaucracies, corporations, and the beta wheel horizontally in kinship, friendship and
neighborhood groups. Alpha and beta can be combined in four ways,
also indicative of four very different types of structural violence: hierarchy, polyarchy, anarchy, and equiarchy.
Biografische Angaben
Prof. Dr. Johan Galtung, geb. 1930 in Oslo, ist einer der Gründungsväter
der Friedens- und Konfliktforschung. 1959 rief er das Internationale
Friedensforschungsinstitut PRIO in Oslo ins Leben, das erste seiner Art
in Europa. Im Jahre 1987 erhielt er den Alternativen Nobelpreis, 1993
den Gandhi-Preis. In über 40 Konflikten weltweit wirkte er als
Vermittler, so in Sri Lanka, in Afghanistan, im Nordkaukasus und in
Ecuador. Er prägte auch die Begriffe «strukturelle Gewalt» und «positiver
Frieden». Zudem ist er Beiratsmitglied des 2004 gegründeten Komitees
für eine demokratische UNO und verfügt inzwischen über acht
Ehrendoktortitel und vier Ehrenprofessuren. Zurzeit ist er Professor der
Friedenswissenschaften und Direktor von Transcend, einem Friedensund Entwicklungs-Netzwerk (www.transcend.org).
11
Gerhard Ebner ♦ Psychiatriezentrum Breitenau,
Schaffhausen
Allmacht, Machtmissbrauch, Ohnmacht, Gewaltfreiheit in der Psychiatrie
(12.06.07)
Zu Beginn meiner medizinischen Karriere war es üblich, Kranken
infauste Prognosen nicht mitzuteilen, der Arzt war Geheimnisträger und
-herr. Später hatten Kranke auf der Akutabteilung, die in der Regel in
Handschellen gebracht wurden, einzig die Wahl, ein Medikament
„freiwillig“ oral einzunehmen, da es ihnen ansonsten gegen ihren Willen
gespritzt werden würde. Der Arzt war Herr über den Willen des
Kranken. Psychisch Kranke wurden – und werden immer noch –
ausgegrenzt, sie wurden mit fragwürdigen „Behandlungs“methoden geschädigt und hatten sich den Anstaltsregeln unterzuordnen. Gleichzeitig
gab es aber bereits vor über 100 Jahren Ansätze, die Kranken aus ihren
Ketten zu befreien und sie als Mitmenschen und Mitbürger so frei als
möglich leben zu lassen.
Möglichkeiten zum assistierten Suizid, auch bei psychisch Kranken,
Patientinnen und Patienten, die die Klinik unbehandelt wieder verlassen,
aber auch eine boomende Forensik lassen die Frage aufkommen, ob wir
uns von der Gefahr der Freiheitsberaubung hin zur Vernachlässigung der
Kranken bewegen. Das Referat soll den historischen Kontext und die
Gratwanderung zwischen Machtausübung und „Empowerment“ aufzeigen und ein Konzept für eine neuzeitliche, personenzentrierte Psychiatrie entwickeln. Folgende Fragen werden u.a. angesprochen: Kommt
die Psychiatrie ohne Macht und Gewalt aus? Können auch Kranke und
Angehörige Macht ausüben und missbrauchen? Was sind sinnvolle
Strategien im Sinne des «Empowerments» Welche Rahmenbedingungen
braucht es hierzu?
Biografische Angaben
Dr. med. Gerhard Ebner, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychoanalytiker und Absolvent des Nachdiplomstudiums "Management
im Gesundheitswesen" in Bern. Seit 1995 Chefarzt des
Psychiatriezentrums Breitenau, seit 2003 Vorsitzender der
Geschäftsleitung resp. CEO.
Seit 2000 Präsident der Schweizerischen Vereinigung Psychiatrischer
Chefärzte. Ab 01.07.2007 Direktor der Universitären Psychiatrischen
Kliniken Basel.
12
13
MACHT – HERRSCHAFT – GEWALT
Mit Phänomenen der Macht, der Herrschaft und Gewalt sind wir
täglich konfrontiert, in der Familie, im Umgang im
Freundeskreis, mit Bekannten, Behörden, Unternehmen und am
Arbeitsplatz. Sich mit Beziehungen im Wirtschaftsleben, im
privaten, im intermediären (Institutionen, Organisationen) und
im öffentlichen Bereich zu befassen, bedeutet also immer auch,
sich mit Aspekten der Macht zu beschäftigten. Dabei gibt es
unterschiedliche Ausformungen von Macht zu beachten: Von
der subtilen, unsichtbaren in Sozialstrukturen verankerten Macht,
zur legitimen Macht (Herrschaft) bis hin zur Gewaltanwendung
von identifizierbaren Akteuren.
Die Vortragsreihe ist öffentlich. Die Einführungsveranstaltung
(13.03.2007) dient der Organisation der Teilnahme der
Studierenden und der Arbeiten, die die Referate begleiten.
Departement Sozialarbeit und Sozialpolitik
http://www.unifr.ch/travsoc/d/
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