VORTRAGSREIHE 2007 MACHT, HERRSCHAFT UND GEWALT ORGANISIERT VOM Lehrstuhl Sozialarbeit und Sozialpolitik Deutschsprachiger Lehrstuhl Universität Freiburg Rte de Bonnesfontaines 11 CH–1700 Fribourg http://www.unifr.ch/travsoc/d/ ZEIT UND ORT: Dienstag: 17:15 – 18:45 Uhr Miséricorde Auditorium B Avenue de l’Europe 20 CH–1700 Fribourg TITELBILD: http://www.muetterberatung.ch/SVM/mf_SVM/mf_dienstleitungen.htm VORTRAGSREIHE MACHT, HERRSCHAFT UND GEWALT Sommersemester 2007 Prof. Monica Budowski Prof. Michael Nollert VORTRAGSREIHE MACHT, HERRSCHAFT UND GEWALT ÜBERBLICK UND ORGANISATION 13.3.07 Monica Budowski und Michael Nollert BLOCK 1: MACHTKONZEPTE 20.03.07 Peter Imbusch (Universität Marburg) Macht, Herrschaft und die Frage der Gewalt 27.03.07 Silvia Staub-Bernasconi (Technische Universität Berlin, Universität Fribourg) Macht in der Sozialen Arbeit 17.04.07 Susanne Krasmann (Universität Hamburg) Gouvernementalität: Epistemologie, Macht und Subjektivierung BLOCK 2: MACHT IN WIRTSCHAFT, POLITIK, RECHT UND KULTUR 24.04.07 Hans-Jürgen Krysmanski (Universität Münster) Geldmacht - Strukturen und Akteure des Reichtums in Europa 01.05.07 Marcel Niggli (Universität Fribourg) Macht und Recht 08.05.07 Heinz Bonfadelli (Universität Zürich) Agenda-Setting und Framing in den Massenmedien 15.05.07 Bernard Degen (Universität Basel) Kollektive Arbeitskonflikte in der Schweiz BLOCK 3: FELDER DER MACHT- UND GEWALTAUSÜBUNG 22.05.07 Walther Müller-Jentsch (Universität Bochum) Macht als Ressource von Organisationen – Zur Konstitution und Verteidigung kollektiver Arbeitsbeziehungen 29.05.07 Barbara Kavemann (Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin) Gewalt in Paarbeziehungen Neue Forschung bringt neue Herausforderungen 05.06.07 Johan Galtung (Transcend Peace University) Alpha/beta deep structure and four types of structural violence 12.06.07 Gerhard Ebner (Psychiatriezentrum Breitenau, Schaffhausen) Allmacht, Machtmissbrauch, Ohnmacht, Gewaltfreiheit in der Psychiatrie Peter Imbusch ♦ Universität Marburg Macht, Herrschaft und die Frage der Gewalt (20.03.07) Macht und Herrschaft sind ubiquitäre Phänomene menschlicher Gesellschaften. Spätestens seit Max Webers klassischen Definitionen zählen sie auch zu den Grund- und Hauptbegriffen der Soziologie. Gleichwohl sind sie hochgradig kontrovers geblieben. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel man die Phänomene betrachtet, präsentiert sich die soziale Welt in einem anderen Licht: Am einen Ende des Spektrums finden sich macht- und herrschaftskritische Positionen, die Macht dämonisieren und Herrschaft verteufeln; am anderen Ende stehen jene Positionen, die Macht als allgemeines Medium des Handelns und Herrschaft als ordnungsbegründend begreifen. Was in dem einen Fall überdramatisiert wird, kommt im anderen allzu harmlos daher. Dies wird schnell deutlich, wenn man beide Konzepte etwa mit der Gewalt in Beziehung setzt. Ausgehend von den kontroversen Debatten um Macht und Herrschaft soll deren spezifische Deutung an unterschiedliche Traditionen der Soziologie rückgebunden werden und sodann der politische Bedeutungsgehalt von Macht und Herrschaft am Thema der Gewalt exemplifiziert werden. Dabei werden sowohl die blinden Flecken der Diskussion wie auch die grundlegende Zweideutigkeit der Konzepte erkennbar. Biografische Angaben PD Dr. Peter Imbusch, geb. 1960, studierte Soziologie, Politikwissenschaft, Sozialund Wirtschaftsgeschichte und Volkswirtschaft; Promotion zum Thema «Sozialstrukturanalyse Lateinamerikas» (1990), Habilitation über «Moderne und Gewalt» (2001); Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Politische Soziologie, Sozialstrukturanalyse, Konflikt- und Gewaltforschung, Soziologische Theorie, Entwicklungssoziologie; 2001–2005 wissenschaftlicher Koordinator des Forschungsverbundes «Desintegrationsprozesse» an der Universität Bielefeld; 2003–2006 Vertretungsprofessur für Konfliktforschung am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg. E-Mail: [email protected]. 1 Silvia Staub-Bernasconi ♦ Technische Universität Berlin, Universität Fribourg Macht in der Sozialen Arbeit (27.03.07) „Empowerment“ ist zum Zauberwort geworden – es gab deren schon viele, z.B. Partizipation, Vernetzung, Sozialraumorientierung, die sich gegenseitig ablösten –, das alle handlungstheoretisch/methodischen Probleme der Sozialen Arbeit zu lösen vorgibt. Wenn ein Begriff in aller Munde ist, so ist seine Verwässerung bis zur Unkenntlichkeit vorprogrammiert. Verwässert wird er, wenn man „Empowerment“ auf „Befähigung“ reduziert; verfälscht wird er, wenn man, wie in Texten der Betriebswirtschaftslehre, liest, dass „Empowerment“ die Delegation von Verantwortung, genauer: von Pflichten an die Mitarbeiter bedeutet, damit das Management freie Hand für Entscheidungen erhält. Der Vortrag soll als Erstes aufzeigen, welches die sozialen Probleme sind, die „Empowerment“ notwendig machen – nämlich Probleme von menschenfeindlichen und mithin illegitimen gesellschaftlichen Machtstrukturen. In einem zweiten Teil soll auf das Tripelmandat der Profession Sozialer Arbeit und die wissenschaftliche wie berufsethische Begründung für den wirksamen Einsatz von „Empowerment“ im Hinblick auf die Soziale Arbeit mit Individuen/Familien, Gemeinwesen und sozialen Bewegungen eingegangen werden. Zentral für die Analyse von Macht als Ungleichheitsordnungen ist die Unterscheidung zwischen „begrenzenden“ und „behindernden“ Machstrukturen, deren kulturelle Legitimation sowie die Formen unwirksamen und wirksamen Protestes. Biografische Angaben Prof. Dr. habil. Silvia Staub-Bernasconi, geb. 1936 in Zürich, Studium der Sozialen Arbeit in Zürich und USA, Studium der Soziologie, Sozialpsychologie, Pädagogik und Sozialethik an der Universität Zürich; Dozentin für Soziale Arbeit und Menschenrechte an der Hochschule für Soziale Arbeit Zürich (1967-1997), der Technischen Universität Berlin (1997-2003); Vizepräsidium der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit. Arbeitsschwerpunkte: Soziale Probleme und Theorien Sozialer Arbeit, Soziale Arbeit als systemtheoretisch begründete Handlungswissenschaft, Ökonomisierung und Soziale Arbeit, Menschenrechtsbildung und –praxis; Armut, Genderfrage und Migration in der Sozialen Arbeit; interkulturelle Konflikte und Gewalt; Internationalisierung Sozialer Arbeit. 2 Susanne Krasmann ♦ Universität Hamburg Gouvernementalität: Epistemologie, Macht und Subjektivierung (17.04.07) In seinen späten Vorlesungen am Collège de France entfaltet Foucault eine neue Analytik der Macht, in deren Mittelpunkt er den Begriff der Regierung stellt. Im Verhältnis zu gängigen soziologischen Ansätzen überwindet dieses Konzept die dichotome Perspektive auf gesellschaftliche Makro- oder Mikroprozesse, auf übergeordnete, sedimentierte Herrschaftsverhältnisse hier und bloss ephemere Formen der Machtausübung oder sozialer Interaktionen dort. Dabei ist der Begriff der Regierung in einem weiten Sinne zu verstehen, er meint nicht nur das politische Handeln von «Regierungen», sondern vielmehr jegliche Form einer planvollen Steuerung menschlichen Handelns. Die Kunst des Regierens, der Führung anderer wie auch von sich selbst, beruht ganz elementar auf Formen des Wissens, auf einer Rationalisierung der bestmöglichen Weise der Machtausübung. Der Begriff der Gouvernementalität ist für diese Analyse von Rationalitäten und Technologien des Regierens Programm. Ausgelotet werden soll der sozialwissenschaftliche Nutzen dieser Perspektive für die Analyse zeitgenössischer Formen der Machtausübung, der Subjektkonstituierung und der Transformation von Staatlichkeit. Biografische Angaben Privatdozentin, Dr. phil. (Soziologie). Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kriminologische Sozialforschung der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: «Gouvernementalität der Gegenwart»; transnationale Sicherheitspolitik, Transformation von Staatlichkeit und Gewalt. Publikationen: Bröckling, Ulrich, Susanne Krasmann und Thomas Lemke (2000). Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt a/M.: Suhrkamp. 3 Hans-Jürgen Krysmanski ♦ Universität Münster Geldmacht – Strukturen und Akteure des Reichtums in Europa (24.04.07) Reichtum und Geldmacht haben unter herrschaftstheoretischen Gesichtspunkten eine neue historische Stufe erreicht. Die Postulierung einer globalen „herrschenden Klasse“ mag verfrüht sein, aber die Frage nach einem neuen Souverän drängt sich immer mehr auf. Die Akteure und Profiteure des gegenwärtigen Globalisierungsprozesses können als ein komplexes Netzwerk teils kooperierender, teils konkurrierender Eliten begriffen werden. Im Zentrum dieses „Geldmachtapparats“ haben sich verschiedene, per se höchst interessante Gruppen heimisch gemacht: teils in Gestalt eines über Generationen vererbten Reichtums, teils in Gestalt alten oder neuen europäischen Adels, teils in Gestalt eines mithilfe technischer, finanzpolitischer oder marketingmässiger Innovationen zusammengerafften Neureichtums, teils in Gestalt eines durch korrupte Privatisierungspraktiken erzeugten Oligarchentums, teils in Gestalt von Mafia-Milliardären. Diese „Geldelite“ wird unterstützt von „Funktionseliten“: Spitzenmanagern, politischen Oligarchien, Technokraten usw. Eine neue Oberschicht mit eigenen Macht- und Herrschaftsperspektiven entsteht, deren vereinheitlichendes Vorbild die US-amerikanische Plutokratie sein dürfte. Biografische Angaben Prof. em. Dr. Hans-Jürgen Krysmanski, geb. 1935, ist emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Münster; zahlreiche Publikationen, u.a. Hirten & Wölfe. Wie Geld- und Machteliten sich die Welt aneignen (2004); u.a. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von Attac und der World Association for Political Economy. Homepage: http://www.hjkrysmanski.de. 4 Marcel Niggli ♦ Universität Fribourg Macht und Recht (01.05.07) Die Gegenüberstellung von Recht und Macht ist so häufig und allgegenwärtig, dass die Belege dafür Legion sind. Im Allgemeinen wird dabei nicht ein neutrales Gegensatzpaar angesprochen, sondern eine ganz ungleiche Paarung. Während Recht visualisiert wird als ein kleines, schwächliches und unsicheres Bübchen, das nicht viel mehr als die moralische Legitimation und das eigene reine Gewissen ins Feld zu führen hat, wird dessen Gegner(in) gesehen als eine dicke, feisse Made, die mit einhundert Händen zugreift, wo es ihr gefällt, und mit eintausend Köpfen, die ihr – einer Hydra nicht unähnlich – gleich nachwachsen, sobald man einen von ihnen endlich abzuschlagen vermag. Aber trifft diese Gegenüberstellung tatsächlich zu? Der Vortrag versucht das Verhältnis von Recht und Macht auszuloten. Biografische Angaben Prof. Dr. Marcel Alexander Niggli, geb. 1960 in Zug, Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Zürich, 1992 Promotion, 1998 Habilitation für Strafrecht, Kriminologie und Rechtsphilosophie an der Universität Zürich, seit 1999 Ordinarius für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie und seit 2001 Ordinarius für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Freiburg. Er ist u.a. Koherausgeber von Basler Kommentar StGB (Strafgesetzbuch) (2002, Reihe Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2 Bde., Basel: Helbing & Lichtenhahn) sowie Herausgeber von Strafrecht – Sämtliche Erlasse des Bundes zu Kompetenzen, Organisation, Prozess, Vollzug, Rechtshilfe sowie das gesamte Nebenstrafrecht, mit Anmerkungen versehen (2006, 2. Auflage, Zürich: Orell Füssli). 5 Heinz Bonfadelli ♦ Universität Zürich Agenda-Setting und Framing in den Massenmedien (08.05.07) Die Medienwirkungsforschung hat die Frage nach der Macht der Medien lange Zeit nur als Beeinflussung von Meinungen und Verhaltensweisen untersucht. Der klassische Forschungsbefund dazu lautete: Medien tendieren dazu, bestehenden Meinungen und Verhaltensweisen zu bestätigen und zu verstärken; Meinungsänderung ist eher die Ausnahme. Dieser Befund wurde als Medienohnmacht interpretiert. Erst ab den 1970er-Jahren wurde die Frage nach der Medienmacht neu und breiter definiert: Die gesellschaftliche Funktion der Medien besteht nicht so sehr darin, dass sie den Menschen vorschreiben, wie sie zu denken haben, sondern worüber nachgedacht wird. Damit rückte das Phänomen ins Zentrum, dass die Medien durch den Fokus ihrer Berichterstattung auf gewisse Ereignisse diese in der Öffentlichkeit als dringlich herausstellen können. Diese Agenda-Setting-Funktion wird ergänzt durch die Art und Weise, wie Medien über ein Thema berichten. Medien-Framing meint, dass Ereignisse immer aus einer bestimmten Perspektive beleuchtet werden und so eine ganz spezifische Sicht der Realität erzeugt wird. Biografische Angaben Prof. Dr. Heinz Bonfadelli, geb. 1949, ist ord. Professor für Publizistikwissenschaft am IPMZ (Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich). Er beschäftigt sich in seiner Forschung und seinen Veröffentlichungen mit Fragen nach der Nutzung und den Wirkungen von Medien, mit öffentlichen Informationskampagnen, mit der Risikokommunikation und mit Wissensklüften im Zusammenhang mit dem Internet. Publikationen: Bonfadelli, Heinz (2004). Wirkungsforschung. Bd. 1: Grundlagen und theoretische Perspektiven; Bd. 2: Anwendungen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Konstanz: UVK Verlag. 6 Bernard Degen ♦ Universität Basel Kollektive Arbeitskonflikte in der Schweiz (15.05.07) Seit Mitte der 1990er-Jahre kommt es auch in der Schweiz wieder öfters zu Streiks. Zuvor galt das Land während fast eines halben Jahrhunderts als paradigmatischer Fall des sozialen Friedens. Nicht dass es in dieser Zeit keine Verteilungskonflikte gab; sie führten aber höchst selten zu Streiks oder Aussperrungen. Der Vortrag stellt einige Grundzüge sowohl der konfliktintensiven als auch der konfliktarmen Perioden vor. Dabei steht der Wandel in den Beziehungen zwischen den Hauptakteuren – den Gewerkschaften auf der einen und den Unternehmern und ihren Organisationen auf der andern Seite – im Zentrum der Betrachtungen. Es wird gezeigt, unter welchen Umständen sie eher kooperierten und unter welchen es zu kollektiven Konflikten kam. Die Frage, auf welcher Ebene die Arbeitsbedingungen geregelt werden sollten – auf vertraglicher oder auf gesetzlicher –, führte ebenfalls immer wieder zu Differenzen nicht nur zwischen den beiden Arbeitsmarktparteien, sondern auch innerhalb der Gewerkschaften. Biografische Angaben Dr. Bernard Degen, geb. 1952, Historiker, arbeitet am Historischen Seminar der Universität Basel am Projekt «Quellen zur Sozialpolitik in der modernen Schweiz». Zudem betreut er als wissenschaftlicher Berater beim Historischen Lexikon der Schweiz (HLS) die Bereiche Wirtschaftsund Sozialgeschichte (19./20. Jh.), Arbeiterbewegung und Kantonsgeschichte Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Er veröffentlichte mehrere Monographien und zahlreiche Aufsätze zur Schweizer Geschichte, vor allem zur Gewerkschaftsbewegung und zur Sozialpolitik. Publikationen: Boillat, Valérie, Bernard Degen, Elisabeth Joris, Stefan Keller, Albert Tanner und Rolf Zimmermann (2006). Vom Wert der Arbeit. Schweizer Gewerkschaften – Geschichte und Geschichten. Zürich: Rotpunktverlag. http://histsem.unibas.ch/seminar/personen/person-details/profil/person/degen/ 7 Walther Müller-Jentsch ♦ Universität Bochum Macht als Ressource von Organisationen – Zur Konstitution und Verteidigung kollektiver Arbeitsbeziehungen (22.05.07) Aufgezeigt werden soll, dass die Institutionen der industriellen Beziehungen (Tarifautonomie, Mitbestimmung) durch die Entfaltung organisationaler Macht von Arbeiterorganisationen ins Leben gerufen und am Leben erhalten werden. Die durch die wirtschaftliche Liberalisierung im frühen Kapitalismus verursachten sozialen Probleme hatten Organisationsbildungen von Gewerkschaften zur Folge. Diese stützten sich auf primäre (d.h. Arbeitsplatz- bzw. Arbeitsmarkt-)Macht vorwiegend qualifizierter Arbeitnehmerschichten, die durch sekundäre Organisationsmacht gesteigert zur Geltung gebracht werden konnte. Die Machtentfaltung gewerkschaftlicher Organisationen provoziert Reaktionen auf Seiten des Staates und der organisierten Arbeitgeber. Mit Gewerkschaften, die weder zurückgedrängt noch ignoriert werden können, muss man verhandeln und sich arrangieren. Im fordistischen Kapitalismus haben Staat und Kapital die Gewerkschaften mit institutionellen Zugeständnissen und Strategien zur Befriedung gesellschaftlich integriert und für ihre Zwecke zu funktionalisieren versucht. Wenn sie heute, geschwächt durch die säkulare Transformation der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, im gegenwärtigen Finanzmarkt-Kapitalismus nicht mehr benötigt werden, können sie nur durch erneute Machtentfaltung und Mobilisierung neuer Arbeitnehmergruppen ihre Existenz und den Fortbestand der von ihnen geschaffenen kollektiven Sicherungssysteme verteidigen. Biografische Angaben Prof. em. Dr. rer. pol. Walther Müller-Jentsch, Diplom-Soziologe, geb. 1935. Studium der Soziologie, Politikwissenschaft und Nationalökonomie in Frankfurt am Main und der Industrial Relations an der London School of Economics, 1963–1969. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main, 1969–1981. Professor für Sozialwissenschaften an der Universität Paderborn, 1982–1992. Gastprofessor an der University of Warwick (Grossbritannien), 1990. Professor für Soziologie (LS Mitbestimmung und Organisation) an der Ruhr-Universität Bochum, 1992–2001. Publikationen: Müller-Jentsch, Walther (1999). Konfliktpartnerschaft. Akteure und Institutionen der industriellen 8 Beziehungen. München: Hampp. Müller-Jentsch, Walther (2003). Organisationssoziologie. Eine Einführung. Frankfurt a. M.: Campus Verlag. 9 Barbara Kavemann ♦ Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin Gewalt in Paarbeziehungen – neue Forschung bringt neue Herausforderungen (29.05.07) Der Vortrag will einen Überblick bieten über neue Forschungsergebnisse zur Dimension häuslicher Gewalt. Dabei stehen Erkenntnisse zur Geschlechtsspezifik und zu unterschiedlichen Gewaltformen im Vordergrund. Ein weiterer Schwerpunkt ist die aktuelle Entwicklung in der schützenden und unterstützenden Intervention, die ihren Anfang vor zehn Jahren mit der Lancierung von Interventionsprojekten nahm und zu deren Meilensteinen die Gewaltschutzgesetze und die polizeiliche Wegweisung gehören. Es soll diskutiert werden, welche Konsequenzen aus der bisherigen Entwicklung zu ziehen sind, wo Erfolge gesehen werden bzw. wo Schwachstellen und weitergehender Veränderungsbedarf zu erkennen sind, welche ungewollten Nebenwirkungen auftreten und welche Anforderungen zukünftig auf die Intervention und Unterstützung bei Gewalt in Paarbeziehungen zukommen. Biografische Angaben Prof. Dr. Barbara Kavemann, geb. 1949, Diplom-Soziologin, Berlin, Honorarprofessorin an der Katholischen Hochschule für Soziale Arbeit Berlin. Seit 1978 Forschung und Fortbildungsarbeit zu Gewalt im Geschlechterverhältnis und sexualisierter Gewalt gegen Mädchen und Jungen. 1998 bis 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Osnabrück in der wissenschaftlichen Begleitung der Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt im Auftrag des BMFSFJ. 2004 bis 2005 Mitarbeit in der Evaluation des deutschen Prostitutionsgesetzes. Zurzeit Evaluation von Modellprojekten für Kinder bei häuslicher Gewalt sowie Evaluation von Maßnahmen gegen Zwangsprostitution. Sozialwissenschaften. Information und Veröffentlichungen unter www.wibig.uni-osnabrueck.de. 10 Johan Galtung ♦ Transcend Peace University Alpha/beta deep structure and four types of structural violence (05.06.07) Is the deep structure in our mind, working its way into reality through speech and action; is it "out there" working its way into us through observation; or is that a chicken-egg problem? Let us cut that knot by simply assuming that there are two deep, even primordial structures, both written in the language of geometry: the pyramid and the circle. Like decision-making from above, and from togetherness. Two structural archetypes have been identified, the pyramid or alpha structure, and the wheel or beta structure. Alpha is vertical and can connect large numbers of elements interacting; beta is horizontal. In social systems the actors are human beings; in world systems states or nations. The alpha pyramid organizes humans hierarchically in large organizations, bureaucracies, corporations, and the beta wheel horizontally in kinship, friendship and neighborhood groups. Alpha and beta can be combined in four ways, also indicative of four very different types of structural violence: hierarchy, polyarchy, anarchy, and equiarchy. Biografische Angaben Prof. Dr. Johan Galtung, geb. 1930 in Oslo, ist einer der Gründungsväter der Friedens- und Konfliktforschung. 1959 rief er das Internationale Friedensforschungsinstitut PRIO in Oslo ins Leben, das erste seiner Art in Europa. Im Jahre 1987 erhielt er den Alternativen Nobelpreis, 1993 den Gandhi-Preis. In über 40 Konflikten weltweit wirkte er als Vermittler, so in Sri Lanka, in Afghanistan, im Nordkaukasus und in Ecuador. Er prägte auch die Begriffe «strukturelle Gewalt» und «positiver Frieden». Zudem ist er Beiratsmitglied des 2004 gegründeten Komitees für eine demokratische UNO und verfügt inzwischen über acht Ehrendoktortitel und vier Ehrenprofessuren. Zurzeit ist er Professor der Friedenswissenschaften und Direktor von Transcend, einem Friedensund Entwicklungs-Netzwerk (www.transcend.org). 11 Gerhard Ebner ♦ Psychiatriezentrum Breitenau, Schaffhausen Allmacht, Machtmissbrauch, Ohnmacht, Gewaltfreiheit in der Psychiatrie (12.06.07) Zu Beginn meiner medizinischen Karriere war es üblich, Kranken infauste Prognosen nicht mitzuteilen, der Arzt war Geheimnisträger und -herr. Später hatten Kranke auf der Akutabteilung, die in der Regel in Handschellen gebracht wurden, einzig die Wahl, ein Medikament „freiwillig“ oral einzunehmen, da es ihnen ansonsten gegen ihren Willen gespritzt werden würde. Der Arzt war Herr über den Willen des Kranken. Psychisch Kranke wurden – und werden immer noch – ausgegrenzt, sie wurden mit fragwürdigen „Behandlungs“methoden geschädigt und hatten sich den Anstaltsregeln unterzuordnen. Gleichzeitig gab es aber bereits vor über 100 Jahren Ansätze, die Kranken aus ihren Ketten zu befreien und sie als Mitmenschen und Mitbürger so frei als möglich leben zu lassen. Möglichkeiten zum assistierten Suizid, auch bei psychisch Kranken, Patientinnen und Patienten, die die Klinik unbehandelt wieder verlassen, aber auch eine boomende Forensik lassen die Frage aufkommen, ob wir uns von der Gefahr der Freiheitsberaubung hin zur Vernachlässigung der Kranken bewegen. Das Referat soll den historischen Kontext und die Gratwanderung zwischen Machtausübung und „Empowerment“ aufzeigen und ein Konzept für eine neuzeitliche, personenzentrierte Psychiatrie entwickeln. Folgende Fragen werden u.a. angesprochen: Kommt die Psychiatrie ohne Macht und Gewalt aus? Können auch Kranke und Angehörige Macht ausüben und missbrauchen? Was sind sinnvolle Strategien im Sinne des «Empowerments» Welche Rahmenbedingungen braucht es hierzu? Biografische Angaben Dr. med. Gerhard Ebner, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychoanalytiker und Absolvent des Nachdiplomstudiums "Management im Gesundheitswesen" in Bern. Seit 1995 Chefarzt des Psychiatriezentrums Breitenau, seit 2003 Vorsitzender der Geschäftsleitung resp. CEO. Seit 2000 Präsident der Schweizerischen Vereinigung Psychiatrischer Chefärzte. Ab 01.07.2007 Direktor der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. 12 13 MACHT – HERRSCHAFT – GEWALT Mit Phänomenen der Macht, der Herrschaft und Gewalt sind wir täglich konfrontiert, in der Familie, im Umgang im Freundeskreis, mit Bekannten, Behörden, Unternehmen und am Arbeitsplatz. Sich mit Beziehungen im Wirtschaftsleben, im privaten, im intermediären (Institutionen, Organisationen) und im öffentlichen Bereich zu befassen, bedeutet also immer auch, sich mit Aspekten der Macht zu beschäftigten. Dabei gibt es unterschiedliche Ausformungen von Macht zu beachten: Von der subtilen, unsichtbaren in Sozialstrukturen verankerten Macht, zur legitimen Macht (Herrschaft) bis hin zur Gewaltanwendung von identifizierbaren Akteuren. Die Vortragsreihe ist öffentlich. Die Einführungsveranstaltung (13.03.2007) dient der Organisation der Teilnahme der Studierenden und der Arbeiten, die die Referate begleiten. Departement Sozialarbeit und Sozialpolitik http://www.unifr.ch/travsoc/d/