Vermeidung des Schlaganfalls: Caroti – Moderne Diagnostik und Therapie Wenn sich die Halsschlagadern durch Kalkablagerungen in den Gefäßen verengen, lautet die Diagnose häufig: Carotisstenose. Die Zahl der Betroffenen in Deutschland steigt jedes Jahr. Mehr als 200.000 Menschen erleiden einen Schlaganfall. D er abgelagerte Kalk in den Gefäßen stört den ungehinderten und lebensnotwendigen Blutfluss in Richtung Gehirn. So wird das Gehirn schlecht durchblutet und in der Folge kann es zu einem Schlaganfall kommen. Ursache eines derartigen Verschlusses können aus dem Herzen oder aus verengten Halsschlagadern (Carotisstenose) verschleppte Blutgerinnsel sein. Beim Medizindialog im EVK-Forum in Bergisch Gladbach Mitte September beantwortete Dr. Klaus F. Bieber, Chefarzt der Klinik für offene und endovaskuläre Gefäßchirurgie am EVK Bergisch Gladbach, alle wichtigen Fragen zum Thema Carotisstenose. Die Statistik ist alarmierend: Pro Tag erleiden in Deutschland mehr als 500 Menschen einen Schlaganfall, mehr als eine Million Patienten leiden bundesweit an den Folgen eines Schlaganfalls, wie Dr. Bieber gleich zu Beginn seines Vortrags erläuterte. Das Problem hierbei: In vielen Fällen kündigen sich Schlaganfälle nur schleichend an – sie schlagen aber plötzlich zu. Die Medizin unterscheidet vier verschiedene Schlaganfall-Stadien, beginnend bei einer Gefäßverengung ohne Symptome bis hin zu einem kompletten Schlaganfall. Bei diesem wird Hirngewebe irreversibel geschädigt. 80 Prozent der Schlaganfälle sind auf eine verengte Halsschlagader zurückzuführen. Die Halsschlagader, medizinisch „Arteria carotis“ genannt, ist die Arterie, die das Gehirn mit ausreichend Blut versorgt. Definition der Carotisstenose Mit der Zeit verkalken die Gefäße des Menschen. Diese Kalkablagerungen verengen die Gefäße, me- dizinisch Arteriosklerose genannt. Diese Verengungen können für die Betroffenen lebensbedrohlich sein, wenn die Organe nicht mehr mit Blut versorgt werden. „Carotisstenose bezeichnet eine aufgrund von Verkalkungen verengte Halsschlagader“, erklärte Dr. Bieber. Die Halsschlagader sitzt hinter dem Kopfmuskel des Halses. Stockt der Blut-Zufluss der Arteria carotis zum Gehirn, ist er gar vollends unterbrochen oder lösen sich kleine Kalkpartikel von der Gefäßwand, kann es zu einer Unterversorgung des Gehirns oder einem Schlaganfall kommen. „Für Patienten ist die Carotisstenose weder leicht noch unmittelbar zu erkennen“, berichtete Dr. Bieber den zahlreichen Besuchern im EVK-Forum. Sein dringender Rat: „Bemerken Betroffene Sehstörungen oder stellen sich Schwäche- und Schwindelgefühle ein, sollte ein Arzt aufgesucht werden, um das weitere Vorgehen abzuklären.“ Bei entsprechenden Symptomen und Warnsignalen reicht eine Überweisung vom Hausarzt oder Internisten an die Gefäßchirurgie des EVK, um sich von Dr. Bieber intensiv untersuchen zu lassen. „Der Andrang im EVK-Forum war groß. Viele Besucher wollten sich über die Gefahren der Carotisstenose informieren.“ 14 StippVisite Doch wie erkranken die Gefäße? Entscheidend ist der drei-schichtige Wandaufbau eines Gefäßes mit wiederum selbstversorgenden Blutgefäßen. Wissen Patienten zudem, dass sie verdickte Gefäßwände haben, ist Vorsicht geboten und der Kontrollbesuch beim Arzt ratsam. „Und natürlich spielen neben erblichen, isstenose als Schlaganfallrisiko familiären Vorbelastungen auch Risikofaktoren wie Nikotin, Alkohol, Übergewicht und ein erhöhter Cholesterinspiegel eine entscheidende Rolle.“ Diagnose der Carotisstenose Die Gefäßchirurgie am EVK unter der Leitung Dr. Biebers verfügt über moderne Diagnose-Verfahren, um eine Carotisstenose zu identifizieren. Zunächst wird ein intensives Anamnese-Gespräch mit dem Patienten geführt, anschließend die farbcodierte Duplexsonographie angewendet. Sie ist eine der modernsten Methoden, um eine entsprechende Diagnose zu stellen. Hier werden die Gefäße und der Blutfluss innerhalb der Gefäße auf einem Ultraschallbild farblich sichtbar gemacht. Dr. Bieber: „Dadurch ist eine sehr genaue Darstellung der Engstelle möglich. Dieses Verfahren übertrifft sogar die Magnetresonanztherapie und die CT-Angiographie.“ Auf diese Weise können Veränderungen in den Gefäßen erkannt und gegebenenfalls eine OPIndikation gestellt werden. Eine weitere Methode ist die CT-Angiographie der Halsschlagader, bei der mittels computertomographischer Bilder Gefäßverengungen oder Blutungen aufgespürt werden. Die Aortographie ist eine Röntgenuntersuchung, bei der Patienten ein Kontrastmittel gespritzt wird. Auf diese Weise werden Form und Veränderungen der Gefäße hervorgehoben. Darüber hinaus wird auf die Kernspintomographie zurückgegriffen. „Dr. Bieber ist der Spezialist auf dem Gebiet der Diagnose und Behandlung von Gefäßkrankheiten.“ „Ähnlich wie bei der Aortographie auch arbeiten wir hier eng mit dem radiologischen Team des EVK zusammen“, sagte Dr. Bieber. Bei dieser Methode werden durch elektromagnetische Felder Schnittbilder erstellt, die einen tiefen Einblick auf die Struktur und Funktionstüchtigkeit der Gefäße geben. „Das ist ein schonendes Verfahren, da es nichtinvasiv arbeitet, also nicht mit einem Katheter von außen in den Körper eindringt.“ Therapie der Carotisstenose Erst wenn das Team von Dr. Bieber die Diagnose Carotisstenose gestellt hat, werden – in engem Dialog mit dem Patienten – die weiteren Schritte erörtert. Im Fokus der Therapie stehen der Verkalkungsgrad der StippVisite 15 Eine Operation an der Halsschlagader dauert in der Regel eine Stunde, kann aber auch mehr Zeit in Anspruch nehmen. „Natürlich überwachen wir während eines operativen Eingriffs permanent die Hirnleistung“, beruhigte Dr. Bieber die Besucher im EVK-Forum. Halsschlagader und der Zustand der Gefäße. „In leichten Fällen kann bereits eine medikamentöse Therapie den gewünschten Erfolg bringen“, erläuterte Dr. Bieber. „Hier greifen wir auf Medikamente wie ASS oder Plavix zurück, die den Blutfluss verbessern. Regelmäßige Kontrollen sind natürlich unabdingbar.“ In vielen Fällen aber ist der Wirkungsgrad von Medikamenten begrenzt. Da die Carotisstenose für Betroffene aber zu einer lebensbedrohlichen Situation werden kann, ist schnelles Handeln wichtig. Dr. Bieber: „Glücklicherweise werden heutzutage Operationen nicht mehr hinausgezögert.“ Bei der OP setzt der Gefäßchirurg auf unterschiedliche Vorgehensweisen, die je nach Schweregrad als Optionen zur Verfügung stehen. „Die traditionelle Methode des ‚Ausschälens‘ sieht vor, mit einem Schnitt vom Ohrläppchen des Patienten entlang des Kopfnicker-Muskels aus die Engstelle zu öffnen, die Kalkablagerung zu entfernen und das Gefäß anschließend wieder zu vernähen – entweder mit einem Stück Vene oder einem künstlichen Material.“ Stellt sich die Lage komplizierter dar, 16 StippVisite kann das Gefäß auch komplett abgeschnitten werden, wie Dr. Bieber erklärte. „Die beiden Enden werden nach außen umgestülpt, die Kalkablagerung entfernt, das Gefäß gesäubert und wieder zusammengenäht.“ Der Vorteil dieser Methode laut Dr. Bieber: „Die Fäden lösen sich nach einem halben Jahr auf.“ Bei Variante drei wird ein Stent eingesetzt. Ein Stent ist ein medizinisches Implantat, das die Gefäße offen hält und an der Engstelle erweitern soll. Allerdings beseitigt ein Stent nicht die Verkalkungen in den Gefäßen. Ein Nachteil, wie Dr. Bieber sagte. Zudem können Komplikationen auftreten. Und falls eine weitere Operation nötig sein sollte, „wird der zweite Eingriff schwerer. Diese Form hat sich nicht als Standardtherapie durchsetzen können.“ Die sogenannte Stent-Ballondilatation wird nur selten benutzt. Hier wird ein Ballonkatheter in die Carotis eingeführt. Mithilfe der Ballondilatation wird die Engstelle erweitert. Dr. Bieber: „Zusätzlich lässt sich ein Stent als Gefäßstütze einbauen. Der soll dafür sorgen, dass die Halsschlagader durchlässig bleibt.“ Diese Methode wird bei vorbestrahltem Hals oder nach zurückliegenden Operationen im Halsbereich angewendet. Mit einer erfolgreich durchgeführten Operation ist die Behandlung indes nicht abgeschlossen, die Nachsorge ist sehr wichtig, wie Dr. Bieber betonte. „Der Patient kommt regelmäßig zu uns. Wir führen Duplexkontrollen durch. Post-operativ das erste Mal nach rund sechs bis acht Wochen. Anschließend in Abständen von drei Monaten, einem halben Jahr und schließlich jährlich.“ In diesem Zusammenhang verwies Dr. Bieber zudem auf die dauerhafte Einnahme von Medikamenten. „Ohne die geht es nicht. Entweder einmal täglich 100mg ASS oder 75mg Plavix.“ Zudem ist die Minimierung von Risikofaktoren ein weiterer Baustein auf dem Weg zur Genesung: Alkohol und Nikotin reduzieren oder am besten gar nicht zu sich nehmen, Gewicht reduzieren und auf den Cholesterinspiegel und die Blutfettwerte achten. Ein Tipp von Dr. Bieber zum Abschluss seines Vortrags: „Gute Präventionsmaßnahmen sind eine abwechslungsreiche, gesunde Kost und die ausreichende Aufnahme von Flüssigkeit, um das Blut geschmeidig zu halten.“ Ihr Ansprechpartner am EVK zu diesem Thema Dr. med. Klaus F. Bieber, Chefarzt der Klinik für offene und endovaskuläre Gefäßchirurgie Telefon 02202 122 2310