Intraläsionales Beta-Interferon in Kombination mit Strahientherapie

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Intraläsionales Beta-Interferon in Kombination mit
Strahientherapie bei fortgeschrittenen Weichteilsarkomen
Ergebnisse einer Phase-Il-Studie
I.
Wildfang, M. Raub, J.H. Karstens
Strahlentherapie und spezielle Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover
Einleitung
In mehreren präklinischen Arbeiten wird
von der additiven oder sogar synergisti­
schen Wirkung der Interferone in Kombina­
tion mit ionisierenden Strahlen berichtet.
Auch wenn der genaue Mechanismus der
Wirkungsverstärkung durch Interferone
nicht abschließend erklärt werden kann,
scheinen pleiotrope Effekte eine Rolle zu
spielen. Diskutiert werden ein ZellzyklusArrest in der G2/M-Phase (5), die Inhibiti­
on der Reparaturfähigkeit sogenannter sub­
letaler und potentiell letaler Strahlenschä­
den (1,34-36) sowie Effekte auf die Onko­
gensuppression und Differenzierung (43).
Von den Interferon-spezifischen Wirkungen
spielen insbesondere die antiproliferativen
Effekte für die Strahlentherapie-verstärkende Wirkung, die antiangiogenetische
Aktivität sowie die differenzierungsinduzie­
rende Wirkung eine Rolle. Es kommt durch
die antiproliferative Wirkung zu einer Ver­
minderung der Reparaturkapazität strah­
lenbedingter Schäden, zu einem G2/M-Arrest mit einer Vermehrung der Anzahl von
Zellen in einer radiosensiblen Phase, der In­
duktion von IRF-1, elF2 und Protein-1-Kina­
se mit einer möglichen Erhöhung der Strahlentherapie-induzierten Apoptose, des wei­
teren werden TNF-Rezeptoren hochregu­
liert mit konsekutiv verstärkter Wirksamkeit
des radiogen induzierten Tumor-NekroseFaktors sowie einer Reduktion der DNA-Repair-Kapazität. Die antiangiogenetische
Wirkung basiert vor allen Dingen auf der
Herunterregulierung von bFGF-mRNA mit
einer Antagonisierung des radiogen indu­
zierten »basic fibroblast growth factor«, der
zur Reparatur strahlenbedingter Blutge­
fäßschäden vom System selbst ausge­
schüttet wird.
Der deutliche Einfluß von Interferon-ß auf
die Angiogenese konnte von Plaßwilm et al.
(39) 1996 gezeigt werden, der am extra­
embryonalen Dottersackgefäßsystem des
Hühnerembryos die Area vasculosa lokal
mit Interferon-ß behandelte und die Ände­
rung der Gefäßdichte videomikroskopisch
erfaßte. Nach Applikation von Interferon-ß
kam es im Vergleich zu unbehandelten Kontrolleiern zu einer signifikanten Abnahme
der Gefäßdichte (p < 0,005). 48 Stunden
nach Gabe des Interferon-ß zeigte sich ein
deutlicher Rückgang des mitochondrialen
Stoffwechsels. Damit konnte eindeutig die
Abnahme des Zellstoffwechsels durch ß-lnterferon nachgewiesen werden.
Die Differenzierungsinduktion durch Inter­
feron führt zu einer langfristigen Inaktivie­
rung von Tumorzellen, verstärkt in der Kom­
bination mit Retinoiden (43).
Das iatrogen applizierte Interferon trifft im
Körper des Patienten, der bestrahlt wird,
bereits auf eine aktivierte Zytokin-Kaskade,
die durch die Strahlentherapie im Patien­
ten induziert wird.
Ionisierende Strahlung kann sowohl am
Normalgewebe als auch am Tumorgewebe
selbst eine Zytokin-Kaskade auslösen, wei9
rumkonzentration von TNF-a korrelierte mit
der Ausprägung der interstitiellen Pneumo­
nitis, der Schädigung der Leber und der Nie­
renleistung.
Rübe et al. konnten bereits 1996 nachweisen, daß an verschiedenen Ewing-SarkomZell-Linien in vitro und in vivo im Xenografttransplantat der Nacktmaus eine
strahleninduzierte, zeit- und dosisabhängi­
ge Steigerung der TNF-a-Produktion so­
wohl auf Protein als auch auf mRNA-Ebene
beobachtet werden kann; dabei trat das
Maximum der Proteinexpression nach 24
bis 36 Stunden, das der mRNA-Expression
nach 6 bis 12 Stunden auf (46).
Vor allem in der Lunge werden durch Strah­
lentherapie zahlreiche Zytokine wie TGF-«,
TGF-ß, EGF, lnterleukin-1 und lnterleukin-6
sowie Tumor-Nekrose-Faktor-a freigesetzt.
terhin zugeführte Zytokine können in die­
sem Netzwerk synergistisch, supraadditiv
oder auch inhibierend wirken.
Durch eine Strahlentherapie wird die Tran­
skription von Genen für Platelet-derivedgrowth-factor (PDGF), Tumor-NekroseFaktor-a, lnterleukin-1 und TGF-ß initiiert.
Es erfolgt dadurch eine deutliche Aktivie­
rung von Makrophagen, Fibroblastenproli­
feration sowie Reaktionen an den Endo­
thelzellen mit konsekutiver weiterer Aus­
schüttung von Zytokinen wie GM-CSF, GCSF und CSF (Abbildung 1). Die Ausschüt­
tung dieser Zytokine war besonders bei Pa­
tienten nachweisbar, die eine fraktionierte
Ganzkörperbestrahlung vor Knochenmark­
transplantation erhielten. Insbesondere
wiesen diese Patienten einen deutlich er­
höhten TNF-a-Serumspiegel auf. Die Se­
io n is ie r e n d e S tr a h le n
/
Induktion und Synthese von
bzw. Aktivierung von
NFkB
fos, jun
/
API-responsible element
Transkription von Genen für
TNF-a
IL-1
IGF-1
PDGF
Fibroblastenproliferation, Fibroblastenrecruitment, Makrophagenaktivierung,
Makrophagenwanderung, Endothelzelle
___________i___________
Lokale Mediatorenfreisetzung (PDGF-ß, bFGF, GM-CSF, G-CSF, M-CSF)
i
Strahlenprotektion oder Strahlensensibilisierung
Abbildung I.
10
Diese Zytokine wirken sowohl strahlenpro­
tektiv als auch strahlensensibilisierend und
sind verantwortlich für die Strahlenreakti­
on im Bereich der Lunge, insbesondere für
die frühzeitig einsetzende Strahlenpneumonitis auch außerhalb des Strahlenfeldes
sowie die konsekutive Strahlenfibrose.
Rodemann konnte 1996 zeigen, daß TCF-ß
das Hauptzytokin darstellt, das einen früh­
zeitigen, terminalen Differenzierungspro­
zeß von Vorläufer-Fibroblasten in die post­
mitotischen Fibrozyten moduliert. Bedingt
durch diese radiogene Synthese von TGF-ß
in den Fibroblasten sowie an benachbarten
Zellsystemen, z.B. den Typ-Il-Pneumozyten, kommt es zur Induktion und Pro­
gression der radiogenen Fibrose der Lunge
durch frühzeitige terminale Differenzierung
( 4 3 ).
Die zusätzliche Verabreichung von Wachs­
tumsfaktoren bzw. von Interferonen in der
Radioonkologie kann in diesem komplizier­
ten Netzwerk sowohl zu verstärkter tumorizider Wirkung als auch zu verstärkter un­
erwünschter Wirkung am Normalgewebe
führen (36).
Der mögliche überadditive Effekt von Inter­
feron und Strahlentherapie ist daher als
eine Kombination aller Einzeleffekte zu se­
hen. Verkomplizierend kommen dabei noch
die Interferon-spezifischen Aktivitäten hin­
zu, die einerseits dosisabhängig sind, aber
auch abhängig vom Tumortyp, vom Inter­
ferontyp und damit sowohl eine individuel­
le als auch intraindividuelle Heterogenität
bewirken können.
Präklinische Studien
In präklinischen Studien wurde bereits seit
1982 über die Wirkungsverstärkung der
Strahlentherapie durch Typ-1-lnterferone
berichtet (Tabelle I). Nederman (35) zeigte
1982 bei Glioblastomzellen mit a-lnterferon einen additiven Effekt zur Wachstums­
inhibierung. Zu erwähnen sind auch die Ar­
beiten von Chang (1987) (5-7) an Nieren-
zellkarzinom-Zellen mit sowohl a-, ß- als
auch y-lnterferon, die alle eine deutliche
Verstärkung der Radiatio durch einen
G2/M-Arrest nachwiesen. Am potentesten
war hier das ß-lnterferon. In Deutschland
haben sich mehrere strahlentherapeutische
Einrichtungen mit dem Wirksamkeitsnach­
weis der Potenzierung der Radiatio durch
Interferone befaßt (13, 49, 60). An zahlrei­
chen Zell-Linien von soliden Tumoren, Pleu­
ramesotheliom, Plattenepithelkarzinomen
des HNO-Bereichs, Weichteilsarkomen und
Mammakarzinomen konnte eine deutliche
Verstärkung der Strahlentherapie nachge­
wiesen werden, am deutlichsten auch hier
der Effekt für das natürliche und das rekombinante ß-lnterferon.
Hervorzuheben ist die Arbeit von Stuschke
etal., 1996 (49), der die modulierenden Ef­
fekte von humanem rekombinantem Interferon-ß und Retinsäure im Hinblick auf die
Strahlenempfindlichkeit und das Wachstum
an multizellulären Sphäroiden von SarkomZell-Linien bei Kurzzeit- und Langzeitexpo­
sition untersuchte. Die Sphäroide der Sar­
komlinien wurden dabei in Langzeitexposi­
tion, d.h. in Imitation der klassischen Strah­
lentherapiesituation, mit 2 Gy pro Fraktion
über 28 Tage bestrahlt. Simultan dazu wur­
de rekombinantes ß-lnterferon oder Re­
tinsäure oder die Kombination von beidem
gegeben. Hierbei zeigte sich, daß der
wachstumsverzögernde Effekt von rekom­
binantem Interferon-ß und Retinsäure bei
Langzeitexposition supraadditiv war und
deutlich größer als bei Kurzzeitexposition.
Hauptmechanismus für die Wachstumsinhi­
bierung war die terminale Differenzierung
klonogener Zellen.
Die Arbeitsgruppe aus Tübingen von Rode­
mann und Hoffmann (43) untersuchte die
Kombination von Interferon, Strahlenthera­
pie und 13-cis-Retinsäure bei Platten­
epithelkarzinomen der Zervix sowie des
HNO-Bereichs. Es konnte eine supraadditi­
ve Verstärkung der Strahlentherapie durch
Interferon und Retinoide nachgewiesen
werden.
11
Tabelle I. IFN und Radiatio. Präklinische Studien.
System/Autor
IFN-Typ
Ergebnisse
Glioblastom
(Nederman, 1982)
a-IFN
additive Effekte zur Wachstumsinhibie­
rung
Bronchial-Ca.
(Gould, 1984)
a- und ß-IFN
Potenzierung der Radiatio durch ß-,
aber nicht durch a-IFN
Nierenzell-Ca.
(Chang, 1987)
a- und ß- und y-IFN
Potenzierung der Radiatio, G2/M-Arrest
Zervix-Ca.
(Angioli, 1993)
a- und ß-IFN
Potenzierung der Radiatio
Pleuramesotheliom
(Zopf, von Lieven, 1996)
rek.-a-IFN
n.-ß-IFN
deutlicher zytotoxischer Effekt von ßIFN und Radiatio, kein Effekt für a-IFN
Plattenepithelkarzinom (HNO);
Weichteilsarkom
(Wildfang, Gründel, 1996)
n.+ rek.-a-IFN
n.+ rek.-ß-IFN
y-IFN
Potenzierung der Radiatio für n. + rek.ß-IFN
Plattenepithel-Ca. (ZMK)
Mamma-Ca.
(Busch, Rave-Fränk, 1996)
n.-ß-IFN
deutlicher Effekt für ZMK-Zellen, Faktor
1.5, auch MCF7,
Potenzierung der Radiatio
Plattenepithel-Ca. (ZMK)
(Rave-Fränk, Schmidberger,
Hess, 1996)
n.-ß-IFN
Potenzierung der Radiatio,
Induktion von Apoptose bei höheren
Konzentrationen
Sarkom-Sphäroide
(Stuschke, 1996)
rek.-ß-IFN ±
Retinoide
Potenzierung der Radiatio bei Langzeit­
exposition, supraadditiv bei Langzeitex­
position IFN + RA
Plattenepithel-Ca. (Zervix);
Plattenepithel-Ca. (HNO)
(Rodemann, Hoffmann, 1996)
rek.-a-IFN + 13-cisRetinsäure
supraadditive Potenzierung der Radiatio
Klinische Studien
Seit 1985 sind klinische Studien zur Über­
prüfung der Wirksamkeit der Kombination
Interferon und Strahlentherapie durchge­
führt worden (Tabelle II). Wichtig ist die Ar­
beit von Holsti et al. (1987) (17) bei klein­
zeiligem Bronchialkarzinom. Hierbei wurde
a-lnterferon intravenös eingesetzt, simul­
tan zur Strahlentherapie des Mediastinums
mit 55 Gy. Es ergaben sich deutliche An­
sprechraten im Strahlenfeld, aber eine aus­
geprägte Toxizität mit Lungenfibrosen Grad
•III, 5 von 6 Patienten starben durch eine
progrediente Lungenfibrose. 1993 behan­
delten Mc Donald und Chang (28) Patien­
ten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzi­
12
nom im Stadium III und IV mit rekombinantem ß-lnterferon intravenös, Woche 1, Tag
1 bis 3 und Woche 4, Tag 22 bis 24 simul­
tan zur Strahlentherapie des Mediastinums.
Es zeigte sich ebenfalls ein deutliches An­
sprechen im Strahlenfeld mit einer objekti­
ven Remissionsrate von 70%. Hervorzuhe­
ben ist das Langzeitüberleben; das 3-Jahres-Überleben betrug 29%, dieses blieb als
Plateau mit 29% 5-Jahres-Überleben be­
stehen, im Vergleich zu einer historischen
Kontrollgruppe ergab sich ein signifikanter
Überlebensvorteil. Interessanterweise wa­
ren die Toxizitäten der Kombinationsthera­
pie mit ß-lnterferon im Gegensatz zur Ar­
beit von Holsti mit a-lnterferon gering. Der
guten Wirksamkeit von Typ-I-Interferonen
Tabelle II. IFN und Radiatio. Klinische Studien.
Diagnose/Autor
Radiatio-/IFN-Dosis
Ergebnisse
Solide Tumoren
(Torrisi, 1986)
a-IFN, 2-30 Mio. I.E./m2 i.v.,
3-5 xAA/o., 2h vor Radiatio
hohe Ansprechrate
Solide Tumoren
(Medenica, 1985)
ß-IFN, 1-10 Mio. I.E./m3 i.v.
hohe Remissionsrate bei Pro­
stata- und Mammakarzinom
Kleinzelliges Bronchial-Ca. SCLC
(Holsti, 1987)
a-IFN, 80 Mio. I.E., d 1-5 i.v.
=> 6 Mio. I.E./die i.m. bis zur
Strahlendosis von 55 Gy
erhöhte Ansprechraten,
ausgeprägte Toxizität:
Lungenfibrose °ill
NSCLC III u. IV
(Chang, 1993)
ß-IFN, 10-90 Mill. IU i.v.
Tag 1-3 und Tag 22-24 +
Standard-Radiotherapie
Ansprechen im
Bestrahlungsfeld > 70%,
29% 5-Jahres-Überleben
Nicht-kleinzelliges Bronchial-Ca.
Stadium III B
(Mc Donald, 1993)
rek.-ß-IFN 10-90 Mio. I.E. i.v.
3 x/Woche +
60 Gy Mediastinum
80% PR,
nach 3-5 Jahren 45%
Langzeitüberleben
Nicht-kleinzelliges Bronchial-Ca.
Stadium III A/B
(Shaw, 1995)
y-IFN 0,2 mg/d s.c. +
2 x/d 1,5 Gy ad CD 60 Gy
50% schwere/lebensbedrohliche NW (Lunge)
Plattenepithel-Ca.
lokal fortgeschritten
(Pereira, 1997)
3 x 106 I.E. rek.-a-IFN s.c.
+ 44 Gy kleines Becken
+ Boost
Dosiseskalation von IFN
2 CR, 5 PR, 2 NC
6 Grad-Ill-Toxizitäten,
1 letale G-I-Blutung,
ausgeprägte Tox.; Normalgewebe
Hirnstamm-Gliom (Kinder)
(Packer, 1996)
100 x 106 I.E./m2 rek.-ß-IFN i.v. 30/32 Pat. progredient,
progressionsfreies Intervall:
+ 72 Gy hyperfraktioniert
(1 Gy/Frakt.)
5 Monate;
Dosiseskalation,
13 Pat. Grad-Ill-Toxizität
Erhaltungstherapie
(Leber, Hämatotox.)
Bronchial-Ca., inoperabel
(Byhardt, 1996)
12 x 106 I.E./m2 rek.-ß-IFN
täglich s.c. + 60 Gy
Dosiseskalation
1/15 CR, 6/15 PR, 6/15 NC,
1 letale Pneumonitis
Nicht-kleinzelliges Bronchial-Ca.
Stadium III B
(Habermalz, 1998)
5 x 106 I.E. n.-ß-IFN i.v.
Tag: 1,2, 3;
Woche: 1,3, 5 + 59,4 Gy
4/14 CR, 7/14 PR,
med. Überleben 14 Monate;
1. Jahr: 56%; 2. Jahr: 38%;
3. Jahr: 38%
steht eine Arbeit von Shaw et al. aus dem Jahr
1995 gegenüber, der y-lnterferon subkutan
mit einer hyperfraktionierten Strahlenthe­
rapie im Mediastinum mit 60 Gy kombi­
nierte. 50% der Patienten erlitten schwere
Nebenwirkungen im Bereich der Lunge, es
kam ebenfalls zu therapiebedingten Todes­
fällen (29). Byhardt et al. (4) kombinierten
rekombinantes ß-lnterferon mit einer Mediastinalbestrahlung von 60 Gy bei nicht­
kleinzelligem Bronchialkarzinom, 7 von 15
Patienten erreichten eine objektive Remis­
sion. Ein Patient erlitt eine Pneumonitis, die
zum Tode führte. Habermalz et al. (2) über­
prüften 1998 beim nicht-kleinzelligen Bron­
chialkarzinom die Kombination von natürli­
chen Interferonen, i.v. gegeben, mit einer
Radiatio von 60 Gy im Mediastinum. Es er­
gab sich ein gutes Tumoransprechen mit
11/14 objektiven Remissionen, einer mitt­
leren Überlebenszeit von 14 Monaten und
einem bisher 38%igen 3-Jahres-Überleben.
13
Zusammenfassend kann man aus diesen
frühen klinischen Studien folgende Schluß­
folgerungen ziehen:
a-lnterferon scheint, systemisch gegeben,
im Gegensatz zu rekombinantem und natür­
lichem ß-lnterferon deutlich toxischer in der
Kombination mit Strahlentherapie zu sein.
Es führt in hohen Dosen zu gefährlichen Ne­
benwirkungen am Normalgewebe, vor allen
Dingen in der Lunge, y-lnterferon ist wegen
seiner immunmodulierenden Eigenschaften
als Strahlensensitizer wenig geeignet. Die
systemische Gabe von Typ-I- und Typ-Il-Interferonen zur Strahlensensibilisierung ist
eine interessante Therapiemodalität, die
ausgeprägten, z.T. letalen Nebenwirkungen
derTherapie bei Bestrahlung im Bereich der
Lunge erfordern weitere kontrollierte klini­
sche Studien.
Intratumorales Interferon
Für die strahlensensibilisierende Wirkung von
Interferonen ist eine eindeutige Dosisabhän­
gigkeit nachgewiesen worden, sowohl für den
antiproliferativen, den antiangiogenetischen
Effekt und die Hochregulierung von Tumor-
Abbildung 2. Mittlere Serumund Gewebekonzentrationen
nach einmaliger intratumoraler
Gabe von 6 Mio. I.E. rekom­
binantem Interferon-a bzw.
1 Mio. I.E. natürlichem Interferon-ß.
□ ------- □ ß-IFN Gewebespiegel;
O------- Q ß-IFN Serumspiegel;
• -------- • a-IFN Gewebespiegel;
■-------- ■ a-IFN Serumspiegel.
14
Nekrose-Faktor-a. Die Differenzierungsin­
duktion durch Interferon ist nach vorliegen­
den Literaturdaten nicht dosisabhängig.
Um die dosisabhängigen Effekte des Inter­
ferons ausnutzen zu können, wurde schon
sehr früh in Studien die direkte Applikation
von Interferonen in den Tumor eingesetzt
(3, 20-24, 45). Dabei spielt die Gewebeständigkeit der einzelnen Interferone eine
zentrale Rolle; je länger ein Interferon im
Tumor wirken kann, desto ausgeprägter
die antitumorale Wirkung. Wichtig ist
die Glykosylierung der Interferone für die
Gewebeständigkeit und Pharmakokinetik.
Während natürliches ß- und y-lnterferon
glykosyliert sind, haben die a-lnterferone
keine Zuckerreste. Das natürliche ß-lnterferon weist dabei aufgrund seiner hohen Lipophilie und der längeren Gewebeständig­
keit gegenüber allen anderen Interferonen
einen deutlichen Vorteil auf (bis zu 24 Stun­
den meßbare Wirkspiegel im Gewebe beim
Interferon-ß). Konsekutiv sind die systemi­
schen Interferonspiegel nach intratumoraler Interferon-ß-Gabe kaum nachweisbar im
Gegensatz zum Interferon-a. Dieses hat ei­
nen entscheidenden Einfluß auf die Häufig­
keit des Auftretens von Nebenwirkungen.
Das lnterferon-y hat eine dem Interferon-ß
ähnliche Gewebeständigkeit, seine Wirkun­
gen sind aber weniger direkt antiprolifera­
tiv als vielmehr durch eine multimodale im­
munstimulierende Wirkung zu erklären.
In präklinischen Studien konnte Kimoto et
at. (1987) (25, 26) zeigen, daß die intratumorale Applikation von Interferonen gegen­
über allen anderen Applikationsarten (sub­
kutan, i.m., i.v. und intraperitoneal) in der
Lage war, bei Magen- und Mammakarzinom
tragenden Nacktmäusen das Tumorwachs­
tum effektiv zu inhibieren. Am deutlichsten
war dieser Effekt für das rekombinante und
das natürliche ß-lnterferon. Von Wussow et
al. wies 1988 bei intratumoraler Applikati­
on von a-lnterferon in Melanommetastasen
nach, daß die Gewebehaltbarkeit von a-ln­
terferon gegenüber dem Blutserumtiter
Tabelle III. Literaturübersicht zur intraläsionalen
Therapie mit a-, ß- und y-lnterferon. Dosierung:
0,1-10 Mio. I.E./Applikation.
Tumorentität
n Pat.
CR (%) CR/PR (%)
Mammakarzinom 34
Hirntumoren
84
Zervixkarzinom
43
HNO-Tumoren
63
Hauttumoren
337
Kaposi-Sarkom
13
44
2
42
36
55
23
65
26
66
55
69
46
Insgesamt
35
57
574
deutlich bis zu 24 Stunden im Tumor erhöht
war (59).
Frühe klinische Arbeiten mit intraläsionaler
Injektion von Interferonen zeigten sowohl
für a-, ß- als auch y-lnterferon, daß trotz
deutlich unterschiedlicher Dosierungen,
Therapiedauer und Interferontyp bei Pati­
enten mit den Tumorentitäten wie Mamma­
karzinom,
Hirntumor, Zervixkarzinom,
HNO-Tumor, Hauttumoren und Kaposi-Sar­
kom immerhin bei 574 Patienten eine kom­
plette Remission in 35% der Fälle erreicht
werden konnte und eine objektive Remissi­
onsrate von 57% zu verzeichnen war. Trotz
der Heterogenität dieser Studien ergibt sich
ein eindeutiger Wirksamkeitsnachweis für
die direkte intratumorale Gabe von Inter­
feronen bei soliden Tumoren (s. Tabelle III).
In Hannover haben wir von 1986 bis 1991
ein einheitliches Standard-Therapieregime
für die intratumorale Therapie überprüft
(10). Dabei haben wir uns ein Schema mit
hoher Interferondosierung gewählt: 3 x 5
Mio. I.E. Interferon intratumoral pro Wo­
che. Wir hatten uns für ß-lnterferon auf­
grund der höheren Lipophilie mit der damit
verbundenen höheren Gewebehalbwertzeit
und der damit konsekutiv zu erwartenden
größeren Wirksamkeit entschieden. Die
Einschlußkriterien der Patienten waren ge­
nau definiert, alle Patienten sollten am Ort
ihrer Läsionen progredient sein, stan­
dardtherapeutische Optionen wie weitere
Strahlentherapie, Chemotherapie und/oder
15
Tabelle IV. Ergebnisse der unizentrischen Studie »natürliches Interferon-ß intratumoral bei Metasta­
sen solider Tumoren« (Hannover, 1987-1992).
Histologie
Patientenzahl
Tumorgröße
CR/PR (%)
HNO-Tumoren
Mammakarzinom
Weichteilsarkome
Kolorektale Karzinome
Andere
16
14
8
8
14
4-12
4-12
4-13
5-14
4-15
25
64
56
78
41
Insgesamt
60
4-15
50
Operation sollten als therapeutische Mög­
lichkeit nicht mehr bestehen. Der Tumor
sollte gut zu punktieren sein. Die Ergebnis­
se dieser ersten Phase-Il-Studie mit intratumoralem ß-lnterferon brachten immerhin
bei 50% der Patienten noch eine komplet­
te oder partielle Remission, angesichts der
deutlichen Vorbehandlung der Patienten
und der im Median 46 Wochen anhalten­
den Remission bei Therapieansprechen ein
ermutigendes Ergebnis. Hervorzuheben ist
weiterhin, daß bei 42 von 60 Patienten das
lokale Problem, verursacht durch das Lo­
kalrezidiv oder die Metastase, Leitsymptom
war. Immerhin 42 von 60 Patienten hatten
einen Karnofsky-Index von über 80% und
waren damit in einem sehr guten Allge­
meinzustand, allerdings deutlich einge­
schränkt durch Schmerzen, Exulzeration
und Kompression. Jegliche Histologie soli­
der Tumoren war vertreten, es konnte kei­
ne Bevorzugung einer Histologie festge­
stellt werden (s. Tabelle IV).
Intratumorales Interferon und
Radiatio
terferonen nutzten wir bei der intratumoralen Applikation von Interferon mehrere Ef­
fekte gleichzeitig aus: den dosisabhängigen,
antiproliferativen und antiangiogenetischen
Effekt sowie den radiosensibilisierenden Ef­
fekt von Interferon, der auch im Niedrigdo­
sisbereich nachzuweisen ist. Die gute Er­
fahrung mit der intratumoralen Interferon­
gabe und den geringen systemischen Ne­
benwirkungen dieser Kombination ließ uns
hoffen, auch bei der Kombination mit Strah­
lentherapie (im Gegensatz zu anderen klini­
schen Studien) eine niedrige Nebenwir­
kungsrate für den Patienten zu erreichen.
Des weiteren schien es uns wichtig, daß die
intratumorale Therapie nach Beendigung
der Rezidiv-Strahlentherapie zum Remissi­
onserhalt fortgesetzt werden konnte.
Von 1992 bis 1995 führten wir eine frühe
Phase-Il-Studie durch, bei der die guten Er­
fahrungen der alleinigen intratumoralen
Therapie mit ß-lnterferon bei therapiere­
fraktären Metastasen solider Tumoren
kombiniert wurden mit einer niedrig do­
sierten Strahlentherapie bei vorbestrahl­
ten, großen Tumorrezidiven und Metasta­
sen (54,57). Therapieplan siehe Tabelle VII.
Die Tumorgröße der zu behandelnden Me­
tastasen führte dazu, daß wir bei Tumoren
über 8 cm im Durchmesser die Kombinati­
on von intratumoralem Interferon und nied­
rig dosierter Rezidiv-Strahlendosis über­
prüfen wollten. Dabei lagen uns die präkli­
nischen Arbeiten sowie einzelne klinische
Studien zugrunde (Tabellen I und II).
Gegenüber der systemischen Gabe von In-
Es wurden 20 Patienten in diese Phase-IlStudie eingeschlossen, 7 HNO-Tumoren,
6 Weichteilsarkome, 3 Mammakarzinome,
3 kolorektale Karzinome und 1 Patient mit
Ösophaguskarzinom. Die Tumorgröße be­
trug im Median 8 cm2 (3 bis 25 cm2
Range) (Tabelle V).
Auch bei diesen ausgedehnt vorbehandel­
ten Patienten konnten mit Hilfe der Kombi-
16
Tabelle V. Intratumorales Interferon und Radiatio. Klinische Studien.
Diagnose/Autor
Radiatio-/IFN-Dosis
Malignes Melanom,
LK-Metastasen
(Brannenburg, 1997)
n.-ß-IFN 5 Mio. I.E. i.t. 3 x/Woche +50-60 Cy 6/8 CR, 2 PR
Vorbehandelte, solide
Tumoren,
Rez. + Metastasen
(Wildfang, 1995)
n.-ß-IFN 5 Mio. I.E. i.t. 3 x/Woche +30-40 Cy
nation ß-lnterferon und Strahlentherapie
deutliche Remissionen erreicht werden, 3
von 20 Patienten erhielten eine komplette
Remission, 9 von 20 eine partielle Remissi­
on, 4 von 20 ein No change, 4 von 20 Pa­
tienten einen Progreß. Das mediane pro­
gressionsfreie Intervall betrug bei diesen
Patienten 46 Wochen bei Therapieansprechen. Die systemische Toxizität war gering,
10 von 20 Patienten klagten zu Beginn der
Therapie über leichtes Fieber, welches sich
aber mit Paracetamol (500 mg), gut be­
herrschen ließ. Fünf von 20 Patienten klag­
ten über Schmerzen am Ort der Injektions­
stelle, 8 von 20 Patienten zeigten eine Rö­
tung CTC Grad I am Ort der Injektion.
Über gute Erfahrungen in der intratumoralen ß-lnterferon-Therapie in Kombination
mit Strahlentherapie berichten auch Bran­
nenburg et al. 1997 (Tabelle V). Dort wur­
den große Lymphknotenmetastasen an
malignen Melanomen im gleichen Thera­
pieschema behandelt, 6 von 8 Patienten er­
reichten trotz Vorbehandlung eine kom­
plette Remission, 2 Patienten eine partiel­
le Remission mit ebenfalls lang anhaltender
Dauer.
Intratumorales Beta-Interferon und
Radiatio bei Weichteilsarkomen
Die guten klinischen Ergebnisse der Kom­
bination von intratumoral gegebenem
natürlichem ß-lnterferon und niedrig do­
sierter Strahlentherapie bei vorbestrahlten
Patienten, insbesondere bei Patienten mit
Ergebnisse
3/20 CR, 9/20 PR,
4/20 NC, 4/20 Progreß
Weichteilsarkomen, wollten wir in einer
Phase-Il-Studie bei Patienten mit fortge­
schrittenen, vorbehandelten Weichteilsar­
komen überprüfen (56, 57). Richtungswei­
send hierfür waren auch die Arbeiten von
Stuschke (49) bei Sphäroiden von Weich­
teilsarkomen, die in der Kombination von
rekombinantem ß-lnterferon und Radiatio
in der Langzeitexposition eine supraadditi­
ve Wirkung ergaben. Eigene In-vitro-Daten
(13) wiesen ebenfalls auf einen supraaddi­
tiven Effekt bei der Kombination von Inter­
feron und Radiatio bei Weichteilsarkomen
hin. Die Einschlußkriterien in dieser PhaseIl-Studie bei ausgedehnten Weichteilsarko­
men zeigt Tabelle VI.
Tabelle VI. ß-IFN + Radiatio bei Weichteilsarkom
- Einschlußkriterien.
-
histologisch gesichertes Weichteilsarkom bei
unvorbehandelten Patienten:
- klinisch grenzwertig (R2) operabler
Tumor oder
- nicht Extremitäten-erhaltend operabler
Tumor oder
- nicht nachbestrahltes, irresektables
Lokalrezidiv
- bei vorbehandelten Patienten
- Rezidiv-Strahlendosis von 26-36 Gy
noch möglich
-
keine adäquate Therapieoption für Chemo­
therapie, lokoregionale Extremitätenperfu­
sion oder erneute OP
einer lokalen Therapie zugänglichen Tumor­
lokalisation
dokumentierter Progreß der Tumorlokalisa­
tion
biologisches Alter s 80 Jahre
-
17
Tabelle VII. ß-IFN + Radiatio bei Weichteilsarkom - Therapieregime.
Induktionsphase: Woche 1 + 2
5 Mio. I.E. nat. ß-IFN intratumoral 3 x/Woche
Therapiephase: ß-IFN + Radiatio
Woche 3-7/9
5 Mio. I.E. nat. ß-IFN intratumoral 3 x/Woche
+
Radiatio der Tumorlokalisation (1,8 Gy, 4 x/Woche,
Dosis je nach Vorbehandlung)
4*
Woche 9-12
Fortsetzung der intratumoralen Therapie je nach Tumoransprechen mit 5 Mio. I.E. nat. ß-IFN intratumoral 3 x/Woche
ab Woche 12
Erhaltungstherapie mit 5 Mio. I.E. nat. ß-IFN intratumoral
1 x/Woche, evtl. Planung einer OP
Das Therapieregime entsprach dem Sche­
ma der ersten Kombinationsstudie mit 3 x
5 Mio. I.E. natürlichem ß-lnterferon intra­
tumoral 3 x/Woche als Induktionsphase in
Woche 1 und 2, ab der 3. Woche Kombi­
nation von ß-lnterferon und Strahlenthera­
pie unter Ausnutzung der Rezidivdosis je
nach Vorbehandlung, anschließend Fort­
setzung der intratumoralen Therapie mit
3 x 5 Mio. I.E. pro Woche bis Woche 12,
anschließend Erhaltungstherapie, bei sehr
gutem Tumoransprechen eventuell Überle­
gungen einer operativen Resektion.
In die Studie wurden 16 Patienten aufge­
nommen. Das mittlere Alter lag bei 42 Jah­
ren mit einem Range von 19 bis 72 Jahren,
7 männliche Patienten, 9 weibliche Patien­
ten, der mittlere Tumordurchmesser betrug
11 cm mit einem Range von 3 bis 25 cm.
Histologieverteilung siehe Tabelle VIII.
Tabelle VIII.
-
3 Angiosarkome
3 Leiomyosarkome
3 maligne fibröse Histiozytome
2 Fibrosarkome
1 epitheloides Sarkom
1 neurogenes Sarkom
1 Liposarkom
1 Rhabdomyosarkom
1 malignes Schwannom
18
Alle Patienten waren vorbehandelt. 16 von
16 Patienten waren bereits operativ be­
handelt worden, im Median hatten die Pa­
tienten schon zwei Tumorresektionen er­
halten (mit einem Range von 1 bis 7 Re­
sektionen). 13 von 16 Patienten waren be­
reits chemotherapiert, 9 von 16 hatten zwei
oder mehr Therapieprotokolle erhalten.
Zwölf von 16 Patienten waren vorbestrahlt,
9 von 16 hatten eine Dosis von 40 und 60
Gy im Bereich der jetzt progredienten
Tumorläsion erhalten, 3 von 16 zwischen
60 und 90 Gy.
Die Ergebnisse dieser Studie waren eben­
falls sehr ermutigend. Vier von 16 Patien­
ten erreichten eine komplette Remission
mit durchaus lang anhaltender Dauer (Ta­
belle IX), 6 von 16 Patienten eine partielle
Remission mit einer medianen Dauer von
18 Monaten und einem Range von 6 bis 36
Monaten. Bei 4 Patienten wurde ein No
change erzielt, 2 Patienten von 16 waren
unter der Therapie progredient. Jeweils ein
Patient mit einer kompletten und ein Pati­
ent mit einer partiellen Remission wurden
funktionserhaltend operiert. Die nicht vor­
her geplante Tumorresektion konnte bei
beiden Patienten mit einer RO-Resektion
abgeschlossen werden, die Patienten sind
beide bis heute rezidivfrei (s. Patientenbei­
spiele 2 und 3).
Die Toxizität der Therapie war gering (Ta­
belle X). Sechs von 16 Patienten klagten zu
Beginn der Therapie über leichtes Fieber,
WHO Grad I, 5 von 16 über Abgeschlagenheit, Grad I; 3 von 16 Patienten über Ap­
petitlosigkeit. Die lokalen Toxizitäten waren
mäßig, 4 von 16 Patienten klagten über
Schmerzen Grad I bis II am Ort der Injekti­
on, bei 2 Patienten trat eine Superinfekti­
on Grad II ein, 10 von 16 Patienten hatten
ein Erythem Grad I bis II am Ort der Injek­
tion.
Im folgenden soll auf 3 Patientenbeispiele
genauer eingegangen werden, um den Stel­
lenwert der Kombination von intratumoralem ß-Interferon und Strahlentherapie für
Einzelfälle bei fortgeschrittenen Weichteil­
sarkomen herauszuarbeiten.
Tabelle IX. ß-IFN intraläsional + Radiatio bei
Weichteilsarkomen - Ergebnisse.
CR
PR
No change
PD
4/16a
6/16a
4/16
2/16
1,4, 5, 7 + Jahre
18 Monate + (6-36 +)
4, 8, 12, 15 Monate
a2 Patienten wurden funktionserhaltend ope­
riert (2 x R0)
Tabelle X. ß-IFN intraläsional + Radiatio bei
Weichteilsarkomen - Toxizitäten.
Systemische Toxizitäten:
Fieber WHO °l
Abgeschlagenheit WHO °l
Appetitlosigkeit WHO °l
Lokale Toxizitäten:
Schmerzen WHO °l-ll
Infektion WHO °ll
Erythem WHO °l-ll
6/16
5/16
3/16
4/16
2/16
10/16
Patientenbeispiele
I. Patient:
P. H., Alter 73 Jahre, histologisch:
Angiosarkom der linken Gesichtshälfte mit
Lymphknotenmetastasen links zervikal
06/94
Erstdiagnose, multiple
Resektionen
05/96-06/96 Vorbestrahlung des linken
Gesichts und Schädelbe­
reichs mit 56 Gy in einem
auswärtigen Krankenhaus.
04/97
Erstvorstellung des Patien­
ten in der Medizinischen
Hochschule Hannover,
04/97
Einleitung einer kombinier­
ten Beta-lnterferon-/Strahlentherapie. Therapieplan
3 x 5 Mio. I.E. Beta-Inter­
feron intratumoral plus ab
der 3. Woche Rezidiv-Radiatio mit 36 Gy.
Abbildung 3a und b. Patient bei Erstvorstellung
04/97.
19
Abbildung 3c und d. CT-Bilder des Patienten vor Therapie.
Abbildung 3e und f. Patient 3 Monate nach Therapie, gute Rückbildung des Primärtumors und der
Lymphknotenmetastase.
20
2. Patient:
M. M., 18 Jahre; histologisch: epitheloides
Sarkom links supraklavikulär mit Infiltration
der Thoraxwand.
Abbildung 4a. Prätherapeutisches MR bei Erst­
diagnose, Empfehlung der Chirurgie: Amputati­
on des Armes mit Thoraxwandexenteration.
1 Kurs EVAIA, 2 Kurse MAID Chemotherapie,
darunter keine Remission, während des 2. MAI DKurses parallel hyperfraktionierte Radiato mit 36
Cy.
Abbildung 4b. Einleitung einer kombinierten ßInterferon/Strahlentherapie, Strahlentherapie­
dosis 30 Cy.
Abbildung 4c. Deutliche Remission des Primär­
tumors.
Abbildung 4d. Deutliche Remission des Primär­
tumors. MRT präoperativ 07/92, anschließend
Tumorresektion, RO-Resektion; Patient ist seit­
herin kompletter Remission und rezidiv-und me­
tastasenfrei.
Abbildung 4e. Postoperativer Befund.
21
3. Patient:
N. B., 21 Jahre, synoviales
Sarkom linker Innenknöchel.
1988 Erstdiagnose, seither
4 Rezidive, jeweils Tumorre­
sektionen.
Abbildung 5a-c. Erstvorsteliung: ausgedehntes Tumorre­
zidiv im Bereich des linken In­
nenknöchels mit Infiltration
der Gelenkkapsel: Laut Unfall­
chirurgen mehrerer Kliniken
keine Resektion mehr mög­
lich; Empfehlung: Amputation.
a). Beginn einer intratumoralen ß-lnterferontherapie
(Standardschema) in Kombi­
nation mit Strahlentherapie.
Strahlentherapie-Dosis: 60
Gy; anschließend Fortsetzung
der ß-lnterferontherapie bis
12/97.
b + c). Lokale Tumorremissi­
on, kein Tumor mehr nach­
weisbar, Narbengewebe,
anschließend Tumorresektion
im Bereich des linken Innen­
knöchels, RO-Resektion, kein
vitales Tumorgewebe mehr
nachweisbar. Extremitätener­
haltend operiert.
22
Diskussion und Zusammenfassung
Eine Vielzahl von präklinischen Arbeiten, ge­
rade in den letzten Jahren auch aus
Deutschland, belegt an vielen soliden Tu­
moren (HNO-Tumoren, Weichteilsarko­
men, Mammakarzinom, Pleuramesotheli­
om) (5, 6, 7, 12, 34, 35, 39, 47, 60) die
strahlensensibilisierende Wirkung von Typl-lnterferonen, insbesondere für das rekombinante und natürliche ß-lnterferon.
Die Einzeleffekte der Wirkung der Kombi­
nation von Interferonen und Strahlenthera­
pie sind noch nicht endgültig geklärt. Die Ef­
fekte scheinen sowohl den Zellzyklusarrest
zu betreffen, direkt antiproliferative Effek­
te auszunutzen, differenzierungsinduzie­
rende Anteile zu haben und auch Apoptoseinduktionen zu erzielen. Eine interessan­
te Arbeit von Clave et al. aus dem Jahre
1997 (8) berichtet, daß Strahlentherapie
die Expression von Interferon-induzierbaren Genen hervorruft. Dabei wurde eine pri­
mitive hämatopoetische Zell-Linie, die P53defizient war, bestrahlt. Die Strahlenthera­
pie führte zur Expression von lnterferon-induzierbaren Genen 48 Stunden nach Strah­
lentherapie. Des weiteren kam es zu einer
vermehrten Expression von y-lnterferon
und IRF-1. Dieses bietet eine mögliche Er­
klärung für den Synergismus von Strah­
lentherapie und Interferonen bei P53-negativen Zellen.
Frühe klinische Studien belegen ebenfalls
eine mögliche Strahlensensibilisierung
durch Typ-I-Interferone, allerdings auch
eine deutliche systemische Toxizität, die bis
zu letalen Lungenfibrosen reicht (28). In­
teressant erscheint die Arbeit beim nicht­
kleinzelligen Bronchialkarzinom im Stadium
III von McDonald und Chang (28). Das The­
rapieregime ergab eine lang anhaltende
Überlebenszeit. Wichtig ist die Plateau-Bil­
dung für die 3- bis 5-Jahres-Überlebenszeit
von 38%. Ähnlich gute Ergebnisse erreich­
te die Arbeitsgruppe von Habermalz (2) mit
natürlichem ß-lnterferon, intravenös gege­
ben, bei Patienten mit nicht-kleinzelligem
Bronchialkarzinom im Stadium III. Typ-Il-Interferon scheint aufgrund der ausgeprägten
systemischen Toxizität und der daraus re­
sultierenden strahlentherapiebedingten To­
xizität für eine Strahlensensibilisierung
nicht geeignet.
Intratumoral injiziertes natürliches ß-lnter­
feron zeigte in dem von uns durchgeführten
höherdosierten, standardisierten Therapie­
regime mit 3 x 5 Mio. I.E. ß-lnterferon pro
Woche bei der Hälfte aller Patienten mit
progredienten therapierefraktären Meta­
stasen soliderTumoren eine deutliche Wirk­
samkeit mit einer objektiven Remissionsra­
te (CR und PR) von 51%. Des weiteren be­
trug das progressionsfreie Intervall derTherapieresponder im Median 48 Wochen, so
daß von einem lang anhaltenden Benefit für
die Patienten auszugehen ist. Dabei ist
natürlich zu betonen, daß intratumoral ge­
gebenes ß-lnterferon zunächst nur eine al­
leinige lokale Therapiemaßnahme darstellt.
Legt man die Daten der Amerikanischen
Cancer Society von 1996 zugrunde, nach
der 70% aller Tumorpatienten an den Fol­
gen eines Lokalrezidives ihres Tumors ver­
sterben, kommt dem Stellenwert von intra­
tumoral injizierten ß-lnterferonen zur loka­
len Tumorkontrolle, sei es ein Lokalrezidiv
im HNO-Bereich oder ein ausgedehntes
Weichteilsarkom, eine besondere Bedeu­
tung zu.
Die Kombination von natürlichem ß-lnter­
feron, intratumoral gegeben, mit niedrig do­
sierter Strahlentherapie, im Bereich von 20
bis 30 Gy Restdosis, stellt in der Rezidivbe­
handlung von großen, vorbestrahlten thera­
pierefraktären soliden Tumoren oder Me­
tastasen eine ausgezeichnete Therapieopti­
on dar. Sie sollte, insbesondere vor erneut
anstehenden mutilierenden Operationen, in
Erwägung gezogen werden (57, 58). Daten
unserer frühen Phase-Il-Studie ergaben in
der Hälfte der Patienten eine im Median bis
zu 46 Wochen anhaltende Remission bei
verschiedenen Tumorentitäten (HNO-Tumor, Weichteilsarkom, Mammakarzinom,
kolorektales Karzinom).
23
Die Ergebnisse unserer Phase-II-Studie mit
natürlichem ß-lnterferon intratumoral und
Radiatio bei fortgeschrittenen, teilweise
vorbehandelten Weichteilsarkomen bieten
einerseits einen äußerst interessanten An­
satzpunkt für Patienten, bei denen alterna­
tiv keine Extremitäten-erhaltende Operati­
on möglich erscheint (Patienten 2 und 3),
andererseits aber auch einen guten pallia­
tiven Ansatz für Patienten mit deutlich vor­
behandeltem, progredientem Weichteilsar­
kom (s. Patient 1). Alle Therapieentschei­
dungen, vor allen Dingen bei der Primär­
behandlung von Weichteilsarkomen, bei de­
nen intratumoral gegebenes ß-lnterferon
und Strahlentherapie zum Tragen kommen
könnte, müssen natürlich mit den behan­
delnden chirurgischen Onkologen und in­
ternistischen Onkologen abgestimmt wer­
den, um den Platz im Therapiekonzept zu
definieren. So lassen sich dann aber, wie bei
den zwei jungen Patienten mit Weichteil­
sarkomen, bei denen entweder eine Thorax­
wandexenteration mit Armamputation und
Amputation des Fußes als Therapiealterna­
tive bestand, in Absprache mit allen Diszi­
plinen durch die Therapie mit ß-lnterferon
und Strahlentherapie Tumorremissionen
erzielen, die dann sogar konsekutiv, aber
primär nicht geplant, zu Extremitäten-erhaltenden Operationen bei beiden Patien­
ten führten. Beide Tumorresektionen waren
RO-Resektionen, die histologische AufarbeitungderTumoren zeigte keine vitalen Tu­
morzellen mehr. Die Remissionen halten in­
zwischen 2 bzw. 7 Jahre an.
Basierend auf diesen guten Therapieergeb­
nissen haben wir in Hannover eine multi­
zentrische Studie mit rekombinantem ß-ln­
terferon, intraläsional injiziert, und Strah­
lentherapie bei fortgeschrittenen Weich­
teilsarkomen initiiert (TabelleXI). Es soll, un­
ter Einbeziehung einer Dosisfindung, der
Stellenwert von ß-lnterferon und Radiatio
bei Weichteilsarkomen überprüft werden.
24
Tabelle XI. Multizentrische Phase-Il-Studie.
Rek.-ß-IFN + Radiatio bei fortgeschrittenem
Weichteilsarkom (Pat. n=16).
- klinisch grenzwertig operabler (R2) oder
nicht Extremitäten-erhaltend operabler
Tumor
- Dosisfindungsstudie mit drei Dosiseskalati­
onsstufen
- rek.-ß-IFN und Radiatio (60-64 Cy)
Zusammenfassend scheint die Kombination
von Interferon und Strahlentherapie eine in­
teressante Therapieoption bei soliden Tu­
moren darzustellen, insbesondere bei
Weichteilsarkomen, Zervixkarzinom oder
HNO-Tumoren. Sie sollte in weiteren klini­
schen Studien überprüft werden. Des wei­
teren sind neue Therapieoptionen denkbar
unter Kombination von ß-lnterferon und
Strahlentherapie mit neuen Zytostatika wie
den Taxanen (Taxol, Taxotere) wöchentlich
gegeben oder Gemcitabine wöchentlich.
Zopf et al. (60) berichteten bereits 1996
über den synergistischen zytotoxischen Ef­
fekt von ß-lnterferonen und Taxol beim
Pleuramesotheliom.
Die Frage der optimalen Dosierung, des Ti­
mings und der Sequenz der einzelnen The­
rapiemaßnahmen ist bisher nicht geklärt. Es
werden noch weitere präklinische Untersu­
chungen zum Wirkungsmechanismus not­
wendigsein, besondersauch im Hinblickauf
die Apoptoseinduktion.
Die Kombination von ß-lnterferon und
Strahlentherapie stellt aber schon heute für
den einzelnen Patienten mit fortgeschritte­
nen, therapierefraktären Metastasen soli­
der Tumoren oder ausgedehnten Lokalrezi­
diven eine sinnvolle Therapieoption dar und
sollte bei palliativer Intention immer in die
Planung eines Therapiekonzeptes einbezo­
gen werden.
Die Integration der Kombination von ß-ln­
terferon und Strahlentherapie in das primä­
re Therapiekonzept, z.B. bei fortgeschritte­
nen Weichteilsarkomen, erscheint ebenfalls
hoch interessant und wird zur Zeit in einer
multizentrischen Studie überprüft. Das Ziel,
dabei eine dauerhafte lokale Kontrolle oder
eventuell eine Extremitäten-erhaltende
Operation noch durchführen zu können,
sollte Anlaß sein, diese ausgesprochen in­
teressante Substanz für den Radioonkolo­
gen weiter zu untersuchen.
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50
51
52
53
54
55
56
57
Sensitivierung von Sarkomen bei kontinuier­
licher Langzeitexposition. In: 22nd National
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28
fekt von Beta-Interferon und Taxol beim
Pleuramesotheliom in vitro (Abstract). In:
22nd National Cancer Congress of the Ger­
man Cancer Society, Berlin, 20. bis 24. Fe­
bruar 1996. J Cancer Res Clin Oncol 121
(Suppl. P 2.02.02)
Für die Verfasser:
Dr. med. I. Wildfang
Abt. Strahlentherapie u. spez. Onkologie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
D-30625 Hannover
Intraläsionales Beta-Interferon in Kombination mit
Strahientherapie bei fortgeschrittenen Weichteilsarkomen
Ergebnisse einer Phase-Il-Studie
I. Wildfang, M. Raub, J.H. Karstens
Strahlentherapie und spezielle Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover
Einleitung
In mehreren präklinischen Arbeiten wird
von der additiven oder sogar synergisti­
schen Wirkung der Interferone in Kombina­
tion mit ionisierenden Strahlen berichtet.
Auch wenn der genaue Mechanismus der
Wirkungsverstärkung durch Interferone
nicht abschließend erklärt werden kann,
scheinen pleiotrope Effekte eine Rolle zu
spielen. Diskutiert werden ein ZellzyklusArrest in der G2/M-Phase (5), die Inhibiti­
on der Reparaturfähigkeit sogenannter sub­
letaler und potentiell letaler Strahlenschä­
den (1,34-36) sowie Effekte auf die Onko­
gensuppression und Differenzierung (43).
Von den Interferon-spezifischen Wirkungen
spielen insbesondere die antiproliferativen
Effekte für die Strahlentherapie-verstärkende Wirkung, die antiangiogenetische
Aktivität sowie die differenzierungsinduzie­
rende Wirkung eine Rolle. Es kommt durch
die antiproliferative Wirkung zu einer Ver­
minderung der Reparaturkapazität strah­
lenbedingter Schäden, zu einem G2/M-Arrest mit einer Vermehrung der Anzahl von
Zellen in einer radiosensiblen Phase, der In­
duktion von IRF-1, elF2 und Protein-1-Kina­
se mit einer möglichen Erhöhung der Strahlentherapie-induzierten Apoptose, des wei­
teren werden TNF-Rezeptoren hochregu­
liert mit konsekutiv verstärkter Wirksamkeit
des radiogen induzierten Tumor-NekroseFaktors sowie einer Reduktion der DNA-Repair-Kapazität. Die antiangiogenetische
Wirkung basiert vor allen Dingen auf der
Herunterregulierung von bFGF-mRNA mit
einer Antagonisierung des radiogen indu­
zierten »basic fibroblast growth factor«, der
zur Reparatur strahlenbedingter Blutge­
fäßschäden vom System selbst ausge­
schüttet wird.
Der deutliche Einfluß von Interferon-ß auf
die Angiogenese konnte von Plaßwilm et al.
(39) 1996 gezeigt werden, der am extra­
embryonalen Dottersackgefäßsystem des
Hühnerembryos die Area vasculosa lokal
mit Interferon-ß behandelte und die Ände­
rung der Gefäßdichte videomikroskopisch
erfaßte. Nach Applikation von Interferon-ß
kam es im Vergleich zu unbehandelten Kontrolleiern zu einer signifikanten Abnahme
der Gefäßdichte (p < 0,005). 48 Stunden
nach Gabe des Interferon-ß zeigte sich ein
deutlicher Rückgang des mitochondrialen
Stoffwechsels. Damit konnte eindeutig die
Abnahme des Zellstoffwechsels durch ß-lnterferon nachgewiesen werden.
Die Differenzierungsinduktion durch Inter­
feron führt zu einer langfristigen Inaktivie­
rung von Tumorzellen, verstärkt in der Kom­
bination mit Retinoiden (43).
Das iatrogen applizierte Interferon trifft im
Körper des Patienten, der bestrahlt wird,
bereits auf eine aktivierte Zytokin-Kaskade,
die durch die Strahlentherapie im Patien­
ten induziert wird.
Ionisierende Strahlung kann sowohl am
Normalgewebe als auch am Tumorgewebe
selbst eine Zytokin-Kaskade auslösen, wei9
rumkonzentration von TNF-a korrelierte mit
der Ausprägung der interstitiellen Pneumo­
nitis, der Schädigung der Leber und der Nie­
renleistung.
Rübe et al. konnten bereits 1996 nachweisen, daß an verschiedenen Ewing-SarkomZell-Linien in vitro und in vivo im Xenografttransplantat der Nacktmaus eine
strahleninduzierte, zeit- und dosisabhängi­
ge Steigerung der TNF-a-Produktion so­
wohl auf Protein als auch auf mRNA-Ebene
beobachtet werden kann; dabei trat das
Maximum der Proteinexpression nach 24
bis 36 Stunden, das der mRNA-Expression
nach 6 bis 12 Stunden auf (46).
Vor allem in der Lunge werden durch Strah­
lentherapie zahlreiche Zytokine wie TGF-«,
TGF-ß, EGF, lnterleukin-1 und lnterleukin-6
sowie Tumor-Nekrose-Faktor-a freigesetzt.
terhin zugeführte Zytokine können in die­
sem Netzwerk synergistisch, supraadditiv
oder auch inhibierend wirken.
Durch eine Strahlentherapie wird die Tran­
skription von Genen für Platelet-derivedgrowth-factor (PDGF), Tumor-NekroseFaktor-a, lnterleukin-1 und TGF-ß initiiert.
Es erfolgt dadurch eine deutliche Aktivie­
rung von Makrophagen, Fibroblastenproli­
feration sowie Reaktionen an den Endo­
thelzellen mit konsekutiver weiterer Aus­
schüttung von Zytokinen wie GM-CSF, GCSF und CSF (Abbildung 1). Die Ausschüt­
tung dieser Zytokine war besonders bei Pa­
tienten nachweisbar, die eine fraktionierte
Ganzkörperbestrahlung vor Knochenmark­
transplantation erhielten. Insbesondere
wiesen diese Patienten einen deutlich er­
höhten TNF-a-Serumspiegel auf. Die Se­
io n is ie r e n d e S tr a h le n
/
Induktion und Synthese von
bzw. Aktivierung von
NFkB
fos, jun
/
API-responsible element
Transkription von Genen für
TNF-a
IL-1
IGF-1
PDGF
Fibroblastenproliferation, Fibroblastenrecruitment, Makrophagenaktivierung,
Makrophagenwanderung, Endothelzelle
__________________ i __________________
Lokale Mediatorenfreisetzung (PDGF-ß, bFGF, GM-CSF, G-CSF, M-CSF)
i
Strahlenprotektion oder Strahlensensibilisierung
Abbildung I.
10
Diese Zytokine wirken sowohl strahlenpro­
tektiv als auch strahlensensibilisierend und
sind verantwortlich für die Strahlenreakti­
on im Bereich der Lunge, insbesondere für
die frühzeitig einsetzende Strahlenpneumonitis auch außerhalb des Strahlenfeldes
sowie die konsekutive Strahlenfibrose.
Rodemann konnte 1996 zeigen, daß TCF-ß
das Hauptzytokin darstellt, das einen früh­
zeitigen, terminalen Differenzierungspro­
zeß von Vorläufer-Fibroblasten in die post­
mitotischen Fibrozyten moduliert. Bedingt
durch diese radiogene Synthese von TGF-ß
in den Fibroblasten sowie an benachbarten
Zellsystemen, z.B. den Typ-Il-Pneumozyten, kommt es zur Induktion und Pro­
gression der radiogenen Fibrose der Lunge
durch frühzeitige terminale Differenzierung
( 4 3 ).
Die zusätzliche Verabreichung von Wachs­
tumsfaktoren bzw. von Interferonen in der
Radioonkologie kann in diesem komplizier­
ten Netzwerk sowohl zu verstärkter tumorizider Wirkung als auch zu verstärkter un­
erwünschter Wirkung am Normalgewebe
führen (36).
Der mögliche überadditive Effekt von Inter­
feron und Strahlentherapie ist daher als
eine Kombination aller Einzeleffekte zu se­
hen. Verkomplizierend kommen dabei noch
die Interferon-spezifischen Aktivitäten hin­
zu, die einerseits dosisabhängig sind, aber
auch abhängig vom Tumortyp, vom Inter­
ferontyp und damit sowohl eine individuel­
le als auch intraindividuelle Heterogenität
bewirken können.
Präklinische Studien
In präklinischen Studien wurde bereits seit
1982 über die Wirkungsverstärkung der
Strahlentherapie durch Typ-1-lnterferone
berichtet (Tabelle I). Nederman (35) zeigte
1982 bei Glioblastomzellen mit a-lnterferon einen additiven Effekt zur Wachstums­
inhibierung. Zu erwähnen sind auch die Ar­
beiten von Chang (1987) (5-7) an Nieren-
zellkarzinom-Zellen mit sowohl a-, ß- als
auch y-lnterferon, die alle eine deutliche
Verstärkung der Radiatio durch einen
G2/M-Arrest nachwiesen. Am potentesten
war hier das ß-lnterferon. In Deutschland
haben sich mehrere strahlentherapeutische
Einrichtungen mit dem Wirksamkeitsnach­
weis der Potenzierung der Radiatio durch
Interferone befaßt (13, 49, 60). An zahlrei­
chen Zell-Linien von soliden Tumoren, Pleu­
ramesotheliom, Plattenepithelkarzinomen
des HNO-Bereichs, Weichteilsarkomen und
Mammakarzinomen konnte eine deutliche
Verstärkung der Strahlentherapie nachge­
wiesen werden, am deutlichsten auch hier
der Effekt für das natürliche und das rekombinante ß-lnterferon.
Hervorzuheben ist die Arbeit von Stuschke
etal., 1996 (49), der die modulierenden Ef­
fekte von humanem rekombinantem Interferon-ß und Retinsäure im Hinblick auf die
Strahlenempfindlichkeit und das Wachstum
an multizellulären Sphäroiden von SarkomZell-Linien bei Kurzzeit- und Langzeitexpo­
sition untersuchte. Die Sphäroide der Sar­
komlinien wurden dabei in Langzeitexposi­
tion, d.h. in Imitation der klassischen Strah­
lentherapiesituation, mit 2 Gy pro Fraktion
über 28 Tage bestrahlt. Simultan dazu wur­
de rekombinantes ß-lnterferon oder Re­
tinsäure oder die Kombination von beidem
gegeben. Hierbei zeigte sich, daß der
wachstumsverzögernde Effekt von rekom­
binantem Interferon-ß und Retinsäure bei
Langzeitexposition supraadditiv war und
deutlich größer als bei Kurzzeitexposition.
Hauptmechanismus für die Wachstumsinhi­
bierung war die terminale Differenzierung
klonogener Zellen.
Die Arbeitsgruppe aus Tübingen von Rode­
mann und Hoffmann (43) untersuchte die
Kombination von Interferon, Strahlenthera­
pie und 13-cis-Retinsäure bei Platten­
epithelkarzinomen der Zervix sowie des
HNO-Bereichs. Es konnte eine supraadditi­
ve Verstärkung der Strahlentherapie durch
Interferon und Retinoide nachgewiesen
werden.
11
Tabelle I. IFN und Radiatio. Präklinische Studien.
System/Autor
IFN-Typ
Ergebnisse
Glioblastom
(Nederman, 1982)
a-IFN
additive Effekte zur Wachstumsinhibie­
rung
Bronchial-Ca.
(Gould, 1984)
a- und ß-IFN
Potenzierung der Radiatio durch ß-,
aber nicht durch a-IFN
Nierenzell-Ca.
(Chang, 1987)
a- und ß- und y-IFN
Potenzierung der Radiatio, G2/M-Arrest
Zervix-Ca.
(Angioli, 1993)
a- und ß-IFN
Potenzierung der Radiatio
Pleuramesotheliom
(Zopf, von Lieven, 1996)
rek.-a-IFN
n.-ß-IFN
deutlicher zytotoxischer Effekt von ßIFN und Radiatio, kein Effekt für a-IFN
Plattenepithelkarzinom (HNO);
Weichteilsarkom
(Wildfang, Gründel, 1996)
n.+ rek.-a-IFN
n.+ rek.-ß-IFN
y-IFN
Potenzierung der Radiatio für n. + rek.ß-IFN
Plattenepithel-Ca. (ZMK)
Mamma-Ca.
(Busch, Rave-Fränk, 1996)
n.-ß-IFN
deutlicher Effekt für ZMK-Zellen, Faktor
1.5, auch MCF7,
Potenzierung der Radiatio
Plattenepithel-Ca. (ZMK)
(Rave-Fränk, Schmidberger,
Hess, 1996)
n.-ß-IFN
Potenzierung der Radiatio,
Induktion von Apoptose bei höheren
Konzentrationen
Sarkom-Sphäroide
(Stuschke, 1996)
rek.-ß-IFN ±
Retinoide
Potenzierung der Radiatio bei Langzeit­
exposition, supraadditiv bei Langzeitex­
position IFN + RA
Plattenepithel-Ca. (Zervix);
Plattenepithel-Ca. (HNO)
(Rodemann, Hoffmann, 1996)
rek.-a-IFN + 13-cisRetinsäure
supraadditive Potenzierung der Radiatio
Klinische Studien
Seit 1985 sind klinische Studien zur Über­
prüfung der Wirksamkeit der Kombination
Interferon und Strahlentherapie durchge­
führt worden (Tabelle II). Wichtig ist die Ar­
beit von Holsti et al. (1987) (17) bei klein­
zeiligem Bronchialkarzinom. Hierbei wurde
a-lnterferon intravenös eingesetzt, simul­
tan zur Strahlentherapie des Mediastinums
mit 55 Gy. Es ergaben sich deutliche An­
sprechraten im Strahlenfeld, aber eine aus­
geprägte Toxizität mit Lungenfibrosen Grad
•III, 5 von 6 Patienten starben durch eine
progrediente Lungenfibrose. 1993 behan­
delten Mc Donald und Chang (28) Patien­
ten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzi­
12
nom im Stadium III und IV mit rekombinantem ß-lnterferon intravenös, Woche 1, Tag
1 bis 3 und Woche 4, Tag 22 bis 24 simul­
tan zur Strahlentherapie des Mediastinums.
Es zeigte sich ebenfalls ein deutliches An­
sprechen im Strahlenfeld mit einer objekti­
ven Remissionsrate von 70%. Hervorzuhe­
ben ist das Langzeitüberleben; das 3-Jahres-Überleben betrug 29%, dieses blieb als
Plateau mit 29% 5-Jahres-Überleben be­
stehen, im Vergleich zu einer historischen
Kontrollgruppe ergab sich ein signifikanter
Überlebensvorteil. Interessanterweise wa­
ren die Toxizitäten der Kombinationsthera­
pie mit ß-lnterferon im Gegensatz zur Ar­
beit von Holsti mit a-lnterferon gering. Der
guten Wirksamkeit von Typ-I-Interferonen
Tabelle II. IFN und Radiatio. Klinische Studien.
Diagnose/Autor
Radiatio-/IFN-Dosis
Ergebnisse
Solide Tumoren
(Torrisi, 1986)
a-IFN, 2-30 Mio. I.E./m2 i.v.,
3-5 xAA/o., 2h vor Radiatio
hohe Ansprechrate
Solide Tumoren
(Medenica, 1985)
ß-IFN, 1-10 Mio. I.E./m3 i.v.
hohe Remissionsrate bei Pro­
stata- und Mammakarzinom
Kleinzelliges Bronchial-Ca. SCLC
(Holsti, 1987)
a-IFN, 80 Mio. I.E., d 1-5 i.v.
=> 6 Mio. I.E./die i.m. bis zur
Strahlendosis von 55 Gy
erhöhte Ansprechraten,
ausgeprägte Toxizität:
Lungenfibrose °ill
NSCLC III u. IV
(Chang, 1993)
ß-IFN, 10-90 Mill. IU i.v.
Tag 1-3 und Tag 22-24 +
Standard-Radiotherapie
Ansprechen im
Bestrahlungsfeld > 70%,
29% 5-Jahres-Überleben
Nicht-kleinzelliges Bronchial-Ca.
Stadium III B
(Mc Donald, 1993)
rek.-ß-IFN 10-90 Mio. I.E. i.v.
3 x/Woche +
60 Gy Mediastinum
80% PR,
nach 3-5 Jahren 45%
Langzeitüberleben
Nicht-kleinzelliges Bronchial-Ca.
Stadium III A/B
(Shaw, 1995)
y-IFN 0,2 mg/d s.c. +
2 x/d 1,5 Gy ad CD 60 Gy
50% schwere/lebensbedrohliche NW (Lunge)
Plattenepithel-Ca.
lokal fortgeschritten
(Pereira, 1997)
3 x 106 I.E. rek.-a-IFN s.c.
+ 44 Gy kleines Becken
+ Boost
Dosiseskalation von IFN
2 CR, 5 PR, 2 NC
6 Grad-Ill-Toxizitäten,
1 letale G-I-Blutung,
ausgeprägte Tox.; Normalgewebe
Hirnstamm-Gliom (Kinder)
(Packer, 1996)
100 x 106 I.E./m2 rek.-ß-IFN i.v. 30/32 Pat. progredient,
progressionsfreies Intervall:
+ 72 Gy hyperfraktioniert
(1 Gy/Frakt.)
5 Monate;
Dosiseskalation,
13 Pat. Grad-Ill-Toxizität
Erhaltungstherapie
(Leber, Hämatotox.)
Bronchial-Ca., inoperabel
(Byhardt, 1996)
12 x 106 I.E./m2 rek.-ß-IFN
täglich s.c. + 60 Gy
Dosiseskalation
1/15 CR, 6/15 PR, 6/15 NC,
1 letale Pneumonitis
Nicht-kleinzelliges Bronchial-Ca.
Stadium III B
(Habermalz, 1998)
5 x 106 I.E. n.-ß-IFN i.v.
Tag: 1,2, 3;
Woche: 1,3, 5 + 59,4 Gy
4/14 CR, 7/14 PR,
med. Überleben 14 Monate;
1. Jahr: 56%; 2. Jahr: 38%;
3. Jahr: 38%
steht eine Arbeit von Shaw et al. aus dem Jahr
1995 gegenüber, der y-lnterferon subkutan
mit einer hyperfraktionierten Strahlenthe­
rapie im Mediastinum mit 60 Gy kombi­
nierte. 50% der Patienten erlitten schwere
Nebenwirkungen im Bereich der Lunge, es
kam ebenfalls zu therapiebedingten Todes­
fällen (29). Byhardt et al. (4) kombinierten
rekombinantes ß-lnterferon mit einer Mediastinalbestrahlung von 60 Gy bei nicht­
kleinzelligem Bronchialkarzinom, 7 von 15
Patienten erreichten eine objektive Remis­
sion. Ein Patient erlitt eine Pneumonitis, die
zum Tode führte. Habermalz et al. (2) über­
prüften 1998 beim nicht-kleinzelligen Bron­
chialkarzinom die Kombination von natürli­
chen Interferonen, i.v. gegeben, mit einer
Radiatio von 60 Gy im Mediastinum. Es er­
gab sich ein gutes Tumoransprechen mit
11/14 objektiven Remissionen, einer mitt­
leren Überlebenszeit von 14 Monaten und
einem bisher 38%igen 3-Jahres-Überleben.
13
Zusammenfassend kann man aus diesen
frühen klinischen Studien folgende Schluß­
folgerungen ziehen:
a-lnterferon scheint, systemisch gegeben,
im Gegensatz zu rekombinantem und natür­
lichem ß-lnterferon deutlich toxischer in der
Kombination mit Strahlentherapie zu sein.
Es führt in hohen Dosen zu gefährlichen Ne­
benwirkungen am Normalgewebe, vor allen
Dingen in der Lunge, y-lnterferon ist wegen
seiner immunmodulierenden Eigenschaften
als Strahlensensitizer wenig geeignet. Die
systemische Gabe von Typ-I- und Typ-Il-Interferonen zur Strahlensensibilisierung ist
eine interessante Therapiemodalität, die
ausgeprägten, z.T. letalen Nebenwirkungen
derTherapie bei Bestrahlung im Bereich der
Lunge erfordern weitere kontrollierte klini­
sche Studien.
Intratumorales Interferon
Für die strahlensensibilisierende Wirkung von
Interferonen ist eine eindeutige Dosisabhän­
gigkeit nachgewiesen worden, sowohl für den
antiproliferativen, den antiangiogenetischen
Effekt und die Hochregulierung von Tumor-
Abbildung 2. Mittlere Serumund Gewebekonzentrationen
nach einmaliger intratumoraler
Gabe von 6 Mio. I.E. rekom­
binantem Interferon-a bzw.
1 Mio. I.E. natürlichem Interferon-ß.
□ ------- □ ß-IFN Gewebespiegel;
O------- Q ß-IFN Serumspiegel;
• -------- • a-IFN Gewebespiegel;
■-------- ■ a-IFN Serumspiegel.
14
Nekrose-Faktor-a. Die Differenzierungsin­
duktion durch Interferon ist nach vorliegen­
den Literaturdaten nicht dosisabhängig.
Um die dosisabhängigen Effekte des Inter­
ferons ausnutzen zu können, wurde schon
sehr früh in Studien die direkte Applikation
von Interferonen in den Tumor eingesetzt
(3, 20-24, 45). Dabei spielt die Gewebeständigkeit der einzelnen Interferone eine
zentrale Rolle; je länger ein Interferon im
Tumor wirken kann, desto ausgeprägter
die antitumorale Wirkung. Wichtig ist
die Glykosylierung der Interferone für die
Gewebeständigkeit und Pharmakokinetik.
Während natürliches ß- und y-lnterferon
glykosyliert sind, haben die a-lnterferone
keine Zuckerreste. Das natürliche ß-lnterferon weist dabei aufgrund seiner hohen Lipophilie und der längeren Gewebeständig­
keit gegenüber allen anderen Interferonen
einen deutlichen Vorteil auf (bis zu 24 Stun­
den meßbare Wirkspiegel im Gewebe beim
Interferon-ß). Konsekutiv sind die systemi­
schen Interferonspiegel nach intratumoraler Interferon-ß-Gabe kaum nachweisbar im
Gegensatz zum Interferon-a. Dieses hat ei­
nen entscheidenden Einfluß auf die Häufig­
keit des Auftretens von Nebenwirkungen.
Das lnterferon-y hat eine dem Interferon-ß
ähnliche Gewebeständigkeit, seine Wirkun­
gen sind aber weniger direkt antiprolifera­
tiv als vielmehr durch eine multimodale im­
munstimulierende Wirkung zu erklären.
In präklinischen Studien konnte Kimoto et
at. (1987) (25, 26) zeigen, daß die intratumorale Applikation von Interferonen gegen­
über allen anderen Applikationsarten (sub­
kutan, i.m., i.v. und intraperitoneal) in der
Lage war, bei Magen- und Mammakarzinom
tragenden Nacktmäusen das Tumorwachs­
tum effektiv zu inhibieren. Am deutlichsten
war dieser Effekt für das rekombinante und
das natürliche ß-lnterferon. Von Wussow et
al. wies 1988 bei intratumoraler Applikati­
on von a-lnterferon in Melanommetastasen
nach, daß die Gewebehaltbarkeit von a-ln­
terferon gegenüber dem Blutserumtiter
Tabelle III. Literaturübersicht zur intraläsionalen
Therapie mit a-, ß- und y-lnterferon. Dosierung:
0,1-10 Mio. I.E./Applikation.
Tumorentität
n Pat.
CR (%) CR/PR (%)
Mammakarzinom 34
Hirntumoren
84
Zervixkarzinom
43
HNO-Tumoren
63
Hauttumoren
337
Kaposi-Sarkom
13
44
2
42
36
55
23
65
26
66
55
69
46
Insgesamt
35
57
574
deutlich bis zu 24 Stunden im Tumor erhöht
war (59).
Frühe klinische Arbeiten mit intraläsionaler
Injektion von Interferonen zeigten sowohl
für a-, ß- als auch y-lnterferon, daß trotz
deutlich unterschiedlicher Dosierungen,
Therapiedauer und Interferontyp bei Pati­
enten mit den Tumorentitäten wie Mamma­
karzinom,
Hirntumor, Zervixkarzinom,
HNO-Tumor, Hauttumoren und Kaposi-Sar­
kom immerhin bei 574 Patienten eine kom­
plette Remission in 35% der Fälle erreicht
werden konnte und eine objektive Remissi­
onsrate von 57% zu verzeichnen war. Trotz
der Heterogenität dieser Studien ergibt sich
ein eindeutiger Wirksamkeitsnachweis für
die direkte intratumorale Gabe von Inter­
feronen bei soliden Tumoren (s. Tabelle III).
In Hannover haben wir von 1986 bis 1991
ein einheitliches Standard-Therapieregime
für die intratumorale Therapie überprüft
(10). Dabei haben wir uns ein Schema mit
hoher Interferondosierung gewählt: 3 x 5
Mio. I.E. Interferon intratumoral pro Wo­
che. Wir hatten uns für ß-lnterferon auf­
grund der höheren Lipophilie mit der damit
verbundenen höheren Gewebehalbwertzeit
und der damit konsekutiv zu erwartenden
größeren Wirksamkeit entschieden. Die
Einschlußkriterien der Patienten waren ge­
nau definiert, alle Patienten sollten am Ort
ihrer Läsionen progredient sein, stan­
dardtherapeutische Optionen wie weitere
Strahlentherapie, Chemotherapie und/oder
15
Tabelle IV. Ergebnisse der unizentrischen Studie »natürliches Interferon-ß intratumoral bei Metasta­
sen solider Tumoren« (Hannover, 1987-1992).
Histologie
Patientenzahl
Tumorgröße
CR/PR (%)
HNO-Tumoren
Mammakarzinom
Weichteilsarkome
Kolorektale Karzinome
Andere
16
14
8
8
14
4-12
4-12
4-13
5-14
4-15
25
64
56
78
41
Insgesamt
60
4-15
50
Operation sollten als therapeutische Mög­
lichkeit nicht mehr bestehen. Der Tumor
sollte gut zu punktieren sein. Die Ergebnis­
se dieser ersten Phase-Il-Studie mit intratumoralem ß-lnterferon brachten immerhin
bei 50% der Patienten noch eine komplet­
te oder partielle Remission, angesichts der
deutlichen Vorbehandlung der Patienten
und der im Median 46 Wochen anhalten­
den Remission bei Therapieansprechen ein
ermutigendes Ergebnis. Hervorzuheben ist
weiterhin, daß bei 42 von 60 Patienten das
lokale Problem, verursacht durch das Lo­
kalrezidiv oder die Metastase, Leitsymptom
war. Immerhin 42 von 60 Patienten hatten
einen Karnofsky-Index von über 80% und
waren damit in einem sehr guten Allge­
meinzustand, allerdings deutlich einge­
schränkt durch Schmerzen, Exulzeration
und Kompression. Jegliche Histologie soli­
der Tumoren war vertreten, es konnte kei­
ne Bevorzugung einer Histologie festge­
stellt werden (s. Tabelle IV).
Intratumorales Interferon und
Radiatio
terferonen nutzten wir bei der intratumoralen Applikation von Interferon mehrere Ef­
fekte gleichzeitig aus: den dosisabhängigen,
antiproliferativen und antiangiogenetischen
Effekt sowie den radiosensibilisierenden Ef­
fekt von Interferon, der auch im Niedrigdo­
sisbereich nachzuweisen ist. Die gute Er­
fahrung mit der intratumoralen Interferon­
gabe und den geringen systemischen Ne­
benwirkungen dieser Kombination ließ uns
hoffen, auch bei der Kombination mit Strah­
lentherapie (im Gegensatz zu anderen klini­
schen Studien) eine niedrige Nebenwir­
kungsrate für den Patienten zu erreichen.
Des weiteren schien es uns wichtig, daß die
intratumorale Therapie nach Beendigung
der Rezidiv-Strahlentherapie zum Remissi­
onserhalt fortgesetzt werden konnte.
Von 1992 bis 1995 führten wir eine frühe
Phase-Il-Studie durch, bei der die guten Er­
fahrungen der alleinigen intratumoralen
Therapie mit ß-lnterferon bei therapiere­
fraktären Metastasen solider Tumoren
kombiniert wurden mit einer niedrig do­
sierten Strahlentherapie bei vorbestrahl­
ten, großen Tumorrezidiven und Metasta­
sen (54,57). Therapieplan siehe Tabelle VII.
Die Tumorgröße der zu behandelnden Me­
tastasen führte dazu, daß wir bei Tumoren
über 8 cm im Durchmesser die Kombinati­
on von intratumoralem Interferon und nied­
rig dosierter Rezidiv-Strahlendosis über­
prüfen wollten. Dabei lagen uns die präkli­
nischen Arbeiten sowie einzelne klinische
Studien zugrunde (Tabellen I und II).
Gegenüber der systemischen Gabe von In-
Es wurden 20 Patienten in diese Phase-IlStudie eingeschlossen, 7 HNO-Tumoren,
6 Weichteilsarkome, 3 Mammakarzinome,
3 kolorektale Karzinome und 1 Patient mit
Ösophaguskarzinom. Die Tumorgröße be­
trug im Median 8 cm2 (3 bis 25 cm2
Range) (Tabelle V).
Auch bei diesen ausgedehnt vorbehandel­
ten Patienten konnten mit Hilfe der Kombi-
16
Tabelle V. Intratumorales Interferon und Radiatio. Klinische Studien.
Diagnose/Autor
Radiatio-/IFN-Dosis
Malignes Melanom,
LK-Metastasen
(Brannenburg, 1997)
n.-ß-IFN 5 Mio. I.E. i.t. 3 x/Woche +50-60 Cy 6/8 CR, 2 PR
Vorbehandelte, solide
Tumoren,
Rez. + Metastasen
(Wildfang, 1995)
n.-ß-IFN 5 Mio. I.E. i.t. 3 x/Woche +30-40 Cy
nation ß-lnterferon und Strahlentherapie
deutliche Remissionen erreicht werden, 3
von 20 Patienten erhielten eine komplette
Remission, 9 von 20 eine partielle Remissi­
on, 4 von 20 ein No change, 4 von 20 Pa­
tienten einen Progreß. Das mediane pro­
gressionsfreie Intervall betrug bei diesen
Patienten 46 Wochen bei Therapieansprechen. Die systemische Toxizität war gering,
10 von 20 Patienten klagten zu Beginn der
Therapie über leichtes Fieber, welches sich
aber mit Paracetamol (500 mg), gut be­
herrschen ließ. Fünf von 20 Patienten klag­
ten über Schmerzen am Ort der Injektions­
stelle, 8 von 20 Patienten zeigten eine Rö­
tung CTC Grad I am Ort der Injektion.
Über gute Erfahrungen in der intratumoralen ß-lnterferon-Therapie in Kombination
mit Strahlentherapie berichten auch Bran­
nenburg et al. 1997 (Tabelle V). Dort wur­
den große Lymphknotenmetastasen an
malignen Melanomen im gleichen Thera­
pieschema behandelt, 6 von 8 Patienten er­
reichten trotz Vorbehandlung eine kom­
plette Remission, 2 Patienten eine partiel­
le Remission mit ebenfalls lang anhaltender
Dauer.
Intratumorales Beta-Interferon und
Radiatio bei Weichteilsarkomen
Die guten klinischen Ergebnisse der Kom­
bination von intratumoral gegebenem
natürlichem ß-lnterferon und niedrig do­
sierter Strahlentherapie bei vorbestrahlten
Patienten, insbesondere bei Patienten mit
Ergebnisse
3/20 CR, 9/20 PR,
4/20 NC, 4/20 Progreß
Weichteilsarkomen, wollten wir in einer
Phase-Il-Studie bei Patienten mit fortge­
schrittenen, vorbehandelten Weichteilsar­
komen überprüfen (56, 57). Richtungswei­
send hierfür waren auch die Arbeiten von
Stuschke (49) bei Sphäroiden von Weich­
teilsarkomen, die in der Kombination von
rekombinantem ß-lnterferon und Radiatio
in der Langzeitexposition eine supraadditi­
ve Wirkung ergaben. Eigene In-vitro-Daten
(13) wiesen ebenfalls auf einen supraaddi­
tiven Effekt bei der Kombination von Inter­
feron und Radiatio bei Weichteilsarkomen
hin. Die Einschlußkriterien in dieser PhaseIl-Studie bei ausgedehnten Weichteilsarko­
men zeigt Tabelle VI.
Tabelle VI. ß-IFN + Radiatio bei Weichteilsarkom
- Einschlußkriterien.
-
histologisch gesichertes Weichteilsarkom bei
unvorbehandelten Patienten:
- klinisch grenzwertig (R2) operabler
Tumor oder
- nicht Extremitäten-erhaltend operabler
Tumor oder
- nicht nachbestrahltes, irresektables
Lokalrezidiv
- bei vorbehandelten Patienten
- Rezidiv-Strahlendosis von 26-36 Gy
noch möglich
-
keine adäquate Therapieoption für Chemo­
therapie, lokoregionale Extremitätenperfu­
sion oder erneute OP
einer lokalen Therapie zugänglichen Tumor­
lokalisation
dokumentierter Progreß der Tumorlokalisa­
tion
biologisches Alter s 80 Jahre
-
17
Tabelle VII. ß-IFN + Radiatio bei Weichteilsarkom - Therapieregime.
Induktionsphase: Woche 1 + 2
5 Mio. I.E. nat. ß-IFN intratumoral 3 x/Woche
Therapiephase: ß-IFN + Radiatio
Woche 3-7/9
5 Mio. I.E. nat. ß-IFN intratumoral 3 x/Woche
+
Radiatio der Tumorlokalisation (1,8 Gy, 4 x/Woche,
Dosis je nach Vorbehandlung)
4*
Woche 9-12
Fortsetzung der intratumoralen Therapie je nach Tumoransprechen mit 5 Mio. I.E. nat. ß-IFN intratumoral 3 x/Woche
ab Woche 12
Erhaltungstherapie mit 5 Mio. I.E. nat. ß-IFN intratumoral
1 x/Woche, evtl. Planung einer OP
Das Therapieregime entsprach dem Sche­
ma der ersten Kombinationsstudie mit 3 x
5 Mio. I.E. natürlichem ß-lnterferon intra­
tumoral 3 x/Woche als Induktionsphase in
Woche 1 und 2, ab der 3. Woche Kombi­
nation von ß-lnterferon und Strahlenthera­
pie unter Ausnutzung der Rezidivdosis je
nach Vorbehandlung, anschließend Fort­
setzung der intratumoralen Therapie mit
3 x 5 Mio. I.E. pro Woche bis Woche 12,
anschließend Erhaltungstherapie, bei sehr
gutem Tumoransprechen eventuell Überle­
gungen einer operativen Resektion.
In die Studie wurden 16 Patienten aufge­
nommen. Das mittlere Alter lag bei 42 Jah­
ren mit einem Range von 19 bis 72 Jahren,
7 männliche Patienten, 9 weibliche Patien­
ten, der mittlere Tumordurchmesser betrug
11 cm mit einem Range von 3 bis 25 cm.
Histologieverteilung siehe Tabelle VIII.
Tabelle VIII.
-
3 Angiosarkome
3 Leiomyosarkome
3 maligne fibröse Histiozytome
2 Fibrosarkome
1 epitheloides Sarkom
1 neurogenes Sarkom
1 Liposarkom
1 Rhabdomyosarkom
1 malignes Schwannom
18
Alle Patienten waren vorbehandelt. 16 von
16 Patienten waren bereits operativ be­
handelt worden, im Median hatten die Pa­
tienten schon zwei Tumorresektionen er­
halten (mit einem Range von 1 bis 7 Re­
sektionen). 13 von 16 Patienten waren be­
reits chemotherapiert, 9 von 16 hatten zwei
oder mehr Therapieprotokolle erhalten.
Zwölf von 16 Patienten waren vorbestrahlt,
9 von 16 hatten eine Dosis von 40 und 60
Gy im Bereich der jetzt progredienten
Tumorläsion erhalten, 3 von 16 zwischen
60 und 90 Gy.
Die Ergebnisse dieser Studie waren eben­
falls sehr ermutigend. Vier von 16 Patien­
ten erreichten eine komplette Remission
mit durchaus lang anhaltender Dauer (Ta­
belle IX), 6 von 16 Patienten eine partielle
Remission mit einer medianen Dauer von
18 Monaten und einem Range von 6 bis 36
Monaten. Bei 4 Patienten wurde ein No
change erzielt, 2 Patienten von 16 waren
unter der Therapie progredient. Jeweils ein
Patient mit einer kompletten und ein Pati­
ent mit einer partiellen Remission wurden
funktionserhaltend operiert. Die nicht vor­
her geplante Tumorresektion konnte bei
beiden Patienten mit einer RO-Resektion
abgeschlossen werden, die Patienten sind
beide bis heute rezidivfrei (s. Patientenbei­
spiele 2 und 3).
Die Toxizität der Therapie war gering (Ta­
belle X). Sechs von 16 Patienten klagten zu
Beginn der Therapie über leichtes Fieber,
WHO Grad I, 5 von 16 über Abgeschlagenheit, Grad I; 3 von 16 Patienten über Ap­
petitlosigkeit. Die lokalen Toxizitäten waren
mäßig, 4 von 16 Patienten klagten über
Schmerzen Grad I bis II am Ort der Injekti­
on, bei 2 Patienten trat eine Superinfekti­
on Grad II ein, 10 von 16 Patienten hatten
ein Erythem Grad I bis II am Ort der Injek­
tion.
Im folgenden soll auf 3 Patientenbeispiele
genauer eingegangen werden, um den Stel­
lenwert der Kombination von intratumoralem ß-Interferon und Strahlentherapie für
Einzelfälle bei fortgeschrittenen Weichteil­
sarkomen herauszuarbeiten.
Tabelle IX. ß-IFN intraläsional + Radiatio bei
Weichteilsarkomen - Ergebnisse.
CR
PR
No change
PD
4/16a
6/16a
4/16
2/16
1,4, 5, 7 + Jahre
18 Monate + (6-36 +)
4, 8, 12, 15 Monate
a2 Patienten wurden funktionserhaltend ope­
riert (2 x R0)
Tabelle X. ß-IFN intraläsional + Radiatio bei
Weichteilsarkomen - Toxizitäten.
Systemische Toxizitäten:
Fieber WHO °l
Abgeschlagenheit WHO °l
Appetitlosigkeit WHO °l
Lokale Toxizitäten:
Schmerzen WHO °l-ll
Infektion WHO °ll
Erythem WHO °l-ll
6/16
5/16
3/16
4/16
2/16
10/16
Patientenbeispiele
I. Patient:
P. H., Alter 73 Jahre, histologisch:
Angiosarkom der linken Gesichtshälfte mit
Lymphknotenmetastasen links zervikal
06/94
Erstdiagnose, multiple
Resektionen
05/96-06/96 Vorbestrahlung des linken
Gesichts und Schädelbe­
reichs mit 56 Gy in einem
auswärtigen Krankenhaus.
04/97
Erstvorstellung des Patien­
ten in der Medizinischen
Hochschule Hannover,
04/97
Einleitung einer kombinier­
ten Beta-lnterferon-/Strahlentherapie. Therapieplan
3 x 5 Mio. I.E. Beta-Inter­
feron intratumoral plus ab
der 3. Woche Rezidiv-Radiatio mit 36 Gy.
Abbildung 3a und b. Patient bei Erstvorstellung
04/97.
19
Abbildung 3c und d. CT-Bilder des Patienten vor Therapie.
Abbildung 3e und f. Patient 3 Monate nach Therapie, gute Rückbildung des Primärtumors und der
Lymphknotenmetastase.
20
2. Patient:
M. M., 18 Jahre; histologisch: epitheloides
Sarkom links supraklavikulär mit Infiltration
der Thoraxwand.
Abbildung 4a. Prätherapeutisches MR bei Erst­
diagnose, Empfehlung der Chirurgie: Amputati­
on des Armes mit Thoraxwandexenteration.
1 Kurs EVAIA, 2 Kurse MAID Chemotherapie,
darunter keine Remission, während des 2. MAI DKurses parallel hyperfraktionierte Radiato mit 36
Cy.
Abbildung 4b. Einleitung einer kombinierten ßInterferon/Strahlentherapie, Strahlentherapie­
dosis 30 Cy.
Abbildung 4c. Deutliche Remission des Primär­
tumors.
Abbildung 4d. Deutliche Remission des Primär­
tumors. MRT präoperativ 07/92, anschließend
Tumorresektion, RO-Resektion; Patient ist seit­
herin kompletter Remission und rezidiv-und me­
tastasenfrei.
Abbildung 4e. Postoperativer Befund.
21
3. Patient:
N. B., 21 Jahre, synoviales
Sarkom linker Innenknöchel.
1988 Erstdiagnose, seither
4 Rezidive, jeweils Tumorre­
sektionen.
Abbildung 5a-c. Erstvorsteliung: ausgedehntes Tumorre­
zidiv im Bereich des linken In­
nenknöchels mit Infiltration
der Gelenkkapsel: Laut Unfall­
chirurgen mehrerer Kliniken
keine Resektion mehr mög­
lich; Empfehlung: Amputation.
a). Beginn einer intratumoralen ß-lnterferontherapie
(Standardschema) in Kombi­
nation mit Strahlentherapie.
Strahlentherapie-Dosis: 60
Gy; anschließend Fortsetzung
der ß-lnterferontherapie bis
12/97.
b + c). Lokale Tumorremissi­
on, kein Tumor mehr nach­
weisbar, Narbengewebe,
anschließend Tumorresektion
im Bereich des linken Innen­
knöchels, RO-Resektion, kein
vitales Tumorgewebe mehr
nachweisbar. Extremitätener­
haltend operiert.
22
Diskussion und Zusammenfassung
Eine Vielzahl von präklinischen Arbeiten, ge­
rade in den letzten Jahren auch aus
Deutschland, belegt an vielen soliden Tu­
moren (HNO-Tumoren, Weichteilsarko­
men, Mammakarzinom, Pleuramesotheli­
om) (5, 6, 7, 12, 34, 35, 39, 47, 60) die
strahlensensibilisierende Wirkung von Typl-lnterferonen, insbesondere für das rekombinante und natürliche ß-lnterferon.
Die Einzeleffekte der Wirkung der Kombi­
nation von Interferonen und Strahlenthera­
pie sind noch nicht endgültig geklärt. Die Ef­
fekte scheinen sowohl den Zellzyklusarrest
zu betreffen, direkt antiproliferative Effek­
te auszunutzen, differenzierungsinduzie­
rende Anteile zu haben und auch Apoptoseinduktionen zu erzielen. Eine interessan­
te Arbeit von Clave et al. aus dem Jahre
1997 (8) berichtet, daß Strahlentherapie
die Expression von Interferon-induzierbaren Genen hervorruft. Dabei wurde eine pri­
mitive hämatopoetische Zell-Linie, die P53defizient war, bestrahlt. Die Strahlenthera­
pie führte zur Expression von lnterferon-induzierbaren Genen 48 Stunden nach Strah­
lentherapie. Des weiteren kam es zu einer
vermehrten Expression von y-lnterferon
und IRF-1. Dieses bietet eine mögliche Er­
klärung für den Synergismus von Strah­
lentherapie und Interferonen bei P53-negativen Zellen.
Frühe klinische Studien belegen ebenfalls
eine mögliche Strahlensensibilisierung
durch Typ-I-Interferone, allerdings auch
eine deutliche systemische Toxizität, die bis
zu letalen Lungenfibrosen reicht (28). In­
teressant erscheint die Arbeit beim nicht­
kleinzelligen Bronchialkarzinom im Stadium
III von McDonald und Chang (28). Das The­
rapieregime ergab eine lang anhaltende
Überlebenszeit. Wichtig ist die Plateau-Bil­
dung für die 3- bis 5-Jahres-Überlebenszeit
von 38%. Ähnlich gute Ergebnisse erreich­
te die Arbeitsgruppe von Habermalz (2) mit
natürlichem ß-lnterferon, intravenös gege­
ben, bei Patienten mit nicht-kleinzelligem
Bronchialkarzinom im Stadium III. Typ-Il-Interferon scheint aufgrund der ausgeprägten
systemischen Toxizität und der daraus re­
sultierenden strahlentherapiebedingten To­
xizität für eine Strahlensensibilisierung
nicht geeignet.
Intratumoral injiziertes natürliches ß-lnter­
feron zeigte in dem von uns durchgeführten
höherdosierten, standardisierten Therapie­
regime mit 3 x 5 Mio. I.E. ß-lnterferon pro
Woche bei der Hälfte aller Patienten mit
progredienten therapierefraktären Meta­
stasen soliderTumoren eine deutliche Wirk­
samkeit mit einer objektiven Remissionsra­
te (CR und PR) von 51%. Des weiteren be­
trug das progressionsfreie Intervall derTherapieresponder im Median 48 Wochen, so
daß von einem lang anhaltenden Benefit für
die Patienten auszugehen ist. Dabei ist
natürlich zu betonen, daß intratumoral ge­
gebenes ß-lnterferon zunächst nur eine al­
leinige lokale Therapiemaßnahme darstellt.
Legt man die Daten der Amerikanischen
Cancer Society von 1996 zugrunde, nach
der 70% aller Tumorpatienten an den Fol­
gen eines Lokalrezidives ihres Tumors ver­
sterben, kommt dem Stellenwert von intra­
tumoral injizierten ß-lnterferonen zur loka­
len Tumorkontrolle, sei es ein Lokalrezidiv
im HNO-Bereich oder ein ausgedehntes
Weichteilsarkom, eine besondere Bedeu­
tung zu.
Die Kombination von natürlichem ß-lnter­
feron, intratumoral gegeben, mit niedrig do­
sierter Strahlentherapie, im Bereich von 20
bis 30 Gy Restdosis, stellt in der Rezidivbe­
handlung von großen, vorbestrahlten thera­
pierefraktären soliden Tumoren oder Me­
tastasen eine ausgezeichnete Therapieopti­
on dar. Sie sollte, insbesondere vor erneut
anstehenden mutilierenden Operationen, in
Erwägung gezogen werden (57, 58). Daten
unserer frühen Phase-Il-Studie ergaben in
der Hälfte der Patienten eine im Median bis
zu 46 Wochen anhaltende Remission bei
verschiedenen Tumorentitäten (HNO-Tumor, Weichteilsarkom, Mammakarzinom,
kolorektales Karzinom).
23
Die Ergebnisse unserer Phase-II-Studie mit
natürlichem ß-lnterferon intratumoral und
Radiatio bei fortgeschrittenen, teilweise
vorbehandelten Weichteilsarkomen bieten
einerseits einen äußerst interessanten An­
satzpunkt für Patienten, bei denen alterna­
tiv keine Extremitäten-erhaltende Operati­
on möglich erscheint (Patienten 2 und 3),
andererseits aber auch einen guten pallia­
tiven Ansatz für Patienten mit deutlich vor­
behandeltem, progredientem Weichteilsar­
kom (s. Patient 1). Alle Therapieentschei­
dungen, vor allen Dingen bei der Primär­
behandlung von Weichteilsarkomen, bei de­
nen intratumoral gegebenes ß-lnterferon
und Strahlentherapie zum Tragen kommen
könnte, müssen natürlich mit den behan­
delnden chirurgischen Onkologen und in­
ternistischen Onkologen abgestimmt wer­
den, um den Platz im Therapiekonzept zu
definieren. So lassen sich dann aber, wie bei
den zwei jungen Patienten mit Weichteil­
sarkomen, bei denen entweder eine Thorax­
wandexenteration mit Armamputation und
Amputation des Fußes als Therapiealterna­
tive bestand, in Absprache mit allen Diszi­
plinen durch die Therapie mit ß-lnterferon
und Strahlentherapie Tumorremissionen
erzielen, die dann sogar konsekutiv, aber
primär nicht geplant, zu Extremitäten-erhaltenden Operationen bei beiden Patien­
ten führten. Beide Tumorresektionen waren
RO-Resektionen, die histologische AufarbeitungderTumoren zeigte keine vitalen Tu­
morzellen mehr. Die Remissionen halten in­
zwischen 2 bzw. 7 Jahre an.
Basierend auf diesen guten Therapieergeb­
nissen haben wir in Hannover eine multi­
zentrische Studie mit rekombinantem ß-ln­
terferon, intraläsional injiziert, und Strah­
lentherapie bei fortgeschrittenen Weich­
teilsarkomen initiiert (TabelleXI). Es soll, un­
ter Einbeziehung einer Dosisfindung, der
Stellenwert von ß-lnterferon und Radiatio
bei Weichteilsarkomen überprüft werden.
24
Tabelle XI. Multizentrische Phase-Il-Studie.
Rek.-ß-IFN + Radiatio bei fortgeschrittenem
Weichteilsarkom (Pat. n=16).
- klinisch grenzwertig operabler (R2) oder
nicht Extremitäten-erhaltend operabler
Tumor
- Dosisfindungsstudie mit drei Dosiseskalati­
onsstufen
- rek.-ß-IFN und Radiatio (60-64 Cy)
Zusammenfassend scheint die Kombination
von Interferon und Strahlentherapie eine in­
teressante Therapieoption bei soliden Tu­
moren darzustellen, insbesondere bei
Weichteilsarkomen, Zervixkarzinom oder
HNO-Tumoren. Sie sollte in weiteren klini­
schen Studien überprüft werden. Des wei­
teren sind neue Therapieoptionen denkbar
unter Kombination von ß-lnterferon und
Strahlentherapie mit neuen Zytostatika wie
den Taxanen (Taxol, Taxotere) wöchentlich
gegeben oder Gemcitabine wöchentlich.
Zopf et al. (60) berichteten bereits 1996
über den synergistischen zytotoxischen Ef­
fekt von ß-lnterferonen und Taxol beim
Pleuramesotheliom.
Die Frage der optimalen Dosierung, des Ti­
mings und der Sequenz der einzelnen The­
rapiemaßnahmen ist bisher nicht geklärt. Es
werden noch weitere präklinische Untersu­
chungen zum Wirkungsmechanismus not­
wendigsein, besondersauch im Hinblickauf
die Apoptoseinduktion.
Die Kombination von ß-lnterferon und
Strahlentherapie stellt aber schon heute für
den einzelnen Patienten mit fortgeschritte­
nen, therapierefraktären Metastasen soli­
der Tumoren oder ausgedehnten Lokalrezi­
diven eine sinnvolle Therapieoption dar und
sollte bei palliativer Intention immer in die
Planung eines Therapiekonzeptes einbezo­
gen werden.
Die Integration der Kombination von ß-ln­
terferon und Strahlentherapie in das primä­
re Therapiekonzept, z.B. bei fortgeschritte­
nen Weichteilsarkomen, erscheint ebenfalls
hoch interessant und wird zur Zeit in einer
multizentrischen Studie überprüft. Das Ziel,
dabei eine dauerhafte lokale Kontrolle oder
eventuell eine Extremitäten-erhaltende
Operation noch durchführen zu können,
sollte Anlaß sein, diese ausgesprochen in­
teressante Substanz für den Radioonkolo­
gen weiter zu untersuchen.
8
Literatur
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Für die Verfasser:
Dr. med. I. Wildfang
Abt. Strahlentherapie u. spez. Onkologie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
D-30625 Hannover
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