Antworten auf den Klimawandel Wie sollte der Staat CO2 Emissionen regulieren? Warum kommt es zu globaler Erwärmung? Welche Folgen hat das? Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 2 Quelle: Wikipedia Die Welt erwärmt sich durch die CO2 Konzentration in der Atmosphäre Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 3 Quelle: Wikipedia Erwarteter Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur Erwartete weltweite Erwärmung (Stern 2006): Bis 2035: 2°C Bis 2100: 5°C Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 4 Quelle: Nordhaus (2008) Erwartete Kosten der globalen Erwärmung Erwartete Kosten (Stern 2006): 5%-10% des weltweiten Bruttosozialprodukts IPCC: Intergovernmental Panel on Climate Change DICE: Dynamic Integrated ClimateEconomy Model (Nordhaus) Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 5 Warum sollte der Staat eingreifen? Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 6 Theorie: Externe Effekte Beispiel: Ein Zementwerk verursacht bei der Produktion von Zement CO2 Emissionen. Dadurch trägt das Unternehmen zur globalen Erwärmung bei und verursacht soziale Kosten Diese sozialen Kosten werden aber vom Zementproduzenten nicht bei seiner Produktionsentscheidung einbezogen, d.h. Der externe Effekt auf andere wird nicht internalisiert Folge: Es wird eine ineffizient hohe Menge CO2 emittiert Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 7 Wie kann dieser Wohlfahrtsverlust vermieden werden? Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 8 Wolfahrtsverlust bei negativen externen Effekten MSC, MPC, MEC soziale Grenzkosten (MSC) Preis, MSC, MPC MSC Nachfrage Wohlfahrtsverlust MPC P* Q: Privat optimale Menge Q*: sozial optimale Menge private Grenzkosten (MPC) P externe Grenzkosten (MEC) Q* Output Q Output Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 9 Mittel der Internalisierung: CO2-Steuer vs. Emissionsbeschränkung MSC Preis MPC‘ Nachfrage MPC „Pigou“- Steuer: Steuer einführen, um soziale Grenzkosten und private Grenzkosten anzugleichen P* P Î Sozial optimale Menge wird induziert Q* Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer Q Output 10 Mittel der Internalisierung: CO2-Steuer vs. Emissionsbeschränkung MSC Preis Qmax Nachfrage MPC P* P Q* Q Output Handelbare Emissionsrechte: Mengenbeschränkung einführen, um die Produktion auf die optimale Menge zu beschränken Î Sozial optimaler Preis wird induziert Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 11 Mittel der Internalisierung: CO2-Steuer vs. Emissionsbeschränkung MSC Preis Nachfrage MPC „Pigou“- Steuer: Steuer einführen, um soziale Grenzkosten und private Grenzkosten anzugleichen Î Sozial optimale Menge wird induziert P* P Q* Unter Sicherheit sind beide Instrumente äquivalent Q Output Handelbare Emissionsrechte: Mengenbeschränkung einführen, um die Produktion auf die optimale Menge zu beschränken Î Sozial optimaler Preis wird induziert Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 12 Wie könnten Pigou-Steuer oder Mengenbeschränkung umgesetzt werden? Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 13 Pigou Steuer MSC Preis Der Staat muss die externen Kosten genau kennen, sodass nach der Steuer MPC‘(Q*) = MSC(Q*) MPC‘ Nachfrage MPC P* Q* Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer Output 14 Externe Kosten der Emission einer Tonne CO2 Gesamtkosten nach Nordhaus/Boyer (2000): • • • • • 50% aufgrund zunehmender Katastrophen und deren Einfluß auf das BIP 28% durch weitere Verbreitung tropischer Krankheiten (Schätzung aufgrund epidemiologischer Daten) 10% durch Schäden an der Landwirtschaft 6% Schäden durch steigenden Meeresspiegel (z.Bsp. Umsiedlungskosten) 6% Schäden an Ansiedlungen (z.Bsp. Venedig oder Bangladesh) Insgesamt: ca. 2% des weltweiten BIP, falls die Temperatur um 2.5°C steigt Î ca. $ 5,4 Kosten pro Tonne CO2 (= $ 20 pro Tonne Kohlenstoff1) 1) 1 Tonne Kohlenstoff entspricht 3,664 Tonnen CO2 Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 15 Externe Kosten der Emission einer Tonne CO2 Übersicht über 103 andere Meinungen: Nordhaus und Boyer (2000): $5,4 Stern (2006): $85 (Quelle:Tol 2005) * Dollar per tonne CO2 Mittelwert von $11,75/tCO2, mit einer Standardabweichung von $22/tCO2. Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 16 * The composite probability density function is based on ‘‘vote counting’’. For each interval of marginal damage costs, each study gives a vote, corresponding to the relative probability in each study. Case Study: Die optimale Steuer für Benzin (Parry und Small 2005) Umrechnen der externen Kosten für Kohlenstoff auf die Gallone Benzin Nordhaus und Boyer Stern Mittelwert $/TC $ 20 $ 311 $ 43 cent/Gallon1) 4,8 74 10,3 + Addieren aller weiteren externen Kosten von Autofahren: ca. 128 cent/Gallon2) Optimale Steuer cent/Gallon 133 202 138,3 1) Eine Gallone Benzin enthält 0.0024 Tonnen Kohlenstoff 2) Berechnung für UK, enthält Kosten für Unfälle, Staus, Straßenabnutzung etc. Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 17 (Quelle: Parry, Walls and Harrington 2007) Case Study: Die optimale Steuer für Benzin (Parry und Small 2005) Optimale Steuer: 202 cent (Stern) 133 cent (Nordhaus) Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 18 Case Study: Die optimale Steuer für Benzin (Parry und Small 2005) Nicht im Bild: Länder mit einer „negativen Benzinsteuer“ : China subventioniert den Benzinpreis jährlich in Höhe von ca. 65 Mrd. Euro, um den Benzinpreis für Konsumenten, Industrie und Landwirtschaft unter Weltmarktniveau zu halten. Durch eine Beseitigung dieser Beihilfen könnte eine signifikante Verringerung des CO2-Ausstoßes erreicht werden. Eine Studie über Subventionierung von fossilen Energieträgern in China, Russland, Indien, Indonesien, Iran, Südafrika, Venezuela und Kasachstan (zusammen ca. 27.5 % des Weltenenergiekonsums) zeigte, dass man in diesen Ländern CO2-Emissionen um 16% verringern könnte, wenn Subventionen gekürzt werden würden. (IPCC 2001). Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 19 Mengenbeschränkung MSC Preis Der Staat muss exakt die sozial optimale Menge Q* kennen. Wie lässt sich eine Menge gesamtwirtschaftlich fixieren? Qmax Nachfrage MPC P* Æ Zertifikatehandel Q* Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer Output 20 Case Study: European Emission Trading System (ETS) (Joskow 2008) 1997 Kyoto-Protokoll Selbstverpflichtung der EU, Treibhausgasemissionen zwischen 2008 und 2012 um 8% gegenüber 1990 zu verringern → Europäisches Programm für den Klimaschutz (ECCP): Einführung eines grenzüberschreitenden Emissionshandels 2005-2007 Erste Handelsrunde des Emission Trading System (ETS) - Emissionen von 11.400 Anlagen von ca. 5.000 Firmen hauptsächlich in der Energieerzeugung, Stahl- und Betonproduktion - Gesamtsumme der Zertifikate 2,1 Mrd. Tonnen CO2 2008-2012 Zweite Handelsrunde des ETS - Erste Kyoto Verpflichtungsperiode - Emissionsrechte im Umfang von 1,9 Mrd. Tonnen CO2, das entspricht einer Einsparung gegenüber 2006 von 5.7% Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 21 Case Study: European Emission Trading System (ETS) (Joskow 2008) Problem der ersten Handelperiode: Wie viele Zertifikate sollen verteilt werden? Die erste Handelsperiode sollte nur dazu dienen, das System aufzubauen. Die Emissionsmenge sollte noch nicht reduziert werden. Wie kann man zuverlässig prognostizieren, wie viele Emissionen „normalerweise“ emittiert würden? Um wie viel würden die Emissionen wegen Wetter und Wirtschaftswachstum schwanken? Wie würden die Emittenten auf den Preisimpuls reagieren? Da diese Fragen nicht hinreichend sicher prognostiziert werden konnten, wurden die Lizenzen entsprechend der historischen Ausstoßwerte der Emittenten an die Mitgliedsländer verteilt. Die Mitgliedsländer vergaben die Zertifikate wiederum umsonst an die Firmen. Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 22 Case Study: European Emission Trading System (ETS) (Joskow 2008) Veröffentlichung von Emissionsdaten 2005 Quelle: Wikipedia. Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 23 Case Study: European Emission Trading System (ETS) (Joskow 2008) Ergebnis (I): Zu viele Emissionslizenzen wurden ausgegeben – der Preis verfällt: Vor Start des Handelssystems: Preiserwartung 8-12€ pro Emissionszertifikat März 2005 – August 2005 Preissteigerung auf 20€ Preise bleiben auf hohem Niveau ⇒ scheinbar zu wenig Emissionszertifikate April 2006 Veröffentlichung von Emissionsdaten: Emissionsreduktion Nachfrage < Angebot: zu viele Emissionszertifikate ⇒ Preisverfall der Emissionszertifikate Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 24 Case Study: European Emission Trading System (ETS) (Joskow 2008) Veröffentlichung von Emissionsdaten 2005 Fehlendes Banking Quelle: Wikipedia. Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 25 Case Study: European Emission Trading System (ETS) (Joskow 2008) Ergebnis (II): Fehlendes Banking – der Preis fällt am Periodenende auf Null: Mitte bis Ende 2007: Zertifikatpreis fällt effektiv auf Null. Grund: Fehlendes Banking Zertifikate der ersten Handelsrunde sind nur bis Ende 2007 gültig ⇒ ungenutzte Zertifikate können nicht „gespart“ und so auf die nächste Periode übertragen werden ⇒ Zertifikate werden wertlos Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 26 Case Study: European Emission Trading System (ETS) (Joskow 2008) Ergebnis (III): „Windfall Profits“ – auch bei freier Zuteilung wird der Marktpreis der Zertifikate in den Strompreisen berücksichtigt In der ersten Handelsrunde wurden die Zertifikate umsonst vergeben. In der Öffentlichkeit kam Kritik auf, dass die Energieunternehmen den Marktwert der Zertifikate dennoch „ungerechtfertigterweise“ in ihrem Marktpreis berücksichtigen würden Preissetzung mit Opportunitätskosten: Damit ein Unternehmen Strom produziert, müssen die Erträge aus der Produktion mindestens genauso groß sein wie die Erträge, wenn es keinen Strom produziert. Beispiel: Perfekter Wettbewerb Æ es wird Strom produziert Stromproduktion Erträge Kosten Gewinn keine Stromproduktion Preisohne Zertifkate * Menge 0 0 Produktionskosten 0 = 0 Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 27 Case Study: European Emission Trading System (ETS) (Joskow 2008) Ergebnis (III): „Windfall Profits“ – auch bei freier Zuteilung wird der Marktpreis der Zertifikate in den Strompreisen berücksichtigt In der ersten Handelsrunde wurden die Zertifikate umsonst vergeben. In der Öffentlichkeit kam Kritik auf, dass die Energieunternehmen den Marktwert der Zertifikate dennoch „ungerechtfertigterweise“ in ihrem Marktpreis berücksichtigen würden Preissetzung mit Opportunitätskosten: Damit ein Unternehmen Strom produziert, müssen die Erträge aus der Produktion mindestens genauso groß sein wie die Erträge, wenn es keinen Strom produziert. Beispiel: Perfekter Wettbewerb mit Zertifikatehandel und altem Preis Î keine Produktion Stromproduktion Erträge Kosten Gewinn keine Stromproduktion Preisohne Zertifkate * Menge 0 + Erträge aus Zertifikaten 0 Produktionskosten 0 < 0 + Erträge aus Zertifikaten Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 28 Case Study: European Emission Trading System (ETS) (Joskow 2008) Ergebnis (III): „Windfall Profits“ – auch bei freier Zuteilung wird der Marktpreis der Zertifikate in den Strompreisen berücksichtigt Beispiel: Perfekter Wettbewerb mit Zertifikatehandel und neuem Preis Î Produktion Stromproduktion Erträge Kosten Gewinn keine Stromproduktion Preis mit Zertifikaten * Menge 0 + Erträge aus Zertifikaten 0 Produktionskosten 0 + Erträge aus Zertifikaten = 0 + Erträge aus Zertifikaten Der Preis muss steigen, damit wieder Strom produziert wird. Empirische Evidenz: In der ersten Handelsperiode wurden zwischen 40% und 70 % des Marktpreises für Zertifikate auf den Preis für Elektrizität aufgeschlagen (Sijm et al. 2005). Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 29 Ist eine Mengen- oder Preissetzung unter Unsicherheit besser? Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 30 Schätzen der Vermeidungskosten und deren Auswirkungen auf die Wohlfahrt mcactual mcexpected Steuer Kurze Frist: Die Grenzvermeidungskosten sind steil ansteigend und der marginale Nutzen der Vermeidung flach fallend. Der Wohlfahrtsverlust bei einer falsch gewählten Steuer ist geringer als bei einer falsch gewählten Menge an Zertifikaten. s mb qSteuer qHandel Verminderungsmenge erwartete marginalen Vermeidungskosten (mcexpected) tatsächliche marginale Vermeidungskosten (mcactual) marginaler Nutzen der Vermeidung (mb) Wohlfahrtsverlust bei Steuer bei Zertifikathandel Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 31 Schätzen der Vermeidungskosten und deren Auswirkungen auf die Wohlfahrt Lange Frist: Die Grenzvermeidungskosten sind nur schwach steigend und der marginale Nutzen der Vermeidung ist steil fallend. Der Wohlfahrtsverlust bei einer falsch gewählten Menge an Zertifikaten ist geringer als bei einer falsch gewählten Steuer. Steuer mcactual mcexpected s mb qSteuer qHandel Verminderungsmenge erwartete marginalen Vermeidungskosten (mcexpected) tatsächliche marginale Vermeidungskosten (mcactual) marginaler Nutzen der Vermeidung (mb) Wohlfahrtsverlust bei Steuer bei Zertifikathandel Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 32 Schätzen der Vermeidungskosten und deren Auswirkungen auf die Wohlfahrt Kurze Frist: Steuer vorzuziehen Lange Frist: Handelssystem vorzuziehen mcactual Steuer mcexpected Steuer mcactual mcexpected s mb s mb qSteuer qHandel Verminderungsmenge qSteuer erwartete marginalen Vermeidungskosten (mcexpected) tatsächliche marginale Vermeidungskosten (mcactual) marginaler Nutzen der Vermeidung (mb) qHandel Verminderungsmenge Wohlfahrtsverlust bei Steuer bei Zertifikathandel Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 33 Möglicher Kompromiss: Mengensteuerung plus Preiskorridor Preisobergrenzen • vermeiden Überschießen der Zertifikatepreise aufgrund kurzfristiger Schwankungen, mit hohen Anpassungskosten und geringem kurzfristigen Nutzen • vermeiden kurzfristiges Abwandern von Industrien in unregulierte Länder (“carbon leakage”), bevor Weltklimaabkommen abgeschlossen ist Preisuntergrenzen • Erhöhen Glaubwürdigkeit der Klimapolitik Bei Verfehlung des Mengenziels: Nachjustieren des Preiskorridors Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 34 Quellen: Ellermann Danny und Joskow, Paul (2008) „The European Emission Trading System in perspective“, Report, Pew Center on Climate Change. Parry, Ian and Kenneth A. Small (2005) “Does Britain or The United States Have the Right Gasoline Tax?”, American Economic Review 95(4), 1276-1289. Parry, Ian, Walls, Margaret and Winston Harrington (2007) "Automobile Externalities and Policies", Journal of Economic Literature 45(2), 373-399. Nordhaus, William (2008) „A question of balance“ Yale University Press, forthcoming Sijm, J.P.M., S.J.A. Bakker, Y. Chen, H.W. Harmsen, and W. Lise (2005), „CO2 price dynamics: The implications of EU emissions trading for the price of electricity“, Energy Research Centre of the Netherlands (ECN) Stern, Nicholas (2007). The Economics of Climate Change: The Stern Review. Cambridge: Cambridge University Press. Tol, Richard S.J. (2005). “The Marginal Damage Costs of Carbon Dioxide Emissions: An Assessment of the Uncertainties.” Energy Policy 33: 2064-2074. Topics in Economics – Prof. Dr. Monika Schnitzer 35