Demonstrationsexperimente WS 2004/05 Thema: Mechanik Elastischer zentraler Stoß zweier Gleiter Stefanie Müller 11. Februar 2005 1. Theoretische Vorbemerkungen Ein Stoß ist eine kurzzeitige Wechselwirkung zweier Körper (Massen: m1 und m2 ), die sich, außer während des Stoßvorgangs, gegenseitig nicht beeinflussen. Erfolgt der Stoß zwischen zwei Körpern elastisch, so trennen sich beide Körper unmittelbar nach dem Stoß wieder und bewegen sich je nach Massenverteilung in gleicher oder entgegen gesetzter Richtung. Falls keine weiteren Kräfte auf sie wirken, bewegen sich beide Körper vor und nach dem r r r r Stoß mit den konstanten Geschwindigkeiten v1 bzw. v 2 vor und u1 bzw. u 2 nach dem Stoß. Der Gesamtimpuls vor und nach dem Stoß ist gleich groß: r r r r m1v1 + m2 v 2 = m1u1 + m2 u 2 Falls während des Stoßvorgangs keine Energie verloren geht, der Stoß also vollkommen elastisch ist, bleibt auch die kinetische Energie der Körper erhalten: 1 2 r r r r m1v12 + 12 m2 v 22 = 12 m1u12 + 12 m 2 u 22 Der Lehrplan sieht nur zentrale Stöße vor. Da die beiden für die Geschwindigkeiten möglichen Richtungen durch entsprechende Vorzeichen unterschieden werden können, ist eine vektorielle Schreibweise hier nicht zwingend notwendig. Energie- und Impulserhaltungssatz lauten deshalb: 1 1 2 m1v12 + 12 m 2 v 22 = 12 m1u12 + 12 m 2 u 22 (1) (2) m1v1 + m2 v 2 = m1u1 + m2 u 2 m1 (v12 − u12 ) = m2 (u 22 − v 22 ) Aus (1) folgt: m1 (v1 − u1 )(v1 + u1 ) = m2 (u 2 − v 2 )(u 2 + v 2 ) (3) Aus (2) folgt: m1 (v1 − u1 ) = m2 (u 2 − v 2 ) (4) Division (3) durch (4): v1 + u1 = u 2 + v 2 (5) Nach u 2 = u1 + v1 − v 2 (6) u 2 aufgelöst: m1v1 − m1u1 = m2 u1 + m2 v1 − 2m2 v 2 Einsetzen (6) in (4): u1 (m1 + m2 ) = (m1 − m2 )v1 + 2m2 v 2 (5) nach Analog: u1 aufgelöst und in (4) eingesetzt liefert u 2 ⇒ Für die Endgeschwindigkeiten der beiden Körper ergibt sich: u1 = (m1 − m2 )v1 + 2m2 v 2 (m − m1 )v 2 + 2m1v1 , u2 = 2 . m1 + m2 m1 + m2 2. Versuchsbeschreibung Prinzip: Ein gleichförmig bewegter Körper trifft auf einen ruhenden. Ein elastischer Puffer (Gabel mit Gummi) zwischen beiden Körpern speichert den Impuls und gibt ihn sofort wieder ab. Anordnung: Der Versuchsaufbau erfolgt gemäß der Abbildung. Die Luftkissenbahn wird auf dem Experimentiertisch aufgestellt und mittels Druckschlauch an den Kompressor angeschlossen. Die beiden Schlitten werden je mit Blende, mit einer Gabel mit Stecker (Gummiband im vorderen Schlitzpaar) und einer Platte mit Stecker bestückt. Die Schlitten werden auf die Bahn gestellt und der Kompressor eingeschaltet. Die Luftzufuhr wird so eingestellt, dass die Schlitten auch bei Belastung reibungsfrei über die Bahn gleiten (Druck: 0,5bar). Mit Hilfe der drei Justierschrauben wird die Bahn als Ganzes horizontal ausgerichtet. Die Horizontale ist erreicht, wenn die Schlitten an jedem beliebigen Bahnpunkt annähernd in Ruhe verharren. 2 ACHTUNG: UM EIN VERKRATZEN DER BAHN ZU VERMEIDEN, DÜRFEN DIE WAGEN OHNE DRUCKLUFTZUFUHR NICHT AUF DER BAHN VERSCHOBEN WERDEN! Materialliste: Luftkissenbahn 2 verstellbare Anschläge 2 Schlitten/Gleiter 2 Blenden l = 0,1m 2 Gabeln mit Stecker, Gummibänder für die Gabeln (pro Gabel 1 Gummi) 2 Halter mit Stecker (U-förmig) Schlitzgewichte Druckschlauch mit Endstutzen (Druck: 0,5bar) Kompressor oder Gebläse Maßstab l = 1,2m Videokamera Für den elastischen Stoß: 1 Gabel mit Stecker 1 Platte mit Stecker Für den inelastischen Stoß: 1 Nadel mit Stecker 1 Röhrchen mit Stecker (Plastilinfüllung) 3 Durchführung: Im „Realexperiment“ werden die Wagen per Hand gestartet und die Stöße mit einer Kamera aufgenommen. Aus den Video-Aufnahmen werden dann im Computer „virtuelle Experimente“ erstellt. Dazu werden die Aufnahmen in Teilbilder (PAL: 25 Bilder/Frames pro sec) zerschnitten. Ein spezieller Auswertemesstool (JavaScript) erlaubt in Einzelbildern Koordinaten von Punkten zu bestimmen. Durch ‚klicken’ auf einen fest definierten Punkt des Wagens werden die Koordinaten in Pixel angezeigt. Um die Datenmenge zu reduzieren, wird nur jedes vierte Bild/Frame benutzt. Die in Meter umgerechneten Werte können in Excel verarbeitet werden. Zur Präsentation im Unterricht bietet es sich an, mit dem Beamer zu arbeiten. Anmerkung: Der stets etwas kleinere Impuls nach dem Stoß ist auf die Luftreibung der gleitenden Schlitten, auf Energieverluste aufgrund geringer Bahnunebenheiten sowie hauptanteilsmäßig auf innere Reibungsverluste im Gummiband zurückzuführen. 3. Lernvoraussetzungen Die Schüler können geradlinige Bewegungen mit konstanter Geschwindigkeit beschreiben. • Die Schüler kennen die Newtonschen Gesetze und ihre Anwendungen. Zur Energie: • Die Schüler kennen die Begriffe Arbeit und Energie (Mittelstufe). • Die Schüler kennen die mechanischen Energieformen (z.B. kinetische Energie). • Die Schüler kennen den Energieerhaltungssatz der Mechanik für abgeschlossene, konservative Systeme (behandelt am Beispiel des freien Falls oder des Faden-/Federpendels). Zum Impuls: • Die Schüler kennen den Impuls als Produkt aus Masse und Geschwindigkeit eines Körpers. • Die Schüler kennen den Impulserhaltungssatz (abgeleitet vom 3. Newtonschen Gesetz) und dessen Anwendung auf das Beispiel des vollkommen inelastischen Stoßes in der vorangegangenen Stunde. • Die Schüler wissen, dass eine auf einen Körper einwirkenden Kraft Ursache einer Impulsänderung des Körpers ist. • 4 • • Die Schüler wissen, dass sich bei Veränderung der Geschwindigkeit bei konstanter Masse der Impuls des Körpers ändert (auf die Rolle der Veränderlichkeit der Masse wird erst in der folgenden Stunde eingegangen). Da sich die Behandlung von Stößen im Verlauf der Sequenz nur auf zentrale Stöße beschränkt, genügt es, wenn die Schüler den Impuls als skalare Größe kennen. 4. Lernziele Der zentrale vollelastische Stoß soll als weiteres Beispiel für die Gültigkeit des Impulserhaltungssatzes bei Stoßprozessen untersucht werden. Es sollen verschiedene Sonderfälle des vollelastischen Stoßes untersucht werden. In der nächsten Stunde soll der Impulserhaltungssatz bei veränderlicher Masse, verdeutlicht am Start einer Rakete, behandelt werden. In der letzten Stunde der Sequenz sollen die Erhaltungssätze nochmals an praktischen Beispielen angewandt werden. 4.1 Grobziele Die Schüler sollen • • • • • • lernen, Impuls- und Energieerhaltung zur Beschreibung physikalischer Phänomene zu nutzen. lernen, Stoßprozesse qualitativ und quantitativ vorhersagen zu können. lernen, mathematische Ergebnisse wie Zeit-Ort-Funktionen physikalisch zu interpretieren. den Computer als Hilfsmittel zur Erfassung und Auswertung physikalischer Daten kennen lernen. erkennen, dass physikalische Gesetze auch im alltäglichen Leben Anwendung finden. lernen, Gefahren im Straßenverkehr einzuschätzen. 4.2 Feinziele Die Schüler sollen • • • • • wissen, dass beim vollelastischen Stoß Impuls- und Energieerhaltung gelten und die entsprechenden mathematischen Relationen wiedergeben können. die Formeln für die Geschwindigkeiten nach einem vollelastischen Stoß verstehen und fähig sein, sie anzuwenden. am Beispiel von Fall c) des Arbeitsblattes fähig sein, Stoßprobleme selbständig zu erschließen. sich bewusst machen, dass zur Gewinnung des Zeit-Ort-Diagramms eine Eichung notwendig ist und wissen, wie diese durchzuführen ist. wissen, wie man Zeit-Ort-Diagramme auswertet und z.B. aus den Messdaten die Geschwindigkeiten bestimmen kann. 5 • den elastischen Stoß in natürlichen Prozessen wieder erkennen, fähig sein selbst Beispiele zu finden und diese auch einzuordnen. 5. Bezug zu einem übergeordneten Unterrichtsthema Die Gesamtplanung des Unterrichts orientiert sich am Fachlehrplan Physik für die 11. Jahrgangsstufe (S.1284-1289). Unterrichtssequenz: Erhaltungssätze Stundenthema: Der zentrale elastische Stoß Thema der vorangegangenen Stunde: Der zentrale vollkommen inelastische Stoß Thema der nachfolgenden Stunde: Impulserhaltung bei Raketen 6. Experimentelle Alternativen An der Luftkissenbahn kann alternativ auch mit einer ganzen Reihe von Lichtschranken oder mit Sonar (Echolot) gearbeitet werden. Auch mit diesen beiden Methoden erhält man ein Zeit-Ort-Diagramm. Eine echte experimentelle Alternative ist hingegen die sog. Rollenbahn (vgl. PHYWE-Katalog 2004/05, S.197ff.), deren Nachteil allerdings die auftretenden Reibungsverluste sind. 7. Einsatz als Schülerexperiment Als Schülerexperiment wenig geeignet, höchstens „virtuell“. 8. Unterrichtsverfahren Typ: Normalverfahren nach Mothes (gelenkte Entdeckung) 8.1 Sozialform Unterrichtsgespräch 8.2 Lehr- und Lernformen Darbietende Form, erarbeitende Form 8.3 Motivation, Einstieg Lehrerdemonstration: Mehrfachpendel Im Zuge dessen wird an das Thema der letzte Stunde angeknüpft und der Begriff „elastisch“ mit den Schülern erarbeitet. Wichtig hierbei ist, dass sich 6 bei einem idealen elastischen Körper eine Verfor-mung wieder vollständig zurückbildet und somit keinerlei Energieverluste auftreten. Dies wird mit man die Kugel ganz links aus einem bestimmten Hilfe eines Gummiballs und einem Lässt Abstand zurückfallen, wird beim elastischen Stoß durch Stück Knete, die beide frei fallen den Energie- und Impulsübertrag der Stoß über alle hinweg auf die letzte übertragen, die wegfliegt gelassen werden, verdeutlicht. Die Kugeln und denselben Abstand erreicht wie die erste Kugel. Bedin-gungen der vollkommenen Elastizität wer-den auf das Problem des vollelastischen Stoßes übertragen und dabei auf die Erhaltung der kinetischen Energie der Wagen eingegangen. 8.4 Vertiefung Gegenüberstellung elastischer und inelastischer Stöße anhand von Praxisbeispielen: • Eisstockschießen • Billard • Autounfall • Eisenbahn (Puffer/Prellböcke) • Streuung in der Kernphysik (Kernkraftwerk) • Streuung in der Elementarteilchenphysik (Ionisation) • Stöße zwischen Gasmolekülen (kinetische Gastheorie) Zur Vertiefung wird mit den Schülern ein Video eines Auffahrunfalls besprochen: www.winterthur.com/de/worldwide/pro/pro_acc/pro_acc_wild/pro_acc_wil d_2003/pro_acc_wild_2003_moreless/pro_acc_wild_2003_moreless_mov8.htm Dabei wird die Frage gestellt, um welche Art von Stoß es sich dabei handelt. Den Schülern soll bewusst werden, dass die Stoßvorgänge in ihrer Umwelt nicht in „Reinform“ vorliegen, sondern elastische Stöße mit Energieverlusten sind. Weiterhin können hier verkehrserzieherische Themen behandelt werden. 8.5 Problemfragen und Hypothesen Welche Erhaltungssätze gelten beim Mehrfachpendel? 9. Sicherung der Lernziele Siehe Arbeitsblatt 10. Lernzielkontrolle 7 Arbeitsblatt Teil c): Die Schüler sollen anhand der Daten der Videoauswertung ein Zeit-Ort-Diagramm erstellen und dieses auch auswerten. Es sollen die Geschwindigkeiten vor und nach dem Stoß bestimmt und das Ergebniss qualitativ auf dem Arbeitsblatt festgehalten werden. 8