Programm vorschau Programm Verantwortlich: Friedwart Christian Dittmann, Ulrike Scobel und Christoph Bechstein 2. Aufführungsabend Dienstag 1. januar 2008 / 20 uhr Semperoper Dirigentin / Xian Zhang Jens-Jörg Becker / Piccoloflöte Werke von Ottorino Respighi, Antonio Vivaldi, Sergej Prokofjew u.a. 3. kammerabend Dienstag 18. dezember 2007 / 20 Uhr Semperoper Ausführende Jörg Faßmann und Anselm Telle / Violine Marie-Annick Caron / Viola Andreas Wylezol / Kontrabass Jens-Jörg Becker / Flöte Volker Hanemann / Oboe Jan Seifert und Christian Dollfuß / Klarinette Harald Heim / Horn Erik Reike / Fagott Mitwirkende Gäste Gunther Anger und Arkadi Zenzipér / Klavier Ludwig van Beethoven (1770-1827) Sonate für Klavier und Violine A-Dur op. 47 («Kreutzer-Sonate») 1. Adagio sostenuto – Presto – Adagio 2. Andante con variazioni 3. Finale: Presto Gunther Anger und Jörg Faßmann Pause Francis Poulenc (1899-1963) Sextett für Klavier, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn 1. Allegro vivace: Très vite et emporté 2. Intermezzo: Très lent en calme 3. Presto tragico Arkadi Zenzipér, Jens-Jörg Becker, Volker Hanemann, Jan Seifert, Erik Reike und Harald Heim Sergej Prokofjew (1891-1953) Quintett für Oboe, Klarinette, Violine, Viola und Kontrabass g-Moll op. 39 1. Moderato 2. Andante energico 3. Allegro sostenuto, ma con brio 4. Adagio pesante 5. Allegro precipitato, ma non troppo presto 6. Andantino Volker Hanemann, Christian Dollfuß, Anselm Telle, Marie-Annick Caron und Andreas Wylezol 3. Aufführungsabend Donnerstag Semperoper 24. Januar 2008 / 20 Uhr Dirigent / Michael Sanderling Sebastian Herberg / Viola Werke von Isabel Mundry, Paul Hindemith und Franz Schubert SÄCHSISCHE S T AA T S KA P E L L E DRE S DEN Sächsische Staatsoper Dresden Intendant Prof. Gerd Uecker Generalmusikdirektor Fabio Luisi Spielzeit 2007/2008 Herausgegeben von der Intendanz © Dezember 2007 redaktion / Tobias Niederschlag (TN) Gestaltung und Layout / Die Werft – Kommunikationsdesign Tanja Schnurpfeil Druck / Union Druckerei Dresden GmbH TextNACHWEIS / Die Einführungstexte sind Original­ beiträge für dieses Programmheft. www.staatskapelle-dresden.de Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. 3. Kammerabend 2 0 0 7 / 2 0 0 8 3. Kammerabend Ludwig van Beethoven Sonate für Klavier und Violine A-Dur op. 47 («Kreutzer-Sonate») In Beethovens Schaffen nehmen die Vio- linsonaten eine weniger zentrale Stellung ein als die Klaviersonaten und Streichquar­ tette. Dennoch trug Beethoven mit seinen insgesamt zehn Sonaten entschieden zur Weiterentwicklung der Gattung bei. Stand nämlich die Violine, entsprechend dem Titel «Sonate für Klavier und Violine», zunächst lange begleitend im Hintergrund, so wertete Beethoven – dabei dem Vorbild Mozarts folgend – in seinen Sonaten den Violinpart zunehmend auf und schrieb Werke, in denen die beiden Ins­ trumentalparts absolut gleichberechtigt sind. Die mit Abstand berühmteste und auch längste seiner Sonaten entstand 1803 in Wien – die sogenannte «Kreutzer-­ Sonate» in A-Dur, deren Widmungsge- geschichte etwas verworren ist: Beet- ­­­­hoven komponierte das Werk in nur kurzer Zeit für den Geiger George Bridgetower; gewidmet hat er es 1805 dann aber dem französischen Virtuosen Rodolphe Kreutzer, den er sehr schätzte, der die Sonate aber wahrscheinlich nie gespielt hat! Den Erfolg verdient die Sonate nicht zuletzt ihrem hochvirtuosen, effektvollen Zuschnitt. Als einzige Violinsonate Beet­ hovens beginnt das Werk mit einer langsamen Einleitung, die wie eine vorweggenommene Kadenz wirkt. Zupackend setzt danach der Presto-Hauptteil ein, dessen erstes Thema in a-Moll in zügigen Vierteln voranstürmt; ein Seitenthema in E-Dur bringt Beruhigung, wird aber durch einen 3. Kammerabend chromatischen Gedanken in e-Moll abgelöst, der an das Hauptthema anknüpft und in die Durchführung überleitet. Am Ende der Reprise kehrt noch einmal die AdagioStimmung des Beginns wieder, bevor der Satz mit einer Stretta-Coda endet. Das fol- gende Andante ist ein Variationensatz in F-Dur, es wandelt ein gesangliches und synkopisches Liedthema in vier Charakter­ variationen ab. Die vierte und letzte ist sehr virtuos gehalten, führt aber in der Coda wieder zur ruhigen Anfangsstimmung zurück. In jagendem 6/8-Takt hebt das Finale an, das Beethoven ursprünglich für die Sonate op. 30/1 komponierte. Durch die ständigen Wiederholungen des Hauptthemas trägt dieser Satz rondoartige Züge, ein Seitenthema im 2/4-Takt bringt nur vorübergehende Beruhigung: im Vordergrund steht hier das virtuose Brio. TN Francis Poulenc Sextett für Klavier, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn Das Paris der 20er Jahre war «das» künstlerische Zentrum nicht nur Europas, sondern der ganzen westlichen Welt. Der Ruhm der Stadt knüpfte sich an Namen wie Igor Strawinsky, Serge Diaghilew, Pablo Picasso oder Jean Cocteau, die sich in kreativer Weise von den kunstästhetischen Positio­ nen der vorangegangenen Epoche abgrenzten. Unter Cocteaus Einfluss, der eine «erdverbundene Musik, eine Musik des Alltags» forderte, fand sich um 1919 eine Gruppe junger französischer Komponisten zusammen, die als «Groupe des Six» die Forderung nach einer eigenständigen französischen Moderne – wenn auch nur für kurze Zeit – realisieren sollte. Ihr wich- tigster Vertreter war neben Arthur Honegger der Komponist Francis Poulenc. Selbstbewusst stellte Poulenc der intellektuellen Ästhetik des Wiener Schönberg-Kreises eine Musik entgegen, die sich der Unterhaltsamkeit und einem Anti-Akademismus verschrieb: «Mein ‹Kanon› ist der Instinkt. Ich habe keine Grundsätze – und ich rühme mich damit.» Wie die anderen Mitglieder der «Six», so suchte auch Poulenc seine Ins­ piration auf den Pariser Straßen, den Varie­ tés oder bei Zirkuskapellen, und verband diese Einflüsse zu einer neoklassizistischen und immer tonalen Musik­sprache. Einen wichtigen Schwerpunkt in Poulencs Œuvre bildet die Kammermusik, vor allem die für Bläserbesetzungen, die dem Klang­ ideal einer Zirkuscombo nahe kommt. Das Sextett für Klavier, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn, entstanden 1932 und 1939 noch einmal überarbeitet, entspricht diesem Ideal besonders, wobei das Klavier die solistisch geführten Bläser zumeist be- gleitet. Auch stilistisch nimmt dieses Werk im Gesamtschaffen des Franzosen eine exemplarische Stellung ein: Man findet hier das für Poulencs Musik so typische «Baukastenprinzip», das verschiedenste rhythmische und thematische Gestalten miteinander verbindet und so eine äußerst abwechslungsreiche und geistreiche Wirkung erzielt. Der erste Satz des Sextetts ist in dreiteiliger Form angelegt und beginnt mit stürmischen Läufen in Klavier und Holzbläsern. Unvermittelt schließen sich verschiedenste Stimmungen an, etwa ein burlesker Abschnitt, den das Klavier anstimmt, oder eine Fagott-Kadenz über frei schwebender Unsere Gäste Gunther Anger geboren in Freital/Sachsen; nach erstem Klavierunterricht Besuch der Spezialschule für Musik Dresden; 1973-78 Klavierstudium am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau; anschließend Lehrtätigkeit an der Hochschule für Musik «Carl Maria von Weber» Dresden, seit 1993 Professor; Konzerte als Solist und Kammermusikpartner in Deutschland, Europa und Asien Arkadi Zenzipér geboren in St. Petersburg, Studium am dortigen Konservatorium; nach dem Fall der Mauer Konzerte u.a. mit der Staatskapelle Dresden und der Tschechischen Philharmonie; Professur an der Dresdner Musikhochschule, Künstlerischer Leiter des Internationalen Klavierwettbewerbs «Anton G. Rubinstein»; leitet in Schnakenburg eine eigene Reihe von «Schubertiaden» Tonalität, die in den langsamen und völlig herausgehobenen Mittelteil des Satzes überleitet. Eine umgekehrte Form weist der zweite Satz auf, ein «Intermezzo», des- sen lyrische Andante-Rahmenteile durch einen heiteren, schnellen Mittelteil unterbrochen werden. Der letzte Satz, «Presto tragico», zeigt darauf in seiner Zweiteiligkeit noch einmal die charakteristische Janusköpfigkeit von Poulencs Musik: Er bewegt sich von einer ausgelassenen «Harlekinade» zu einer wehmütigen Klage im Schlussteil, die die Heiterkeit des Anfangs zu melancholischer Ernsthaftigkeit gefrieren lässt. Sergej Prokofjew Quintett für Oboe, Klarinette, Violine, Viola und Kontrabass g-Moll op. 39 Von der Pariser Stimmung der 20er Jahre ließ sich auch der junge Sergej Prokofjew begeistern, der ab 1921 für einige Jahre in der französischen Hauptstadt lebte. Zum engeren Freundeskreis des Russen gehörte ab 1924 auch Francis Poulenc, dessen an der Unterhaltungsmusik orientierter Stil ihn faszinierte. Prokofjew fand in der pulsierenden Metropole zu einer Musik, die sich durch einen archaisch-intellektuellen Tonfall, durch eine ausgeklügelte Melodik und raffinierte Chromatik auszeichnet. In diesem Umfeld entstand auch das Quintett in g-Moll op. 39. Die Kammermusik nimmt in Prokofjews Schaffen einen eher peripheren Platz ein, das Hauptgewicht seiner Arbeit lag auf dem Gebiet der Oper, der Sinfonik und auch des Balletts. So seltsam es klingen mag – auch das g-Moll-Quintett ist in gewisser Weise den Ballettmusiken zuzu- rechnen: 1924 komponierte Prokofjew für eine reisende russische Balletttruppe um den Choreografen Boris Romanov, einen Schüler Michail Fokines, das kleine Ballett «Trapez» – eine Arbeit, die der Komponist nach eigener Aussage «um der Einnahme willen» gemacht habe. Da sich die Truppe kein großes Orchester leisten konnte, wählte Prokofjew eine Art «Miniorchester» mit den Instrumenten Oboe, Klarinette, Violine, Viola und Kontrabass. Die Handlung des Ballettes schildert in sechs Bildern das Zirkusleben. Prokofjew schrieb dazu in seinen Erinnerungen: «Die Musik enthält einige Schwierigkeiten rhythmischer Art, wie etwa die Nummer im Zehn-Achtel-Takt, bei der der Ballettmeister außer Atem kam.» Erstaunlicherweise verzichtete Prokof­ jew – bei aller musikalischen Gestik – in seinem Werk weitgehend auf eine genremäßige Gestaltung der Musik; ihm war der Auftrag vielmehr Anlass für die Komposition eines kleinen, fast schon sinfonischen Instrumentalwerkes. Und so war es für ihn auch ein leichter Schritt, das Werk wenige Jahre später, da es als Ballett keinen nachhaltigen Erfolg hatte, als kammermusikalisches «Quintett» zu veröffentlichen. Die sechs knappen Sätze entsprechen dabei den sechs Bildern des ursprünglichen Balletts. Seine kammermusikalische Uraufführung erlebte das Quintett am 6. März 1927 in Moskau, als Prokofjew nach neun Jahren erstmals wieder heimischen Boden betrat. Katharina Ortmann