Biologische Psychologie II Peter Walla Wo sind denn nun Erinnerungen im gesunden Gehirn gespeichert? Es wurde bereits die Idee erwähnt, dass Erinnerungen im Rahmen der Strukturen gespeichert sind, die an der ursprünglichen Erfahrung beteiligt waren (Hund)! Wir haben über den Hippocampus und über den rhinalen Kortex gehört (auch über die mediodorsalen Kerne des Thalamus und über das basale Vorderhirn)! Welche Strukturen sind noch in welcher Form beteiligt? Biologische Psychologie II Peter Walla Inferotemporaler Kortex: Der inferotemporale Kortex entspricht dem sekundären sensorischen Kortex des visuellen Systems! Der inferotemporale Kortex ist an der visuellen Wahrnehmung von Objekten beteiligt („Was-Bahn“)! Er spielt vermutlich eine grosse Rolle bei der Speicherung visueller Erinnerungen! Eine Studie von Naya et al. (2001) unterstützt diese Idee: Die Autoren berichten, dass Neuronenaktivitäten im rhinalen Kortex und im inferotemporalen Kortex registriert wurden, während Affen die Beziehung zwischen zwei Objekten in Paaren von Bildern lernten. Beim Lernen war zuerst der inferotemporale Kortex aktiv und dann der rhinale Kortex! Beim Erinnern war zuerst der rhinale Kortex aktiv und dann der inferotemporale Kortex! Biologische Psychologie II Peter Walla Amygdala: Die Amygdala ist für die Erinnerung der emotionalen Bedeutsamkeit von Erfahrungen wichtig! Eine Zerstörung der Amygdala führt beispielsweise dazu, dass keine Furcht entstehen kann, die normalerweise bei Angstreizen auftritt! Präfrontaler Kortex: Bei Läsionen des präfrontalen Kortex treten Defizite im Gedächtnis für die zeitliche Abfolge von Ereignissen auf, obwohl die Ereignisse an sich meist erinnert werden können! Ebenso treten Defizite im so genannten Arbeitsgedächtnis auf. Arbeitsgedächtnis bezeichnet die Fähigkeit, relevante Erinnerungen aufrechtzuerhalten, während eine Aufgabe durchgeführt wird! Der präfrontale Kortex ist groß und heterogen und hat deshalb vermutlich mehrere verschiedene Funktionen im Zusammenhang mit Gedächtnis! Amygdala Modifiziert nach Nieuwenhuys et al., 1991 Biologische Psychologie II Peter Walla Cerebellum und Striatum: Kleinhirn und Nucleus caudatus + Putamen! Neben den expliziten Erinnerungen, die bisher im Zusammenhang mit bestimmten neuronalen Strukturen besprochen wurden, muss es natürlich auch Schaltkreise geben, die sensomotorisches Lernen ermöglichen, sowie auch den Abruf solcher Inhalte aus einem entsprechenden Gedächtnissystem! Beispiel: Untersuchungen bei der klassischen Konditionierung des Lidschlagreflexes von Hasen deuteten daraufhin, dass das Cerebellum sensomotorische Inhalte speichert! Das Striatum speichert vermutlich Erinnerungen an kosistente Beziehungen zwischen Reizen und Reaktionen Gewohnheitslernen! Biologische Psychologie II Peter Walla Biologische Psychologie II Peter Walla Biologische Psychologie II Peter Walla Synaptische Mechanismen von Lernen und Gedächtnis: Nachdem wir bisher größere neruonale Strukturen des Gehirns im Zusammenhang mit Lernen und Gedächtnis kennengelernt haben, konzentrieren wir uns nun auf einige Details innerhalb dieser Strukturen! Neuroplastische Mechanismen von Lernen und Gedächtnis: Erneut gilt es, Herrn Hebb (Donald O.Hebb, 1949) zu erwähnen. (als Wiederholung: „reverbaratorisches Kreisen“!) Er hatte die Idee, dass dauerhafte Veränderungen in der Effizienz der synaptischen Übertragung für das Langzeitgedächtnis verantwortlich sind! In weiterer Folge gingen viele Forscher auf die Suche nach solchen möglichen synaptischen Veränderungen und wurden auch fündig! Biologische Psychologie II Peter Walla Langzeitpotenzierung (LTP): 1973 zeigten Bliss und Lomo erste Hinweise auf nachhaltige synaptische Veränderungen, die mit Lernen und Gedächtnis in Verbindung zu bringen sind! hochfrequente elektrische Reizung von präsynaptischen Neuronen führte zu einer Bahnung (Erleichterung!) der synaptischen Übertragung im Zusammenhang mit Folgeneuronen! diese Bahnung wurde Langzeitpotenzierung genannt (LTP)! Viele Forscher haben sich diesem Thema zugewandt und LTP wurde bei vielen verschiedenen Arten und in verschiedenen Gehirnteilen nachgewiesen! Das Rattenmodell war das am häufigsten untersuchte! Biologische Psychologie II Peter Walla LTP wurde hauptsächlich an 3 Synapsen im Hippocampus untersucht: http://www.3bscientific.com/product-manual/c29.pdf Biologische Psychologie II Peter Walla Es begann mit einzelnen Stromimpulsen niedriger Intensität, die im Tractus perforans (wichtigste Afferenz des Gyrus dentatus, der den Eingang des Hippocampus darstellt!) appliziert wurden! die Reaktion auf diese Impulse wurde mit Hilfe einer extrazellulären Elektrode in der Körnerzellschicht des Gyrus dentatus gemessen! so wurde das Ausgangsniveau der Reaktion in den Körnerzellen bestimmt! dann wurde für 10s intensiv und hochfrequent stimuliert, um LTP zu erzeugen! dann wurden in unterschiedlichen Abständen wieder die Reaktionen auf einzelne Reize mit niedriger Intensität gemessen! Biologische Psychologie II Peter Walla Wichtige Eigenschaften von LTP: LTP kann für lange Zeit anhalten Reizung). viele Wochen (nach langer und mehrfacher LTP entsteht nur, wenn nach dem Feuern des präsynaptischen Neurons auch das postsynaptische Neuron feuert! keine LTP, wenn nur das präsynaptische feuert und keine LTP, wenn nur das postsynaptische Neuron feuert! die Hebb‘sche Regel des Lernens: „Das gleichzeitige Feuern prä- und postsynaptischer Neuronen wird als die physiologische Voraussetzung für Lernen und Gedächtnis angesehen!“ Biologische Psychologie II Peter Walla Wir definieren 3 verschiedene Stufen der LTP: 1) Induktion 2) Aufrechterhaltung 3) Ausdruck Ad Induktion: „Das Lernen“ Umfassend untersucht an Synapsen, an denen der so genannte NMDA-Rezeptor besonders wichtig ist (N-Methyl-D-Aspartat). Der NMDA-Rezeptor ist ein Glutamat-Rezeptor (exzitatorisch)! Damit der NMDA-Rezeptor maximal reagiert, muss Glutamat an ihn binden und das entsprechende postsynaptische Neuron muss bereits teilweise depolarisiert sein: Kalziumkanäle, die mit dem NMDA-Rezeptor verbunden sind, lassen normalerweise nur wenig Kalziumionen einströmen. Ist das entsprechende Neuron aber bereits vordepolarisiert, sobald Glutamat bindet, strömen bedeutend mehr Kalziumionen ein! dieser Kalziumeinstrom löst Aktionspotentiale aus sowie auch die Kaskade von Ereignissen, die LTP induzieren! Biologische Psychologie II Peter Walla Diese Begebenheit stellt eine Grundlage für assoziatives Lernen dar: ist ein postsynaptisches Neuron durch den Input anderer Neuronen bereits teilweise depolarisiert, wenn das präsynaptische Neuron feuert, dann strömen mehr Kalziumionen in das Zellinnere und die Übertragung an der entsprechenden Synapse wird potenziert! d.h. eine synaptische Bahnung bedeutet, dass mindestens zwei auf ein postsynaptisches Neuron konvergierende Eingänge gleichzeitig aktiv waren! z.B. wie bei der klassischen Konditionierung, bei welcher ein konditionierter Reiz gleichzeitig mit einem unkonditionierten Reiz präsentiert wird! Biologische Psychologie II Peter Walla Biologische Psychologie II Peter Walla Ad Aufrechterhaltung und Expression: („Speicherung und Abruf“) Die kurzfristige Aufrechterhaltung und die langfristige Aufrechterhaltung unterliegen verschiedenen Mechanismen. Der Kalziumionen-Einstrom ist ein lokales Phänomen. (kurzfristige Aufrechterhaltung!). Langfristige Aufrechterhaltung geht mit strukturellen Veränderungen einher, die von einer Proteinsynthese abhängen. Präsynaptisch ist LTP mit einer anhaltenden Erhöhung des extrazellulären Glutamatspiegels verbunden. Stickstoffmonoxid (NO) wird als Antwort auf den Kalzium-Einstrom von der postsynaptischen Seite synthetisiert und diffundiert als Signal zurück auf die präsynaptische Seite in die synaptischen Endköpfchen! Die strukturellen Veränderungen langer Aufrechterhaltung beziehen sich auf einer Zunahme der Zahl und der Größe der Synapsen, in der Zahl und Größe der dendritischen Dornen und in der Zahl der postsynaptischen Rezeptoren. Biologische Psychologie II Peter Walla Lernen bedeutet also tatsaächlich, dass es im Gehirn zu strukturellen Veränderungen kommt! Biologische Psychologie II Peter Walla Ein Tipp bezüglich interessanter Literatur zum Thema Gedächtnis: „Gedächtnis“ Die Natur des Erinnerns Larry R. Squire und Eric R. Kandel Spektrum Verlag Biologische Psychologie II Peter Walla Biologische Psychologie II Peter Walla Kapitel 12 Hunger, Essen und Gesundheit Biologische Psychologie II Peter Walla Zuerst ein paar Zahlen über verschiedene Zustände in den USA: Einer Schätzung zufolge erfüllen mehr als die Hälfte der erwachsenen Amerikaner die aktuellen Adipositas-Kriterien! Fettsucht! Jährlich werden 45 Milliarden Dollar zur Behandlung damit assoziierter Krankheiten ausgegeben! Kosten für diesbezügliche Arbeitsausfälle belaufen sich auf 23 Milliarden Dollar 33 Milliarden Dollar werden für gewichtsreduzierende Massnahmen ausgegeben 3 % der jugendlichen Amerikaner leiden an Anorexia nervosa (Magersucht!) Man geht oft davon aus, dass Hunger und Essen dann angestossen werden, wenn Energiereserven unter ein bestimmtes Niveau sinken! Offensichtlich ist dies aber nicht der Fall! Es muss noch andere Faktoren geben!