Document

Werbung
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Alles in Allem kam bei diesen Untersuchungen letztendlich heraus, dass
Gedächtnisfunktionen auf keinen Fall diffus und gleichwertig über das Gehirn
verteilt sind, sondern, dass z.B. die medialen Temporallappen für eine
Langzeitspeicherung bestimmter Inhalte verantwortlich sind.
H.M. hatte offensichtlich eine Störung der Gedächtniskonsolidierung
für bestimmte Inhalte (Übertragung von Kurzzeiterinnerungen
in einen Langzeitspeicher!)
Da H.M. bei sensomotorischen Aufgaben sehr wohl von
Erfahrung profitieren konnte, ohne sich aber an diese
Erfahrung zu erinnern, wurde die Gegenüberstellung von
explizitem und implizitem Gedächtnis eingeführt!
Man ist also zur Idee gekommen, dass das Gehirn mehr weiss als es zugibt!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Es stellte sich im Folgenden heraus, dass ein solches amnestisches Bild bei
mehreren anderen Patienten ebenso auftrat!
Deshalb wurde folgender Begriff definiert:
Mediale Temporallappenamnesie!
In diesem Zusammenhang wurde es wichtig, die intakten impliziten
Gedächtnisleistungen zu beurteilen.
Dies geschah (und geschieht auch immer noch!) oft mit Hilfe so genannter
Repetition-Priming-Tests! (Was ist „Repetition Priming“?)
Weitere Untersuchungen ergaben, dass eine Unterscheidung von
semantischem Gedächtnis und episodischem Gedächtnis
sinnvoll ist!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Ein weiterer Fall von medialer Temporallappenamnesie ergibt sich oft nach einer
cerebralen Ischämie, die nur den Hippocampus betrifft!
Eine genaue Untersuchung eines betroffenen Patienten
ergab, dass bereits die Schädigung einer ganz
spezifischen Region des Hippocampus zu einer
solchen Amnesie führen kann!
die Pyramidenzellschicht der
CA1-Region
des Hippocampus!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Amnesie beim Korsakoff-Syndrom:
Neben Gedächtnisstörungen liegen sensorische und motorische Störungen
vor, sowie auch Verwirrung, Persönlichkeitsveränderung und mehrere
sonstige organische Probleme!
Post-mortem Untersuchungen deuten auf Läsionen des medialen
Diencephalons hin, die für die entsprechenden Gedächtnisdefizite
verantwortlich sind. (Kurzzeitgedächtnisverlust u. retrograde + anterograde
Amnesie).
Speziell die
mediodorsalen Kerne
des Thalamus sind
betroffen und für die
gedächtnisdefizite
verantwortlich!
Biologische Psychologie II
Amnesie bei der Alzheimer-Erkrankung:
Peter Walla
Zu einer retrograden, anterograden und das Kurzzeitgedächtnis betreffenden
Amnesie kommt bei Alzheimer-Patienten noch eine teilweise Störung impliziter
Gedächtnisfunktionen dazu!
Im Speziellen ist das implizite Gedächtnis für verbales und perzeptuelles
Material oft betroffen, während das implizite Gedächtnis für sensomotorisches
Lernen meist normal funtionsfähig bleibt!
Acetylcholin-Mangel durch Degeneration des basalen Vorderhirns!
Posttraumatische
Amnesie:
Kommotionssyndrom
(Gehirnerschütterung!)
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Nun kommt noch mehr zur Konsolidierung von
Gedächtnisinhalten:
Es gibt eine bekannte und einflußreiche
Theorie von Donald Hebb:
Erinnerungen werden durch kreisende neuronale Aktivität
In geschlossenen Schaltkreisen aufrechterhalten
(so genanntes „reverberatorisches Kreisen“!).
Diese Schaltkreise sind anfällig für Unterbrechungen, wie
sie z.B. durch einen Schlag auf den Kopf passieren können!
letztendlich besagt die Theorie weiters, dass reverberatorisches
Kreisen zu strukturellen Veränderungen an beteiligten Synapsen führt.
diese strukturellen Veränderungen sorgen dann für eine stabile
Langzeitspeicherung (Genetik!).
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Eine Möglichkeit, die zeitlichen Aspekte einer Gedächtniskonsolidierung zu
untersuchen, ergibt sich mit Hilfe so genannter elektrokonvulsiver Schocks
(EKS)!
. . . Ein EKS ist ein intensiver, kurzer, krampf-induzierender Stromstoß!
. . . Ein EKS wird über am Kopf befindliche Elektroden verabreicht!
Idee: ein EKS unterbricht momentane neuronale Aktivität und
löscht dadurch „nur“ diejenigen Inhalte, die noch nicht zu strukturellen
synaptischen Veränderungen geführt haben!
Die Dauer einer so definierten retrograden Amnesie liefert eine Schätzung der
Zeitspanne, die für eine Gedächtniskonsolidierung notwendig ist!
Rattenstudie (1969)!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Durstige Ratten wurden 5 Tage hintereinander für jeweils 10min in eine Box
gesetzt, die eine kleine Nische enthielt (Gewöhnungsphase).
Am 6ten Tag wurde ein Wasserspender in die Nische gestellt (15min Trinken
nachdem der Spender entdeckt wurde!).
Lernphase!
Ratten der Versuchsgruppe bekamen dann jeweils einen EKS nach entweder:
10sek
1min
10min
1h
3h
Am nächsten Tag wurde das „Aufsuchen“ der leeren Nische gemessen!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Gerne schliessen wir daraus, dass die Konsolidierungsidee von Herrn Hebb für
bestimmte Gedächtnisinhalte ausreichend erklärend ist, während andere
Inhalte vermutlich durch andere Konsolidierungsprozesse langfristig
gespeichert werden!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
In den 70er Jahren wurde der so genannte
„delayed-nonmatching-to-sample-Test“ entwickelt.
Dieser diente als Test eines Tiermodells für die
Amnesie nach Läsionen der medialen Temporallappen
(siehe H.M.)
Bei Affen, die einer bilateralen mediotemporalen
Lobektomie unterzogen wurden als auch bei Menschen
mit Temporallappenamnesie wurden vergleichbare
Verhaltensergebnisse gefunden!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Delayed-nonmatching-to-sample-Test für Ratten (die Mumby-Box):
Gesunde Ratten schneiden nach
kurzen Verzögerungen genauso gut
ab wie gesunde Affen!
Erst ab Verzögerungen von mehr
als 1m sind Ratten schlechter!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Aufgrund vieler Läsionsstudien verschiedener Teile der medialen
Temporallappen betreffend haben Anfang der 90er Jahre einige Forscher die
Rolle des Hippocampus für Objekterkennung in Frage gestellt!
Das Ergebnis unzähliger Untersuchungen war, dass die bilaterale Entfernung
des rhinalen Kortex zu schweren Defiziten in der Objekterkennung führt!
hingegen
Eine bilaterale Entfernung des Hippocampus alleine führt nur zu einem
mäßigen oder keinem Defizit!
Eine bilaterale Entfernung der Amygdala zeigt überhaupt keinen Effekt!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Der rhinale Kortex spielt also bei der Objekterkennung eine
wichtigere Rolle als der Hippocampus!
Welche Rolle spielt denn nun der Hippocampus?
Der Hippocampus spielt eine Rolle beim räumlichen Gedächtnis!
Es wurden die so genannten hippocampalen Ortszellen gefunden:
Ortszellen sind Neuronen, die nur dann feuern, wenn sich das
entsprechende Versuchstier an einem bestimmten Ort befindet (Ortsfeld;
ähnlich wie „rezeptives Feld“ anderer Neuronen!).
Das geht sogar so weit, dass es über mehrdeutige Raumsituationen, die
künstlich geschaffen werden, möglich ist, zu zeigen, dass eine solche Ortszelle
durch ihr feuern anzeigt, was eine Ratte „denkt“, wo sie sich befindet und nicht
notwendigerweise, wo sie sich tatsächlich befindet!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Auch bei Vögeln wurde die Theorie der Ortszellen im Hippocampus bestätigt!
Vögel, die besonders viele verschiedene Futterverstecke haben, die sie
auffinden müssen, haben einen größeren Hippocampus!
Bei Gambelmeisen wurde sogar entdeckt, dass das
Verstecken und Finden von Futter sogar eine
Voraussetzung dafür ist, dass deren
Hippocampus heranwächst!
Bei Londoner Taxifahrern mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung wurde
festgestellt, dass diese mehr graue Substanz im posterioren Hippocampus
besaßen als Kontrollpersonen!
es gibt drei nennenswerte Theorien über die Funktion des
Hippocampus (im Zusammenhang mit räumlichem Gedächtnis!)
Biologische Psychologie II
Peter Walla
1) Theorie der kognitiven Landkarte von O‘Keefe und Nadel, 1978 (cognitive
map theory!):
Nach dieser Theorie besteht die Funktion des Hippocampus darin, Erinnerungen
an räumliche Positionen zu speichern. Genauer gesagt soll der Hipocampus aus
dem sensorischen Input allozentrische Landkarten der Außenwelt konstruieren.
2) Theorie der konfiguralen Assoziationen von Rudy und Sutherland, 1992
(configural association theory!):
Dieser Theorie zufolge ist das räumliche Gedächtnis „nur“ eine besondere
Manifestation einer allgemeinen Funktion des Hippocampus.
Der Hippocampus soll bei der Erinnerung an die Verhaltensbedeutsamkeit von
Reizkombinationen eine Rolle spielen, nicht aber von Einzelreizen.
3) Theorie von Brown und Aggleton (2001):
Der Hippocampus soll demnach wichtig für die Wiedererkennung der räumlichen
Anordnung von Objekten sein, deren Wiedererkennung mehr die Aufgabe des
rhinalen Kortex ist!
die Suche geht weiter!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Wo sind denn nun Erinnerungen im gesunden Gehirn gespeichert?
Es wurde bereits die Idee erwähnt, dass Erinnerungen im Rahmen der
Strukturen gespeichert sind, die an der ursprünglichen Erfahrung beteiligt waren
(Hund)!
Wir haben über den Hippocampus und über
den rhinalen Kortex gehört (auch über die
mediodorsalen Kerne des Thalamus und
über das basale Vorderhirn)!
Welche Strukturen sind noch in welcher
Form beteiligt?
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Inferotemporaler Kortex:
Der inferotemporale Kortex entspricht dem sekundären
sensorischen Kortex des visuellen Systems!
Der inferotemporale Kortex ist an der visuellen Wahrnehmung
von Objekten beteiligt („Was-Bahn“)!
Er spielt vermutlich eine grosse Rolle bei der Speicherung visueller Erinnerungen!
Eine Studie von Naya et al. (2001) unterstützt diese Idee:
Die Autoren berichten, dass Neuronenaktivitäten im rhinalen Kortex und im
inferotemporalen Kortex registriert wurden, während Affen die Beziehung
zwischen zwei Objekten in Paaren von Bildern lernten.
Beim Lernen war zuerst der inferotemporale Kortex aktiv und dann der rhinale
Kortex!
Beim Erinnern war zuerst der rhinale Kortex aktiv und dann der inferotemporale
Kortex!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Amygdala:
Die Amygdala ist für die Erinnerung der emotionalen
Bedeutsamkeit von Erfahrungen wichtig!
Eine Zerstörung der Amygdala führt beispielsweise dazu,
dass keine Furcht entstehen kann, die normalerweise bei
Angstreizen auftritt!
Präfrontaler Kortex:
Bei Läsionen des präfrontalen Kortex treten Defizite im Gedächtnis für die
zeitliche Abfolge von Ereignissen auf, obwohl die Ereignisse an sich meist
erinnert werden können!
Ebenso treten Defizite im so genannten Arbeitsgedächtnis auf.
Arbeitsgedächtnis bezeichnet die Fähigkeit, relevante Erinnerungen
aufrechtzuerhalten, während eine Aufgabe durchgeführt wird!
Der präfrontale Kortex ist groß und heterogen und hat deshalb vermutlich
mehrere verschiedene Funktionen im Zusammenhang mit Gedächtnis!
Amygdala
Modifiziert nach Nieuwenhuys et al., 1991
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Cerebellum und Striatum:
Kleinhirn und Nucleus caudatus + Putamen!
Neben den expliziten Erinnerungen, die bisher im
Zusammenhang mit bestimmten neuronalen Strukturen
besprochen wurden, muss es natürlich auch Schaltkreise geben, die
sensomotorisches Lernen ermöglichen, sowie auch den Abruf solcher Inhalte
aus einem entsprechenden Gedächtnissystem!
Beispiel: Untersuchungen bei der klassischen Konditionierung des
Lidschlagreflexes von Hasen deuteten daraufhin, dass das Cerebellum
sensomotorische Inhalte speichert!
Das Striatum speichert vermutlich Erinnerungen an
kosistente Beziehungen zwischen Reizen und
Reaktionen
Gewohnheitslernen!
Herunterladen