bio2_8-teil1

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Biologische Psychologie II
Peter Walla
Kapitel 17
Biopsychologie von
Emotionen, Stress und
Gesundheit
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Frühe Meilensteine der biopsychologischen Untersuchung von Emotionen:
Im Folgenden fassen wir 6 historisch interessante Geschichten zum Thema
„Emotion“ zusammen:
1) Phineas Gage:
Ein Vorarbeiter einer Eisenbahnlinie, der 1848 Opfer einer unvorhergesehenen
Zündung einer Sprengladung wurde. Ein 3cm dickes und 90cm langes Eisen
durchdrang sein Gesicht, den Schädel und das Gehirn, sodass es auf der
anderen Seite wieder herauskam.
5 Jahre nach seinem Tod fand eine genehmigte
Exhumierung statt und der Schädel wurde untersucht!
Das mutmaßliche Gebiet der Gehirnläsion von Phineas
Gage betrifft beide medialen Präfrontallappen!
es ist bekannt, dass der früher
verantwortungsvolle und sozial angepasste Herr Gage
nach seinem Unfall respektlos und impulsiv wurde.
Seine vulgäre Ausdrucksweise hat sein Leben verändert,
er verlor seinen Arbeitsplatz und viele Freunde!
Biologische Psychologie II
Peter Walla
Diese Abbildung stammt aus
dem Buch:
Physiologische Psychologie
(von Neil R. Carlson)
(Pearson Verlag)
Biologische Psychologie II
2 ) Darwins Theorie der Evolution von Emotionen:
Peter Walla
1872 erschien ein Buch mit dem Titel: „The expression of emotions in man and
animals“!
In diesem Buch argumentiert Darwin, dass ein bestimmter Gesichtsausdruck
(als emotionale Reaktion!) innerhalb einer Art mit dengleichen emotionalen
Zuständen verbunden ist!
Darwin entwickelte eine Theorie der Evolution des emotionalen Ausdrucks
mit drei Hauptideen!
a) Emotionale Ausdrücke erlauben eine Vorhersage über zukünftiges Verhalten
b) Wenn ein emotionaler Ausdruck einen Nutzen bringt, entwickelt er sich als
Kommunikationsmittel weiter und verliert dabei vielleicht seinen ursprüngliche
Funktion
c) Gegensätzliche Botschaften werden oft durch gegensätzliche
Bewegungen signalisiert!
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Darwins Theorie am Beispiel einer Drohgebärde!
a) Die emotionale Regung einer Aggression zeigt dem Gegenüber, dass
Kampfbereitschaft vorhanden ist!
b) Oft genügt eine solche Drohgebärde und es kommt zu gar keinem Kampf!
c) Unterwerfung zeigt sich in einer gegensätzlichen Körperhaltung!
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3) Die Theorien von James u. Lange und von Cannon u. Bard:
1884: James und Lange meinten, dass emotionsauslösende Reize kortikal
interpretiert werden, um dann über das autonome und das somatische NS an ihren
Zielorganen Effekte zu verursachen (Eingeweide und Muskeln)!
Diese autonomen und somatischen Reaktionen lösten dann erst die Empfindung
einer Emotion aus!
das bedeutet, dass sie davon ausgingen, dass zuerst eine körperliche
Reaktion passiert und erst dann eine emotionale Empfindung („Ich bin
traurig, weil ich weine“!)
1915: Cannon und Bard meinten, dass emotionale Reize sowohl die emotionale
Empfindung im Gehirn als auch den entsprechenden körperlichen Ausdruck
auslösen!
Emotionales Erleben und emotionaler Ausdruck werden hier als
parallele Prozesse verstanden!
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Bei James und Lange spielt also die Rückmeldung des peripheren Nervensystems
für das emotionale Erleben eine große Rolle, während bei Cannon und Bard
emotionales Erleben völlig unabhängig davon ist!
beide Extrempositionen haben sich als
falsch erwiesen, da:
a) Patienten mit Querschnittslähmung keine
somatische Rückmeldung haben und dennoch
in der Lage sind, Emotionen empfinden zu können!
b) Reaktionen des peripheren NS auf emotionale
Reize das emotionale Erleben beeinflussen können!
bald wurde eine dritte Theorie formuliert!
Dieser Theorie zufolge beeinflussen sich die
Wahrnehmung des emotionalen Reizes, die
Reaktionen des peripheren NS und das
emotionale Erleben alle gegenseitig!
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4) Schein-Wut:
Peter Walla
1920 entdeckte Bard, dass decortizierte Katzen auf die geringsten
Provokationen hin aggressiv reagierten!
Die Reaktionen waren unangemessen stark und nicht zielgerichtet, deswegen
wurden sie als Schein-Wut bezeichnet!
Solche Schein-Wut kann ausgelöst werden, wenn beide cerebralen Hemisphären
bis hinunter zum Hypothalamus entfernt werden!
Wird auch der Hypothalamus entfernt, kann keine Schein-Wut ausgelöst werden!
Bard meinte deshalb, dass der Hypothalamus für den Ausdruck
aggressiver Reaktionen notwendig ist und der Kortex normalerweise die
Funktion hat, diese Reaktionen zu hemmen bzw. sie gezielt auszurichten!
5) Limbisches system und Emotionen:
1937 meinte Papez, dass ein emotionaler Ausdruck von mehreren miteinander
verbundenen Strukturen gesteuert wird und nannte diesen kompletten Regelkreis
„Limbisches System“!
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6) Das Klüver-Bucy-Syndrom:
1939 beobachteten Klüver und Bucy bei Affen, denen beidseitig die anterioren
Temporallappen entfernt wurden, dass dies zu folgendem Verhalten führt:
- Es wird gegessen, was essbar ist
- Die sexuelle Aktivität ist erhöht und richtet sich oft auf unpassende Objekte
- Bekannte Objekte werden oft wiederholt untersucht
- Objekte werden mit dem Mund untersucht
- Es gibt eine starke Reduktion der Empfindung von Furcht
Im Buch auf Seite 575 finden Sie eine Beschreibung eines menschlichen Falls
des Klüver-Bucy-Syndroms!
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Emotionen und das autonome Nervensystem:
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In diesem Zusammenhang gibt es die 2 relevante Bereiche, nämlich „Ausmaß
der Interaktion zwischen ANS-Aktivität und Emotionen (1)“ und
„Leistungsfähigkeit von ANS-Maßen bei der Lügendetektion (2)“!
Ad 1) In Abhängigkeit der James-Lange-Theorie und der Cannon-Bard-Theorie
ergeben sich diesbezüglich zwei Sichtweisen:
unterschiedliche emotionale Reize erzeugen unterschiedliche Muster
von ANS-Aktivität und dies führt zu unterschiedlichen emotionalen Erlebnissen!
alle emotionalen Reize erzeugen dasselbe Muster einer
sympathischen Aktivierung, welche den Organismus darauf vorbereitet sich zu
verhalten!
wie bei den prinzipiellen Sichtweisen beider Theorien selbst, liegt die
Wahrheit vermutlich irgendwo zwischen den Extremen einer absoluten
Spezifität und einer absoluten Allgemeinheit!
Ad 2) Die Lügendetektion auf Basis von ANS-Aktivitäten ist eher fragwürdig, da
sie eigentlich generell emotionale Reaktion registriert und nicht speziell lügenassoziierte!
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Emotionen und Gesichtsausdruck:
In den 60er Jahren begannen Ekman und Kollegen, einen Atlas der
Gesichtsausdrücke zu erstellen!
Sie baten Modelle durch gezielte Instruktionen, jene Gesichtsmuskeln, die mit
den verschiedenen emotionalen Gesichtsausdrücken zusammenhängen, zu
kontrahieren!
Es deutet vieles darufhin, dass Gesichtsausdrücke universell sind!
Primäre Gesichtsausdrücke:
Ekman und Friesen definierten 6 so genannte Basisemotionen:
Überraschung
Wut
Trauer
Ekel
Furcht
Freude
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Es wurde von Ekman und Friesen weiters angenommen, dass alle anderen
Gesichtsausdrücke echter Emotionen aus einer definierbaren Mischung
dieser 6 Basisemotionen entsprechen!
z.B.
Ein nicht primärer
Gesichtsausdruck, der aus einer
Kombination aus Trauer und
Freude zusammengesetzt ist!
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Ein kleiner Nachtrag zum Thema:
Gesichtsausdrücke sind universell
(Abbildung aus dem „Carlson-Buch“)
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Die Facial-Feedback Hypothese:
Diese Hypothese besagt, dass unsere Gesichtsausdrücke unser emotionales
Erleben beeinflussen!
es spricht einiges dafür, dass dies tatsächlich so ist!
Willkürliche Kontrolle des Gesichtsausdrucks:
Durch die Möglichkeit, dass wir unsere Gesichtsmuskeln willkürlich kontrahieren
können, sind wir in der Lage, echte Gesichtsausdrücke zu unterdrücken und
falsche vorzuspielen!
Wir stellen 2 Ansätze gegenüber, um echte von falschen Ausdrücken
unterscheiden zu können:
So genannte Mikroexpressionen (ca. 0,05s) der wahren Emotion
treten häufig während einer vorgetäuschten Emotion auf!
Ein echtes Lächeln aus Freude kann von einem aufgesetzten Lächeln
durch eine Analyse bestimmter Muskelkontraktionen unterschieden
werden!
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Diese Muskelkontraktionsanalyse geht auf einen Herrn namens Duchenne
zurück (1862)!
Der Musculus orbicularis oculi
umringt die Augen und zieht die Haut
der Wangen und der Stirn auf den
jeweiligen Augapfel zu!
Der Musculus zygomaticus major
zieht die Mundwinkel nach oben!
nach Duchenne kann der
Musculus Zygomaticus major
willkürlich kontrolliert werden während
der Musculus orbicularis Oculi
normalerweise nur bei einem echten
Lächeln kontrahiert wird!
ein echtes Lächeln wurde
von Ekman als Duchenne-Lächeln
bezeichnet!
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Duchenne stimuliert den
Musculus zygomaticus major
auf beiden Seiten und erzeugt
ein künstliches Lächeln!
(Abbildung aus dem Carlson-Buch!)
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Nicht alle Emotionen führen auch zu merklichen Veränderungen im
Gesichtsausdruck!
dennoch können meist mit Hilfe der Elektromyographie (EMG)
Veränderungen des motorischen Inputs der Gesichtsmuskeln gemessen
werden! (z.B. Tassinary u. Gacioppo, 1992)
die EMG wurde auch eingesetzt, um zu zeigen, dass
Gesichtsausdrücke nachgeahmt werden! (z.B. Dimberg et al., 2000; maskierte
Darbietungen)
das war es für heute und für dieses Semester!
Allerliebsten Dank für das andauernde Interesse im Zusammenhang mit
dieser Lehrveranstaltung und viel Erfolg für die bevorstehende Prüfung!
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