Biologische Psychologie II Peter Walla Bei James und Lange spielt also die Rückmeldung des peripheren Nervensystems für das emotionale Erleben eine große Rolle, während bei Cannon und Bard emotionales Erleben völlig unabhängig davon ist! beide Extrempositionen haben sich als falsch erwiesen, da: a) Patienten mit Querschnittslähmung keine somatische Rückmeldung haben und dennoch in der Lage sind, Emotionen empfinden zu können! b) Reaktionen des peripheren NS auf emotionale Reize das emotionale Erleben beeinflussen können! bald wurde eine dritte Theorie formuliert! Dieser Theorie zufolge beeinflussen sich die Wahrnehmung des emotionalen Reizes, die Reaktionen des peripheren NS und das emotionale Erleben alle gegenseitig! Biologische Psychologie II 4) Schein-Wut: Peter Walla 1920 entdeckte Bard, dass decortizierte Katzen auf die geringsten Provokationen hin aggressiv reagierten! Die Reaktionen waren unangemessen stark und nicht zielgerichtet, deswegen wurden sie als Schein-Wut bezeichnet! Solche Schein-Wut kann ausgelöst werden, wenn beide cerebralen Hemisphären bis hinunter zum Hypothalamus entfernt werden! Wird auch der Hypothalamus entfernt, kann keine Schein-Wut ausgelöst werden! Bard meinte deshalb, dass der Hypothalamus für den Ausdruck aggressiver Reaktionen notwendig ist und der Kortex normalerweise die Funktion hat, diese Reaktionen zu hemmen bzw. sie gezielt auszurichten! 5) Limbisches System und Emotionen: 1937 meinte Papez, dass ein emotionaler Ausdruck von mehreren miteinander verbundenen Strukturen gesteuert wird und nannte diesen kompletten Regelkreis „Limbisches System“! Biologische Psychologie II Peter Walla Biologische Psychologie II 6) Das Klüver-Bucy-Syndrom: Peter Walla 1939 beobachteten Klüver und Bucy bei Affen, denen beidseitig die anterioren Temporallappen entfernt wurden, dass dies zu folgendem Verhalten führt: - Es wird gegessen, was essbar ist - Die sexuelle Aktivität ist erhöht und richtet sich oft auf unpassende Objekte - Bekannte Objekte werden oft wiederholt untersucht - Objekte werden mit dem Mund untersucht - Es gibt eine starke Reduktion der Empfindung von Furcht Im Buch auf Seite 575 finden Sie eine Beschreibung eines menschlichen Falls des Klüver-Bucy-Syndroms! Biologische Psychologie II Emotionen und das autonome Nervensystem: Peter Walla In diesem Zusammenhang gibt es die 2 relevante Bereiche, nämlich „Ausmaß der Interaktion zwischen ANS-Aktivität und Emotionen (1)“ und „Leistungsfähigkeit von ANS-Maßen bei der Lügendetektion (2)“! Ad 1) In Abhängigkeit der James-Lange-Theorie und der Cannon-Bard-Theorie ergeben sich diesbezüglich zwei Sichtweisen: unterschiedliche emotionale Reize erzeugen unterschiedliche Muster von ANS-Aktivität und dies führt zu unterschiedlichen emotionalen Erlebnissen! alle emotionalen Reize erzeugen dasselbe Muster einer sympathischen Aktivierung, welche den Organismus darauf vorbereitet sich zu verhalten! wie bei den prinzipiellen Sichtweisen beider Theorien selbst, liegt die Wahrheit vermutlich irgendwo zwischen den Extremen einer absoluten Spezifität und einer absoluten Allgemeinheit! Ad 2) Die Lügendetektion auf Basis von ANS-Aktivitäten ist eher fragwürdig, da sie eigentlich generell emotionale Reaktion registriert und nicht speziell lügenassoziierte! Biologische Psychologie II Peter Walla Emotionen und Gesichtsausdruck: In den 60er Jahren begannen Ekman und Kollegen, einen Atlas der Gesichtsausdrücke zu erstellen! Sie baten Modelle durch gezielte Instruktionen, jene Gesichtsmuskeln, die mit den verschiedenen emotionalen Gesichtsausdrücken zusammenhängen, zu kontrahieren! Es deutet vieles darufhin, dass Gesichtsausdrücke universell sind! Primäre Gesichtsausdrücke: Ekman und Friesen definierten 6 so genannte Basisemotionen: Überraschung Wut Trauer Ekel Furcht Freude Biologische Psychologie II Peter Walla Es wurde von Ekman und Friesen weiters angenommen, dass alle anderen Gesichtsausdrücke echter Emotionen aus einer definierbaren Mischung dieser 6 Basisemotionen entsprechen! z.B. Ein nicht primärer Gesichtsausdruck, der aus einer Kombination aus Trauer und Freude zusammengesetzt ist! Biologische Psychologie II Peter Walla Ein kleiner Nachtrag zum Thema: Gesichtsausdrücke sind universell (Abbildung aus dem „Carlson-Buch“) Biologische Psychologie II Die Facial-Feedback Hypothese: Peter Walla Diese Hypothese besagt, dass unsere Gesichtsausdrücke unser emotionales Erleben beeinflussen! es spricht einiges dafür, dass dies tatsächlich so ist! Willkürliche Kontrolle des Gesichtsausdrucks: Durch die Möglichkeit, dass wir unsere Gesichtsmuskeln willkürlich kontrahieren können, sind wir in der Lage, echte Gesichtsausdrücke zu unterdrücken und falsche vorzuspielen! Wir stellen 2 Ansätze gegenüber, um echte von falschen Ausdrücken unterscheiden zu können: So genannte Mikroexpressionen (ca. 0,05s) der wahren Emotion treten häufig während einer vorgetäuschten Emotion auf! Ein echtes Lächeln aus Freude kann von einem aufgesetzten Lächeln durch eine Analyse bestimmter Muskelkontraktionen unterschieden werden! Biologische Psychologie II Peter Walla Diese Muskelkontraktionsanalyse geht auf einen Herrn namens Duchenne zurück (1862)! Der Musculus orbicularis oculi umringt die Augen und zieht die Haut der Wangen und der Stirn auf den jeweiligen Augapfel zu! Der Musculus zygomaticus major zieht die Mundwinkel nach oben! nach Duchenne kann der Musculus zygomaticus major willkürlich kontrolliert werden während der Musculus orbicularis oculi normalerweise nur bei einem echten Lächeln kontrahiert wird! ein echtes Lächeln wurde von Ekman als Duchenne-Lächeln bezeichnet! Biologische Psychologie II Peter Walla Duchenne stimuliert den Musculus zygomaticus major auf beiden Seiten und erzeugt ein künstliches Lächeln! (Abbildung aus dem Carlson-Buch!) Biologische Psychologie II Peter Walla Nicht alle Emotionen führen auch zu merklichen Veränderungen im Gesichtsausdruck! dennoch können meist mit Hilfe der Elektromyographie (EMG) Veränderungen des motorischen Inputs der Gesichtsmuskeln gemessen werden! (z.B. Tassinary u. Gacioppo, 1992) die EMG wurde auch eingesetzt, um zu zeigen, dass Gesichtsausdrücke nachgeahmt werden! (z.B. Dimberg et al., 2000; maskierte Darbietungen) Biologische Psychologie II International Affective Picture system (IAPS; Lang et al., 2005) Peter Walla Britton et al., 2006: facial expressions and complex IAPS pictures: Common and differential networks. Neuroimage, 31: 906-919 Biologische Psychologie II Peter Walla Stress und Gesundheit: Schädigung und/oder Bedrohung führt zu Stress! (physische und psychische Stressoren) Die Stressreaktion: Kurzfristig adaptive Veränderungen wie Mobilisierung von Energie, Entzündungshemmung und Infektionsabwehr Langfristig schädliche Veränderungen wie vergrößerte Nebennieren 2 wichtige Systeme: Hypophysenvorderlappen-Nebennierenrindensystem und das sympathisches Nervensystem Cortisol Biologische Psychologie II Peter Walla Psychoneuroimmunologie: In den frühen 1980er Jahren entstand dieses spannende Fachgebiet als ein Studium der Interaktionen zwischen psychischen Faktoren, dem Nervensystem und dem Immunsystem! Das Immunsystem: Schützt den Körper vor den negativen Wirkungen eingedrungener Mikroorganismen (z.B. Viren, Bakterien oder Pilze!) Eine wichtige Aufgabe des Immunsystems ist die Unterscheidung von eigen und fremd! Antigene (Oberflächen-Proteinmoleküle) Es werden zwei Arten von Barrieren gegen mögliche Infektionen beschrieben: unspezifische Barrieren spezifische Barrieren Biologische Psychologie II Unspezifische Barrieren: Peter Walla Diese wirken schnell und allgemein! Z.B. die Schleimhäute, die fremde Mikroorganismen zerstören können, sowie auch die Phagocytose (Phagocyten „fressen“ Eindringlinge). Spezifische Barrieren: Diese wirken gegen bestimmte Arten von Eindringlingen! Wir unterscheiden zwischen einer zellulären (zellvermittelt) und einer humoralen (antikörpervermittelt) Komponente. Beide arbeiten mit so genannten Lymphocyten (spezialisierte, weiße Blutkörperchen!) Die zelluläre Immunreaktion arbeitet mit T-Lymphocyten und die humorale Immunreaktion arbeitet mit B-Lymphocyten Biologische Psychologie II Die zellvermittelte Immunreaktion: Peter Walla Ein Makrophage nimmt einen Eindringling auf und präsentiert das entsprechende Antigen des Eindringlings auf seiner eigenen Zellmembran. Daraufhin werden T-Lymphocyten angezogen, die mit 2 Typen von Rezeptoren ausgestattet sind: für Moleküle, die normalerweise auf Makrophagen und anderen Körperzellen zu finden sind für ein bestimmtes fremdes Antigen nun bindet ein T-Lymphocyt mit einem Rezeptor für das entsprechende Antigen an die Oberfläche des Makrophagen und veranlasst eine Vervielfachung seiner selbst, damit mehr T-Lymphocyten mit diesem spezifischen Rezeptor entstehen! Biologische Psychologie II Peter Walla Die antikörpervermittelte Immunreaktion: Diese Immunreaktion beginnt, indem sich ein B-Lymphocyt an ein fremdes Antigen bindet, für welches er den bestimmten Rezeptor besitzt. als Folge davon vervielfachen sich die B-Lymphocyten und synthetisieren eine tödliche Form ihres Rezeptors, die so genannten Antikörper. Diese Antikörper zerstören den fremden Organismus. Zudem werden auch BGedächtniszellen für das jeweilige Antigen produziert, die dann in Zukunft eine bessere und beschleunigte Immunreaktion auf denselben Eindringling bedingt. Biologische Psychologie II Peter Walla Bei der zellvermittelten Immunität werden Mikroorganismen oder Körperzellen, in die sie eingedrungen sind, von T-Zellen vernichtet. Bei der antikörpervermittelten Immunität werden Mikroorganismen von Antikörpern, die von B-Zellen produziert wurden, getötet. Biologische Psychologie II Peter Walla Wie funktioniert eine Impfung? Auswirkungen von Stress auf die Immunfunktion: 1) Kurze, akute Stressoren (weniger als 100 Minuten) führen zu verbesserten Immunfunktionen (vor allem unspezifische Immunfunktionen)! z.B. öffentliches Sprechen, sportliche Wettkämpfe, musikalische Auftritte, Prüfungssituationen 2) Chronische Stressoren wirken sich negativ auf Immunfunktionen aus! z.B. Zehrende Pflege dementer Menschen, eine Behinderung, Arbeitslosigkeit Biologische Psychologie II Peter Walla Die Wirkungsweise von Stress auf eine Immunfunktion ist erst wenig verstanden! es gibt T-Lymphocyten und B-Lymphocyten mit Glucocorticoidrezeptoren und Rezeptoren für Adrenalin und Noradrenalin! viele Neuropeptide des Nervensystems können auch von Zellen des Immunsystems freigesetzt werden! bestimmte Zytokine (Wachstum-beeinflussende Botenstoffe) werden sowohl vom Immunsystem als auch vom Nervensystem produziert! es gibt also eine Menge möglicher Interaktionen zwischen Nervensystem und Immunsystem! Biologische Psychologie II Peter Walla Und aus!