428 IV Elektrodynamik Damit gilt: ⎡ I02 dk ⎣ = dω 2π c cos mπ 2 cos θ − cos sin θ mπ ⎤2 2 ⎦ . Für ungerade m ergibt sich dann eine relativ einfache Winkelverteilung. mπ ⎤2 ⎡ 2 θ cos cos I dE 2 ⎦ = 0 ⎣ m = 1, 3, 5, 7, . . . dω 2π c sin θ ⎤2 ⎡ 4 π 2I02 cos 2 cos θ dE ⎦ ⎣ = dω πc sin2 θ m=2 (24) (25) (26) In der folgenden Figur sind die drei niedrigsten Strahlungscharakteristiken m = 1, 2, 3 angegeben. 0 r m (a) m = 1 (b) m = 2 (c) m = 3 Strahlungscharakteristiken für verschiedene Werte von m. Die intensive Strahlungskeule ist stets die der Antenne am nächsten gelegene. Für m → ∞ fällt diese mit der Antenne zusammen. Für einen unendlich langen Leiter kann somit elektromagnetische Energie entlang des Leiters propagiert werden; es wird aber keine Strahlung in den leeren Raum emittiert. Man sieht, daß m = 1 der der Dipolstrahlung entsprechende Anteil ist, m = 2 zum Quadropol korrespondierend und m = 3 der Oktopolstrahlung ähnelt. Trotzdem ist die durchgeführte Rechnung exakt in dem Sinne, daß keine Multipolentwichlung des Strahlungsfeldes durchgeführt wurde. Aufgabe 21.8 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik In diesem drittletzten Kapitel wollen wir noch einen Ausblick auf die Behandlung der Elektrodynamik in der Relativitätstheorie geben. Dazu geben wir noch kurz eine Wiederholung des relativistischen Formalismus an, wie wir ihn schon im Band Mechanik I kennengelernt haben. 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 429 Wir benutzen die Konvention, daß über doppelt auftretende Indizes summiert wird; die lateinischen Indizes i, j, k, . . . können die Werte 1 bis 3 annehmen; griechische Indizes λ , μ , ν , . . . laufen von 1 bis 4. Die Lorentz-Transformation: In den Vorlesungen über Mechanik I wurde der vierdimensionale Minkowski-Raum der Punkte (xμ ) = (x1 , x2 , x3 , x4 ) = (x1 , x2 , x3 , ict) = (x, ict) eingeführt. Beim Übergang zwischen zwei gleichförmig gegeneinander bewegten Koordinatensystemen K(xμ ) und K (x μ ) transformieren sich die Komponenten des Ortsvektors im Minkowski-Raum gemäß einer Lorentz-Transformation. Sie ist linear und homogen und kann durch eine Transformationsmatrix Ĉ = (cμ ν ) beschrieben werden, x μ = 4 ∑ cμ ν xν = cμ ν xν . 1) (22.1) ν =1 Wir betrachten wieder den speziellen Fall zweier Koordinatensysteme, deren Achsen parallel sind. Der Ursprung von K soll sich mit der Geschwindigkeit v entlang der x3 -Achse bewegen. Mit den Abkürzungen β = v/c und γ = 1/ 1 − β 2 gilt dann für die Transformationsmatrix ⎛ ⎞ 1 0 0 0 ⎜ 0 1 0 0 ⎟ ⎟. Ĉ = (cμ ν ) = ⎜ (22.2) ⎝ 0 0 γ iγ β ⎠ 0 0 − iγ β γ x4'' x4 x3 x'4 D1 v x2 x2' x4''' D2 C x3'' x''2 x4' x3' x''' 2 x''' 3 c Die allgemeine Lorentz-Transformation C̃ˆ läßt sich aus der speziellen LorentzTransformation Ĉ und den Raumdrehungen D̂1 und D̂2 aufbauen. Es ist geometrisch einzusehen, daß sich aus einem solchen Spezialfall mittels zweier räumlicher Drehungen sämtliche Transformationen der (homogenen) Lorentz-Gruppe erhalten lassen: Eine erste Raumdrehung D̂1 dreht die neue x3 Achse in Richtung der Translationsgeschwindigkeit v, so daß nun die LorentzTransformation angewendet werden kann (Drehung in der x3 , x4 -Ebene). Sie sorgt 1) Im letzten Schritt haben wir wieder die Einsteinsche Summenkonvention benutzt: Über gleiche Indizes wird summiert; in diesem Fall wird über ν summiert. 430 IV Elektrodynamik dafür, daß die x4 -Achse mit der x4 -Achse übereinstimmt. Der Übergang vom K -System in das angestrebte K -System erfordert also nur noch eine weitere Raumdrehung D̂2 . Eine beliebige Lorentz-Transformation C̃ˆ läßt sich also darstellen als das Produkt der speziellen Lorentz-Transformation Ĉ und zwei reinen Raumdrehungen: C̃ˆ = D̂ ĈD̂ . (22.3) 2 1 Das so erhaltene C̃ˆ muß ein Element der Lorentz-Gruppe sein, weil sowohl Ĉ als auch die Raumdrehungen D̂1 , D̂2 (v = 0) dieser Gruppe angehören. Deshalb genügt es, das Verhalten einer Größe unter der Transformation (22.2) zu betrachten. Eigenschaften der Transformationsmatrix (cμ ν ): Die Lorentz-Transformation beschreibt Drehungen im vierdimensionalen Minkowski-Raum; die Matrix ist also orthogonal und es gelten die folgenden Beziehungen, die wir noch einmal angeben. Der Betrag des Ortsvektors bleibt erhalten: (22.4) x ν x ν = xν xν . Damit folgt x ν x ν = cν σ xσ ·cν τ xτ = cν σ cν τ xσ xτ = xν xν , also Spaltenorthogonalität cν σ cν τ = δ σ τ . (22.5) Aus x σ = cσ ν xν folgt durch Multiplikation mit cσ μ und Summation die Umkehrtransformation cσ ν cσ μ xν = δ ν μ xν = xμ = cσ μ x σ . (22.6) Also gilt (cμ σ )−1 = (cσ μ ) = (cμ σ )t , die inverse Matrix ist gleich der transponierten. Aus (22.6) erhält man die Zeilenorthogonalität xν xν = cσ ν xσ cτ ν xτ = xτ xτ ⇒ cσ ν cτ ν = δ σ τ . ! (22.7) Für die Determinante läßt sich mit dem Multiplikationssatz ableiten 1 = det(δ σ τ ) = det(cν σ cν τ ) = det(cσ ν )t det(cν τ ) = (det(cμ ν ))2 , wobei det AT = det A benutzt wurde, also det(cμ ν ) = ±1. (22.8) Wir beschränken uns hier auf die eigentlichen Lorentz-Transformationen mit der Determinante + 1, da det(cμ ν ) = −1 eine Spiegelung (Inversion) enthält. Vierervektoren und -tensoren: Die 4k Größen Tα 1 ...α k (ai = 1, 2, 3, 4) bilden einen Tensor k-ter Stufe, wenn sie unter einer orthogonalen Transformation sich entsprechend der Gleichung T α 1 ...α k = cα 1 β 1 · . . . · cα k β k Tβ 1 ...β k (22.9) transformieren. Jeder einzelne Index eines Tensors transformiert sich wie die Komponente eines Vektors (siehe Gl. (22.1)). 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 431 Skalare und Vierervektoren Beispiel 22.1 k = 0: Der Tensor 0-ter Stufe ist ein Skalar, der unter Lorentz-Transformationen invariant ist, wie etwa die Länge xμ xμ des Ortsvektors. k = 1: Ein 4-Tupel mit der Transformationseigenschaft Tμ = cμ ν Tν (1) ist ein Vierervektor. Ein Beispiel ist der Vektor (x, y, z, ict) der Koordinaten eines Weltpunkts. Beispiel 22.1 Produktbildung: Wie man aus der Gleichung (22.9) sofort erkennt, ist es möglich, entsprechend Uα 1 ...α m β 1 ...β n = Sα 1 ...α m · Tβ 1 ...β n (22.10) durch komponentenweise Multiplikation zweier Tensoren m-ter und n-ter Stufe einen Tensor (n + m)-ter Stufe zu bilden. Verjüngung: Summiert man über zwei Indizes eines Tensors, so zeigt sich wegen der Orthogonalitätsrelation (22.5): T α α γ = cα μ cα ν cγ λ Tμ ν λ = δ μ ν cγ λ Tμ ν λ = cγ λ Tμ μ λ . (22.11) Allgemein läßt sich hieraus ablesen: Durch Gleichsetzen (und darüber Summieren) zweier Indizes eines Tensors k-ter Stufe erhält man einen Tensor (k − 2)-ter Stufe. Dieser Vorgang wird als Verjüngung (Kontraktion) des Tensors bezeichnet. Ein Beispiel ist das skalare Produkt zweier Vierervektoren Aμ Bμ , das sich als Kontraktion des Tensors Tμ ν = Aμ Bν ansehen läßt, also eine skalare Invariante bildet. Tensoranalysis: Der dreidimensionale ∇ − Operator läßt sich auf Vierergestalt erweitern. Wegen der Kettenregel und Gleichung (22.6) gilt nämlich ∂ ∂xσ ∂ ∂ = = cμ σ , (22.12) ∂x μ ∂x μ ∂xσ ∂xσ d. h., der Operator ∂/∂xμ verhält sich wie ein Vierervektor. Die Anwendung dieses Operators auf einen Viererskalar φ ergibt den Vierergradienten: ∂φ /∂xμ . Wegen ∂A μ ∂x μ = cμ σ ∂ ∂xσ (cμ τ Aτ ) = ∂Aσ ∂xσ ist die Summe ∂Aμ /∂xμ , die Viererdivergenz, ein Lorentz-Skalar. (22.13) 432 IV Elektrodynamik Setzen wir statt Aμ in die Viererdivergenz die entsprechende Ableitung ∂/∂xμ ein, so ergibt sich der skalare Operator = ∂ ∂ ∂xμ ∂xμ =− 1 ∂2 · c2 ∂t 2 (Quablaoperator). (22.14) Volumenelement: Das reell gewählte Volumenelement d4 x = dx1 dx2 dx3 dx0 mit dx0 = dx4 /i = c dt bleibt bei einer Lorentz-Transformation erhalten; es ist ein Lorentz-Skalar, denn ∂(x 0 , x1 , x2 , x3 ) 4 d4 x = (22.15) d x ≡ det(cμ ν ) d4 x = d4 x, ∂(x0 , x1 , x2 , x3 ) weil die Jakobi-Determinate ∂(x0 , x1 , x2 , x3 ) ∂(x0 , x1 , x2 , x3 ) = det(cμ ν ) im Fall der eigentlichen Lorentz-Transformationen +1 ist (siehe Gl. (22.8)). Die Feldgleichungen und der Feldtensor: Als Grundlage der speziellen Relativitätstheorie stellte Einstein zwei Postulate auf: I. In allen gleichförmig gegeneinander bewegten Systemen gelten die gleichen Naturgesetze. II. Die Geschwindigkeit des Lichts hat in allen gleichförmig gegeneinander bewegten Systemen den gleichen Betrag, unabhängig von der Geschwindigkeit der Quelle relativ zum Beobachter. Aus der Forderung II. folgt, daß der Übergang zwischen zwei Systemen durch eine Lorentz-Transformation beschrieben wird. Das erste Postulat lautet dann: Alle Naturgesetze können kovariant formuliert werden. Kovarianz einer Gleichung heißt dabei, daß sich ihre Form unter einer Lorentz-Transformation nicht ändert. Nach der Beziehung (22.9) bedeutet dies, daß die Gleichungen Relationen zwischen Tensoren gleicher Stufe sein müssen. Prinzipiell ist es möglich, das Transformationsverhalten der elektrischen und magnetischen Feldgrößen direkt abzuleiten und zu zeigen, daß z. B. die Maxwellgleichungen kovariant sind (im Gegensatz zu den Gesetzen der klassischen Mechanik, bei denen relativistische Änderungen an den Newtonschen Grundgesetzen notwendig waren). Wir werden uns im folgenden darauf beschränken, vom ersten Postulat ausgehend, die Gleichungen der Elektrodynamik in kovariante Form zu bringen, und betrachten dabei die Felder im Vakuum. Die Kontinuitätsgleichung ∇ · j + ∂ = 0 ∂t schreiben wir in der Form ∂ j1 ∂ j2 ∂ j3 ∂( ic) + + + = 0. ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂( ict) (22.16) 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 433 Dann ist mit der Einführung der Viererstromdichte ( jμ ) = (j, ic) (22.17) die kovariante Form der Kontinuitätsgleichung als Viererdivergenz der Stromdichte offensichtlich: ∂ jμ = 0. (22.18) ∂xμ Die Tatsache, daß jμ tatsächlich ein Vierervektor ist, läßt sich direkt aus dem experimentellen Befund der Ladungserhaltung ableiten, denn wenn sowohl dq = dx1 dx2 dx3 als auch i d4 x = dx1 dx2 dx3 dx4 skalare Invarianten sind, muß sich wie die vierte Komponente eines Vierervektors transformieren. Ähnlich schließt man für j = v. Mit dem Erkennen des Vierervektorcharakters von jμ haben wir sofort das Transformationsverhalten von Stromdichte j und Ladungsdichte beim Übergang von einem Inertialsystem zu einem anderen im Griff. Es gilt dann jν = cν μ jμ . (22.19) Stromdichte und Ladungsdichte sind demnach eng miteinander verknüpft. Zum Beispiel lautet die z-Komponente, j3 , gemäß (22.2) j3 = γ ( j3 − v ), ein plausibles und leicht interpretierbares Ergebnis. Die Stromdichte in einem bewegten System K setzt sich aus den sich im ursprünglichen System K bewegenden Ladungen ( j3 ) und den aufgrund der Bewegung des Systems K als bewegt erscheinenden, aber im System K statischen Ladungen () zusammen. Die Potentialgleichungen 1 ∂2A 4π · = − j, c2 ∂t 2 c 2 1 ∂φ Δ φ − 2 · 2 = −4π c ∂t mit der Lorentz-Eichung ∇ · A + 1 · ∂φ = 0 c ∂t legen es nahe, das Viererpotential ΔA − (Aμ ) = (A, iφ ) (22.20) (22.21) (22.22) (22.23) einzuführen. Dann lassen sich die beiden Gleichungen (22.20), (22.21) in eine zusammenfassen 4π (22.24) Aμ = − jμ c mit der Eichung ∂Aμ = 0. (22.25) ∂xμ 434 IV Elektrodynamik Schon an diesen Beispielen zeigt sich, daß die Gleichungen der Elektrodynamik durch die Schreibweise mit Vierervektoren eine einfache und klare Form erhalten. Wir gehen nun von den Potentialen zu den Feldstärken E und B über, definiert durch E = −∇φ − 1 · ∂A , (22.26) c ∂t B = ∇ × A. (22.27) Komponentenweise ausgeschrieben lauten diese Gleichungen ∂A4 ∂A1 ∂A3 ∂A2 E1 = i −i , B1 = − ∂x1 ∂x4 ∂x2 ∂x3 ∂A4 ∂A2 ∂A1 ∂A3 E2 = i −i , B2 = − ∂x2 ∂x4 ∂x3 ∂x1 ∂A4 ∂A3 ∂A2 ∂A1 E3 = i −i , B3 = − . ∂x3 ∂x4 ∂x1 ∂x2 Die einheitliche Form dieser Gleichungen führt auf die Definition des Feldtensors ∂Aμ ∂Aν − . (22.28) Fμ ν = ∂xμ ∂xν Der Feldtensor (Fμ ν ) ist ein antisymmetrischer Tensor 2-ter Stufe und hat somit 6 unabhängige Komponenten, die Ei und Bi . Die Gleichung (22.28) stellt die vierdimensionale Verallgemeinerung der Rotation dar. In drei Dimensionen besitzt diese als antisymmetrischer Tensor mit drei Komponenten „zufällig“ die Eigenschaften eines Dreiervektors, abgesehen vom Verhalten gegen Inversion. Der Feldtensor hat ausgeschrieben die Form ⎛ 0 B3 −B2 − iE1 ⎜ −B3 0 B1 − iE2 Fμ ν = ⎜ ⎝ B2 −B1 0 − iE3 iE1 iE2 iE3 0 ⎞ ⎟ ⎟. ⎠ (22.29) Wir erhalten also als Resultat, daß das elektromagnetische Feld in Viererschreibweise nicht mehr durch zwei getrennte Vektoren, sondern durch einen einzigen Tensor beschrieben wird. Das bedeutet, daß sich beim Übergang zwischen gegenE und B gemischt transformieren. einander bewegten Systemen die Komponenten Würden sie sich als 3er-Komponenten zweier unabhängiger 4er-Vektoren transformieren, würden sich nur ihre Komponenten untereinander mischen! So aber wird ein reines elektrisches Feld im ungestrichenen System als ein Gemisch von elektrischem und magnetischem Feld im gestrichenen System erscheinen. Wir wählen jetzt wieder die spezielle Lorentz-Transformation (22.2), d. h. parallele Achsen und Bewegung von K in z-Richtung. Dann erhalten wir aus Fμ ν = cμ σ cν τ Fσ τ 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik mit den cμ ν aus Gleichung (22.2) die Transformationsgleichungen E1 = γ (E1 − β B2 ), B1 = γ (B1 + β E2 ), B2 = γ (B2 − β E1 ), E2 = γ (E2 + β B1 ), E3 = E3 , B3 = B3 . Dieses Ergebnis läßt sich auch in Vektorform schreiben: E⊥ = γ E⊥ + v × B , B⊥ = γ B⊥ − v × E . c c E = E , B = B , 435 (22.30) (22.31) Dabei bedeutet und ⊥ parallel bzw. senkrecht zu v (= (0, 0, v) in unserem Beispiel). Man verifiziert unmittelbar, daß jeweils die ersten beiden Gleichungen (22.30) gerade die 1,2 Komponenten der jeweils ersten Gleichungen (22.31) sind. Für geringe Relativgeschwindigkeiten, wenn γ ≈ 1 ist, erhält man im Ruhesystem eines mit der Geschwindigkeit v bewegten Elektrons gerade die Lorentz-Kraft: F = eE ≈ e E + v × B . c Der zweite Satz Gleichungen (22.31) für die magnetische Induktion liefert das Biot-Savartsche Gesetz, wie das Beispiel 22.2 noch verdeutlichen wird. Lorentz-Transformation Aufgabe 22.1 Aus der Mechanik-Vorlesung ist bekannt, daß eine Lorentz-Transformation (LT) in der Form xμ = aμ ν xν oder x = Ax mit der Einsteinschen Konvention aμ ν xν ≡ ∑4ν =1 aμ ν xν und der Definition x = xν = (x1 , x2 , x3 , x4 ) = (x, ict),A = (aμ ν ) geschrieben werden kann. a) Sei x im Bezugssystem Σ gegeben. Bestimmen Sie A für die Transformation x → x ∈ Σ , wobei sich das System Σ bezüglich Σ mit der Geschwindigkeit v in zRichtung bewegen soll. Solche Transformationen bezeichnet man mit dem englischen Wort „boost“ (Schub); hier liegt also ein boost in z-Richtung vor. b) Sei A eine beliebige LT und x = Ax. Leiten Sie aus x 2 = xμ xμ = xν xν = x2 die Beziehung AT = A−1 ab; d. h., A ist orthogonal, und somit det A = ±1. Wieso gilt |A44 | ≥ 1? c) Zeigen Sie dann, daß die LT eine Gruppe bilden (Bez. L ). d) Zeigen Sie, daß man jede Matrix L ∈ L durch L = DL mit D = 1, P, T, PT ausdrücken kann. Dabei ist ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 1 0 0 0 −1 0 0 0 ⎜ 0 1 0 ⎜ 0 −1 0 ⎟ 0 0 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ P=⎜ T =⎜ ⎟ ⎟, ⎝ 0 0 1 0 ⎠ ⎝ 0 0 −1 0 ⎠ 0 0 0 −1 0 0 0 1 PT = −1 det L = 1, sowie (L )44 ≥ 1. Die Menge aller L wird mit L↑+ bezeichnet. Man zeige, daß L↑+ eine Gruppe bildet (die sogenannte eingeschränkte Lorentzgruppe). Welche physikalische Bedeutung haben P, T und PT ? 436 IV Elektrodynamik Aufgabe 22.1 e) Welche Arten von Koordinatentransformationen enthält L↑+ ? Ist L abelsch? f) Wie sind Vierervektoren und Vierertensoren definiert? Was ist ein Skalar? Lösung: a) Mit β = v/c, γ = (1 − β 2 )−1/2 gilt x1 = x1 , x2 = x2 , x3 = (x3 + ix4 β )γ , t − vx3 /c x4 = ict = ic = (x4 − ix3 β )γ , 1 − v 2 /c2 oder in Matrixschreibweise ⎞ ⎛ ⎛ ⎞ ⎛ x1 x1 1 0 0 ⎟ ⎜0 1 0 ⎜ x ⎟ ⎜ x ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎜ 2 x = ⎜ 2 ⎟ = ⎜ ⎟=⎜ ⎝ x3 ⎠ ⎝ (x3 + ix4 β )γ ⎠ ⎝ 0 0 γ x4 (x4 − ix3 β )γ 0 0 − iβ γ ⎞⎛ ⎞ 0 x1 ⎜ ⎟ 0 ⎟ ⎟ ⎜ x2 ⎟ ⎟ ⎜ ⎟ = Ax iβ γ ⎠ ⎝ x3 ⎠ γ x4 (1) b) x 2 = xμ xμ = Aμ ν xν Aμ σ xσ = xν ATν μ Aμ σ xσ = xν xν = x2 ⇒ ATν μ Aμ σ = δ ν σ , oder AT = A−1 . Daraus folgt weiter 1 = det 1 = det(AAT ) = det A det AT = (det A)2 , also det A = ±1. Da x, t reelle Größen sind, müssen die Komponenten Ai4 (i = 1, 2, 3) komplex und Ai j (i j = 1, 2, 3), A44 reell sein. Wegen 1 = (AT A)44 = A244 − |A14 |2 − |A24 |2 − |A34 |2 folgt |A44 | ≥ 1. −1 −1 −1 T T T T −1 ⇒ c) L1 ∈ L , L2 ∈ L ⇔ LT1 = L−1 1 , L2 = L2 ⇒ (L1 L2 ) = L2 L1 = L2 L1 = (L1 L2 ) (L1 L2 ) ∈ L , Assoziativität, Einselement und die Inverse sind gegeben. d) Es gilt P2 = T 2 = (PT )2 = 1. Sei A ∈ L . Fall 1: det A = 1, A44 ≥ 1 ⇒ A0 = A ∈ L↑+ , D = 1, A ∈ L↑+ Fall 2: det A = 1, A44 ≤ −1 ⇒ A0 = PTA ∈ L↑+ , D = PT, A ∈ L↓+ Fall 3: det A = −1, A44 ≥ 1 ⇒ A0 = PA ∈ L↑+ , D = P, A ∈ L↑− Fall 4: det A = −1, A44 ≤ −1 ⇒ A0 = TA ∈ L↑+ , D = T, A ∈ L↓− P bedeutet Rauminversion, T Zeitspiegelung und PT Raumzeitinversion. Wir bemerken, daß {1, P, T , PT } eine diskrete Untergruppe von L bilden. Da in L↑+ die Assoziativität trivialerwiese gegeben ist, 1 ∈ L↑+ gilt und (A−1 )44 = (AT )44 > A44 ≥ 1 gilt, bleibt nur die Abgeschlossenheit zu zeigen, d. h. A ∈ L↑+ , B ∈ L↑+ ⇒ AB ∈ L↑+ , also (AB)44 ≥ 1. Nun ist aber (AB)44 = A41 B14 + A42 B24 + A43 B34 + A44 B44 ≥ (A44 B44 ) − |A41 B14 | − |A42 B24 | − |A43 B34 | = [(1 + |A14 |2 + |A24 |2 + |A34 |2 )(1 + |B41 |2 + |B42 |2 + |B43 |2 )]1/2 − |A41 B14 | − |A42 B24 | − |A43 B34 | ≥ 1, wie man sich leicht überlegt. Man kann die gesamte Lorentzgruppe aus L↑+ rekonstruieren, indem man zu jedem L0 ∈ L↑+ die Elemente PL0 ,T L0 und PT L0 bildet. Man schreibt auch L = L↑+ ⊗ {1, P, T, PT } oder L↑+ = L /{1, P, T, PT }. e) L↑+ enthält neben boosts auch Rotationen (weshalb auch L nicht abelsch sein kann) und beliebige Produkte von beiden. f) Durch den Ausdruck xμ = (x1 , x2 , x3 , x4 ) wird ein Punkt X = xμ eμ im MinkowskiRaum bezeichnet, bezogen auf das Basissystem e1 , e2 , e3 , e4 . Dabei ist {ei , i = 1, 2, 3} 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 437 ein ONS im Ortsraum, e4 zeigt in t-Richtung. Der Punkt X ist natürlich eine feste Größe, nur seine Beschreibung kann sich ändern, wenn man das Bezugssystem ändert. Bei einer Lorentz-Transformation (LT ) werden die Komponenten xμ von X gemäß xμ → xμ = Lμ ν xν transformiert. Da der Punkt X selbst unverändert bleibt, entspricht dies der Basistransformation eμ = Lμ ν eν . Dann gilt nämlich xμ eμ = Lμ ν xν Lμ σ eσ = xν LTν μ Lμ σ eσ = xν eν = X. Ein beliebiger Vierervektor q ist nun durch q = qμ eμ definiert. Eine LT eμ → eμ entspricht einer Transformation qμ → qμ = Lμ ν qν der Komponenten von q, d. h., ein Vierervektor transformiert sich bei einer LT wie der „Ortsvektor“ x. Da man i. allg. bei der Benutzung der kovarianten Schreibweise von den Einheitsvektoren eμ keinen Gebrauch machen will, de f iniert man einen Vierervektor durch die Transformationseigenschaften seiner Komponenten. Analog verfährt man bei der Definition der Tensoren: Ein Zahlenschema Tα 1 α 2 ...α n , α i = 1, 2, 3, 4 (i = 1, . . . , n) heißt Tensor n-ter Stufe, wenn es bei einer Lorentz-Transformation L in Tβ1 ...β n = Lβ 1 α 1 Lβ 2 α 2 . . . Lβ n α n Tα 1 ...α n übergeht. Ein Vierervektor ist also ein Tensor erster Stufe. Skalare Größen transformieren sich nicht bei einer LT , sie besitzen auch keine Indizes. Bei einer LT gilt also für einen Skalar s = s . Aus einem Vektor qμ enthält man z. B. durch die Produktbildung qμ qμ einen Skalar (Skalarprodukt): (q )2 = (qμ qμ ) = Lμ ν qν Lμ σ qσ = qγ qγ = q2 . Aufgabe 22.1 Elektrisches und magnetisches Feld einer relativistisch bewegten Punktladung Beispiel 22.2 Eine elektrische Punktladung q bewegt sich auf einer geraden Linie mit der Geschwindigkeit v = ve3 . Die Ladung ruht im bewegten System K . Welche Ladung sieht ein in K ruhender Beobachter? Die Figur zeigt die geometrische Situation und den Stoßparameter b. Zur Zeit t = t = 0 möge der Ursprung beider Koordinatensysteme zusammenfallen. Deshalb hat der Punkt P im K -System die Koordinaten x1 = b, x2 = 0, x3 = −vt und liegt vom Ursprung O , d. h. von der Ladung q, im Abstand r = b2 + (vt )2 . r Es ist notwendig, im System K auszudrücken. Die einzige Koordinate, die transformiert werden muß, ist die Zeit v t = γ t − 2 x3 = γ t, (1) c x1' x1 P b O x2 r χ n v vt O' q x2' Eine Punktladung q , ruhend im bewegten System K , wird vom im System K ruhenden Punkt P aus beobachtet; b ist der Stoßparameter. weil x3 = 0 und b = b für den Beobachter in P. Im System K gibt es nur elektrische Feldstärken Eν (ν = 1, 2, 3). Im Punkt P in K sind diese Ei : E = {E1 , E2 , E3 } = q2 r r r x3' x3 438 IV Elektrodynamik Beispiel 22.2 oder ausführlich E1 = + B1 qb , r 3 = 0, E2 = 0, E3 = − B2 B3 = 0, qvt , r 3 (2) = 0. Vom System K transformieren sich die Feldstärken gemäß der inversen Gleichung (22.30). Gleichzeitig drücken wir die gestrichenen Koordinaten durch die ungestrichenen aus und erhalten in K: E1 = γ (E1 + β B2 ), E2 = γ (E2 − β B1 ), E3 = E3 B1 = γ (B1 − β E2 ), B2 = γ (B2 + β E1 ), B3 = B3 (3) und explizit mit (2) qbγ , (b2 + γ 2 v 2t 2 )3/2 qγ vt E3 = E3 = − 2 , (b + γ 2 v 2t 2 )3/2 B2 = γ β E1 = β E1 , B1 = 0, E1 = γ E1 = + E2 = γ E2 = 0, (4) B3 = B3 = 0. Die relativistischen Effekte auf die Feldstärken werden am deutlichsten sichtbar, wenn v → c: Dann entsteht zunächst durch die bewegte Ladung am Orte P eine magnetische Induktion entlang der y-Achse (B2 ), deren Stärke für β → 1 gleich der elektrischen Feldstärke E1 wird. In der Tat, nach dem Biot-Savart-Gesetz erwarten wir B q v ×r c r3 (5) und erkennen, daß die B2 -Komponente der Gleichung (4) dem entsprechenden Ausdruck in (5) für kleine Geschwindigkeiten gleich wird. Die Transformationsgesetze der Relativitätstheorie liefern also das Biot-Savartsche Gesetz einschließlich relativistischer Korrekturen. Weiterhin sehen wir, daß die maximale E1 -Komponente der elektrischen Feldstärke, die bei t = 0 (dem Zeitpunkt des Vorbeifluges am Beobachter P) erreicht wird, durch q (E1 )t=0 = + 2 γ (6) b gegeben ist. Bei hohen Geschwindigkeiten ist γ = 1/ 1 − β 2 1 und daher E1 sehr viel größer als der statische Wert, den die in 0 ruhende Punktladung am Orte P erzeugen würde. Man muß jedoch bedenken, daß die Wirkungsdauer dieser Feldstärke sehr verkleinert wird, nämlich 1 1b Δt = Δt = . (7) γ γ v Für v → c bleibt die Größenordnung des Kraftstoßes q 1b q =+ E1 Δt = + 2 γ b·v b γ v erhalten. Die Figur verdeutlicht die Zeitabhängigkeit der Komponenten der elektrischen Feldstärke. Für β → 1 sieht der Beobachter praktisch nur ein transversales elektrisches Feld (E1 ) und eine gleichstarke, orthogonale magnetische Induktion (B2 ). Die longitudinale Komponente E3 ist während des Anfluges der Ladung (t < 0) positiv und während des 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 439 E1 E3 vt β 1 β 1 β 0 β 0 0 vt Zeitlicher Verlauf der Feldstärkekomponenten beim Vorbeiflug einer Punktladung. Abflugs negativ. Sie mittelt sich also zeitlich zu Null. Wenn man die Trägheit der Apparatur des Beobachters P in Rechnung stellt, so hat sie keine Bedeutung: Die Apparatur reagiert praktisch nicht auf E3 (t). Interessant ist noch die räumliche Verteilung der Felder relativ zu einem instantanen Beobachter im Laborsystem, an demselben (instantanen) Ort der Ladung. Aus (4) folgt vt E3 = − = cot χ E1 b und damit entsprechend der ersten Figur (am Anfang dieses Beispiels), daß E ∼ n. Hierbei ist n gemäß jener Figur ein Einheitsvektor von der augenblicklichen Position der Ladung zum Beobachter P. Das elektrische Feld ist also nach wie vor ein Zentralfeld. Mit b = r sin χ und vt = −r cos χ können wir E1 , E2 und E3 aus (4) zusammenfassen zu E = qr . r3 γ 2 (1 − β 2 sin2 χ )3/2 (8) v Veranschaulichung der Transversalität des elektrischen Feldes einer bewegten Ladung. Dabei ist r2 = b2 + v 2t 2 . Das E -Feld ist, wie schon gesagt, radial gerichtet, aber die Kraftlinien sind nicht mehr isotrop (wegen des Zusatzterms (1 − β 2 sin2 ψ )−3/2 ). Sie sind in der Figur verdeutlicht. Durch die Bewegung der elektrischen Ladung wird ihr elektrisches Feld transversaler, im Limes v → c sogar strikt transversal. Ein Beobachter sieht demnach eine mit nahezu Lichtgeschwindigkeit vorbeirauschende Ladung wie einen kurzen transversalen E-Feld-Blitz, d. h. wie einen transversalen Kraftstoß. In der Schwerionenphysik ist dieser Effekt bedeutsam, weil hochgeladene relativistische Ionen als Quellen intensiver γ -Strahlen genutzt werden können. Die Weizsäcker-WilliamsMethode (siehe Vorlesungen über Quantenelektrodynamik) hat hier ihren Ursprung. Beispiel 22.2 Invarianten des Feldes: Mit Hilfe der Tensorschreibweise lassen sich durch Kontraktion zwei Größen finden, die sich beim Übergang zu anderen Inertialsystemen nicht ändern. Zunächst gilt Fμ ν Fμ ν = 2(B2 − E 2 ), also B2 − E 2 = invariant. 440 IV Elektrodynamik Eine weitere Invariante erhält man durch Kontraktion des Feldtensors mit dem „vollständig antisymmetrischen Einheitstensor vierter Stufe“ definiert durch ⎧ ⎪ 0 wenn zwei Indizes gleich sind, ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ +1 wenn (κ λ μ ν ) gerade Permutation ⎨ (22.32) κ λ μ ν = von (1234) ist, ⎪ ⎪ ⎪ −1 wenn (κ λ μ ν ) ungerade Permutation ⎪ ⎪ ⎩ von (1234) ist. Man überzeugt sich sofort, daß κ λ μ ν ein Tensor 4. Stufe ist, denn es muß gelten κ λ μ ν = cκ κ cλ λ cμ μ cν ν κ λ μ ν . Aufgrund der Orthonormalitätsrelationen für die cμ ν und der Beziehungen (Definitionen) in Gleichung (22.32) folgt nun sofort, daß für κ λ μ ν die zu (22.32) analogen Relationen gelten. Es gilt nun κ λ μ ν Fκ λ Fμ ν = −8 iE · B; also ist das Skalarprodukt E · B lorentz-invariant. Natürlich läßt sich die Invarianz von B2 − E 2 und E · B auch aus den Transformationsgleichungen (22.30) direkt beweisen. Das überlassen wir dem Leser. Es läßt sich zeigen, daß das Feld keine weiteren Invarianten besitzt. Die Maxwellgleichungen: Mit Hilfe des Feldtensors Fμ ν lassen sich die vier Maxwellgleichungen in kovariante Form bringen. Es zeigt sich, daß je zwei von ihnen zu einer einzigen Vierervektorgleichung verschmelzen. Die Gleichungen lauten ∂Fμ ν 4π = (22.33a) jμ , ∂xν c ∂Fμ ν ∂Fλ μ ∂Fν λ + + = 0. (22.33b) ∂xλ ∂xμ ∂xν Die letzte Gleichung gilt automatisch für den antisymmetrischen Tensor Fμ ν = ∂Aν /∂xμ − ∂Aμ /∂xν . Sie stellt eine Identität dar und heißt Jacobi-Identität. In der Tat ist ∂ ∂xλ ∂Aν ∂xμ − ∂Aμ ∂xν + ∂ ∂xμ ∂Aλ ∂xν − ∂Aν ∂xλ + ∂ ∂xν ∂Aμ ∂xλ − ∂Aλ ∂xμ = 0, weil sich die Terme paarweise wegheben. Wie man durch Einsetzen der Gleichungen (22.17) und (22.29) verifiziert, enthält Gleichung (22.33a) die beiden Maxwellgleichungen, die die Verbindung zwischen Feld und Ladungen herstellen: μ = 1, 2, 3 : ∇ × B − 1 · ∂E = 4π j; c ∂t c μ =4: ∇ · E = 4π . 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 441 Die Gleichung (22.33b) liefert die beiden homogenen Maxwellgleichungen: ∇ × E + 1 ∂B = 0; ∇ · B = 0. c ∂t Man erhält nur vier verschiedene nichttriviale Gleichungen, denn wegen der Antisymmetrie von Fμ ν verschwindet die linke Seite von Gleichung (22.33b), wenn zwei Indizes gleich sind. Da ferner durch eine Permutation von (λ μ ν ) nichts geändert wird, genügt es, die Kombinationen (234), (341), (412) und (123) zu betrachten. Jeder Term der Gleichung (22.33b) stellt einen Tensor 3-ter Stufe dar. Es läßt sich durch Überschiebung mit dem schon erwähnten antisymmetrischen Einheitstensor κ λ μ ν eine Vierervektorgleichung gewinnen, die ebenfalls die homogenen Maxwellgleichungen enthält: ∂Fλ μ κ λ μ ν = 0. (22.34) ∂xν Die ebene Lichtwelle: Im Raum ohne Ströme und Ladungen ist jμ (x) = 0. Dort gilt dann nach (22.33a) ∂Fμ ν /∂xν = 0, und aus (22.33b) folgt dann ∂ ∂xλ · ∂ ∂xλ Fμ ν = − ∂ ∂xμ · ∂ ∂xλ Fν λ − ∂ ∂xν · ∂ ∂xλ Fλ μ = 0, also ∂ ∂xλ · ∂ ∂xλ Fμ ν = 0 (22.35) oder Fμ ν = 0. Diese Gleichung erlaubt ebene Wellen vom Typ Fμ ν (x) = fμ ν e ikσ xσ . (22.36) Wird dies in (22.35) eingesetzt, ergibt sich unmittelbar kλ kλ Fμ ν (x) = 0. Weil Fμ ν (x) = 0 ist, muß kλ kλ = 0 (22.37a) sein. Das muß in allen Lorentz-Systemen gelten. Folglich muß {kλ } = {k1 , k2 , k3 , k4 } ein Vierervektor sein, der sich gemäß kμ = cμ ν kν (22.37b) transformiert. Wir wollen nun den Viererwellenvektor kμ genauer identifizieren. Eine ebene Lichtwelle wird gewöhnlich durch Fμ ν (x, t) = fμ ν · e i(k·x−ω t) = fμ ν eikσ xσ (22.38) 442 IV Elektrodynamik beschrieben, wobei die Elemente ±(B0 )k , ± i(E0 )k (k = 1, 2, 3) von fμ ν die konstanten Amplituden sind. Offensichtlich muß {kμ } = {k, iω /c} gelten. Die Beziehung (22.37a) ist demnach identisch mit der Dispersionsbeziehung 2 k2 = ω . 2 (22.39) c Wegen der Kovarianz der Wellengleichung gilt in einem bewegten System K Fμ ν (x , t ) = fμ ν e i(k ·x −ω t ) = fμ ν e ikσ xσ . (22.40) Wir wollen überlegen, wie die beiden Wellen (22.38) und (22.40), die ein und dieselbe Welle beschreiben, am Raum-Zeit-Punkt x, t zusammenhängen. Beide Wellen (22.38) und (22.40) sind miteinander identisch, nur sind sie in verschiedenen Lorentzsystemen beschrieben. Am gleichen Raum-Zeit-Punkt hängen sie über das Transformationsgesetz Fμ ν (x , t ) = cμ σ cν τ Fσ τ (x, t) (22.41) zusammen. Die Tensor-Transformation gilt also am selben Raum-Zeit-Punkt x, t, wobei auf der linken Seite der Punkt x, t durch gestrichene Koordinaten x , t ausgedrückt wird. Die obige Beziehung kann nur dann identisch erfüllt sein, wenn die Phase auf beiden Seiten gleich ist: k · x − ω t = k · x − ω t. oder mitk = ω /c · n, wobei n der Wellennormalenvektor ist ω (n · x − ct ) = ω (n · x − ct). Wie wir oben gesehen haben, lassen sich die beiden Seiten dieser Gleichung schreiben als das Skalarprodukt kμ xμ des Vektors {xμ } = {x, ict} mit dem Viererwellenvektor {kμ } = {k, iω /c} = ω /c{n, i} = {k, ik0 }. Hierbei ist k = |k| = ω /c = k0 , weil kμ kμ = k − ω 2 /c2 = 0 ein Lichtvektor ist. Das folgt aus der Tatsache, daß Fμ ν (x, t) die Wellengleichung erfüllt, also Fμ ν oder (∂/∂xλ )(∂/∂xλ )Fμ ν (x ) = 0 = kλ kλ Fμ ν (x ), was direkt auf die Dispersionsbeziehung (22.37a), also kλ kλ = 0 führt. Die Invarianz der Phase der ebenen Welle erscheint so wieder als Skalarprodukt zweier Vierervektoren. Aus der Invarianz der Phase kμ xμ lassen sich Effekte wie Lichtaberration, DopplerVerschiebung und Reflexion am bewegten Spiegel ableiten. Da {kμ } ein Vierervektor sein muß, ergeben sich sofort gemäß der allgemeinen Lorentz-Transformation von einem Inertialsystem zu einem mit β = v/c bewegten Inertialsystem die Transformationsgleichungen (22.37b), d. h. kμ = cμ ν kν oder ausführlich β ·k ik0 = − iγ β k + γ ik0 = iγ k0 − β β k = γ (k + iβ ( ik0 )) k⊥ =k⊥ 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 443 also k0 = γ (k0 − β ·k) k = γ (k − β k0 ). (22.42) Dabei ist k⊥ = k⊥ , γ = 1 1−β2 v v v , k = k · , k⊥ = k − k · . v v v Und als Vierervektoren zusammengefaßt {kμ } = {k⊥ , k , k0 } = {k⊥ , k · β β , k0 } = {k⊥1 , k⊥2 , k · β β , k0 } (vgl. Aufgabe 22.3). Die Lorentz-Transformation von {k, ik0 } hat natürlich genau die gleiche Form wie die des Weltvektors {x, ix0 }, wie es entsprechend der Invarianz des Skalarproduktes kμ xμ sein muß. Für Lichtwellen ist nun nach (22.39) |k| = k0 = ω , |k | = k0 = ω . c c Damit erhält man sofort aus der ersten Gleichung (22.42) die Doppler-Verschiebungs-Formel ω = γ ω (1 − β cos Θ ) und aus allen Gleichungen (22.42) die Aberrationsgleichung √ k⊥ k⊥ k2 − k2 cos2 Θ tan Θ = = = k γ (k − β k0 ) γ (k cos Θ − β k) √ k 1 − cos2 Θ sin Θ = = , γ k(cos Θ − β ) γ (cos Θ − β ) die die Richtungsänderung der Lichtwelle in gegeneinander bewegten Inertialsystemen zum Ausdruck bringt. Die Gleichung (22.43) ist die gewöhnliche DopplerBeziehung, modifiziert mit dem Faktor γ = 1/ 1 − β 2 . Dieser Faktor bewirkt, daß es relativistisch eine transversale Doppler-Verschiebung auch dann gibt, wenn Θ = π /2, was experimentell 1938 von Ives und Stilwell durch Beobachtung des Lichtes von sich bewegenden Atomen (Atomstrahlung) nachgewiesen wurde. (22.43) (22.44) k θ v Die Definition des Winkels Θ in der Aberrationsgleichung. Relativistischer Dopplereffekt und Aberration Aufgabe 22.2 Leiten Sie explizit die relativistische Doppler-Verschiebung und die Aberrationsformel her. Hinweis: Betrachten Sie das Verhalten einer ebenen Lichtwelle unter Lorentz-Transformation. 444 IV Elektrodynamik Aufgabe 22.2 Lösung: Die ebene Lichtwelle wird beschrieben durch den Ansatz Fμ ν (x, t) = fμ ν e i(k·x−ω t) , (1) wobei fμ ν für die konstanten Amplituden ±B0k , ± iE0k steht. Da die Wellengleichung kovariant ist, gilt im bewegten System Fμ ν (x , t ) = fμ ν e i(k ·x −ω t) (2) . Gleichung (2) transformiert sich unter Lorentz-Transformation wie ein Tensor 2. Stufe Fμ ν (x , t ) = cμ σ cν τ Fσ τ (x, t). (3) Unter Verwendung von Gleichung 2 erkennt man, daß die Phasen identisch sein müssen, also k · x − ω t = k · x − ω t mitk = ω n c (4) ist dies äquivalent zu ω (n · x − c t ) = ω (n · x − c t). (5) Führt man die Vierervektoren {kμ } = {k, iω /c} = {k, ik0 } und {xμ } = {x, ict} ein, so kann man Gleichung (5) als Skalarprodukt schreiben. Der so definierte Vierervektor k̂ läßt sich problemlos in ein Inertialsystem transformieren, das sich gegenüber dem ungestrichenen System mit β = v/c bewegt. k' k θ Wellenvektor k im ruhenden (a) und bewegten (b) System. θ' v k' k' v Es gilt k⊥ = k⊥ , k = γ (k − β k0 ), k0 = γ (k0 − β ·k). Hierbei ist γ = 1/ 1 − β 2 . Aus der Figur entnimmt man ferner v k⊥ = k − k · v v . k = k · , v v v Aus k0 = γ (k0 − β ·k) erhalten wir mit k0 = ω /c: ω ω ω =γ − β cos Θ ⇐⇒ ω = γ ω (1 − β cos Θ ). c c c (6) (7) (8) Gleichung (8) beschreibt die relativistische Doppler-Verschiebung. Aus der Figur entnimmt man den Zusammenhang tan Θ = k⊥ . k (9) 22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 445 Dies läßt sich mit Hilfe von Gleichung (6) und (7) durch den Winkel Θ ausdrücken: v ω k = γ k · − β k0 = γ (cos Θ − β ) v c 2 2 2 2 k⊥ ·k⊥ = k2 − k · v = ω − ω cos2 Θ = ω sin Θ v c c c |k⊥ | = ω c sin Θ . Einsetzen der Gleichungen (10) und (11) in (9) liefert die Aberrationsformel sin Θ tan Θ = , γ (cos Θ − β ) (10) (11) (12) welche nach obiger Figur die Richtungsänderung des Wellenzahlvektors, d. h. der Ausbreitungsrichtung, im bewegten System angibt. Aufgabe 22.2 Der Energie-Impuls-Tensor: Für die Dichte der Lorentz-Kraft (Kraft pro Volumeneinheit), die auf eine Ladungsverteilung wirkt, kann man schreiben f = E + j × B. (22.45) c Die erste Komponente lautet, ausgedrückt durch den Feldtensor, 1 1 1 f1 = E1 + ( j2 B3 − j3 B2 ) = (F14 j4 + F12 j2 + F13 j3 ) = F1ν jν , c c c wobei der Term F11 j1 wegen F11 = 0 hinzugefügt werden konnte. Allgemeiner gilt 1 fk = Fkν jν , k = 1, 2, 3. (22.46) c Da rechts ein Vierervektor steht, können wir auch die linke Seite zu einem solchen ergänzen und schreiben 1 fμ = Fμ ν jν . (22.47) c Wie man durch Ausrechnen von f4 sieht, lautet der Kraftdichtevektor i { fμ } = {f , E · j}. c Der Ausdruck E ·j = v· E = v·f = dr/ dt·f = dr/ dt· F /V in der vierten Komponente bezeichnet die Leistungsdichte, also die pro Zeiteinheit und Volumeneinheit durch das elektrische Feld an den Ladungen verrichtete mechanische Arbeit. Der Vektor { fμ } beschreibt die Änderung der Dichte des mechanischen Impulses und der mechanischen Energie. Wir werden daher versuchen, die Erhaltungssätze für diese Größen abzuleiten. Benutzen wir die Maxwellgleichung (22.33a), so ergibt sich 1 ∂Fν λ fμ = Fμ ν . 4π ∂xλ (22.48) 446 IV Elektrodynamik Die rechte Seite läßt sich in zwei Terme aufspalten ∂ ∂Fμ ν 4π f μ = (Fμ ν Fν λ ) − Fν λ . ∂xλ ∂xλ (22.49) Der zweite Summand läßt sich noch weiter umformen, indem wir die Antisymmetrie des Feldtensors benutzen und beim dritten Schritt die Maxwellgleichung (22.33b) substituieren: ∂Fμ ν ∂Fμ ν ∂Fμ λ ∂Fμ ν ∂Fλ μ 1 1 1 Fν λ = Fν λ + Fλ ν = Fν λ + ∂xλ 2 ∂xλ 2 ∂xν 2 ∂xλ ∂xν 1 1 ∂ 1 ∂Fν λ ∂ = − Fν λ =− (Fν λ Fν λ ) = − δ μ λ (Fσ τ Fσ τ ). 2 ∂xμ 4 ∂xμ 4 ∂xλ Damit ergibt sich für die Kraftdichte ∂Tμ λ 1 ∂ 1 fμ = Fμ ν Fν λ + δ μ λ Fσ τ Fσ τ oder fμ = (22.50) 4π ∂xλ 4 ∂xλ mit dem symmetrischen Energie-Impuls-Tensor 1 1 Fμ ν Fν λ + δ μ λ Fσ τ Fσ τ . Tμ λ = 4π 4 (22.51) Die Elemente dieses Tensors lauten ausgeschrieben ⎛ ⎞ T11 T12 T13 − icg1 ⎜ T21 T22 T23 − icg2 ⎟ ⎟. (Tμ ν ) = ⎜ ⎝ T31 T32 T33 − icg3 ⎠ − icg1 − icg2 − icg3 (22.52) u Hierin bedeuten g = 1 1 E × B = 2 S 4π c c (22.53) die elektromagnetische Impulsdichte, die über den Faktor c2 mit dem PoyntingVektor verbunden ist und E 2 + B2 (22.54) u= 8π die Energie des Feldes. Die Elemente Ti j = 1 4π 1 Ei E j + Bi B j − δ i j (E 2 + B2 ) 2 (22.55) bilden den dreidimensionalen Maxwellschen Spannungstensor (vergleichen Sie mit den früheren Resultaten aus Kapitel 13, Gleichungen (13.31)–(13.37)). Aus Gleichung (22.48) können wir entnehmen, daß die Spur des Energie-ImpulsTensors verschwindet, denn 1 1 Spur(T̂ ) = Tμ μ = Fμ ν Fν μ + 4 · Fσ τ Fσ τ = 0. (22.56) 4π 4 23 Relativistisch-kovarianter Lagrange-Formalismus 447 Erhaltungssätze: Durch Volumenintegration über die räumlichen Komponenten der Viererkraftdichte ergibt sich die Zeitableitung des mechanischen Impulses. Mit Gleichung (22.47) folgt ∂Pk ∂Tki ∂ = fk dV = gk dV oder dV − ∂t ∂xi ∂t V d (P + G) = ∇ · T̂ dV = n · T̂ dF, dt V (22.57) O also der Impulserhaltungssatz, wobei wir G = V g dV mit dem elektromagnetischen Feldimpuls identifizieren: Die Zeitableitung des gesamten (mechanischen Feld-) Impulses ist gleich dem durch die Oberfläche fließenden Impuls (also Null für abgeschlossene Systeme). Die verbleibende vierte Komponente i i 1 ∂u f4 = · (22.58) E · j = − ∇ · S + c c ic ∂t liefert integriert den Energieerhaltungssatz E · j + ∂u dV = ∂ (W + U) = − ∇ · S dV = − n · S dF. ∂t ∂t V Hier bezeichnet W die mechanische und U die Feldenergie im Volumen V . Für abgeschlossene Systeme verschwindet wieder die rechte Seite. Bei der Herleitung der Erhaltungssätze aus Gleichung (22.47) fällt auf, daß die Elemente (F14 , F24 , F34 ) des Energie-Impuls-Tensors als − icg interpretiert werden, während (F41 , F42 , F43 ) die Bedeutung von − i/c · S besitzen. Also folgt hier aus allgemeinen Überlegungen wegen der Symmetrie des Tensors die Beziehung S = c2g, die bisher eher zufällig erschien. Tatsächlich handelt es sich hier um die Masse-Energie-Beziehung E = mc2 bezogen auf den Energiestrom und die Impulsdichte (= Massenstromdichte) des elektromagnetischen Feldes. 23 Relativistisch-kovarianter Lagrange-Formalismus In diesem Kapitel wollen wir die relativistisch-kovariante Formulierung der Lagrangeschen Gleichungen der Mechanik besprechen. Deshalb erinnern wir kurz an die wesentlichen Züge der Lagrangeschen Formulierung der Punktmechanik. Eckpfeiler jener Theorie ist das Hamiltonsche Variationsprinzip. Es besagt, daß das Zeitintegral über die Lagrange-Funktion L(q1 , q2 , . . . ; q̇1 , q̇2 , . . . ; t) extremal sein soll, d. h. δ t2 dt L(q1 , q2 , . . . ; q̇1 , q̇2 , . . . ; t) = 0 t1 (23.1)