Depressive Störungen im Kindes- und Jugendalter - AKiP

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26.01.2012
Depressive Störungen im Kindes‐ und Jugendalter
Daniel Walter
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes‐ und Jugendalters &
Ausbildungsinstitut für Kinder‐ und Jugendlichenpsychotherapie
an der Uniklinik Köln
www.kjp‐uni‐koeln.de
www.akip.de
Literaturempfehlungen
• Deutsche Gesellschaft für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie und –
psychotherapie (DGKJP) (Hrsg.) (2007). Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings‐, Kindes‐ und Jugendalter (3., erw. Aufl.). Köln: Deutscher Ärzteverlag.
• David‐Ferdon, C., & Kaslow, N. J. (2008). Evidence‐Based Psychosocial Treatments for Child and Adolescent Depression. Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology, 37(1), 62 ‐104.
• Groen, G. & Petermann, F. (2011). Depressive Kinder und Jugendliche (2., überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
• Harrington, R. (2001). Kognitive Verhaltenstherapie bei depressiven Kindern und Jugendlichen. Göttingen: Hogrefe.
• Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
• Pössel., P. & Hautzinger, M. (2006). Effekte pharmakologischer und psychotherapeutischer Interventionen auf Depressionen bei Kindern und Jugendlichen. Zeitschrift für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 34, 243‐255.
© D. Walter
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Depressive Erkrankungen beim Menschen
• WHO: Depression als eine der häufigsten Erkrankungen weltweit mit schwerwiegenden Folgen
• für die Betroffenen (z.B. Kinder/ Jugendliche schaffen es nicht mehr, in die Schule zu gehen, Erwachsene können nicht mehr für ihre Familie sorgen, können nicht mehr arbeiten gehen) • für unsere Gesellschaft insgesamt (z.B. lange Fehlzeiten, Kosten für Arztbesuche, Frühberentung)
• seit 2006: Prävention und Behandlung von Depression als 6. nationales Gesundheitsziel in Deutschland
• deutliche Zunahme der Prävalenz seit dem 2. Weltkrieg
• Lebenszeit: 10 ‐ 20%
• deutliche Erhöhung Suizidrisiko: • Inzidenz Suizidversuche im mittleren Jugendalter am höchsten
• Suizide bei Jugendlichen zweithäufigste Todesursache (nach Verkehrsunfällen, fast zwei vollendete Suizide täglich bei den unter 24jährigen)
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Symptomatik
• depressive Verstimmung – deutliche emotionale Niedergeschlagenheit/ Traurigkeit, weitgehend unbeeinflussbar von situativen Umständen
• Interessen‐/ Freudverlust (Anhedonie)
• Antriebsminderung
• schnelle Ermüdbarkeit
• vermindertes Selbstwertgefühl
• Schuldgefühle/ Suizidgedanken
• vermindertes Konzentrationsvermögen
• Veränderungen Appetit/ Schlafverhalten • Psychomotorische Agitiertheit/ Hemmung
• mindestens 2 Wochen Dauer
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Abbildbarkeit depressiver Verstimmungen in ICD‐10
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F06.3 – organische affektive Störungen
F20.4 – postschizophrene Depression
F25 – schizoaffektive Störungen
F31 – bipolare affektive Störungen
F32 – depressive Episode
F33 – rezidivierende depressive Störungen
F34 – anhaltende affektive Störungen
• F34.1 – Dysthymia
• F34.0 ‐ Zyklothymia
• F43.2 Anpassungsstörungen
• F43.20 – kurze depressive Reaktion
• F43.31 – längere depressive Reaktion
• F43.22 Angst und depressive Reaktion gemischt
• F41.2 – Angst und depressive Störung, gemischt
• F92.0 – Störung Sozialverhaltens mit depressiver Störung Dilling, H. et al. (2011). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. Kapitel V (F). Klinisch‐diagnostische Leitlinien (8., überarb. Aufl). Bern: Huber.
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Dimensionale Verteilung
Lehmkuhl, G., Walter, D. & Lehmkuhl, U. (2008). Depressive Störungen im Kindes‐ und Jugendalter. Bundesgesundheitsblatt, 51, 399‐405.
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Schwächen kategoriale Diagnose Depression
• Keine eigenen Diagnosekriterien für Kinder und Jugendliche –
insbesondere für jüngere Kinder wenig geeignet
• Keine Schweregradeinteilung für Kinder und Jugendliche –
Beurteilung nach Funktionsniveau
• Leicht: Schwierigkeiten, schulische und soziale Aktivitäten fortzusetzen
• Mittel: nur unter erheblichen Schwierigkeiten können diese Aktivitäten noch aufrechterhalten werden, meist deutlicher Rückzug, unregelmäßiger Schulbesuch usw.
• Schwer: nur noch einzelne Aktivitäten, wenn überhaupt, meist finden keinerlei schulische und soziale
Aktivitäten mehr statt
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Veränderungen im Entwicklungsverlauf
Kleinkindalter
(1‐3 Jahre)
Vorschulalter
(3‐6 Jahre)
Schulkinder
•wirkt traurig
•ausdrucksarmes Gesicht •erhöhte Irritabilität
•gestörtes Essverhalten
•Schlafstörungen
•selbststimulierendes Verhalten: Jactatio, exzessives Daumenlutschen
•genitale Manipulationen
•auffälliges Spielverhalten: reduzierte Kreativität und Ausdauer
•Spielunlust
•mangelnde Phantasie
•trauriger Gesichtsausdruck
•verminderte Gestik und Mimik
•leicht irritierbar und äußerst stimmungslabil
•mangelnde Fähigkeit, sich zu freuen
•introvertiertes, aber auch aggressives Verhalten
•vermindertes Interesse an motorischen Aktivitäten
•Essstörungen bis zu Gewichtsverlust/ ‐
zunahme
•Schlafstörungen: Alpträume, Ein‐ und Durchschlafstörungen •verbale Berichte über Traurigkeit
•suizidale Gedanken
•Befürchtungen, dass Eltern nicht genügend Beachtung schenken
•Schulleistungs‐
störungen
Jugendalter
•vermindertes Selbstvertrauen •Apathie, Angst, Konzentrations‐
mangel
•Leistungsstörungen
•zirkadiane Schwankungen des Befindens
•psychosomatische Störungen
•Hypersomnie
•Missbrauch psychotroper Substanzen •Kriterien einer depressiven Episode
DGKJP (2007): Leitlinien zu Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings‐, Kindes‐ und Jugendalter (3. Aufl). Köln: Deutscher Ärzte‐Verlag. © D. Walter
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Epidemiologie • Prävalenz depressiver Störungen:
• unter 1% der Vorschulkinder
• 2% im Kindesalter
• 4‐5% im Jugendalter
• 2‐8 % bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mind. eine depressive Episode
• deutlicher Anstieg ab dem 12. Lebensjahr
• Lebenszeitprävalenz 10‐20%
• Geschlechtsverteilung: im Kindesalter ausgeglichen, ab Jugendalter Mädchen 2‐3 Mal häufiger betroffen als Jungen
• depressive Symptome subklinischer Ausprägung häufig:
• 10% der 10‐jährigen Kinder werden im Elternurteil als unglücklich geschildert
• 40% der 14‐jährigen beschreiben sich im Selbsturteil als unglücklich
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Verlauf
• Seit den fünfziger Jahren Vorverlagerung des Häufigkeitsgipfels vom mittleren zum früheren Erwachsenenalter
• z.T. hohe Stabilität depressiver Störungen im Kindes‐ und Jugendalter, hohes Risiko für die Entwicklung weiterer Beeinträchtigungen, die bis ins Erwachsenenalter andauern können
• Durchschnittsalter bei Erstmanifestation: frühes bis mittleres Jugendalter • Lewinsohn, Clarke et al., 1994: 14;9 Jahre (14‐ bis 18‐Jährige)
• Bremer Jugendstudie (Groen, 2002): 12;9 Jahre (12‐ bis 17‐
Jährige)
• Dauer depressiver Episoden: • mehrheitlich phasenhafter Verlauf
• hohe interindividuelle Variabilität
• kurze Intervalle häufig (Bremer Jugendstudie: knapp 50% 2‐ bis 3‐wöchige Phasen; Groen, 2002)
• durchschnittliche Dauer zwischen einigen Monaten und einem dreiviertel Jahr
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Komorbide Störungen
• Komorbiditätsraten 40‐70%
• Kindesalter:
• ADHS
• Störungen des Sozialverhaltens
• Angststörungen
• Jugendalter zusätzlich:
• Substanzabusus
• Essstörungen
Komorbide Diagnose
Depression – ADHS
Depression – SSV
Depression ‐ Angststörungen
OR bidirektional
5,5
6,6
8,2
KI
3,5‐8,4
4,4‐11,0
5,8‐12,0
• Depression häufiger Folge anderer Störungen als umgekehrt
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Pathogenese
• bislang keine einheitliche, empirisch gestützte Theorie zur Entwicklung und Aufrechterhaltung depressiver Störungen im Kindes‐ und Jugendalter
• Annahme eines bio‐psycho‐sozialen Prozesses, ohne das detailliertere Wirkmechanismen und spezifische Zusammenhänge der einzelnen Faktoren bekannt sind
• Adoleszenz insgesamt als Entwicklungsabschnitt erhöhter Vulnerabilität • Äquifinalität: Genese einer Depression über unterschiedliche Risikokonstellationen und Entwicklungswege
• Multifinalität: viele der an der Genese beteiligten Faktoren sind nicht spezifisch für depressive Störung, sondern können auch zur Genese anderer psychischer Störungen beitragen
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Pathogenese
• gesellschaftliche Bedingungen: höhere Anforderungen, weniger Unterstützung, mehr Stress
• Genetik: Familien‐ und Zwillingsstudien: erhöhtes Krankheitsrisiko, hohe Heterabilität
• Temperamentsfaktoren: „depressive Grundstruktur“
• Neurotransmitter: Imbalance serotonerges System
• Modelllernen: Kinder depressiver Mütter deutlich erhöhtes Risiko
• Mütter häufiger passiv, inkonsistent, reaktions‐ und kommunikationsarm, weniger unterstützend, ablehnend, vernachlässigend
• Verstärkerverlust: geringes Maß an sozialer Verstärkung begünstigt Depression – mangelnde soziale Kompetenz, sozialer Rückzug
• dysfunktionale Kognitionen: prämorbid ruminierender
Verarbeitungsstil – verzerrte, einseitige und ungünstige Wahrnehmungs‐ und Verarbeitungsmuster
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Pathogenese
• Beck: kognitive Triade: negative Sicht der eigenen Person, der Umwelt & der Zukunft
• Heider: Attributionstheorie: Misserfolge werden internal, global und stabil attribuiert, Erfolge external, spezifisch und variabel
• erlernte Hilflosigkeit: aufgrund lebensgeschichtlicher Erfahrungen nehmen Menschen die Umwelt als unkontrollierbar wahr –
Situation durch sie selbst nicht beeinflussbar
• kritische Lebensereignisse: einschneidende, aber auch wiederholte belastende Alltagserfahrungen erhöhen Wahrscheinlichkeit für Depression bei Kindern und Jugendlichen
• Tod, Trennung von Bezugspersonen; chronische Krankheiten, Hospitalisierungen, Misshandlung, Missbrauch, gehäufte Umzüge & Schulwechsel
• Streitigkeiten mit Eltern, Geschwistern, Gleichaltrigen, Lehrern; finanzielle Sorgen, Schulprobleme
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Behandlung ‐ Übersicht
• weit weniger Wirksamkeitsstudien im Vergleich zum Erwachsenenalter, aber deutliche Zunahme wissenschaftlicher Erkenntnisse in den letzten Jahren
• Evaluation von Behandlungsmaßnahmen für depressive Kinder und Jugendlichen steht noch am Anfang! • psychotherapeutische Maßnahmen (v.a. kognitiv‐behaviorale
Interventionen) bei Kindern und Jugendlichen führen zu einem deutlichen Rückgang der depressiven Symptomatik
• im Durchschnitt profitieren fast 76% stärker als nicht behandelte Kinder und Jugendliche
• Mädchen scheinen eher zu profitieren als Jungen, Jugendliche stärker als Kinder
• Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) im Kindes‐ und Jugendalter am besten untersucht – empirisch wirksam
• Interpersonelle Psychotherapie (IPT) bei Jugendlichen als zweite evidenzbasierte Therapieform
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Behandlung ‐ Pharmakotherapie
• Indikation:
• schwere Symptomatik
• Suizidalität
• Ausbleibender Erfolg von Psychotherapie
• nur in Kombination mit Beratung/ Psychotherapie
• Selektive Serotonin—Wiederaufnahmehemmer (SSRI) als Medikation der ersten Wahl, deutliche Überlegenheit ggü. Placebo, wenig Nebenwirkungen, hohe Responserate (z.B. Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin, Citralopram) – meist Off‐label‐Use!
• Vorsicht: initial antriebssteigernd!
• Trizyklische Antidepressiva (TZA): keine Überlegenheit ggü. Placebos, deutliche kardiale Nebenwirkungen
• MAO‐Hemmer: wenig wirkungsvoll, ausgeprägte Nebenwirkungen
• Johanniskraut: keine kontrollierten Studien, aber zunehmend klinische Berichte über gute Wirksamkeit bei mittelschwerer Symptomatik
Pössel, P. & Hautzinger, M. (2006). Effekte pharmakologischer und psychotherapeutischer Interventionen auf Depressionen bei Kindern und Jugendlichen. Zeitschrift für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 34, 243‐255.
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Behandlung – kognitive Verhaltenstherapie
• Kombination von patienten‐, eltern‐ und familienzentrierten Interventionen
• Effekt elternzentrierter Interventionen bislang nicht gut untersucht
• Einzel‐ vs. Gruppensetting: ein deutschsprachiges Therapiemanual Einzelsetting (Gruppe: 3)
• Spezifische Interventionen:
• Aufbau positiver Aktivitäten, Ressourcenorientierung
• Training sozialer Fertigkeiten und Problemlösung • Kognitive Umstrukturierung
• Rückfallprävention
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Behandlung ‐ interpersonelle Therapie
• Annahme: Genese depressiver Störungen im Kontext zwischenmenschlicher Probleme & fehlangepasster Beziehungen
• deutschsprachig nur für als Manual für die Behandlung von Erwachsenen • Psychoedukation
• Fokussierung zwischenmenschlicher Konflikte:
• Entwicklung von Problemlösestrategien
• Förderung sozialer Kompetenzen
• Verminderung von interpersonellen Rollenkonflikten Mufson, L. et al. (1993). Interpersonal Psychotherapy for Depressed Adolescents. New York: Guilford. © D. Walter
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Behandlung – kombinierte Therapie
• Treatment of Adolescent Depression Study (TADS): bislang größte Therapiestudie für depressive Kinder & Jugendliche
• N= 439 Patienten zwischen 12 und 17 Jahren wurden randomisiert zu 4 Gruppen zugeteilt (Dauer 12 Wochen):
• wöchentliche KVT
• Fluoxetin (10‐40 mg/d)
• KVT & Fluoxetin
• Medikemantenplacebo
• signifikanter, klinisch bedeutsamer Rückgang nach 12 Wochen:
• KVT & Fluoxetin: 71,0%
• Fluoxetin: 60,6%
• KVT: 43,2%
• Placebo: 34,8%
• ca. 50% der gebesserten Patienten Rezidiv durchschnittlich 22,3 Monate nach Therapieende
TADS Team (2004): Fluoxetine, cognitive‐behavioral therapy, and their combination for
adolescents with depression. Treatment for adolescents with depression study (TADS). Randomized controlled trial. JAMA, 7, 807‐820.
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Einschränkungen Psychotherapiestudien
• Patientenkohorten häufig eingeworben, leichte bis mittelschwere depressive Verstimmungen
• mangelnde Vergleichbarkeit mit klinischen Inanspruchnahme‐
populationen
• nicht immer wurden klinische Diagnosen mittels strukturierter klinischer Interviews abgesichert
• häufig methodische Schwächen (nur wenige RCTs)
• in der Regel Evaluation komplexer, multimodaler Therapieprogramme – differentielle Effekte völlig unklar
• Fehlen von Add‐on‐ bzw. Dismanteling‐Studien
• Evaluation im Gruppensetting im schulischen Kontext • Fehlen von Langzeitergebnissen
Lehmkuhl, G., Walter, D. & Lehmkuhl, U. (2008). Depressive Störungen im Kindes‐ und Jugendalter. Bundesgesundheitsblatt, 51, 399‐405.
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Exploration und standardisierte Diagnostik
• Zu Therapiebeginn steht Beziehungsaufbau zu Patienten und Bezugspersonen im Vordergrund
• Informationsvermittlung über Therapie
• Stärkung von Therapiemotivation
• Erhebung der störungsrelevanten Informationen
• Exploration des Patienten und der Bezugspersonen
• Spiel‐, Ess‐, Schlaf‐, Sozialverhalten
• schulische Leistungen, soziale Eingebundenheit
• Entwicklungs‐ und Störungsanamnese
• Veränderungen in der letzten Zeit (z. B. vermindertes Spielinteresse, sozialer Rückzug, Leistungsabfall in der Schule)
• Einsatz standardisierter Fragebogenverfahren (z.B. DIKJ, SBB‐DES aus dem DISYPS‐2)
• bei Indikation leistungsdiagnostische Untersuchung mit mehrdimensionalen Leistungstests (z.B. K‐ABC, K‐TIM, HAWIK‐IV)
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Aufbau positiver Aktivitäten
• Deutlicher Zusammenhang zwischen Aktivität und Stimmung
• Psychoedukation
• Identifikation von kleineren, leicht aufzusuchenden positiven Aktivitäten
• Implementierung in Wochenplan, Kombination mit Selbst‐ und Fremdverstärkung
• Protokollierung der Summe der Aktivitäten und der Stimmung pro Tag
• !Durchhaltevermögen stärken
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Depression. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Depressive Entwicklung – was können Bezugspersonen tun?
1. Machen Sie Gesprächsangebote ‐ thematisieren Sie die Entwicklung
der letzten Zeit und Ihre Sorge – versuchen Sie, dafür einen
geeigneten Zeitpunkt auszuwählen.
2. Beobachten Sie das Kind für etwa eine Woche; versuchen Sie, mögliche Ursachen zu identifizieren
3. Sorgen Sie dafür, dass das Kind tagsüber aktiv ist (nicht schlafen, mehrere Stunden im Bett liegen usw.) – versuchen Sie, einen
“normalen” Schlaf‐Wach‐Rhytmus aufrechtzuhalten
4. Unterstützen Sie das Kind bei der Aufrechterhaltung/ Wiederaufnahme von sozialen Kontakten oder Freizeitaktivitäten
5. Vermeiden Sie, Konflikte weiter “anzuheizen”, versuchen Sie, die Beziehung zu stärken
6. Überprüfen Sie die von Ihnen aufgestellten Regeln zur Erziehung.
Ihle et al. (2011). Depression bei Kindern und Jugendlichen. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Depressive Entwicklung – was können Bezugspersonen tun?
7. Seien Sie wachsam – holen Sie sich zusätzliche Hilfe, wenn Sie mit
den Schwierigkeiten nicht alleine fertig werden oder sich nicht
sicher sind, ob Sie die Beaufsichtigung allein übernehmen können:
• Familienmitglieder, erweiterte Verwandte;
• Freunde, Nachbarn, Lehrer;
• Beratungsstellen, niedergelassene Kinder‐ und Jugendpsychiater, Kinder‐ und Jugendlichenpsychotherapeuten, Pädiater;
• Ambulanzen in kinder‐ und jugendpsychiatrische Kliniken ;
• Zuspitzung: Notfallvorstellung in zuständiger KJP, Notarzt.
8. Seien Sie insbesondere wachsam bei:
• stark ausgeprägter depressiver Stimmung, lebensmüden
Gedanken; • deutlichem sozialem Rückzug, hoher Impulsivität;
• Suizidversuchen in der Vorgeschichte/ Familienanamnese;
• abrupter Fröhlichkeit/ Entspannung ohne erkennbare Ursache.
• . Ihle et al. (2011). Depression bei Kindern und Jugendlichen. Leitfaden Kinder‐ und Jugendpsychotherapie, Band 16. Göttingen: Hogrefe.
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Fazit
• Depression als eine der häufigsten, beeinträchtigendsten
Erkrankungen des Menschen
• Häufig mit weiteren psychischen Erkrankungen assoziiert
• Starke Fluktuation gerade bei Kindern, hohe Stabilität ab Jugendalter
• Diagnosekriterien für das Kindesalter wenig geeignet
• Ätiologie: multifaktorielle Genese, Spezifität der ätiologischen Faktoren im Kindes‐ und Jugendalter nicht gut untersucht
• Behandlung: • Psychotherapie (KVT, IPT) – empirisch wirksam
• medikamentöse Therapie (SSRI) – empirisch wirksam; besondere Indikation, Fluoxetin ab 8 Jahren zugelassen
• Kombination SSRI & KVT höchste Wirksamkeit
• differentielle & Langzeit‐Effekte bislang wenig untersucht
TADS Team (2004): Fluoxetine, cognitive‐behavioral therapy, and their combination for
adolescents with depression. Treatment for adolescents with depression study (TADS). Randomized controlled trial. JAMA, 7, 807‐820.
© D. Walter
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