Weißdorn

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Weißdorn
Eingriffeliger Weißdorn (Crataegus monogyna), Zweigriffeliger Weißdorn (C. laevigata)
Geschichte
In den Märchen von 1001 Nacht
steht in der Geschichte des Königs
Omar geschrieben: „Das wunderbarste von all dem, was im Menschen ist, ist sein Herz, denn es
ordnet sein ganzes Wesen“. Crataegus hilft, das Herz gesund zu halten; schon zu Paracelsus’ Zeiten
war Weißdornbeerenwein ein beliebtes Herztherapeutikum. Ausgra-
bungen zeugen von der Wertschätzung der Beeren, die in Notzeiten
auch als Mehlersatz und als Stärkungsmittel dienten. Die alten Germanen kochten aus den kraftspendenden Beeren ein Mus oder aßen
sie roh, die chinesischen Barfußärzte verwendeten das Beerenmus
zur Heilung, und Indianer der Rocky Mountains bereiten noch heute
eine Art Kraftnahrung daraus.
Der Dornenstrauch, der im Früh-
jahr überhäuft ist mit seiner weißen Blütenpracht, diente früher als
lebender Zaun. Er hielt alles Böse
von Feld und Hof ab und bot Menschen und Tieren Schutz, denn wo
eine Weißdornhecke Schutz gibt,
da können Mensch und Tier beruhigt schlafen. „Schlafbäumchen“
wurde denn auch der Weißdorn
genannt, oder „Hagedorn“ (von
german. „haga“ = Hecke). Wer
kennt sie nicht, die Geschichte von
Dornröschen, das in einen hundertjährigen Schlaf verfiel. Das Holz
der Spindel, die sie stach, war aus
Weißdorn!
Weißdorn ist die Schutzpflanze
schlechthin, sogar ein Spazierstock
aus seinem Holz soll Schutz vermitteln: Das altbayrische Wort „Haglstegga“ für Spazierstock weist auf
die magische Bedeutung des Stabs
hin, der vor allem Bösen schützen
konnte. Wer die heimische Umfriedung verlassen musste, nahm
den Schutzstab mit. Crataegus leitet sich ab vom Griechischen „kratys“ beziehungsweise „krataios“
(= stark) und charakterisiert das
harte, abwehrende, schützende
Holz. Nicht nur das Holz der Pflan-
Weißdorn
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ze ist fest und stark, sondern auch
seine Schutzwirkung auf die Menschen, besonders auf das Herz.
Mitte des 19. Jahrhunderts verhalf
ein irischer Arzt dem zukünftigen
Herztherapeutikum zu seiner Berühmtheit. Seine Praxis wurde bald
zu einem Mekka für Herzkranke,
die er erfolgreich mit Weißdorn behandelte. Heute hat die Pflanze einen wichtigen Platz in der modernen, naturheilkundlichen Medizin.
Botanisches
Im Spätfrühling leuchtet der
Dornenstrauch am Rande von Kulturwiesen, überzogen mit einer
weißen Blütenpracht. Dieser
Wildstrauch aus der Familie der
Rosengewächse (Rosaceae) wird
3–8 m hoch, ist in ganz Europa zu
finden und kann bis zu 500 Jahre
alt werden. Oft ist er im dichten
Heckengebüsch verflochten mit
Schlehen, Brombeeren und Heckenrosen und bietet so unzähligen
Tieren Nahrung und Schutz: Raupen und Schmetterlinge, Wildbienen, Vögel, Mäuse und Hasen leben darin. Weidetiere knabbern an
den Zweigen – je mehr, desto dichter wird die Dornenhecke.
Die Blätter des Weißdorns sind je
nach Art mehr- oder weniger stark
gelappt, sattgrün und glänzend.
Die fünf weißen Blütenblätter tragen einen oder zwei Griffel, und
entsprechend sind dann ein oder
zwei Kerne bei den kleinen apfelförmigen, roten Früchten in dem
mehligen, süßlich schmeckenden
Fruchtfleisch zu entdecken.
Von über hundert Weißdornarten
sind fünf für die Herztherapie zugelassen: Hauptsächlich werden jedoch der Eingriffelige Weißdorn
(Crataegus monogyna) und der
Zweigriffelige Weißdorn (C. laevigata) verwendet.
Ernte
Gesammelt werden Blüten und
Blätter zum Zeitpunkt der Vollblüte
von April bis Mai, damit ist der
höchste Wirkstoffgehalt garantiert.
Die Raumtemperatur beim Trocknen sollte 40°C keinesfalls überschreiten, weil sonst der wirksamkeitsbestimmende Flavonoidgehalt
deutlich abnimmt.
Die vollreifen, mehligen Früchte,
die wie kleine ziegelrote Miniäpfel
aussehen, werden im September
und Oktober gesammelt. Sie werden zur Teezubereitung selten verwendet, dienen aber in Form von
Wein, Mus oder Fertigarzneimittel
traditionell zur Stärkung und Kräftigung von Herz und Kreislauf.
Wirkungen
Crataegus ist kein starkes, schnell
wirksames Herzmedikament wie
der Fingerhut (Digitalis). Er unterstützt vielmehr das Herz in allen
Phasen. Er kann (und soll!) über einen längeren Zeitraum hinweg eingenommen werden. Die Wirkungen sind nachhaltig gut und es
gibt keine Nebenwirkungen.
Weißdorn verbessert die Durchblutung der Herzkranzgefäße, so dass
der angebotene Sauerstoff besser
ausgenutzt werden kann. Die Sauerstoffversorgung des Herzens wird
damit erhöht und Beschwerden bei
arteriosklerotischen Verengungen
werden gelindert. Weil auch die
Durchblutung des Herzmuskels
verbessert wird, wird er vor Schädigung durch Sauerstoffmangel geschützt; krampfartige Beklemmungsgefühle sowie die Anfallsbereitschaft für eine Herzenge
(Angina pectoris) können so vermindert werden.
Crataegus entspannt die Gefäße,
senkt dadurch den Gefäßwiderstand und reguliert beziehungsweise harmonisiert den Blutdruck. Übrigens ergab eine Untersuchung,
dass nach zehn Wochen Einnahme
von Weißdorn nicht nur der Blutdruck der Probanden niedriger war,
sondern die Patienten auch angaben, „weniger Angst“ zu haben.
In der Nachbehandlung eines Herzinfarkts unterstützt der Weißdorn
das Herz und stabilisiert den Herzrhythmus. Aus diesem Grund kann
Fingerhut (Digitalis) auch sehr gut
mit Weißdorn kombiniert werden.
Nicht zuletzt hat Crataegus eine antioxidative Wirkung auf den Herzmuskel, das heißt, er schützt ihn
vor aggressiven Sauerstoffradikalen.
Eine wichtige Verwendung von
Weißdorn – und das nicht nur im
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Heilpflanzen im Porträt
Medizinische Anwendung:
Crataegi folium cum flos
Inhaltsstoffe, Blätter und Blüten: Flavonoide, Prozyanidine,
Azetylcholin, Phenolcarbonsäuren, Sterole, Gerbstoffe. Früchte: Vitamin C, mehr Prozyanidine als in Blüten und Blättern,
deutlich weniger Flavonoide.
Anwendung: Weißdorn ist das
Mittel der Wahl bei (noch nicht
digitalisbedürftigem) Altersherz,
der beginnenden Herzschwäche
im Alter, bei Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße sowie bei leichteren Formen der
„Herzenge“ (Angina pectoris)
und der Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Genauso bei „Herzdruck“ mit Beklemmungsgefühlen, leichten Formen von
Herzrhythmusstörungen und anfallsweisem Herzjagen (paroxysmale Tachykardie). Je nach Stadium der Herzinsuffizienz eignet
sich Weißdorn zur Unterstützung beziehungsweise als Kombinationspartner einer Digitalistherapie, gerade auch weil
Weißdorn rhythmusstabilisierende Begleitwirkungen hat.
Crataegus ist für die Selbstbehandlung gut geeignet; ratsam
Alter! – ist die „Nachsorge“ nach Infektionskrankheiten oder Grippe,
um einer Herzmuskelschwäche
vorzubeugen. Deshalb gehört Weißdorn in jede Grippeteemischung.
Weißdorn unterstützt aber auch
die Herzfunktion bei Unruhe,
Schlafstörungen, Angstzuständen,
Nervosität oder Depressionen.
Neue Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich Weißdorn bei
längerer Einnahme zur Prävention
der Arteriosklerose eignet, und
dass Weißdorn die Lebensqualität
und das körperliche wie das seelische Befinden steigert.
Auch beim Bergsteigen führt Weiß-
Tee & mehr
ist es allerdings, vorher vom
Hausarzt prüfen zu lassen, ob
eventuell vorhandene Beschwerden nicht doch auf andere Ursachen zurückzuführen sind.
Anwendungsdauer: Mindestens
6–8 Wochen. Eine längere Einnahmedauer hat sich bewährt,
weil eine deutlich wahrnehmbare Wirksamkeit erst nach 5–
6 Wochen ihr Optimum erreicht.
Die Wirkung baut sich langsam
auf und entsprechend langsam
ab, mit nachhaltigem Effekt und
ohne toxische Belastung, so dass
Crataegus zur Langzeitanwendung auch über Monate bis
Jahre sehr gut geeignet ist. Bei
Herzinsuffizienz sollte man
Fertigpräparate einnehmen, zur
Stärkung und Kräftigung der
Herz-Kreislauf-Funktion eignet
sich Tee, Tinktur oder Frischpflanzensaft.
Kommission E: Herzinsuffizienz (Herzschwäche) im Stadium II. Weißdorn ist die erste
von der Kommission E im Jahr
1983 untersuchte Droge.
Tagesdosis: 5 g Blüten mit
Blättern; Fertigpräparate 160–
900 mg Extrakt.
Nebenwirkungen/Gegenanzeigen: Nicht bekannt.
dorn in großen Höhen, wo „die
Luft dünn wird,“ zu einer verbesserten Sauerstoffversorgung. Deshalb ist Weißdorn auch für Hochleistungssportler wichtig.
Hinweis: Eine Therapie mit
Weißdorn ist nicht zur Akutbehandlung bedrohlicher Herzerkrankungen geeignet – sie hat
ihre Stärke in der Prophylaxe.
Weißdorntee
1 TL (1–1,5 g) Blüten mit Blättern
mit 1 Tasse kochendem Wasser
überbrühen, zugedeckt 15 Minuten
ziehen lassen, abgießen. 3- bis 4mal täglich 1 Tasse trinken, bei Bedarf mit Honig gesüßt, kurmäßig
über mehrere Wochen bis Monate.
Der Tee eignet sich zur Vorbeugung im Sinne einer allgemeinen
Stärkung und Kräftigung des HerzKreislauf-Systems; er kann gut
kombiniert werden mit anderen
Heilpflanzen. Bei bestehenden Erkrankungen des Herz-KreislaufSystems sollten Sie zur besseren
und verlässlicheren Wirksamkeit
Fertigpräparate einnehmen.
Teemischungen
Tee gegen nervöse Herzstörungen (Aufguss)
Je 25 g Weißdornblätter und -blüten, Melissenblätter, Rosenblüten
und Baldrianwurzel. 10 Minuten
ziehen lassen. 6 Wochen lang 3mal täglich 1 Tasse trinken.
Tee gegen hohen Blutdruck und
Kreislaufbeschwerden (Aufguss)
Je 20 g Weißdornblätter und -blüten, Melissenblätter, Lindenblüten,
Schafgarbenkraut und Mistelblätter. 7 Minuten ziehen lassen. 6 Wochen lang 3-mal täglich 1 Tasse
trinken.
Weißdorn
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Grippetee (Aufguss)
Je 20 g Weißdornblätter und -blüten, Holunderblüten, Mädesüßkraut, Engelwurzwurzel und Thymiankraut. 10 Minuten ziehen lassen. 1–2 Wochen lang 3-mal täglich
1 Tasse trinken.
Tee gegen Unruhe, Schlafstörungen, Ängste, Nervosität (Aufguss)
Je 25 g Weißdornblätter und -blüten, Melissenblätter, Hopfenzapfen
und Lavendelblüten. 10 Minuten
ziehen lassen. 4 Wochen lang 3mal täglich 1 Tasse trinken.
Tee gegen Verdauungsstörungen
mit „Herzdruck“ (RoemheldSyndrom) (Aufguss)
40 g Weißdornblätter und -blüten,
30 g Fenchelsamen und je 15 g
Orangenblüten und Herzgespannkraut. 10 Minuten ziehen lassen.
6 Wochen lang 3-mal täglich 1 Tasse trinken.
Kreislauftee (Aufguss)
Je 25 g Weißdornblätter und
-blüten, Rosmarin und Schafgarbe
sowie 20 g Thymian. 10 Minuten
ziehen lassen. 6 Wochen lang
3-mal täglich 1 Tasse trinken.
Dieser Tee eignet sich bei niedrigem Blutdruck, Kreislaufbeschwerden, in der Rekonvaleszenz, bei
Schwächezuständen, bei chronisch
kalten Händen oder Füßen.
Weitere Zubereitungen
Herzlikör
200 g Weißdornbeeren, 1–2 Handvoll Melissenblätter, 1 Zimtstange,
100 g Kandiszucker und 700 ml
Wodka (32%) in ein Glasgefäß füllen, 6 Wochen ziehen lassen, abgießen und danach noch 3 Monate ruhen lassen. Täglich 1–2 Likörgläschen genießen.
Herztropfen
Ein Marmeladenglas bis an den
oberen Rand mit klein geschnittenen Blüten und Blättern von Weißdorn füllen und mit Korn oder
Wodka (etwa 40%) bedecken.
3–4 Wochen auf dem Fensterbrett
stehen lassen und täglich schütteln;
danach in Tropffläschchen abgießen. 3-mal täglich 25 Tropfen zur
Vorbeugung einnehmen.
Herzwein mit Weißdorn
1 Handvoll reifer, roter Früchte anquetschen; mit 1 Handvoll Weißdornblüten und -blättern, 5 TL Melissenblättern und 3 TL Herzgespannkraut (Leonurus cardiaca) in
2 l Rotwein zum Kochen bringen,
20 Minuten ziehen lassen und abgießen. Aromatisieren Sie den abgekühlten Wein mit 2–4 EL Honig
und nehmen Sie ihn likörgläschenweise ein (1–2 Gläschen/Tag).
Altes Wissen
Niemand sieht es dem Weißdorn an,
was er alles leisten kann:
Wenn ein Mensch mit krankem Herzen
vor Beklemmung, Angst und
Schmerzen
Tag und Nacht verzweifelt klagt
und am Leben fast verzagt
nehm er voll Vertrauen nur
ein paar Tropfen der Tinktur
und sein Zustand, erst so kläglich,
wird bald wieder ganz erträglich.
Es beruhigt auch das Herz
und beseitigt Angst und Schmerz,
und der Schlaf, oft schwer gestört,
binnen kurzem wiederkehrt.
Grad bei solchen Herzanfällen,
die den Kranken furchtbar quälen,
merke dieses Mittel dir
als ein Lebenselixier.
(Homöopathische Reimregeln,
Dr. Ernst Gardemin)
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