„Vergleichende Untersuchungen zum Reproduktionserfolg von Laborund Wild-Goldhamstern (Mesocricetus auratus)“ Diplomarbeit angefertigt am Institut für Zoologie Fachbereich Biologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zur Erlangung des akademischen Grades Diplom-Biologe (Dipl.-Biol.) vorgelegt von Karsten Nasdal geboren am 09.11.1976 in Berlin eingereicht am: 15. Dezember 2004 Gewidmet meiner Mutter Ute Dunja Menzel † 7.12.2003 2 INHALTSVERZEICHNIS I. Inhaltsverzeichnis I. Inhaltsverzeichnis II. Abkürzungsverzeichnis……………………………….…………………………….3 III. Hauptteil 1. Einleitung…………………………………………………………….……………..4 2. Material und Methoden 2.1 Versuchstiere und Haltungsbedingungen…………………………….………....7 2.1.1 Tiere………………………………….………………………….……..…7 2.1.2 Haltungsbedingungen…………….…………………………….……..….7 2.2 Verpaarung……………………..…………………………………….…………8 2.3 Vaterschaftsnachweis…………..…………………………………….…………9 2.4 Genetische Distanzen………….………………………………………………10 2.5 Female choice………………...………………………………………………..10 2.6 Ovarialzyklus…………………………………………………………………..11 2.7 Sexualverhalten…………………………………………………...…………...13 2.8 Auswertung und Statistische Analyse……………………...………………….15 3. Ergebnisse 3.1 Reproduktionserfolg………………………………………..………….………16 3.2 Female choice………………………………………………………………….17 3.3 Genetische Distanzen…………………………………………...……………..18 3.4 Aktivität im Zyklus………………………………...………………………….19 3.5 Sexualverhalten…………………………………………………...…………...19 3.5.1 Weibchen………………………………………………...………………19 3.5.2 Männchen…………………………………………………..…...……….21 3.6 First male advantage…………...………………………………………………22 4. Diskussion…………………………………………………………...…………….23 5. Zusammenfassung…………………………………………………………...…….34 IV. Literaturverzeichnis……………………………………………………..……………..35 V. Anhang……………………………………………………………………...…...……..43 3 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS II. Abkürzungsverzeichnis: Abb. Abbildung Bd. Band D Dunkelzeit ed. edited et al. et alii L Lichtzeit Lan Licht an Laus Licht aus Maurµ Mesocricetus auratus - Mikrosatelliten-Loci MEZ Mitteleuropäische Zeit n Probenumfang PCR Polymerasekettenreaktion S. Seite Tab. Tabelle vs. versus 4 EINLEITUNG 1. Einleitung CHARLES DARWIN postulierte 1899, dass sich Arten durch einen Mechanismus entwickeln, welchen er „natürliche Zuchtwahl“ nannte. Er belegte einen Selektionsprozess für variierende Merkmale in der Natur, welcher zu einer Bevorzugung von positiven, lebensnützlichen Variationen führt. Diese Merkmale werden dann an die Nachkommen vererbt, welche wiederum in diesen Merkmalen variieren und für das Überleben optimal selektiert werden. DARWIN prägte den Begriff „Fitness“ als eine Umschreibung von allem, was ein Individuum im „Kampf ums Dasein“ besonders geeignet und tauglich macht. DAWKINS (1974) beschreibt die Maximierung des individuellen Reproduktionserfolges durch jedes einzelne Individuum als „Motor“ der Evolution. Merkmale werden positiv selektiert, wenn sie einen positiven direkten oder indirekten Einfluss auf den Reproduktionserfolg eines Individuums haben. Ebenso werden Merkmale negativ selektiert, wenn sie einen negativen Einfluss auf dessen Reproduktionsfähigkeit ausüben. DAWKINS reduziert das Individuum an sich auf einen kurzlebigen Träger der genetischen Information, welcher dem Zweck dient, ein optimales Medium für die Genreplikation zu bieten. Dieses Prinzip ist durch die Formulierung “Theorie vom egoistischen Gen“ beschrieben. Die Fortpflanzung und damit die Replikation und Weitergabe der eigenen Gene nimmt also eine zentrale Stellung im Mechanismus der Evolution und damit im Leben eines jeden Individuums ein. Eine „Reproduktive Fitnessmaximierung“ ist ein entscheidendes Lebensprinzip aller Organismen (VOLAND 2000). Zur Umwelt eines Organismus gehören weitere Organismen. Ein Individuum ist demzufolge gezwungen, auch auf diesen Teil der Umwelt zu reagieren. Gehört der andere Organismus zur eigenen Art, kann es sich zum einen um eine Konkurrenzsituation handeln, z.B. eine Konkurrenz um Ressourcen. Zum anderen bedingt eine sexuelle Fortpflanzung die Notwendigkeit, Geschlechtspartner zu finden, auszuwählen und mit ihnen in dem erforderlichen Maße zu kooperieren, um einen Fortpflanzungserfolg zu erreichen. Diese Notwendigkeiten verlangen soziale Verhaltensweisen und Mechanismen. Dabei sind sowohl die sozialen Systeme als auch die dazugehörigen Verhaltensweisen den jeweiligen Lebensumständen und Bedürfnissen der einzelnen Individuen oder Fortpflanzungsgemeinschaften angepasst (HENDRICHS 1978; SACHSER 1994). Die Soziobiologie ist „eine moderne Wissenschaftsdisziplin, die das Sozialverhalten und die Gruppenstrukturen der Tiere und des Menschen auf eine spezielle evolutionsbiologische Grundlage stellt. Hauptgegenstand ist der Anpassungswert der sozialen Phänomene und 5 EINLEITUNG die Frage nach ihrem Wert für das Überleben und die Fortpflanzung, für die Fitness ihrer Träger“ (LUNDBERG 1993). Ein wichtiges Forschungsfeld der Soziobiologie sind Problemoder Konfliktsituationen. Im Falle der sexuellen Fortpflanzung eines Individuums ergeben sich solche Situationen z.B., wenn dem Weibchen mehrere Partner zur Verfügung stehen. Zum einen muss das Weibchen den für seine Nachkommen möglichst optimalen Partner finden und auswählen (intrasexuelle Selektion). Zum anderem müssen verschiedene Männchen miteinander um das Weibchen konkurrieren (intersexuelle Selektion) (DARWIN 1871; BIRKHEAD & MOLLER 1998). Weibchen sind in der Regel der Teil einer Fortpflanzungspartnerschaft, welcher die meisten Investitionskosten trägt. Bei solitären Tieren wie dem Goldhamster (Mesocricetus auratus) wird die Aufzucht der Jungtiere meist allein vom Weibchen übernommen. Durch dieses hohe Investment ist die Anzahl möglicher Nachkommen für das Weibchen begrenzt. Es strebt daher qualitativ hochwertige, also optimal angepasste oder anpassungsfähige Nachkommen an (BIRKHEAD & PARKER 2003). Für das Weibchen gibt es hierbei zwei wichtige Kriterien. Zum einen sollte das gewählte Männchen möglichst vorteilhafte Merkmale aufweisen, welche dann auf die Jungen vererbt werden können. Bei diesen Merkmalen kann es sich z.B. um eine große Körpermasse, das Erreichen eines hohen reproduktionsfähigen Alters oder um einen geringen Parasitenbefall handeln. Zum anderen sollte der Partner einen möglichst optimal kompatiblen Genotyp besitzen, um eine hohe Heterozygotie der Nachkommen zu gewährleisten, sie damit anpassungsfähiger zu machen, Inzuchteffekte zu vermeiden und so ihre reproduktive Fitness zu erhöhen (HANSSON & WESTERBERG 2002). Für ein Männchen spielt die Qualität der Jungtiere in der Regel eine untergeordnete Rolle. Vor allem wenn es, wie beim Goldhamster, kaum Investitionskosten beim Austragen und der Aufzucht der Jungen trägt. Goldhamstermännchen können sehr viel mehr Nachkommen produzieren als Weibchen, indem sie mit möglichst vielen Partnern zur Fortpflanzung gelangen. Da alle Männchen diese Strategie der Quantität verfolgen, gibt es zwischen ihnen einen sehr großen Konkurrenzdruck (BIRKHEAD & PARKER 2003). Wählt ein Weibchen den Fortpflanzungspartner, so müssen die Männchen im Vorfeld versuchen, die Wahl für sich zu entscheiden. Dies kann, je nach Art, mit Hilfe von komplizierten Balzritualen, Kommentkämpfen oder anderen Möglichkeiten von Werbeverhalten geschehen. Ist eine Mehrfachverpaarung eines Weibchens nicht ausgeschlossen, sollte ein Männchen versuchen, einen möglichst alleinigen Anspruch zu verteidigen. Die Soziobiologie kennt viele Mechanismen, mit denen Männchen versuchen, 6 EINLEITUNG die Kopulation „ihres Weibchens“ mit weiteren Kontrahenten zu verhindern oder deren Effekte zu verringern. Sie kennt aber auch ebenso viele Gegenstrategien (BIRKHEAD & MOLLER 1992; TAGGART ET AL. 1998; VOLAND 2000). Werden Goldhamsterweibchen nacheinander mit zwei Goldhamstermännchen verpaart, können in einem Wurf sowohl Junge des einen als auch des anderen Männchens vorkommen. Es gibt also die Möglichkeit einer multiplen Vaterschaft (HUCK et al. 1989). Die in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Versuche wurden an zwei Goldhamsterstämmen durchgeführt. Dabei handelt es sich zum einen um einen Wildtypstamm, zum anderen um einen Laborstamm. Seit 70 Jahren wird der Laborstamm in menschlicher Obhut gezüchtet. Als Begründer dieses Stammes dienten nur zwei Tiere, welche zudem Geschwister waren (GATTERMANN 2000). Der Laborstamm ist eine Inzuchtlinie mit hohem Inzuchtgrad, also geringer genetischer Diversität. Inzucht, also die Verpaarung von Individuen mit hohen Verwandtschaftskoeffizienten, führt zu Inzuchtlinien, welche sich durch eine große genetische Einheitlichkeit auszeichnen. Oft treten Inzuchtdepressionen auf. Diese Inzuchtschäden können unerwünschte, vorerst rezessive Anlagen hervorbringen (CHARLESWORTH & CHARLESWORTH 1987). Des weiteren setzen sie durch eine Verringerung der genetischen Variabilität die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Umweltverhältnisse herab. Die Folgen sind vielfältig. Oft sind Größe, Gewicht und Widerstandsfähigkeit verringert, Leistungsfähigkeit, sexuelles Interesse und Fertilität nehmen mit zunehmendem Inzuchtgrad ab. Es kommt öfter zu Missbildungen und einer retardierten Entwicklung der Jungtiere (BREWER et al. 1990). Bisher galt der Goldhamster als weitgehend inzuchtresistent. Trotz eines hohen Inzuchtgrades und einer langen Inzuchtlinie sind kaum Inzuchtdepressionen beschrieben. Die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe „Inzuchtdepression“ und „Inzuchtdefekte“ bezeichnen alle negativen Effekte, welche infolge der genetischen Verarmung in einem aus Inzucht hervorgegangenen Tierstamm auftreten. Der Wildtypstamm existiert seit 1999 in menschlicher Obhut. Vergleiche zwischen Wildund Laborstamm zeigen keine deutlichen Unterschiede in der Morphologie (Körpergröße, Färbung, Fußlänge) und im Sexualrhythmus. Lediglich Ohrlänge (21,9 vs. 21,3 mm) und Schwanzlänge (7,8 vs. 8,3 mm) unterscheiden sich signifikant, aber minimal. Laborhamster sind schwerer (141 vs. 117 g), doch die relative fettfreie Masse ist identisch (GATTERMANN et al. 2000). Wilde Goldhamster zeichnen sich durch eine signifikant höhere Lokomotion und ein erhöhtes Explorationsverhalten aus (HOLLAK 2000; FRITZSCHE et al. 2000). Die Wurfgröße ist bei beiden Stämmen gleich, wenn die Weibchen innerhalb 7 EINLEITUNG ihres Stammes verpaart werden (GATTERMANN, FRITZSCHE - unpublizierte Daten). Der Laborstamm zeigt eine Abnahme der genetischen Diversität. Die Allelanzahl pro Genort und die mittlere Heterozygotie sind beim Laborgoldhamster signifikant geringer als bei den Wildfängen (FRITZSCHE et al. 2000, NEUMANN et al. 2004 eingereicht). Es ist anzunehmen, dass ein gefundener Unterschied im Reproduktionserfolg von Wildund Laborgoldhamstern auf die unterschiedliche Heterozygotie und Allelanzahl der beiden Stämme zurückzuführen wäre. Weiterhin gibt es Hinweise darauf, dass Inzuchtdepressionen versteckt existieren können und nur unter ganz bestimmten Situationen zur Ausprägung kommen (JORON & BRAKEFIELD 2003). Solch eine Situation wurde in der vorliegenden Arbeit durch die direkte Konkurrenz der Männchen herbeigeführt. Ziel dieser Diplomarbeit war es, die Männchen beider Stämme auf Unterschiede im Reproduktionserfolg zu untersuchen. Des Weiteren sollten Sexualverhalten und Wahlverhalten (female choice) experimentell, und weitere mögliche Ursachen dieser Unterschiede theoretisch betrachtet werden. 8 MATERIAL UND METHODEN 2. Material und Methoden 2.1 Versuchstiere und Haltungsbedingungen 2.1.1 Tiere Für die Untersuchungen wurden adulte, sexuell naive Weibchen (n=20) und adulte, sexuell naive Männchen (n=20) vom Goldhamster (Mesocricetus auratus) aus dem institutseigenen Aufzuchtstock ZOH:GOHA verwendet. Diese Tiere werden im Folgenden als „Labortiere“ bzw. als „Labormännchen/Laborweibchen“ bezeichnet. Des Weiteren wurden adulte, sexuell naive Weibchen (n=20) und adulte, sexuell naive Männchen (n=20) verwendet, deren Aufzuchtstock ebenfalls institutseigen ist, aber durch 14 Wildfänge aus dem natürlichen Verbreitungsgebiet (Aleppo – Nordsyrien 1999) etabliert wurde. Diese Tiere werden im Folgenden als „Wildtiere“ bzw. als „Wildmännchen/Wildweibchen“ bezeichnet. 2.1.2 Haltungsbedingungen Die Männchen wurden einzeln in Standard-Makrolonkäfigen Typ IV (54x33x20cm) mit Drahtabdeckung und Futterraufe, die Weibchen in älteren Standard-Schalenkäfigen (47cm x 28cm Grundfläche) mit Drahtaufsatz und Futterraufe gehalten. Als Einstreu dienten Sägespäne (Firma ALLSPAN). Die Tiere erhielten pelletiertes Standardfutter (ALTROMIN GmbH – Zuchtfutter für Hamster) und Wasser (Leitungswasser) ad libitum. Während der Trächtigkeit und Laktation der weiblichen Tiere bekamen diese zusätzlich Apfelstückchen und Magerquark. Der Haltungsraum war fensterlos und klimatisiert. Die Temperatur betrug 22±2 °C bei 55 – 65 % relativer Luftfeuchte. Das Lichtregime war auf L:D 14:10 mit Licht an um 5.00 Uhr MEZ eingestellt. Die Schleusenapparatur für den Wahlversuch befand sich im Haltungsraum, die für die Verpaarungen verwendete Paarungsarena in einem separaten Raum. Dort wurden die Tiere nur für die Dauer des Verpaarungsversuches (zwei Stunden ab Licht aus) aufbewahrt. MATERIAL UND METHODEN 2.2 Verpaarung Die Verpaarungen erfolgten in einem separaten Raum in einer Paarungsarena aus Plexiglas mit den Abmessungen 70x70x30 cm. Als Bodengrund dienten Sägespäne (Abb.1). Die Verpaarungen begannen bei Licht aus (19.00 Uhr MEZ) in völliger Dunkelheit. Mittels Infrarotkamera und Infrarotscheinwerfer wurden die Verpaarungen zur späteren Auswertung auf Video aufgezeichnet. Die Weibchen wurden nacheinander mit zwei Männchen verpaart, je einem Wild- und einem Labormännchen. Das erste Männchen wurde nach einer kurzen Eingewöhnungszeit des Weibchens (3 min) in die Arena zugesetzt. Nach einer Stunde wurde das erste Männchen herausgenommen und das zweite hinzugesetzt. Das zweite Männchen wurde ebenfalls eine Stunde beim Weibchen belassen. Danach wurden die Tiere zurück in ihre Heimkäfige und in den Haltungsraum zurückgebracht. Jedes Weibchen wurde zweimal mit denselben Männchen verpaart, wobei die Reihenfolge der Männchen in der zweiten Paarung vertauscht wurde. Abbildung 1: Paarungsarena mit Infrarotkamera und Videoaufzeichnungsgeräten 10 MATERIAL UND METHODEN 2.3 Vaterschaftsnachweis Zum Nachweis der Vaterschaft wurden Stücke vom Ohr verwendet, die den Jungen und den Elterntieren nach dem Abtöten entnommen wurden. Die Identifizierung der Väter erfolgte unter Verwendung der Mikrosatelliten Maurµ6 und Maurµ10. Genomische DNA wurde mit einem standardisierten DNA-Kit (E.Z.N.A. Tissue DNA Kit II, Peqlab Biotechnologie GmbH) extrahiert. Die PCR-Amplifikation der Loci wurde mit dem puRE Taq Ready-To-Go System (Amersham Biosciences) durchgeführt. Ein 25µl Reaktionsansatz enthielt ungefähr 50-100 ng genomische DNA und je 12.5 pmol „forward“ und „reverse“ Primer. Das PCR-Profil wurde mit einer Vorinkubation, 180 s bei 94°C, gestartet. Es folgten 30 Zyklen mit folgendem Programm: 60 s bei 94°C, 60 s bei einer primer-spezifischen Temperatur und 120 s bei 72°C. Dafür wurde ein Thermocycler UNO II von Biometra verwendet. Die PCR-Produkte wurden anschließend auf 6 %igen Poly-Acryl-Amid-Gelen aufgetrennt und detektiert. Dies geschah mit dem automatischen Sequenzer ALFexpress, gesteuert durch das ALFexpress II DNA analysis system (Amersham Pharmacia Biotech). Die Größe der detektierten Banden (Allele) und deren Abstände zueinander an den jeweiligen Loci wurde mittels gerätespezifischer Fragmentanalyse-Software ermittelt (GeneScan© 2.1.). Die Vaterschaft konnte schließlich durch den Vergleich der Allele von Jungtieren und Eltern bestimmt werden. 2.4 Genetische Distanzen Für die Bestimmung der genetischen Distanzen zwischen Weibchen und Männchen wurden 11 Loci verwendet (siehe Anhang). Die labortechnische Vorgehensweise entsprach den Arbeitsschritten bei der Ermittlung der Vaterschaft (siehe 2.3). Die zwischen jeweils zwei Tieren übereinstimmenden Allele wurden gezählt. Das gewählte Maß für die genetische Distanz war die „Allelic shared distance“ nach CHAKRABORTY: DSA = 1 − PSA 1 1 ∑ S = j 2r r (1) mit PDA 1 DSAI- genetische Distanz S – die Anzahl der gemeinsamen Allele r – Anzahl der Loci (JIN & CHAKRABORTY 1994) 11 (2) MATERIAL UND METHODEN 2.5 Female choice Bei diesem Versuch wurde eine Schleusenapparatur verwendet (Abb.2). Die Schleuse bestand aus drei Standard-Makrolonkäfigen Typ IV, die durch Plastikröhren (lichtundurchlässig, Länge 18cm, Durchmesser 5cm) miteinander verbunden waren. Die Röhren konnten mittels zweier Metallstäbe verschlossen werden, um den Zugang der Hamster in andere Käfige zu blockieren. Die Käfige waren mit Sägespänen als Einstreu, Futter (Pellets) und Wasserflasche ausgestattet. Abbildung 2: Schleusenapparatur mit Bewegungsmeldern Jedes Weibchen wurde für 7 Tage in der Schleuse belassen. Zu Versuchsbeginn wurde die Schleuse geöffnet. Das Weibchen blieb für zwei Tage allein in der Anlage und konnte jeden Käfig betreten. Am dritten Tag wurden die Röhren verschlossen. Das Weibchen blieb im mittleren Käfig. Links und rechts wurde je ein Labor- und ein Wildmännchen für die Dauer der Lichtphase eingesetzt. Während dieser Zeit waren olfaktorische, visuelle und naso-taktile Kontakte durch die Sperre in den Röhren zwischen Weibchen und Männchen möglich. Vor Licht aus wurden die Männchen entnommen und in ihre Käfige zurückgesetzt, die Schleusen wurden geöffnet und dem Weibchen der Zugang zu den 12 MATERIAL UND METHODEN Männchenkäfigen ermöglicht. Nach Licht an wurden die Männchen wieder eingesetzt und die Apparatur wieder geschlossen (siehe Abb.3). Die Aktivität der Weibchen wurde durch passive Infrarot-Bewegungsmelder erfasst. Über jedem Käfig befand sich ein Bewegungsmelder, dessen Daten separat gespeichert wurden. Nach Beendigung des Versuches wurde die Einstreu entfernt, die gesamte Schleusenapparatur mit Seifenwasser ausgewaschen, mit einprozentiger Essigsäure ausgewischt und desinfiziert. Danach wurde die Schleuse neu besetzt. Dieser Versuch wurde zwei Wochen später mit denselben Tieren, aber mit vertauschter Männchenposition wiederholt. Die Weibchen wurden mit denselben Männchen getestet, mit denen sie im Laufe des Versuches verpaart wurden (siehe 2.2). Nach jedem Durchgang wurde der Ovarialzyklus der Weibchen bestimmt. 1. Schleusendurchgang 2. Schleusendurchgang Tag Tag Wild ♂ Labor ♂ Labor ♂ ♀ Nacht ♀ Wild ♂ Nacht ♀ ♀ Abbildung 3: Schema des Schleusenversuches. Jeder Schleusendurchgang dauerte 7 Tage, zwischen dem Ende des ersten und dem Anfang des zweiten Durchgangs lagen zwei Wochen. 2.6 Ovarialzyklus Zur Bestimmung des Ovarialzyklus wurden Verhaltenstests durchgeführt und Vaginalabstriche der Goldhamsterweibchen angefertigt. Verhaltenstests: Dem Goldhamsterweibchen wurde gegen Ende der Lichtzeit ein Männchen zugesetzt. Kam es danach zu Auseinandersetzungen, wurde das Männchen 13 MATERIAL UND METHODEN wieder entfernt und der Versuch am nächsten Tag zur gleichen Zeit wiederholt. Nahm das Weibchen dagegen die Lordosestellung ein, konnte davon ausgegangen werden, dass sich das Weibchen im Östrus befand (GATTERMANN et al. 1985). Abstriche: Bei vielen Nagetieren finden zyklusabhängig Proliferation und Apoptose des Epithels von Uterus und Vagina statt (SATO et al. 1997). Durch Abstriche kann der Verlauf dieser Vorgänge nachvollzogen und in Beziehung zum Zyklus gesetzt werden. Die Abstriche wurden jeden Tag zur selben Zeit (8.00 Uhr – 9.00 Uhr) und über mindestens fünf aufeinander folgende Tage pro Tier getätigt. Die Abstriche wurden nach einem Schema von FRITZSCHE (1980) angefertigt: • Sterilisieren einer Abstrichöse (2mm Durchmesser) durch Ausglühen • Vorbereiten eines Objektträgers durch Beschriften und Aufbringen eines Tropfens aqua dest. • Einführen der abgekühlten Abstrichöse in die Vagina des Goldhamsterweibchens • Verteilung des Abstrichs im aqua dest. – Tropfen auf dem Objektträger • Trocknung des Abstriches • Hämatoxylin-Eosin-Färbung des Abstriches nach ROMEIS (1948): 10 min färben in Hämatoxylin 5 min abspülen unter fließendem Leitungswasser 5 min färben in Eosin 5 min abspülen unter fließendem Leitungswasser Nach der Färbung kann man drei Zellarten im Mikroskop unterscheiden: 1. Leukozyten: runde Zellform, kernhaltig, blau gefärbt 2. Schollen: verschiedenartig geformt, groß, kernlos, farblos bis leicht rot gefärbt 3. Epithelzellen: ovale, spindelförmige oder runde Zellform, kernhaltig, rot gefärbt Aus der Zellzusammensetzung im Abstrichbild kann man das jeweilige Zyklusstadium des Weibchens bestimmen (GATTERMANN et al. 1985). Der Sexualzyklus des Goldhamsterweibchens hat eine Periodendauer von vier Tagen, man unterscheidet vier Phasen, die fließend ineinander übergehen: 1. Proöstrus: Schollen herrschen vor, trotzdem nur vereinzelt und amorph. Keine oder kaum Leukozyten und Epithelzellen. 14 MATERIAL UND METHODEN 2. Östrus: Epithelzellen herrschen vor. Schollen und Leukozyten sind nicht nachzuweisen. 3. Metöstrus: Alle drei Zellarten treten auf. Leukozyten sind in großer Menge vorhanden. Auch die Anzahl der Schollen nimmt zu. Das Abstrichbild wirkt „kompakter“ als die der anderen Phasen. 4. Diöstrus: Die Zahl der Leukozyten und Epithelzellen nimmt ab. Schollen dominieren das Bild. 2.7 Sexualverhalten Die Videos wurden mit dem Programm Observer©5.0 (NOLDUS) ausgewertet. Die gewonnenen Daten wurden in das Programm Excel 8.0 der Firma Microsoft überführt und bearbeitet. Es wurden folgende Komponenten des Paarungsverhaltens aufgenommen: Tabelle 1: Untersuchte Verhaltenskomponenten Verhaltensweise Weibchen Lordose Männchen Aufreiten Intromission Ejakulation Longintromission aufgenommene Größe Dauer in s Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Im Folgendem werden diese Verhaltensweisen kurz charakterisiert (nach BUNNELL et al. 1976): Lordosestellung: Das Weibchen signalisiert Paarungsbereitschaft, indem es den Rücken nach unten durchdrückt, auf der Stelle verharrt, das Becken hebt und somit seine Geschlechtsorgane präsentiert. Aufreiten: Das Männchen reitet dem Weibchen auf. Dabei vollzieht es schnelle, kurze Beckenstöße, bei denen es nicht zur Einführung des Penis in die Vagina kommt und somit auch nicht zur Übertragung von Sperma. Diese Verhaltensweise wird in kurzen Abständen wiederholt. 15 MATERIAL UND METHODEN Intromission: Das Männchen reitet dem Weibchen auf und beendet die kurzen, schnellen Beckenstöße der Verhaltensweise „Aufreiten“ mit einem tiefen, 3-5 Sekunden dauernden Beckenstoß. Dabei wird der Penis in die Vagina eingeführt, es kommt allerdings nicht zu einer Übertragung von Sperma. Diese Verhaltensweise wird in kurzen Abständen wiederholt, in der Regel bis es zu einer Ejakulation kommt. Ejakulation: Das Männchen reitet dem Weibchen auf und vollzieht eine Intromission. Diese dauert aber länger als 5 Sekunden (bis 8 Sekunden) und es kommt dabei zu einer Ejakulation und Übertragung von Sperma in den weiblichen Geschlechtstrakt. Das Männchen rudert dabei mit einem Hinterbein. Nach einer Ejakulation beginnt das Männchen mit einem längerem „Genitalputzen“ (ca. 15 Sekunden), bevor es mit der Paarung fortfährt. Longintromission: Diese Verhaltensweise tritt vor allem gegen Ende der Paarung auf. Das Männchen reitet dem Weibchen auf und es kommt zu einer Intromission. Diese wird begleitet von mehreren tiefen, langen Beckenstößen und hat eine Dauer von 12-28 Sekunden. Hierbei kommt es zu keiner Übertragung von Sperma in den weiblichen Genitaltrakt. Zur Beurteilung der eigenen Fehleranfälligkeit wurden sechs Blind-Versuche durchgeführt. Dafür wurden Verpaarungen ausgewertet, ohne dass die Stammeszugehörigkeit der Männchen und Weibchen bekannt war. Es konnte im Vergleich zu den übrigen Auswertungen des Versuches kein subjektiver Fehler bemerkt werden. Die aufgenommenen Daten wurden durch die Auswertungsfunktion des ObserverProgrammes zusammengefasst und anschließend in eine Excel-Tabelle übertragen. Abbildung 4: Computerarbeitsplatz zur Auswertung der Videos per OBSERVER 16 MATERIAL UND METHODEN 2.8 Auswertung und Statistische Analyse Die von den Bewegungsmeldern erfassten Daten wurden mit dem Programm CHRONOKIT registriert und mit Hilfe des Programms ACTCNT.EXE in Textdateien umgewandelt. Die Daten zu den aufgenommenen Verhaltenskomponenten wurden von der Auswertungsfunktion des Observers zusammengefasst. Diese Daten der Bewegungsmelder und des Paarungsverhaltens wurden als Rohdaten in EXCEL 8.0 weiter bearbeitet. Die statistischen Tests erfolgten mit dem als AddIn in EXCEL integrierten Statistikprogramm WINSTAT (Version 2001/1). Zur Untersuchung von Unterschieden zwischen zwei Stichproben wurde in der Regel der U-Test (Mann-Whitney) verwendet. Die statistische Untersuchung der ÖstrusAktivitätsdaten konnte mit dem Friedmann-Test erfolgen. Die für die Identifizierung der Signifikanzen zwischen den einzelnen Zyklusphasen verwendete Formel lautete: Sa − Sb ≥ z k ( kα−1) Nk (k + 1) 6 (3) (aus ENGEL 1997) α – Signifikanzniveau Sa/b- zwei auf Unterschiede hin zu untersuchende Datenreihen z – Tabellenwert „Einzelvergleiche Friedmann-Test (ENGEL 1997) N – Anzahl untersuchter Individuen k - Stichprobenanzahl Die Unterschiede gelten als signifikant, wenn die Ungleichung erfüllt ist. Als statistisch abgesichert galten Unterschiede mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p<0,05, sie wurden als signifikant bezeichnet. In den Grafiken steht * für signifikant mit p<0,05; ** = p<0,01 und *** = p<0,001 für hoch signifikant. Als Streuungsmaß für die Mittelwerte wurde der Standard-Fehler angegeben. 17 ERGEBNISSE 3. Ergebnisse: 3.1 Reproduktionserfolg Es wurde die Vaterschaft von insgesamt 275 Jungen aus 47 Würfen ermittelt. Hierbei handelte es sich um die Würfe von 20 Labor- und 16 Wildweibchen. Von einigen Weibchen konnten mehrere Würfe bearbeitet werden, hier gingen die Mittelwerte in die Berechnungen ein. Wie in Abb.5 erkennbar, wurden hoch signifikant mehr Wildnachkommen als Labornachkommen geboren. 84,1 % aller Nachkommen waren Wildtiere. Die Irrtumswahrscheinlichkeit lag bei p<0,001. Das Jungenverhältnis (Vater Wild : Vater Labor) betrug bei Nachkommen der Laborweibchen 7,3:1, bei den Wildweibchen 3,5:1 und gesamt 5,1:1. Es gab keine signifikanten Unterschiede in der Wurfgröße bei Labor- und Wildweibchen (Abb.6). Die Reihenfolge der Verpaarung mit Labor- bzw. Wildmännchen hatte keinen Einfluss auf das Jungenverhältnis. Das Wurfgrößenverhältnis (Laborweibchen-Wurfgröße : Wildweibchen-Wurfgröße) betrug 6,5:5,5. % von Gesamt-Nachkommen 100% 90% *** *** * 80% 70% 60% Vater Wild 50% Vater Labor 40% 30% 20% 10% 0% Laborweibchen Wildweibchen Gesamt Muttertier Abbildung 5: Vergleich der mittleren Anzahl von Wild- und Labornachkommen pro Wurf für Labor- und Wildweibchen getrennt und gesamt. n(♀♀ Labor)=20; n(♀♀ Wild)=16; U-Werte: 7, 48, 109 18 ERGEBNISSE 8 7 Junge/Wurf 6 5 4 3 2 1 0 Wildweibchen Laborweibchen Abbildung 6: Vergleich der mittleren Wurfgröße von Labor- und Wildweibchen in Junge pro Wurf. n(♀♀ Labor)=20; n(♀♀ Wild)=16 3.2 Female choice Der Schleusenversuch wurde mit 20 Goldhamsterweibchen durchgeführt (Wild-♀♀: n=10; Labor-♀♀: n=10). Die Daten der zwei Wahlversuche pro Tier gingen gemittelt in die Auswertung ein. Wildweibchen zeigten keinen Unterschied bei der Aufenthaltszeit in den Käfigen der Labor- und Wildmännchen. Laborweibchen präferierten die Käfige der Wildmännchen (Abb.7). Dieser Unterschied war signifikant (U=25, p=0,029). Aufenthaltsdauer in counts/Aktivitätszeit Wildmännchen Labormännchen 350 300 * 250 200 150 100 50 0 Wildweibchen Laborweibchen Abbildung 7: Vergleich der mittleren Aufenthaltsdauer von Labor- und Wildweibchen bei Wild- und Labormännchen. n(♀♀ Wild)=10 ; n(♀♀ Labor)=10 19 ERGEBNISSE 3.3 Genetische Distanzen Die errechnete mittlere genetische Distanz, basierend auf 11 Mikrosatelliten zwischen Laborweibchen und Labormännchen, ist 0. Alle Laborhamster erwiesen sich als homozygot für dieselben Allele. Die genetische Distanz zwischen Laborweibchen und Wildmännchen dagegen betrug 0,82 - 1. Die genetische Distanz von Wildweibchen zu Labormännchen variierte zwischen 0,82 und 1, die von Wildweibchen zu Wildmännchen zwischen 0,41 und 0,77. Dieser Unterschied ist aufgrund der Versuchsbedingungen (geringe Anzahl geprüfter Loci) Laborweibchen Wildweibchen nicht signifikant abzusichern. Labormännchen Wildmännchen Labormännchen Wildmännchen 0 0,2 0,4 0,6 0,8 genetische Distanz Abbildung 8: genetische Distanzen zwischen Weibchen und Männchen, n(Wild-♀♀)=9; n(Labor-♀♀)=8; n(Wild-♂♂)=10; n(Labor-♂♂)=7 Tabelle 2: mittlere genetische Distanzen zwischen Männchen und Weibchen Laborweibchen Wildweibchen Wildmännchen 0,92 0,56 Labormännchen 0 0,94 20 1 ERGEBNISSE 3.4 Aktivität im Zyklus Die Weibchen zeigen im Östrus eine zu den übrigen Phasen des Zyklus erhöhte Aktivität (p<0,01; U=24) Weitere Unterschiede bezüglich der Aktivität zwischen den übrigen Zyklusphasen sind nicht nachweisbar (Abb.9). Vergleicht man Wild- und Laborweibchen untereinander in Bezug auf die Gesamtaktivität im Östrus, so findet man keine Unterschiede. Bei beiden Stämmen ist jedoch die signifikante Aktivitätserhöhung im Östrus zu finden. Aktivität in counts/Aktivitätszeit ** 700 600 500 400 300 200 100 0 Metöstrus Diöstrus ** ** Proöstrus Östrus Abbildung 9: mittlere Gesamtaktivität der Weibchen nach Zyklusphasen, n(♀♀)=10 3.5 Sexualverhalten 3.5.1 Weibchen Es wurde von 38 Goldhamsterweibchen (Wild-♀♀: n=18; Labor-♀♀: n=20) in insgesamt 94 Verpaarungen die Verhaltensweise Lordose aufgenommen. In der Lordosedauer der ersten Stunde einer Verpaarung gab es keine Unterschiede zwischen Wild- und Laborweibchen. In der zweiten Stunde zeigten Wildweibchen eine signifikant längere (p=0,005, U=50) Lordosedauer als Laborweibchen. Die Untersuchung der Wildweibchen erbrachte keine Unterschiede in der Lordosedauer zwischen der ersten und der zweiten Stunde der Verpaarung. Laborweibchen hielten in der zweiten Stunde der Verpaarung signifikant kürzer (p=0,001, U=53) die Lordosestellung (Abb.10). 21 ERGEBNISSE 35 ** Lordose in min/h 30 ** 25 20 Wildweibchen 15 Laborweibchen 10 5 0 1.Stunde 2.Stunde Abbildung 10: Vergleich der mittleren Lordosedauer von Wild- und Laborweibchen in der ersten und zweiten Stunde. n(Labor-♀♀ 1.Stunde)=17; n(Wild-♀♀ 1.Stunde)=18; n(Labor-♀♀ 2.Stunde)=16; n(Wild♀♀ 2.Stunde)=14 Wildweibchen zeigten keine Unterschiede im Lordose-Verhalten gegenüber Wild- und Labormännchen (Abb.11). In der ersten Stunde einer Verpaarung zeigten Laborweibchen signifikant (p=0,018, U=34) eine längere Lordosedauer bei Labormännchen. In der zweiten Stunde einer Verpaarung wurde kein Unterschied gefunden (Abb.12). Wildmännchen Labormännchen 35 35 30 25 Lordose in min/h Lordose in min/h 30 20 15 10 25 20 15 10 5 5 0 0 1.Stunde 1.Stunde 2.Stunde Wildmännchen Labormännchen * 2.Stunde Verpaarung Laborw eibchen Verpaarung Wildw eibchen Abbildung 11: Vergleich der Lordosedauer von Abbildung 12: Vergleich der Lordosedauer von Wildweibchen bei Labor- und Wildmännchen von Laborweibchen bei Labor- und Wildmännchen n(Verpaarung mit ♂♂ Wild)=12 n(Verpaarung mit ♂♂ Wild)=10 n(Verpaarung mit ♂♂ Labor)=13 n(Verpaarung mit ♂♂ Labor)=13 22 ERGEBNISSE 3.5.2 Männchen Es wurden 104 Verpaarungen von insgesamt 38 Männchen (Labor-♂♂: n=20; Wild-♂♂ n=18) ausgewertet. In Abb.13 sind die Daten der ersten und der zweiten Stunde der Verpaarungen zusammenfasst. In den Verhaltensweisen Aufreiten, Intromission und Ejakulation wurden keine Unterschiede zwischen Wild- und Labormännchen gefunden. Wildmännchen zeigten aber signifikant (p=0,0017, U=100,5) mehr Longintromissionen. Betrachtet man die erste und zweite Stunde einer Verpaarung separat, so gibt es in der ersten Stunde der Verpaarung keinen Unterschied zwischen Wild- und Labormännchen in einer der aufgenommenen Verhaltensweisen (Aufreiten, Intromission, Ejakulation, Longintromission). In der zweiten Stunde der Verpaarung werden in den Verhaltensweisen Aufreiten, Intromission und Ejakulation ebenfalls keine Unterschiede gefunden. Wildmännchen zeigen in der zweiten Stunde einer Verpaarung signifikant mehr Longintromissionen (p=0,007; U=50). 70 Wildmännchen 60 Labormännchen Anzahl/Stunde 50 40 30 20 * 10 0 Aufreiten Intromission Ejakulation Longintromission Verhaltensweise Abbildung 13: Vergleich der Verhaltensweisen Aufreiten, Intromission, Ejakulation und Longintromission von Wild- und Labormännchen. n(♂♂ Wild)=20; n(♂♂ Labor)=18 23 ERGEBNISSE 3.6 First male advantage Zur Untersuchung der Abhängigkeit des Reproduktionserfolges von der ersten oder zweiten Position in einer Verpaarung wurden Reproduktionserfolge von 31 Männchen betrachtet. Es wurden keine Unterschiede im Reproduktionserfolg zwischen in der ersten Anzahl Nachkommen der Männchen und zweiten Stunde einer Verpaarung eingesetzten Männchen festgestellt (Abb.14). 5 4 3 2 1 0 Verpaarung in 1.Stunde Verpaarung in 2.Stunde Abbildung 14: mittlere Anzahl der Nachkommen der Wild- und Labormännchen gesamt, dargestellt nach der Paarungsposition. n(♂♂ 1.Stunde)=29; n(♂♂ 2.Stunde)=31 24 DISKUSSION 5. Diskussion Ob im natürlichen Lebensraum des Goldhamsters Mehrfachverpaarungen eines Weibchens mit mehreren Männchen vorkommen, ist nicht bekannt. Beim Feldhamster (Cricetus cricetus) sind bisher keine multiplen Vaterschaften sicher nachgewiesen worden (mündliche Mitteilung MUNDT und NEUMANN 2004). Verpaarungen eines Weibchens mit mehreren Männchen sind aber möglich, da Verpaarungen an der Erdoberfläche vorkommen (FRANCESCHINI et al. 2004) und mehrere Männchen die Baue eines Weibchens aufsuchen (KAYSER & STUBBE 2003). Die Ähnlichkeit von Cricetus cricetus und Mesocricetus auratus in Bezug auf Verhalten und Physiologie und der ökologischen Daten (Populationsdichte, Abstand der Baue) lassen auch beim Goldhamster die Möglichkeit von Mehrfachverpaarungen im natürlichen Lebensraum vermuten. Im Laborversuch wiesen LISK et al. (1989) Paarungen von Goldhamsterweibchen mit mehreren Männchen innerhalb einer Östrusphase nach. Hierfür hielten sie ein Weibchen mit drei Männchen unter Semifreiland-Bedingungen zusammen. Obwohl das Weibchen deutlich mehr mit dem dominanten Männchen kopulierte, kam es zu Verpaarungen mit allen drei Männchen. Das dominante Männchen zeigte zudem nach der erfolgreichen Kopulation „mate guarding“. Es versuchte aktiv folgende Verpaarungen mit den subdominanten Männchen zu verhindern und folgte hierfür dem Weibchen für eine Dauer von zwei Stunden. WRIGHT (1998) beschreibt mate guarding als Männchen-Strategie, um weitere Verpaarungen eines bereits begatteten Weibchens zu verhindern. Die beobachteten Verpaarungen von Goldhamsterweibchen mit mehreren Männchen und das Vorhandensein einer Gegenstrategie (mate guarding), deutet ebenfalls auf das Vorkommen von Mehrfachverpaarungen im natürlichen Lebensraum hin. In der vorliegenden Arbeit wurden nacheinander Wild- und Laborgoldhamstermännchen mit einem Weibchen verpaart. Das Ergebnis zeigt einen Unterschied im Reproduktionserfolg der Männchen. Es werden signifikant mehr Junge des wilden Vaters geboren (vergleiche FRITZSCHE et al. 2002). Bei dieser direkten Konkurrenz der Männchen unterliegt der Laborstamm, also der Stamm mit typischer „Inzuchtlinien-Genetik“. Dieses Ergebnis der vorliegenden Arbeit deutet auf eine „versteckte“, nur unter besonderen Bedingungen zum Tragen kommende Inzuchtdepression hin. Diese kann als Folge der genetischen Verarmung des Laborstammes gewertet werden. In der Literatur sind ähnliche Beispiele bei anderen Arten und Tiergruppen beschrieben. SHAWN et al. (2000) gründeten 25 DISKUSSION beispielsweise aus wild gefangenen Mäusen (Mus musculus) zwei Linien. Eine der beiden Linien bestand aus Tieren, welche aus Inzuchtverpaarungen hervorgingen und besaß eine sehr geringe Heterozygotie. In der anderen Linie wurde Inzucht vermieden. In Semifreiland-Versuchen wurden Tiere beider Linien zusammen gehalten. Männchen der Inzuchtlinie eroberten signifikant seltener Territorien. Männchen und Weibchen dieser Linie zeigten einen signifikant kleineren Reproduktionserfolg. Die Autoren werteten diese Ergebnisse als Inzuchtdepression. Diese würde in Laborhaltung nicht bemerkt werden. JORON & BRAKEFIELD (2003) verpaarten Schmetterlingslinien (Bicyclus anynana) mit verschiedenen Inzuchtfaktoren unter Labor- und Semifreiland-Bedingungen. Dabei verglichen sie Wild- und Laborlinien. Unter Laborbedingungen war ein Freiflug der Schmetterlinge nicht möglich. Im Labor gab es keinen Unterschied im Reproduktionserfolg zwischen den Männchen der verschiedenen Linien. Unter FreiflugBedingungen im Semifreiland wiesen JORON & BRAKEFIELD (2003) einen signifikant höheren Reproduktionserfolg der Wild-Linie nach. Auch bei Bicyclus anynana gibt es einen Inzuchtdefekt, welcher nur unter Freiland-, nicht aber unter Laborbedingungen ermittelt werden kann. Im Folgenden werden mehrere Mechanismen genannt, welche bei der Verpaarung eines Weibchens mit mehreren Männchen Einfluss auf deren Reproduktionserfolg haben können: • Female choice • Unterschiede im weiblichen Sexualverhalten • Unterschiede im männlichen Sexualverhalten • Verschiedene Spermienqualitäten und –quantitäten • Besondere Mechanismen der Spermienkonkurrenz • Selektive Bevorzugung bestimmter Spermien durch das Weibchen (cryptic female choice) • Selektive Resorption von Embryonen im Uterus • Selektives Töten der Jungtiere nach dem Wurf Partnerwahlentscheidungen (male- oder female choice) werden von vielen Faktoren beeinflusst. Das können Ressourcen und Investment anzeigende Merkmale am Partner sein, wie Futtergaben oder der Besitz eines Territoriums. So gibt es beispielsweise eine 26 DISKUSSION signifikante Korrelation zwischen dem Umfang des Werbefütterns und Parametern des Bruterfolges bei Küstenseeschwalben (Sterna hirundo) (NISBET 1971). Bei Ochsenfröschen (Rana catesbeiana) korreliert die Körpergröße der Männchen mit der Territoriumsgröße. Weibchen bevorzugen große Männchen zur Paarung (HOWARD 1978). Der Autor konnte zeigen, dass die Embryonalsterblichkeit in Territorien der größeren Männchen signifikant kleiner war. Einen weiteren Einfluss auf Partnerwahlentscheidungen haben Vitalität anzeigende geschlechtsgebundene (epigame) Merkmale. Hierbei kann es sich sowohl um morphologische Eigenschaften als auch um Verhaltensweisen handeln. Diese Merkmale lassen in der Regel direkt auf die Qualität der Gene bzw. die biologische Fitness ihres Trägers schließen (VOLAND 2000). PETRIE (2002) fand einen Zusammenhang zwischen der Überlebenswahrscheinlichkeit und Wachstumsrate von Jungen des Pfaus (Pavo cristatus) und der Prächtigkeit und Länge des Schwanzes der Väter. COLTMAN et al. (2001) zeigten eine positive Korrelation zwischen Körpergröße und Parasitenresistenz von Schafen (Ovis aries). Oft beeinträchtigen solche Merkmale die Überlebenswahrscheinlichkeit (MAGNHAGEN 1991). MOLLER (1994) untersuchte an Rauchschwalben (Hirundo rustica) den Einfluss der Schwanzlänge der Männchen auf deren Reproduktionserfolg und Überlebenswahrscheinlichkeit. Er stellte fest, dass künstlich verlängerte Schwanzfedern attraktiv auf Weibchen wirkten. Männchen mit diesem Merkmal erreichten auf Grund von außerpaarlichen Kopulationen einen erhöhten Reproduktionserfolg. Allerdings wurden diese Männchen durch die Schwanzfedern so sehr im Flug behindert, dass ihre Überlebenswahrscheinlichkeit sank. Es handelte sich um eine Selektion von Merkmalen, welche die Attraktivität und damit den Reproduktionserfolg der Träger erhöhten und zugleich deren Überlebenswahrscheinlichkeit senkten. Dies wurde von ZAHAVI (1975) als „Handicap-Prinzip“ beschrieben. Ein Individuum, welches sich ein Handicap leisten kann und trotzdem erfolgreich überlebt, muss ZAHAVI & ZAHAVI (1994) zufolge besonders „gute Gene“ besitzen. Ein dritter Aspekt einer Partnerwahlentscheidung ist eine Wahl gemäß der genetischen Kompatibilität. Hierbei wählt das Weibchen einen Partner, dessen genetische Merkmale sich möglichst von den eigenen unterscheiden. Ziel ist eine große Heterozygotie der Nachkommen. Solche Nachkommen besitzen ein überdurchschnittlich gutes Immunsystem, eine bessere Überlebensfähigkeit und einen größeren Reproduktionserfolg. HOGLUND et al. (2002) wiesen einen Zusammenhang zwischen der Heterozygotie und dem Revierbesitz und damit der Anzahl der Kopulationen bei männlichen Birkhühnern (Tetrao 27 DISKUSSION tetrix) nach. Einen Zusammenhang zwischen Heterozygotiegrad und der Anzahl geborener Jungtiere beim Europäischen Feldhasen (Lepus europaeus) beschrieb LUDESCHER (2002). Des weiteren wird bei der Wahl genetisch besonders verschiedener Partner die Wahrscheinlichkeit von Inzucht herabgesetzt, da Partner mit ähnlichem Genotyp gemieden werden. Bei diesem Aspekt der Wahl sind für die verschiedenen Weibchen, abhängig von deren eigenen Allelkombinationen verschiedene Partner „optimal“ (WEDEKIND 1999). Notwendig für diesen Mechanismus ist die Fähigkeit, die individuelle genetische Information eines potentiellen Partners erkennen zu können. PENN & POTTS (1998) und WEDEKIND (1995) wiesen einen Zusammenhang zwischen auf olfaktorischer Basis bevorzugten Sexualpartnern und der Kompatibilität der Haupt- Histokompatibilitätskomplex-Gene (MHC-Gene) nach. Dieser Abschnitt im Genom ist für die Immunabwehr auf zellularer Ebene sehr bedeutend und so variabel, dass es kaum zwei Individuen mit demselben Genotyp gibt. Ein Männchen, welches sich in der Sequenz seiner MHC-Gene stark vom Weibchen unterscheidet, hat mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch einen zum Weibchen stark verschiedenen Genotyp. Somit ist eine Einschätzung der genetischen „Verschiedenheit“ mittels Geruch möglich. Wie genau dieser Mechanismus funktioniert, ist nicht bekannt. Die Frage nach female choice beim Goldhamster bearbeiteten LISK et al. (1989). Die Autoren untersuchten im Semifreiland das Markierungsverhalten der Goldhamsterweibchen. Hierzu hielten sie ein Weibchen mit mehreren Männchen, welche untereinander eine Dominanzhierarchie etabliert hatten. Es stellte sich heraus, dass die Weibchen vor und während der Paarungsbereitschaft hoch signifikant häufiger in der Nähe des Baus des dominanten Männchens markierten als bei den subdominanten Tieren. Es lässt sich also ein Wahlverhalten der Weibchen postulieren, wobei das dominante Männchen präferiert wird. Im Wahlversuch der vorliegenden Diplomarbeit hatte das Weibchen Zugang zu den Käfigen der Männchen. Um Aggressionen und Kopulationen zu verhindern, musste eine Begegnung der Tiere ausgeschlossen werden. Die für diesen Versuch entwickelte Schleuse erlaubte eine derartige Trennung der Tiere. Goldhamster sind dämmerungs- bzw. nachtaktive Tiere (AHARONI 1932, WEINERT et al. 2001). Am Tag, also in der Ruhephase, wurden die Männchen in den Wahlkäfigen belassen. Während dieser Zeit konnten sie zum einen ihren Käfig mit ihrem Individualgeruch markieren und zum anderen naso-taktilen Kontakt zum Weibchen aufnehmen. Das Weibchen hatte also die Möglichkeit, die beiden 28 DISKUSSION potentiellen Kopulationspartner sowohl durch individuellen Kontakt, als auch (nachts) anhand der Duftmarkierungen in den Männchenkäfigen kennen zu lernen. In der Aktivitätszeit wurden die Männchen entfernt und die Weibchen hatten Zugang zu deren Käfigen. Die Aufenthaltsdauer des Weibchens im Männchenkäfig wurde als Maß für die Präferenz des Weibchens für das betreffende Männchen gewertet. Dabei wurde davon ausgegangen, dass sich ein paarungsbereites Weibchen die meiste Zeit bei dem Männchen aufhalten würde, welches auch als Paarungspartner bevorzugt wird. Mögliche Fehlerquellen waren hier Richtungs- oder Käfigpräferenzen der Weibchen. Dies wurde durch eine zweimalige Durchführung des Tests mit vertauschter Männchenposition ausgeschlossen. Laborweibchen hielten sich signifikant länger bei Wildmännchen auf als bei Labormännchen. Labormännchen und Laborweibchen sind genetisch identisch. Wildmännchen dagegen verfügen über zu den Labortieren sehr verschiedene Genotypen, die genetische Distanz ist relativ groß. Wählt ein Laborweibchen ein Wildmännchen, so zeichnen sich ihre Jungen durch eine hohe Heterozygotie aus. Innerhalb des Wildstammes existiert ein hoher Heterozygotiegrad, eine große Allelzahl, also eine große genetische Diversität. Ein Wildweibchen wird also sowohl mit Männchen des Wildstammes als auch mit Männchen des Laborstammes eine hohe Heterozygotie der Jungtiere erreichen. Es sollte also keinen der beiden Stämme präferieren, die genetischen Distanzen unterscheiden sich nur geringfügig. Im Versuch präferierten die Wildweibchen weder den Wild- noch den Laborstamm. Zur Untermauerung dieser Ergebnisse wurden die genetischen Distanzen der beteiligten Tiere bestimmt. Aus den gemessenen genetischen Distanzen zwischen Männchen und Weibchen lassen sich vor allem qualitative Rückschlüsse ziehen. Die ermittelten individuellen genetischen Distanzen zeigen zwischen Labor- und Wildtieren oft einen maximalen Wert, d.h. keines der Allele der 11 untersuchten Loci stimmt zwischen zwei untersuchten Individuen überein (DSA= 1). Um eine sichere quantitative Aussage zur genetischen Distanz zwischen den Tieren machen zu können, müssten viel mehr Loci untersucht werden. Jedes Tier müsste mit jedem anderen in mindestens einem Allel übereinstimmen. Des Weiteren ist es unwahrscheinlich, dass sich unter den betrachteten Loci diejenigen befinden, nach denen das Weibchen wirklich wählt. Eine genaue Korrelation des Wahlverhaltens mit der ermittelten genetischen Distanz ist ob dieser Probleme also nicht möglich. 29 DISKUSSION Wegen der relativ kleinen Differenzen zwischen den Distanzen von Wildweibchen zu Wild- und Labormännchen (DSA= 0,41 – 0,77 vs. DSA= 0,82 - 1) darf man hier keinen deutlichen Unterschied und damit eine Präferenz für Labormännchen postulieren. Dagegen lässt der große Unterschied zwischen den genetischen Distanzen von Laborweibchen zu Wild- bzw. Labormännchen (DSA= 0,82 - 1 vs. DSA= 0,00) eine solche Aussage zu. Die Ähnlichkeit im Genotyp zwischen Männchen und Weibchen des Laborstammes ist deutlich größer als zwischen Laborweibchen und Wildmännchen. Bei der Partnerwahl scheint die genetische Distanz eine wichtige Rolle zu spielen. Das im Versuch ermittelte Wahlverhalten entspricht den durch die Beachtung der genetischen Distanz aufgestellten Erwartungen. Dass Wildmännchen einen höheren Reproduktionserfolg und damit die „besseren Gene“ haben, scheint keine Rolle zu spielen. Die Weibchen wählen scheinbar nicht nach der „genetischen Qualität“ der Männchen. In der Frage des Wahlverhaltens ist es wichtig, ob die Männchen die Weibchen aufsuchen oder umgekehrt. WEIDLING (1996) zeigt, dass Territorien von Feldhamstermännchen (Cricetus cricetus) größer sind als die von Weibchen und dass sich diese mit mehreren Weibchenterritorien überlappen. Außerdem zeigen die Männchen eine im Vergleich zu den Weibchen erhöhte Lokomotion und Exploration im Feld. Baue von Feldhamsterweibchen werden von mehreren Männchen aufgesucht, Männchenbaue aber kaum von Weibchen. Es ist auf Grund der vielen Ähnlichkeiten der Arten Cricetus cricetus und Mesocricetus auratus denkbar, das auch beim Goldhamster Männchen die östrischen Weibchen mit dem Zweck einer Verpaarung aufsuchen. Gestützt wird diese Vermutung durch HUCK et al. (1986). Sie beschreiben, dass Männchen in der Nacht vor dem Östrus oft in der Nestbox der Weibchen schlafen. Die Weibchen zeigten in der vorliegenden Arbeit am Tag des Östrus signifikant mehr Aktivität als an den Tagen der übrigen Zyklusphasen. Pro-, Met- und Diöstrus unterschieden sich nicht in Bezug auf die Aktivität. Ein Aktivitätsmaximum im Östrus bei Goldhamstern wurde schon von FRITZSCHE (1985) gefunden. In der Literatur ist der Zusammenhang zwischen dem Sexualzyklus und der Aktivität oft beschrieben. Beispielsweise findet WEINANDY (2002) einen um vier Stunden vorverlagerten Aktivitätsbeginn von östrischen Weibchen der mongolischen Wüstenrennmaus (Meriones unguiculatus). LABYAK & LEE (1995) beschreiben eine ähnliche Verschiebung des Aktivitätsbeginns und eine erhöhte Aktivität im Östrus bei Degus (Octodon degus). Die 30 DISKUSSION Weibchen der untersuchten Goldhamsterstämme unterschieden sich nicht in ihrer Aktivität am Tag des Östrus. Das Sexualverhalten wurde im vorliegenden Versuch auf Grund verschiedener Ergebnisse für die erste und zweite Stunde einer Verpaarung getrennt betrachtet. Als Sexualverhalten der Weibchen während einer Paarung wurde die Einnahme der Lordosestellung registriert. Betrachtet man die Lordosedauer von Wild- und Laborweibchen, so findet in der ersten Stunde einer Verpaarung man keine Unterschiede zwischen den beiden Stämmen. In der zweiten Stunde zeigen die Wildweibchen längere Lordosezeiten als die Laborweibchen. Vergleicht man innerhalb des Wildstammes die beiden Stunden einer Verpaarung miteinander, findet man keinen Unterschied in der Lordosedauer der Wildweibchen. Laborweibchen halten in der zweiten Stunde die Lordosestellung kürzer als in der ersten Stunde. Laborweibchen scheinen also in der zweiten Hälfte des Experiments ein, im Vergleich zu den Wildweibchen geringeres sexuelles Interesse an den Männchen zu zeigen. Dies könnte ein weiterer Hinweis auf eine Inzuchtdepression sein. BREWER et al. (1990) sprechen von einem abnehmenden sexuellen Interesse bei Inzuchtstämmen. Auch dieser Inzuchteffekt ließ sich nur durch einen direkten Vergleich mit Wildtyp-Tieren finden. Es gibt keine Unterschiede in der Lordosedauer von Wildweibchen zwischen den Verpaarungen mit Labor- und Wildmännchen. Dagegen zeigen Laborweibchen in der ersten Stunde einer Verpaarung eine kürzere Lordosedauer bei Wildmännchen. Dies ist mit der erhöhten Lokomotion und Exploration der Wildmännchen (HOLLAK 2000) zu erklären, wodurch es häufiger Unterbrechungen im Sexualverhalten gibt. In der zweiten Stunde einer Verpaarung gibt es diesen Unterschied nicht. Allerdings zeigen die Laborweibchen hier, wie oben erwähnt, generell eine kürzere Lordosedauer. Wildweibchen scheinen weniger von Unterbrechungen durch das Männchen im Lordoseverhalten gestört zu werden. Der Vergleich der Verhaltensweisen Aufreiten, Intromissionen und Ejakulationen von Wild- und Labormännchen ergibt keinen Unterschied zwischen beiden Stämmen. Die vier beschriebenen Verhaltensweisen sind deutlich voneinander abtrennbar (BUNNELL et al. 1976). 31 DISKUSSION Wildmännchen zeigen mehr Longintromissionen. Bei einer Longintromission werden keine Spermien übertragen (LISK & HUCK 1985). Die Autoren zeigen einen Zusammenhang zwischen Reproduktionserfolg und Longintromissionen bei Goldhamstern (Mesocricetus auratus). Sie führten Versuche durch, bei denen Reproduktionserfolge von Weibchen verglichen wurden. Bei den untersuchten Verpaarungen ließen sie die beteiligten Männchen zweimal ejakulieren. Sie verglichen den Reproduktionserfolg zwischen Weibchen, die danach Longintromissionen erfuhren und den Weibchen ohne Longintromissionen. Weibchen aus Verpaarungen mit Longintromissionen wurden öfter trächtig als Weibchen ohne. Weibchen, die nur Longintromissionen erfuhren, wurden nicht trächtig, aber zu 100 % scheinträchtig. Die Autoren führten diese Ergebnisse auf die Aktivierung einer neuroendokrinen Reaktion zurück, ausgelöst durch die lange Penetration, welche den Gelbkörper zu einer Sekretion von Progesteron anregte. Andrerseits belegen HUCK et al. (1988), dass die Weibchen des Goldhamsters (Mesocricetus auratus) die Pausen zwischen den Longintromissionen als ein Kriterium zum Abbruch der Verpaarung verwenden. Die Pausen zwischen Intromissionen sind kürzer als die Pausen zwischen Longintromissionen. Bei Letzteren kommt es nicht mehr zu Ejakulationen, also zu keiner Übertragung von Sperma. Die längere Pause signalisiert dem Weibchen das Ende der Leistungsfähigkeit des Männchens, das Weibchen bricht die Paarung ab. Beide Aussagen der Autoren sind widersprüchlich. Sollten die Longintromissionen die Wahrscheinlichkeit einer Trächtigkeit erhöhen, wäre es unlogisch, wenn das Weibchen diese verhindert. In der vorliegenden Arbeit befinden sich Spermien sowohl der Wild- als auch der Labormännchen im Uterus. Sollte durch Longintromissionen die Wahrscheinlichkeit einer Trächtigkeit erhöht werden, so betrifft das beide Stämme, erklärt also nicht den Reproduktionserfolg der Wildmännchen. Eine Möglichkeit der Optimierung des Reproduktionserfolges in einer Konkurrenzsituation ist eine verbesserte Qualität bzw. eine erhöhte Quantität der Spermien. POUND & GAGE (2004) zeigten an der Wanderratte (Rattus norvegicus), DELBARCO-TRILLO & FERKIN (2004) an der Wiesenwühlmaus (Microtus pennsylvanicus), dass Männchen die Anzahl der Spermien pro Insemination erhöhen, wenn ein Konkurrent anwesend ist. Im vorliegenden Versuch standen die Käfige der Männchen im Haltungsraum nebeneinander. Hier könnte eine Registrierung anderer Männchen und damit möglicher Konkurrenten erfolgt sein. Des weiteren war es dem Männchen in der zweiten Stunde einer Verpaarung möglich, die vorherige Anwesenheit des Männchens aus der ersten Stunde 32 DISKUSSION olfaktorisch zu erfassen. Allerdings träfe dies sowohl auf die Männchen des Labor- als auch des Wildstammes zu, würde also nicht den Unterschied zwischen beiden erklären. Die Spermien des Wild- und Laborstammes wurden von PÖNICKE (2002) untersucht und verglichen. Die Versuche ergaben keine Unterschiede in Spermienmotilität, Spermienbeweglichkeit und Spermiendichte. Die untersuchten Spermienproben wurden aus den Nebenhoden gewonnen. Eine erhöhte Ejakulatmenge bei den Wildmännchen oder verschiedene Ejakulatzusammensetzungen als eine mögliche Ursache des größeren Reproduktionserfolges sind also nicht auszuschließen. PÖNICKE (2002) und GATTERMANN (2000) wiesen signifikant größere Hodenmassen (relative und absolute) bei Labortieren nach. GINGSBERG & HUCK (1989) nehmen eine Korrelation von Hodengröße und Spermienproduktion an, HARVEY AND HARCOURT (1984) sprechen von einem Zusammenhang von Spermien/Ejakulat und relativer Hodenmasse bei Primaten. Es ist also wahrscheinlich, dass Laborgoldhamster mehr Spermien produzieren und übertragen als die Männchen des Wildstammes. Laut GINGSBERG & HUCK (1989) steigt die Chance auf eine Vaterschaft mit der Anzahl der übertragenen Spermien. Somit ist es unwahrscheinlich, dass die Anzahl der Spermien im Ejakulat eine Ursache für den erhöhten Reproduktionserfolg der Wildmännchen ist. Kommt es zu Mehrfachverpaarungen eines Weibchens mit mehreren Männchen, so ist die Reihenfolge der sich verpaarenden Männchen für deren individuellen Reproduktionserfolg bedeutend. DEWSBURY & BAUMGARDNER (1981) beschreiben einen höheren Reproduktionserfolg für die Männchen der Präriewühlmaus (Microtus ochrogaster), welche bei einer Doppelverpaarung an zweiter Stelle verpaart wurden. Dieses Phänomen wird second male advantage genannt. Oft hat aber auch das als erste kopulierende Männchen einen höheren Reproduktionserfolg. Dies wird als first male advantage bezeichnet. CORIA-AVILA et al. (2004) verpaarten weibliche Ratten (Rattus rattus) nacheinander mit zwei Männchen. Lagen zwischen der Verpaarung mit dem ersten Männchen und der mit dem zweiten Männchen mehr als fünf Minuten, so war der Reproduktionserfolg des ersten Männchens signifikant erhöht. Für den Goldhamster gibt es in der Literatur widersprüchliche Aussagen. HUCK & QUINN (1985) weisen einen first male advantage nach. OGLESBY et al. (1981) sprechen dagegen von einem second male advantage. GINGSBERG & HUCK (1989) sind der Auffassung, dass die Frage nach first oder second male advantage dadurch entschieden wird, wann im Verhältnis zur Ovulation die Kopulation erfolgt (siehe auch HUCK et al. 1989). Die Ursache für diesen Mechanismus 33 DISKUSSION liegt in der kurzen Lebensspanne der Eizelle. Sie beträgt beim Goldhamster ca. 3-9 Stunden. Erreichen die Spermien die Eizelle, bevor diese fruchtbar wird, so müssen die Spermien „warten“. Die Wahrscheinlichkeit des Absterbens während des Wartens ist sehr hoch. Männchen, welche ihre Spermien zuletzt übertragen, deren Spermien also auch als letztes die Eizelle erreichen, haben einen Vorteil. Wird die Eizelle fruchtbar bevor sie von den Spermien erreicht wird, so haben diejenigen Spermien einen Vorteil, die sie zuerst erreichen, also die des zuerst kopulierenden Männchens (GINGSBERG & HUCK 1989). In der vorliegenden Arbeit konnte weder ein first male advantage noch ein second male advantage gefunden werden. Es gab keinen Unterschied im Reproduktionserfolg zwischen den in der ersten und den in der zweiten Stunde verpaarten Männchen (Abb. 10). Diese Daten decken sich zum Teil mit einem ähnlichen Versuch von GINGSBERG & HUCK (1989), in welchem sie je zwei Männchen zu unterschiedlichen Zeiten (in Bezug auf den Ovulationszeitpunkt) mit einem Weibchen verpaarten. Als Ergebnis der Versuchsanordnung, welche dem vorliegenden Versuch weitestgehend entsprach, fanden die Autoren ein first male advantage, allerdings mit einer hohen Prozentzahl an Nachkommen des zweiten Männchens. „Cryptic female choice“ ist eine weitere Möglichkeit der Einflussnahme von Weibchen auf die Vaterschaft ihrer Jungen. Dieser Begriff bezeichnet jede Möglichkeit eines Weibchens auf die Vaterschaft ihrer Jungen nach der Verpaarung Einfluss zu nehmen (EBERHARD 1996). Meist handelt es sich hier um selektive Spermiennutzung oder selektive Ovulation (BIRKHEAD 1998). Eine selektive Ovulation ist beim Goldhamster nicht beschrieben und auf Grund seines sehr stabilen Sexualzyklus (FRITZSCHE 1985) nicht wahrscheinlich. Es ist aber durchaus möglich, dass es einen Mechanismus im weiblichen Reproduktionstrakt gibt, der die Spermien der Wildmännchen positiv selektiert. Diese Möglichkeit konnte im Versuch auf Grund der methodischen Schwierigkeiten nicht auf ihre Relevanz untersucht werden. Die selektive Resorption oder die selektive Abstoßung von Embryonen sind weitere Möglichkeiten des cryptic female choice. PRATT & LISK (1989) setzten Goldhamsterweibchen unter Stress, indem sie sie für die Dauer der Trächtigkeit zu einem ebenfalls graviden Weibchen setzten. Es bildete sich eine Rangordnung heraus. Die Würfe des subdominanten Tieres waren kleiner als die des dominanten. Außerdem wurden weniger männliche Jungtiere von den Subdominanten geboren, während die Anzahl der 34 DISKUSSION weiblichen Nachkommen gleich blieb. Die wenigen geborenen männlichen Jungtiere in den Würfen der sub-dominanten Weibchen waren zudem kleiner und leichter als die der dominanten Tiere. Die Autoren folgerten daraus, dass männliche Embryonen im Uterus anfälliger für mütterlichen Stress während der Trächtigkeit sind. Sie benötigen mehr mütterliches Investment als weibliche Embryonen und werden deshalb eher abgestoßen. Ein anderes Phänomen beschreiben PAUL & KÜSTNER (1990) bei Berberaffen (Macaca sylvanus). Söhne hochrangiger Mütter erreichen bei dieser Affenart einen höheren Reproduktionserfolg als die Söhne von Weibchen niederen Ranges. Bei Töchtern hat der Sozialstatus der Mutter weniger Einfluss auf den Reproduktionserfolg. Erwartungsgemäß nimmt der Anteil männlicher Neugeborener mit dem Dominanzrang der Mütter zu. Es ist für ein subdominantes Weibchen vorteilhaft, ihr mütterliches Investment auf die Töchter zu konzentrieren. Diese reproduzieren im Gegensatz zu den Söhnen unabhängig vom Sozialstatus der Mutter. Hierbei handelt es sich allerdings um ein Beispiel aus einer Tiergruppe mit sozialer Lebensweise. Beim Goldhamster handelt es sich um ein solitäres Tier, bei dem Mechanismen, welche auf Dominanzhierarchien beruhen, wahrscheinlich keine große Rolle spielen. Ein mögliches cryptic female choice, bei dem bevorzugt die Embryonen der Laborväter resorbiert werden, ist denkbar. Die Untersuchung dieser Möglichkeit scheiterte bei der Anfertigung der vorliegenden Arbeit schon bei den Vorversuchen. Es war nicht möglich, maternales ausreichend von embryonalem Gewebe zu trennen. Dies wäre aber notwendig, um durch Vaterschaftstests das Verhältnis der Jungen von Labor- und Wildmännchen vor dem Zeitpunkt einer möglichen Resorption zu bestimmen. In weiterführenden Untersuchungen müsste hierfür eine Methode entwickelt und zur Anwendung gebracht werden. Ebenso müsste die Möglichkeit untersucht werden, ob das Weibchen nach dem Wurf selektiv Jungtiere tötet. Beim Goldhamster kommt es zum Teil zum Infantizid durch die Mutter. Theoretisch wäre ein Infantizid durch das Weibchen zur Verbesserung der eigenen Milchleistung und damit zur Erhöhung der Überlebenschancen der verbleibenden Jungtiere vorstellbar. In diesem Fall wäre es vorteilhaft, die genetisch „schlechtesten“ Jungen zu fressen. Dabei könnte es sich im vorliegenden Fall um die Laborjungen handeln. Ein ähnliches Verhalten findet man auch bei anderen Nagetieren. HOOGLAND (1994) findet Infantizid bei Präriehunden (Cynomys ludovicianus). Hier fressen laktierende Weibchen den Nachwuchs von eng verwandten Tieren, obwohl dies scheinbar einen Verlust an indirekter Fitness bedeutet. TRULIO (1996) beschreibt Infantizid ausschließlich durch 35 DISKUSSION laktierende Weibchen bei Kalifornischen Erdhörnchen (Spermophilus beecheyi). In beiden Fällen werden keine eigenen Jungen gefressen. Jedoch belegen beide Beispiele einen Vorteil, den laktierende Mütter auf Grund der zusätzlich aufgenommenen Nährstoffe durch Infantizid erhalten. Eine solche Strategie sollte wegen der Verluste im Reproduktionserfolg durch die Tötung der eigenen Jungen nur unter sehr erschwerten Bedingungen (Futter- und Wassermangel) funktionieren. Im vorliegenden Versuch standen Wasser und Standardfutter ad libitum und zusätzlich Magerquark und Äpfel als Protein/Vitamin-Quelle zur Verfügung. Ein solcher Mechanismus als Erklärung des erhöhten Reproduktionserfolges der Männchen ist also eher unwahrscheinlich. Abschließend muss festgestellt werden, dass es zwar einen erhöhten Reproduktionserfolg der Wildmännchen gibt, dieser aber nicht durch Unterschiede in den von dieser Arbeit untersuchten Verhaltensweisen erklärt werden kann. Vor allem die Möglichkeiten eines „female cryptic choice“ müssten weitergehend untersucht werden. 36 ZUSAMMENFASSUNG 5. Zusammenfassung Anliegen dieser Arbeit war es, mögliche Unterschiede im Reproduktionsverhalten von Wild- und Laborgoldhamstern zu untersuchen. Differenzen im Sexualverhalten sollten als mögliche Ursachen solcher Unterschiede experimentell untersucht und diskutiert werden. Die verhaltensbiologischen Untersuchungen wurden mit je 20 Wild- und Labormännchen und je 20 Wild- und Laborweibchen durchgeführt. Zur Bestimmung des Reproduktionserfolges wurde die Vaterschaft von 275 Jungen aus 47 Würfen mittels genetischer Methoden festgestellt. Die Daten zum Vergleich des Sexualverhaltens entstammen 58 durchgeführter Doppelverpaarungen von insgesamt 17 Labor- und 18 Wildweibchen mit insgesamt 18 Labor- und 20 Wildmännchen. Die genetische Distanz wurde exemplarisch von 9 Wild- und 9 Laborweibchen zu den jeweiligen Männchen bestimmt. Für die Bestimmung möglicher Unterschiede im Wahlverhalten wurden 10 Labor- und 10 Wildweibchen für jeweils 2 x 1 Woche im Schleusenversuch getestet. Zusammenfassend konnten folgende Ergebnisse herausgestellt werden: 1. Verpaart man ein Weibchen nacheinander mit einem Wild- und einem Labormännchen, so hat das Wildmännchen einen höheren Reproduktionserfolg. 2. Labor- und Wildweibchen unterscheiden sich nicht in der Wurfgröße. Es gibt keinen Unterschied im Reproduktionserfolg zwischen Labor- und Wildweibchen. 3. Beim Wahlversuch präferierten die Laborweibchen die Käfige der Wildmännchen. Wildweibchen zeigten keine Präferenz. Die genetische Distanz von Laborweibchen zu Wildmännchen ist größer als zu den Labormännchen. Die genetische Distanz von Wildweibchen zu Wildmännchen ist ähnlich der genetischen Distanz zu Labormännchen. 4. In der ersten Stunde einer Verpaarung gab es keine Unterschiede in der Lordosedauer zwischen den Weibchen beider Stämme. In der zweiten Stunde hielten die Wildweibchen die Lordose länger als die Laborweibchen. 5. Zwischen der ersten und zweiten Stunde einer Verpaarung zeigen Wildweibchen keinen Unterschied in der Lordosedauer. Laborweibchen zeigen in der zweiten Stunde eine kürzere Lordosedauer als in der ersten. 6. Wildweibchen zeigen in der Lordosedauer keinen Unterschied zwischen der Verpaarung mit einem Labor- oder einem Wildmännchen. Laborweibchen halten 37 ZUSAMMENFASSUNG die Lordose in der ersten Stunde einer Verpaarung bei Labormännchen länger als bei Wildmännchen. 7. Weibchen sind im Östrus aktiver als in den anderen Zyklusphasen. 8. In den Verhaltensweisen Aufreiten, Intromission und Ejakulation gibt es keine Unterschiede zwischen Wild- und Labormännchen. Wildmännchen zeigen mehr Longintromissionen als Labormännchen. 9. Die Tiere zeigen weder „first male advantage“ noch „second male advantage“. Die untersuchten Verhaltensweisen erklären nicht den gefundenen Unterschied im Reproduktionserfolg der Männchen. Spermienvergleiche beider Stämme zeigen keinen Unterschied in der Spermienqualität und –quantität (PÖNICKE 2002). Unterschiede in der Zusammensetzung des Ejakulats können nicht ausgeschlossen werden. Weitere noch zu untersuchende mögliche Gründe sind Mechanismen des cryptic female choice, insbesondere eine selektive Spermiennutzung oder eine selektive Resorption von Embryonen. Eine letzte Möglichkeit stellt der selektive Infantizid durch das Weibchen dar. Goldhamsterweibchen wählen Männchen mit einer großen genetischen Distanz zu ihnen. Die größere „genetische Qualität“ (größerer Reproduktionserfolg) der Wildmännchen spielt dabei keine entscheidende Rolle. 38 LITERATURVERZEICHNIS IV. Literaturverzeichnis AHARONI, B.(1932): Die Muriden von Palästina und Syrien. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd.7: S.166-240 BIRKHEAD, T.R.(1998): Cryptic female choice: criteria for establishing female sperm choice. Evolution, Bd.52(4): S.1212-1218 BIRKHEAD, T.R.; MOLLER, A.P.(1992): Sperm competition in birds – evolutionary causes and consequences. Academic Press, London BIRKHEAD, T.R.; MOLLER, A.P.(1998): Sperm competition and sexual selection. Academic Press, London BIRKHEAD, T.R.; PARKER, G.A.(2003): Sperm competition and mating systems. In: KREBS, J.R.; DAVIES, N.B.(ed.)(2003): Behavioural ecology – an evolutionary approach, S.121145, Blackwell Publishing, Oxford BREWER, B.A.; LACY, R.C.; FOSTER, M.L.; ALAKS, G.(1990): Inbreeding depression in insular and central populations of peromyscus mice. 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Anhang Verwendete Mikrosatelliten für die Loci zur Berechnung der genetischen Distanzen Tabelle 3: verwendete Mikrosatelliten-Loci Mikrosatelliten-Loci Mau 2 Mau 3 Mau 6 Mau 9 Mau 12 Mau 13 Mau 15 GH12a5 L220 EG4a9 X068 47