Georg Wilhelm Friedrich Hegel Der »Vorbegriff« zur Wissenschaft

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IQ 2 (48207) / p. 1 /18.12.09
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Der »Vorbegriff« zur Wissenschaft der Logik
in der Enzyklopädie von 1830
VERLAG KARL ALBER
A
IQ 2 (48207) / p. 2 /18.12.09
Hegels Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften von 1830
gehört zu den anspruchsvollsten Texten der neuzeitlichen Philosophiegeschichte. Wer sich mit der Geschichte der Philosophie des 19.
und 20. Jahrhunderts beschäftigt, wird allerdings auf eine Auseinandersetzung mit Hegels absolutem Idealismus und daher auch mit diesem bedeutenden Buch nicht verzichten können. Dabei bietet der vorliegende Band eine wichtige Hilfe: Er enthält zum einen den
historisch-kritischen Text des »Vorbegriffs« zur Wissenschaft der Logik aus der Enzyklopädie. Zusätzlich enthält er eine Reihe von Interpretationen, die die Beschäftigung mit dem »Vorbegriff« erleichtern
und in den weiteren Kontext der Philosophie Hegels und der Geschichte der neuzeitlichen Philosophie stellen.
Die Herausgeber:
Alfred Denker, geb. 1960, studierte Philosophie, Geschichte und Theologie in Groningen und Amsterdam. Er lebt als Privatgelehrter und
Schriftsteller in Frankreich. Zahlreiche Veröffentlichungen zum deutschen Idealismus.
Annette Sell, Studium der Philosophie, Germanistik und Erziehungswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. 1997 Promotion mit
einer Arbeit über Heideggers Auseinandersetzung mit Hegel. Seit
1999 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hegel-Archiv Bochum. Dort
verantwortlich für die Edition der Vorlesungsnachschriften zu Hegels
Logik (GW 23). Habilitationsprojekt über Hegels Lebensbegriff.
Holger Zaborowski studierte Philosophie, Theologie und Klassische
Philologie in Freiburg i. Br., Cambridge und Oxford. Seit 2005 lehrt er
an der School of Philosophy der Catholic University of America in
Washington, D.C. Zahlreiche Veröffentlichungen u. a. zur Philosophie
des Deutschen Idealismus und zur Philosophie des 20. Jahrhunderts.
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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Der »Vorbegriff« zur
Wissenschaft der Logik in
der Enzyklopädie von 1830
Herausgegeben von
Alfred Denker, Annette Sell und
Holger Zaborowski
Verlag Karl Alber Freiburg / München
IQ 2 (48207) / p. 4 /18.12.09
Interpretationen und Quellen (IQ)
Herausgegeben von
Alfred Denker und Holger Zaborowski
Band 2
Der Text des »Vorbegriffs« wird wiedergegeben nach: Georg Wilhelm
Friedrich Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im
Grundrisse (1830), hrsg. unter Mitarbeit von Udo Rameil von Wolfgang
Bonsiepen und Hans Christian Lucas (= Georg Wilhelm Friedrich Hegel,
Gesammelte Werke, in Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Band 20), Hamburg: Felix Meiner Verlag, 1992. Die Seitenzahlen in den Marginalien beziehen sich auf diesen Band. Herausgeber
und Verlag danken dem Felix Meiner Verlag für die freundliche Erteilung
der Abdruckgenehmigung.
Originalausgabe
© VERLAG KARL ALBER
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2010
Alle Rechte vorbehalten
www.verlag-alber.de
Satz: SatzWeise, Föhren
Druck und Weiterverarbeitung: AZ Druck und Datentechnik, Kempten
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier (säurefrei)
Printed on acid-free paper
Printed in Germany
ISBN 978-3-495-48207-0
IQ 2 (48207) / p. 5 /18.12.09
Inhalt
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7
Der »Vorbegriff« zur Wissenschaft der Logik in der Enzyklopädie
von 1830 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
von G. W. F. Hegel
9
Vorwort
Interpretationen
Der »Vorbegriff« zu Hegels enzyklopädischer Logik in den
Vorlesungsnachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Annette Sell
65
. .
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Das Problem eines »Vorbegriffs« in Hegels spekulativer Logik
Angelica Nuzzo
Totalität und Prädikation. Zur ersten »Stellung des Gedankens
zur Objektivität« im enzyklopädischen »Vorbegriff« der
spekulativen Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Sören Hoffmann
Der Empirismus und die kritische Philosophie Kants.
Zur zweiten »Stellung des Gedankens zur Objektivität« im
enzyklopädischen »Vorbegriff« der spekulativen Logik . . . . . .
Christoph Asmuth
Dritte Stellung des Gedankens zur Objektivität:
Das unmittelbare Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Birgit Sandkaulen
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Vorwort
Hegels Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse von 1830 ist ein bedeutender Text der Philosophiegeschichte, der
ein ganzes System der philosophischen Wissenschaften vorstellt. Der
Enzyklopädie von 1830 gingen bereits zwei Auflagen voraus. Die erste
Auflage stammt aus dem Jahre 1817 und die zweite, stark überarbeitete
Auflage wurde 1827 publiziert. Dieses Werk sollte als Leitfaden für
Hegels Vorlesungen dienen, in denen es die einzelnen Paragraphen zu
erläutern galt. Hegels enzyklopädisches System beginnt mit der Logik
als Grundwissenschaft, dann folgen die Naturphilosophie und die
Geistphilosophie, die sich in den subjektiven, objektiven und absoluten
Geist teilt. Dieses Hegelsche Werk steht daher in einem engen Zusammenhang mit Hegels anderen Arbeiten und ist im Kontext dieses Gesamtœuvres zu sehen.
Die Enzyklopädie enthält gleich zu Beginn einen wichtigen Text,
der einerseits für Hegels Wissenschaft der Logik relevant ist, andererseits ist dieser Text, den Hegel »Vorbegriff« nennt, für ein Verständnis
des gesamten Anliegens der Hegelschen Philosophie von Bedeutung.
Dieser »Vorbegriff« bedarf durch seine komplizierte Stellung innerhalb des Hegelschen Systems und durch die vielfältigen philosophiehistorischen Ausführungen und Anspielungen der Erläuterung und Interpretation. Der vorliegende Band versucht, eine Hilfestellung für ein
Verständnis des »Vorbegriffs« zu sein. Dabei wird zunächst der »Vorbegriff« – also die Quelle – aus Band 20 der historisch-kritischen Ausgabe der Gesammelten Werke (= GW) Hegels abgedruckt. Auf den
textkritischen Apparat wird hier aus Platzgründen verzichtet; der Text
aus GW 20 wird aber unverändert übernommen. Im Text und in den
Fußnoten wird auf diesen Text in der Regel jeweils nur mit Angabe des
entsprechenden Paragraphen verwiesen.
Dem Abdruck des »Vorbegriffs« folgen fünf Interpretationen, wobei der Beitrag von Angelica Nuzzo das Problem des »Vorbegriffs« für
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Vorwort
die gesamte Logik und das Hegelsche System diskutiert. Annette Sell
zeigt, wie sich der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften der
verschiedenen Schüler Hegels entwickelt. Neben den allgemeinen Äußerungen zur Methode des Denkens und der Logik stellen die »drei
Stellungen des Gedankens zur Objektivität« einen bedeutenden Teil
des »Vorbegriff« dar, zumal Hegel diese Stellungen besonders in der
zweiten Auflage von 1827 systematisch ausgearbeitet und in der Auflage von 1830 noch einmal überarbeitet hat. Der ersten Stellung des
Gedankens zur Objektivität, die das Denken der Metaphysik beinhaltet, widmet sich erörternd und interpretierend der Beitrag von Thomas
Sören Hoffmann. In der zweiten Stellung werden der Empirismus sowie Kants kritische Philosophie behandelt. Dieser Position wendet sich
Christoph Asmuth in seiner Darstellung und Interpretation zu. Das
unmittelbare Wissen bildet die dritte und letzte Stellung. Dieser Abschnitt, der sich insbesondere mit der Philosophie Friedrich Heinrich
Jacobis auseinandersetzt, wird von Birgit Sandkaulen behandelt und
interpretiert.
Mesnil-Follemprise (Frankreich), Bochum (Deutschland) und
Washington, D.C. (USA), im Juli 2009
Alfred Denker, Annette Sell und Holger Zaborowski
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IQ 2 (48207) / p. 65 /18.12.09
Der »Vorbegriff« zu Hegels enzyklopdischer
Logik in den Vorlesungsnachschriften
Annette Sell, Bochum
Folgt man der Definition eines »Vorbegriffs«, wie sie von den Brüdern
Grimm in ihrem Wörterbuch unter Berufung auf Johann Heinrich
Campe und Georg Forster wiedergegeben wird, so ist er »im strengen
sinne ein begriff, über den man sich klar sein musz, um daraus gefolgertes oder damit zusammenhängendes verstehen zu können: wir können nicht irren, wenn wir mit diesen vorbegriffen an die beurtheilung
der thatsachen gehen.« 1 Ob sich diese Definition in einen Zusammenhang mit dem Textabschnitt, den Hegel seiner enzyklopädischen Logik
vorangestellt und als »Vorbegriff« bezeichnet hat, bringen lässt, sollen
die folgenden Betrachtungen zeigen. Vor dem Hintergrund der drei
Auflagen der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im
Grundrisse und der Vorlesungsnachschriften zur Logik gilt es nun,
den Inhalt und die systematische Stellung des »Vorbegriffs« innerhalb
der Logik zu diskutieren. Dabei stellt sich die Frage, warum Hegel mit
einem »Vorbegriff« oder in der zweiten und dritten Auflage der Enzyklopädie dann auch noch mit geschichtlichen Gestalten in seine Logik
einführt. Dass für die Beantwortung dieser Frage die Logiknachschriften hinzugezogen werden, rechtfertigt sich nicht zuletzt durch den
Umfang, den dieser Abschnitt der enzyklopädischen Logik in allen vorliegenden Nachschriften einnimmt. Dieser große Anteil des »Vorbegriffs« kann mitnichten auf Hegels Unfähigkeit zur Strukturierung
und Konzeption einer Vorlesung zurückgeführt werden, sondern der
Grund für die ausführliche Darstellung dieses Abschnitts liegt in Hegels Denken selbst begründet. So zeugt die Ausarbeitung des Vorbegriffs in der Enzyklopädie von einer Zäsur um das Jahr 1827, die in
den Vorlesungsnachschriften vorbereitet und schließlich durchgeführt
wird. Eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung des »Vorbegriffs«
soll nun anhand der vorliegenden Nachschriften vorgenommen wer1
Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 26, München 1984, 862.
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IQ 2 (48207) / p. 66 /18.12.09
Annette Sell
den. Hegel hat in Berlin von 1819 bis 1831 in jedem Sommersemester
eine Vorlesung über »Logik und Metaphysik« gehalten, von denen acht
Nachschriften unterschiedlicher Qualität erhalten sind. 2 So ist es auch
die Logik, über die Hegel am häufigsten in seiner gesamten Lehrtätigkeit gelesen hat. Einige Manuskripte der Schülernachschriften, von denen Leopold von Henning in der Ausgabe des »Vereins von Freunden
des Verewigten« berichtet, gelten als verschollen. 3 Nun liegen fünf
Nachschriften vor, die sich um das Jahr 1817 bewegen und in denen
dementsprechend die Paragraphenzählung des »Vorbegriffs« mit § 12
beginnt. Zwei Nachschriften existieren, welche der Paragraphenzählung der Enzyklopädie von 1827 folgen und somit mit dem § 19 beginnen. Eine Nachschrift aus dem Jahre 1831 lehnt sich an die dritte Auflage der Enzyklopädie an und beginnt ebenfalls mit dem § 19. Die
Enzyklopädie, also das Kompendium, hat Hegel in komprimierten Paragraphen und nicht in weitläufigen Ausführungen als »Leitfaden« zu
seinen Vorlesungen konzipiert. Im »Vorwort« zur dritten Ausgabe
heißt es: »Doch für den compendiarischen Zweck des Lehrbuchs mußte
der Styl gedrängt, formell und abstract gehalten bleiben; es behält seine Bestimmung, erst durch den mündlichen Vortrag die nöthigen Erläuterungen zu erhalten« (27). Somit ist ein weiteres Argument gefunden, warum hier die Vorlesungsnachschriften betrachtet werden
müssen, denn erst durch die Vorlesungen war ein Verständnis der Enzyklopädie überhaupt möglich. Hegel wollte in den Vorlesungen den
Drucktext der Enzyklopädie nicht einfach paraphrasieren oder repetieren, sondern jede Vorlesung und somit jede Nachschrift hat jeweilige
Eine weitere Vorlesungsnachschrift, die im Folgenden ebenfalls betrachtet wird,
stammt aus dem Sommersemester 1817 aus Hegels Heidelberger Lehrtätigkeit und
wurde von Franz Anton Good verfasst. G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik und
Metaphysik. Heidelberg 1817. Mitgeschrieben von F. A. Good, hrsg. von Karen Gloy
unter Mitarbeit von Manuel Bachmann, Reinhard Heckmann und Rainer Lambrecht,
Vorlesungen Bd. 11, Hamburg 1992. Ergänzend sei hier noch erwähnt, dass eigentlich
zwei Nachschriften der Berliner Vorlesung von 1831 vorliegen, wobei hier nur auf die
Nachschrift von Karl Hegel eingegangen wird, da die Nachschrift von Sigesmund Stern
deutlich hinter die ausgezeichnete Nachschrift von Karl Hegel zurückfällt. Vgl. hierzu
Udo Rameil, »Einleitung«, in: G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik. Berlin 1831.
Nachgeschrieben von Karl Hegel, hrsg. von Udo Rameil, Vorlesungen Bd. 10, Hamburg, 2001, XLIXff.
3 Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften
im Grundrisse. Erster Theil. Die Logik, hrsg. von Dr. Leopold von Henning, Berlin 1843,
VIIf.
2
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Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften
Schwerpunkte und eine eigene Charakteristik, die es nun exemplarisch
zu skizzieren gilt. Da es nahezu keine Texte von Hegels eigener Hand
zu diesen Vorlesungen gibt, spielen die Nachschriften der Schüler eine
entscheidende Rolle. Leitend für die folgende Betrachtung soll die Frage nach der Entwicklung des »Vorbegriffs« sein, der vor der eigentlichen Logik steht. Hegel wollte das Bewusstsein zunächst auf einen
Standpunkt bringen, der es diesem erlaubt, mit der eigentlichen Logik
anzufangen. Dabei sah Hegel selber die Schwierigkeit, dass er sich mit
diesen Vorbereitungen vor bzw. außerhalb der Logik befand. In Briefen
an den evangelischen Theologen Karl Daub, der die Revision des
Drucks der zweiten Auflage der Enzyklopädie übernommen hat, bekennt Hegel, dass die Erweiterung der Hinführung zur Logik wohl
etwas zu viel Raum eingenommen habe. Er begründet seine unterlassene Kürzung mit den universitären Tagesgeschäften in Berlin. Zu den
»drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität« sagt Hegel: »Die
Behandlung der Standpunkte, die ich darin unterschieden, sollte einem
zeitgemäßen Interesse entsprechen. Es ist mir diese Einleitung aber um
so schwerer geworden, weil sie nur vor und nicht innerhalb der Philosophie selbst stehen kann.« 4 Dieses Problem des vor und nicht innerhalb der Philosophie beschäftigt die Hegelforschung noch heute und
wird auch im vorliegenden Sammelband diskutiert. 5 Wie sich dieser
»Vorbegriff« also im Laufe der Jahre in den Vorlesungen, die durch
die Nachschriften der Studenten dokumentiert sind, entwickelt und
erweitert hat, wird nun aufzuzeigen sein. Dabei ist der Chronologie
der Nachschriften zu folgen, und es werden die einzelnen Nachschriften jeweilig auf die Konzeption des »Vorbegriffs« befragt. So soll anhand dieser Beobachtungen von exemplarischen Aspekten innerhalb
der einzelnen Vorlesungen ein Eindruck von Hegels Arbeit an dem
»Vorbegriff« im Sinne eines »work in progress« gegeben werden. Die
Lektüre der in einem Abstand von ein bis zwei Jahren entstandenen
Nachschriften ermöglicht es, Hegel quasi beim Arbeiten zuzuschauen.
Seine Vorlesungen an der Universität zu Berlin folgten nicht einfach
einem Vorlesungsmanuskript, sondern Hegel hatte auch andere Quellen vorliegen und häufig auch spontane Einwürfe gemacht, die in den
Brief an Daub vom 15. 8. 1826, in: Briefe von und an Hegel, hrsg. von Johannes Hoffmeister, Bd. 3, 3. durchgesehene Aufl., Hamburg 1969, 126. Vgl. auch 149 f.
5 Vgl. den Beitrag von Angelica Nuzzo und die darin vor allem mit Hans Friedrich
Fuldas Interpretation geführte Auseinandersetzung in diesem Band.
4
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Annette Sell
Nachschriften der Schüler dokumentiert sind. Anhand der nun folgenden Detailbetrachtungen einzelner Begriffskomplexe kann sich
schließlich die entwicklungsgeschichtliche Genese des »Vorbegriffs«
ergeben, die in den drei Auflagen der Enzyklopädie mit dem Zeitenabstand von zehn bzw. drei Jahren nur grob verfolgt werden kann.
Sowohl 1817 also auch 1827 und 1830 beginnt Hegel mit der Bestimmung der Logik als Wissenschaft der reinen Idee, welche die Idee im
abstrakten Elemente des Denkens ist (vgl. § 19), 6 und es folgen Ausführungen über die Bestimmung des Denkens. In der Heidelberger
Nachschrift von Franz Anton Good aus dem Jahre 1817 zeichnet sich
dieser erste Abschnitt durch eine sehr präzise Darstellung aus. Aufzählend stellt Hegel hier die Kriterien des Denkens dar. Dieses ist die einfache Identität mit sich, das die Einheit und das Zusammen des Mannigfaltigen herstellt. Dabei ist alles Denken, auch das Anschauen und
Vorstellen, wobei hier der Inhalt aber noch nicht die Form der Allgemeinheit hat. Hegel behauptet, dass wir sogar im Schlaf denken.
Dann führt er im »Vorbegriff« dieser Nachschrift sehr ausführlich die
Kriterien und die »Funktionsweisen« der Dialektik aus, deren Hauptmerkmal die Bewegung ist. »Die Dialektik kommt wie in jedem Bewußtsein oder Denken auch in allen Wesen der Welt vor; z. B. das grüne Blatt entfärbt sich, Geschlechter aller Tiere und aller Pflanzen
ändern sich und gehen unter. Der Keim des Todes und der Veränderung
der Dinge, dies ist ihr dialektisches Moment.« 7 Der Gehalt des »Vorbegriffs« zeugt in dieser Nachschrift insgesamt von Hegels naturphilosophischem Denken und einer gewissen Koinzidenz von Dialektik
und Leben. 8 Die Bestimmung der lebendigen Natur zieht sich durch
die Vorlesung, und das Verhältnis von Dialektik und Leben kulminiert
in dem Satz: »Das Dialektische ist der Puls des Lebens überhaupt.« 9 Im
G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse
(1817), unter Mitarbeit von Hans-Christian Lucas und Udo Rameil hrsg. von Wolfgang
Bonsiepen und Klaus Grotsch, Gesammelte Werke Bd. 13, Hamburg 2000 (= GW 13),
23. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse
(1827), hrsg. von Wolfgang Bonsiepen und Hans-Christian Lucas, Gesammelte Werke
Bd. 19, Hamburg 1989 (= GW 19).
7 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik und Metaphysik. Heidelberg 1817, 12.
8 Zu dieser These vgl. auch Annette Sell, »Das Leben in der Wissenschaft der Logik«, in:
Sich in Freiheit entlassen. Natur und Idee bei Hegel, hrsg. von Helmut Schneider,
Frankfurt am Main 2004, 189–205.
9 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik und Metaphysik. Heidelberg 1817, 13.
6
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Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften
Ganzen weicht diese Nachschrift in besonderem Maße von der Vorlage
der Enzyklopädie ab, wobei aber auch hier, wie in der Enzyklopädie von
1817, zunächst die historische Epoche der Metaphysik auftritt. Dann
werden der Empirismus und die kritische Philosophie genannt. Auch
das unmittelbare Wissen und namentlich Jacobi werden erwähnt. So
deuten sich also schon die Ausführungen zu den drei Stellungen des
Gedankens zur Objektivität an, die erst in der Enzyklopädie von 1827
als solche benannt und ausgearbeitet werden. Allgemeine Bemerkungen zur Einteilung und zum Programm der logischen Wissenschaft
beschließen mit den Paragraphen 36 und 37 hier den »Vorbegriff«.
Zum Zeitpunkt dieser Vorlesung in Heidelberg hatte Hegel bereits seine Wissenschaft der Logik publiziert, und so kann er hier vor dem
Hintergrund seines Werkes verständlich und überblickshaft den Weg
vom »Vorbegriff« in die eigentliche Logik ebnen.
Eine Nachschrift, die allerdings vorzeitig abbricht und nur den
»Vorbegriff« umfasst, liegt von Heinrich Gustav Hotho aus dem Jahre
1823 vor. Diese Nachschrift ist für die Hegelsche Entwicklungsgeschichte in besonderer Weise interessant, da sie Leopold von Henning bei der Edition der sogenannten Freundesvereinsausgabe vorlag,
so dass Auszüge der Nachschrift in den Zusätzen dieser Ausgabe zu
lesen sind und so bereits in die Hegelrezeption eingingen, ohne als
Nachschrift der Vorlesung von 1823 identifiziert zu werden. 10 Die Paragraphenzählung der Hotho-Nachschrift folgt ebenfalls der Enzyklopädie von 1817 und beginnt dementsprechend mit § 12. Sie enthält aber
bereits Gedanken, die erst in der Enzyklopädie von 1827 ausgeführt
sind. Hegel spricht hier beispielsweise schon vom objektiven Denken
bzw. vom objektiven Gedanken, mit welchen er sich gegen die Auffassung wendet, dass das Denken lediglich etwas Subjektives sei. 11 Darauf
folgt wie in der Enzyklopädie von 1817 eine ausführliche Betrachtung
Über diese Zusammenhänge wird der zweite Teil der Edition der Logiknachschriften
innerhalb der historisch-kritischen Ausgabe der Gesammelten Werke (GW 23,2) informieren.
11 Vorlesung zu Logik und Metaphysik. Sommersemester 1823. Nachschrift Heinrich
Gustav Hotho, Manuskriptseite 12 ff. Im Folgenden wird aus den Manuskripten der
Vorlesungsnachschriften zitiert, die in G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik, hrsg.
von Annette Sell innerhalb der historische-kritischen Akademieausgabe als GW 23,1
und GW 23,2 erscheinen werden. Als editionsphilologischer Hinweis ist an dieser Stelle
zu vermerken, dass fehlende Buchstaben in den Manuskripten von der Herausgeberin
kursiv ergänzt werden.
10
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Annette Sell
und Bestimmung der Metaphysik, die sich in Ontologie, rationale Psychologie und Kosmologie sowie natürliche Theologie teilt. Die Aufgabe
der Logik, nämlich eine Wissenschaft des Denkens zu sein, übernahm
früher die Metaphysik, »denn sie wollte die Gegenstände des Gedankens in Gedankenbestimmungen fassen. Sie war also denken, das sich
in sich bestimmt fand. Dann hatte sie aber bestimmte Gegenstände auf
welche sie die Denkbestimmungen anwandte. Sie hat also zum Inhalt
bestimmte Gegenstände, an welchen jene Denkbestimmungen sich bewegten. Diese Gegenstände selber aber sind die ganz allgemeinen
Gegenstände, sind solche, die gleichfalls dem Boden des Gedankens
angehören: Geist, Welt, Gott.« 12 Da es der Metaphysik also um Denkbestimmungen und somit auch um Schlüsse des Gedankens geht, stellt
Hegel die damalige Metaphysik in ein direktes Verhältnis zur Logik
und das heißt auch zu seiner eigenen Logik. »Unsere Logik also steht
im Verhältniß zur alten Metaphysik.« 13 Hier wird die Metaphysik bereits als das unbefangene Verfahren dargestellt, das in der zweiten Auflage der Enzyklopädie als erste Stellung des Gedankens zur Objektivität gefasst wird. 14 In der Metaphysik als das unbefangene Denken ist
der Gegenstand vom Denken noch nicht unterschieden, und durch
Nachdenken wird hier die Wahrheit erkannt. Das unbefangene Denken
ist einseitig, da es noch endlich ist. Es untersucht nicht die Natur der
Verstandesbestimmungen, sondern versucht das Absolute durch Beilegung von Prädikaten zu bestimmen. Der Mangel der Metaphysik ist
also, mit endlichen Verstandesbestimmungen einen unendlichen Inhalt
erkennen zu wollen. An die Metaphysik schließt Hegel die Kritik an
derselben von Seiten des Empirismus und der Kritischen Philosophie
Kants an. Detailliert stellt er in der Nachschrift Hotho diese Positionen
einander gegenüber. »Aber das Nächste gegen die Metaphysik war die
Erkenntniß ihrer Eitelkeit, die Erkenntniß der Eitelkeit überhaupt des
Erkennens. Dieses Negative gegen die Metaphysik hat die 2 Formen,
daß einmal gesagt wird: nur die Erkenntniß des Sinnlichen könne
Wahrheit geben. Das Sinnliche als solches also ist Stoff, Inhalt, Grundlage eines Raisonirens, das sich darauf baut. Dieß ist das eine Negative
Vorlesung zu Logik und Metaphysik. Sommersemester 1823. Nachschrift Heinrich
Gustav Hotho, Manuskriptseite 14v.
13 Vorlesung zu Logik und Metaphysik. Sommersemester 1823. Nachschrift Heinrich
Gustav Hotho, Manuskriptseite 14v.
14 Zur ausführlichen Auseinandersetzung mit der ersten Stellung vgl. den Beitrag von
Thomas Sören Hoffmann im vorliegenden Band.
12
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Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften
gegen die Gedankenbetrachtung der Metaphysik. Die zweite Form des
Negativen ist die Kantische Ansicht, daß die Erkenntniß des Sinnlichen
durch die Wahrnehmung und den Gedanken über das Sinnliche, keine
Wahrheit | ßakolaß28vßakolbß gäbe, sondern nur Erscheinung und die
Anwendung des Denkens auf die Vernunftgegenstände nur Irrthümer.« 15 Hiermit ist also schon die zweite Stellung des Gedankens
gegeben. Der Empirismus aber leugnete das Übersinnliche und beschränkte sich auf das Sinnliche. Auf diese Weise war das Denken nicht
frei. »Dieß also ist eine Lehre der Unfreiheit, eine Wand, die der Geist
anstreichen kann, aber nicht durchbrechen. Die Freiheit besteht aber
gerade darin, daß ich kein absolut Anderes gegen mich habe, sondern
abhänge von Einem, das ich selbst bin.« 16 Hier wird nicht nur Hegels
eigene Position deutlich, sondern es zeigt sich wieder einmal die
sprachliche und inhaltliche Klarheit, mit der er die Gedanken in seiner
Vorlesung für seine Studenten formuliert. Es folgt Hegels Kritik an der
Kantischen Philosophie (also der zweite Teil der zweiten Stellung), der
er an anderer Stelle auch vorwirft, das Erkennen zu einem Gegenstand
zu machen, wohingegen dieses doch selbst das Mittel sei, mit dem man
erkennt. Denken bzw. Erkennen darf eben nichts Vorausgesetztes sein.
Sein viel zitiertes und anschauliches Beispiel, dass der Mensch nicht
schwimmen lernen kann, ohne ins Wasser zu gehen, trägt er auch hier
seinen Studenten vor. 17 Das unmittelbare Wissen, und das heißt die
dritte Stellung, wird in dieser Nachschrift aber noch nicht relevant. 18
Anhand dieser Nachschrift von Hotho aus dem Jahre 1823 lässt sich die
quantitative und inhaltliche Ausdehnung des »Vorbegriffs« und somit
Hegels Arbeit an demselben gleichsam mitvollziehen.
Ein Jahr nach der Vorlesung von Hotho hält Hegel im Sommersemester 1824 wieder seine Vorlesung über Logik, die durch eine NachVorlesung zu Logik und Metaphysik. Sommersemester 1823. Nachschrift Heinrich
Gustav Hotho, Manuskriptseite 28r f.
16 Vorlesung zu Logik und Metaphysik. Sommersemester 1823. Nachschrift Heinrich
Gustav Hotho, Manuskriptseite 31r.
17 Dieses Bild, das Hegel an verschiedenen Stellen seiner Vorlesungen und in der »Einleitung« zur Enzyklopädie von 1830 verwendet, stammt nicht von Hegel selbst. Er
schreibt es einem Scholastiker zu. Vgl. folgende Stellen und vor allem den philosophiegeschichtlichen Kommentar: G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Teil 1 Einleitung. Der Begriff der Religion, hrsg. von Walter Jaeschke, Vorlesungen Bd. 3, Hamburg 1983, 53 und 79. Vgl. auch § 10.
18 Da die Vorlesungsnachschrift vorzeitig abbricht, ist nicht sicherzustellen, ob Hegel
das »unmittelbare Wissen« in den verbleibenden Vorlesungsstunden behandelt hat.
15
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Annette Sell
schrift von Jules Correvon bekundet ist. Auch hier bilden Reflexionen
über den Gegenstand, die Methode und die Arten des Denkens den
Anfang der Vorlesung. So bereitet diese Version des »Vorbegriffs« auf
die Logik vor. Die erst in der zweiten Auflage der Enzyklopädie ausgeführten Gedanken zum »objektiven Denken« werden hier ebenfalls
relevant. Im § 24 der Enzyklopädie von 1827 spricht Hegel von den
objektiven Gedanken, welche die Wahrheit und absolute Gegenstände
der Philosophie sind. Verstand und Vernunft sind also nicht nur etwas
rein Subjektives, sondern auch »in der Welt«. »Dieser Ausdruck ist
aber eben darum unbequem, weil Gedanke zu gewöhnlich nur als dem
Geist, dem Bewußtseyn angehörig, und das Objective ebenso zunächst
nur von Ungeistigen gebraucht wird.« 19 Um dieses Verhältnis von Subjektivität und Objektivität bzw. Unendlichkeit und Endlichkeit für die
Logik habhaft zu machen, sollen nun die drei Stellungen des Gedankens zur Objektivtät in nicht spekulativer Sprache zu dem Standpunkt
der Logik führen. Diese Probleme des subjektiven und objektiven Denkens, die zu den drei Stellungen hinführen, reflektiert Hegel ausführlich und verständlich in der Nachschrift von Correvon. »Man lernt
Denken (auch im subjectiven Sinne hingenommen, in dem man denkt,
in dem man sich an Gedanken übt). Die Logik hat nur mit Gedanken
und zwar mit reinen Gedanken zu thun, sie übt also im Denken, und
giebt darin eine subjective Geschicklichkeit. Etwas weiteres ist dann der
Inhalt, wenn man das Denken nicht mehr als subjectiv, sondern als
objectiv, oder einem Object bezogen nimmt. Es wird so zum | Nachdenken, Denken nach etwas. In dem Nachdenken liegt zunächst, daß
nicht bei der sinnlichen Erscheinung stehen geblieben, daß über die
unmittelbare Vorstellung hinausgegangen, daß das wesentlich untersucht.« 20 Und hier beginnt nun die im obigen Zitat aus der Enzyklopädie angesprochene Unbequemlichkeit, wenn das objektive Denken also
nicht im Sinne des Ungeistigen gebraucht wird. Es gilt ja, das rein subjektive und somit einseitige Denken zu überwinden, um zum objektiven Denken – im Sinne Hegels – zu kommen. Hegel will zeigen, dass
die subjektiven Denkbestimmungen auch Seinsbestimmungen sind.
GW 19, 49.
Vorlesung zur Logik. Sommersemester 1824. Nachschrift Jules Correvon, Manuskriptseite 2 f.
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Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften
»Das objective Denken also unabgesehen vom Bestimmtsein genommen, ist die Thätigkeit des allgemeinen oder das allgemeine als sich
bethätigend. – Allgemeines nicht als von dem verschiedenen getrennt
wird gewöhnlich vorgestellt wird aber als thätig, wirkend, bestimmend
die Logik, Wissenschaft des Denkens in diesem Sinne.« 21 In der Nachschrift Correvon entwickelt Hegel also diesen Gedanken des Objektiven, der erst im Kompendium von 1827 systematisch dargestellt wird
und die Grundlage für die drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität schafft. 22
Hermann von Kehlers Nachschrift aus dem Jahre 1825 ist insofern
im Hinblick auf den »Vorbegriff« bemerkenswert, als dass sich hier
eine ausführliche Beschäftigung mit dem »unmittelbaren Wissen«
befindet, das in den vorherigen Vorlesungen noch nicht systematisch
entfaltet wurde. 23 Diese Vorlesung setzt sozusagen unmittelbar mit
diesem Teil ein, der später die dritte Stellung des Gedankens zur Objektivität ausmachen bilden wird. Der Grund für diesen Anfang der
Nachschrift ist aber die Überlieferungslage und somit nicht philosophisch zu deuten. Die ersten Seiten der Nachschrift fehlen schlichtweg,
und anhand der Datumsangabe ist festzustellen, dass Hegel bereits ungefähr 27 Stunden seine Vorlesung gehalten hat, bis die Nachschrift
einsetzt. 24 Die Partien über den »Vorbegriff« innerhalb der Vorlesung
geben Hegels Reflexion über das Verhältnis von »unmittelbarem Wissen« und den endlichen, äußerlichen Dingen wieder. »Wenn hier vom
unmittelbaren Wissen die Rede ist, so ist nicht das wahre Wesen der
Dinge gemeint, sondern die endlichen Dinge sind damit ausdrücklich
bezeichnet. […] Wir haben also nichts, als den Glauben an die Realität,
äußerliche Realität, Glaube an Sein, das unterschieden ist von mir und
Vorlesung zur Logik. Sommersemester 1824. Nachschrift Jules Correvon, Manuskriptseite 4.
22 Natürlich ist mit dieser Beobachtung zum objektiven Denken der vierzig Manuskriptseiten umfassende »Vorbegriff« in der Nachschrift von Jules Correvon nicht annähernd erläutert. Hier konnte lediglich ein Aspekt dargestellt werden, der für die Entwicklung des »Vorbegriffs« relevant ist.
23 Bei einer derartigen Beurteilung ist auch immer die Quellenlage zu berücksichtigen,
so dass definitive Aussagen nicht gemacht werden können. So könnte es sein, dass sich
in einer nicht vollständigen oder verschollenen Nachschrift bereits Ausführungen zum
»unmittelbaren Wissen« finden.
24 Die Vorlesung begann bereits am 25. 4. 1825, wobei der erste Datumseintrag erst der
2. 6. ist
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auch ein Sein ist.« 25 Glauben und unmittelbare Realität sind also verbunden. Damit ist auch der Bezug zu Gott bzw. dem Glaube an Gott
gegeben. Hegel konfrontiert hier den Glauben mit der Reflexion, die
den Widerspruch und die Vermittlung impliziert. Von hier aus führt
der argumentative Weg zu dem Zusammenhang von Sein und Nichts
bzw. Unmittelbarkeit und Vermittlung und somit zum Problem des
Anfangs der Logik, den Hegel hier im »Vorbegriff« quasi vorbereitet,
indem er gleichzeitig das »unmittelbare Wissen« entwickelt, das in der
Enzyklopädie von 1827 die dritte Stellung des Gedankens zur Objektivtät bilden wird. Hegel bestimmt auch an dieser Stelle schon den
Glauben als polemisch gegen die Reflexion. 26 Wenn er hier den Begriff
des ›Polemischen‹ verwendet, so bedeutet das, dass das »unmittelbare
Wissen« nicht etwa so unbefangen wie die Metaphysik zu erkennen
meint, sondern sich polemisch gegen das Erkennen richtet. Das »unmittelbare Wissen« bzw. der Glaube tritt polemisch gegen das Wissen
überhaupt auf. Er stellt gegen die Reflexion also das reine Denken, das
aus sich selbst heraus entspringt. 27 In der dritten Stellung des Gedankens werden diese Probleme thematisch und bilden dort den Übergang
zu Hegels eigenem Anfang der Logik. Bei Kehler wird dieser Themenkomplex also vorbereitet.
Hegels Bestimmung des Denkens in der Nachschrift des Anonymus, die wahrscheinlich aus dem Jahre 1826 stammt, 28 ist dadurch interessant, dass hier wie in der Nachschrift Good davon ausgegangen
wird, dass der Mensch immer denkt. Auch wenn er fühlt und sich sinnlich verhält, denkt er. Es ist die Natur des Menschen, zunächst einmal
mit der Vorstellung anzufangen, und erst am Ende weiß er, was das
Denken ist. Der Vorstellungsbegriff wird in der Enzyklopädie an dieser
Stelle nicht verwendet. Eine Veränderung gegenüber dem schriftlichen
Kompendium ist auch die Aufteilung des Denkens in drei Arten. Bei
Vorlesung über Logik. Sommersemester 1825. Nachschrift Hermann von Kehler,
Manuskriptseite 1v.
26 Vgl. Vorlesung über Logik. Sommersemester 1825. Nachschrift Hermann von Kehler, Manuskriptseite 4v.
27 Vgl. zu der dritten Stellung des Gedankens zur Objektivität und den damit verbundenen Problemen den Beitrag von Birgit Sandkaulen im vorliegenden Band.
28 Welche Person sich hinter »Anonymus« verbirgt, ist (noch) nicht ausfindig zu machen. Auch ob es gelingen wird, eine definitive Datierung festzulegen, ist unsicher. Die
Nachschrift wird in der Aachener Stadtbibliothek aufbewahrt und ist mit einer Ästhetiknachschrift desselben Nachschreibers aus dem Jahre 1826 zusammengebunden, so
dass es naheliegt, dasselbe Semester für beide Vorlesungen zu vermuten.
25
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Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften
Anonymus heißt es: »1) die eingehüllte Weise des Denkens, oder sinnliche Wahrnehmungen / 2) Weise der Reflexion; / 3) das logische
Denken, das Verhältniss der Logik zur Philosophie.« 29 Diese drei genannten Arten des Denkens lassen sich nur indirekt auf die drei Darstellungen des Denkens, wie sie in der Enzyklopädie von 1817 und
dann in der Auflage von 1827 vorgenommen wird, beziehen. In der
Sache weicht Hegel hier zwar nicht vom Kompendium ab, doch zeigt
sich, wie er an einer präzisen Bestimmung des Denkens und damit an
der Bestimmung des Verhältnisses von Subjekt und Objekt in dieser
Zeit arbeitet. 30 Auch in dieser Nachschrift werden die drei Stellungen
des Gedankens zur Objektivität, in denen das Verhältnis des Subjekts
zum Objekt philosophiehistorisch bestimmt und kritisiert wird, vorbereitet. Ausführungen insbesondere über die alte Metaphysik, den
Empirismus und die Kantische Philosophie weisen darauf hin. Die
Nachschrift des Anonymus ist ausschließlich eine Darstellung des
»Vorbegriffs«, die aber vorzeitig abbricht.
So lässt sich zusammenfassend zum »Vorbegriff« der Nachschriften,
die zeitlich in der Nähe der ersten Auflage der Enzyklopädie entstanden sind und somit deren Paragraphenzählung folgen, sagen, dass neben der Bestimmung des Denkens im Allgemeinen die Darstellung der
philosophiehistorischen Epochen einen großen Raum einnimmt, wobei
die »drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität« aber noch nicht
in ihrer historisch-systematischen Folge differenziert, sondern erst inhaltlich vorbereitet werden. Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften vor dem Hintergrund der ersten Auflage der Enzyklopädie
von 1817 lässt sich auch als methodische, aber noch nicht dialektische
Auseinandersetzung mit dem Anfang der Logik deuten. Hegel erörtert
hier in einer Normalsprache für die Vorstellung, was das Denken ist.
Vorlesung über Logik und Metaphysik. Sommersemester 1826. Nachschrift Anonymus, Manuskriptseite 224.
30 Dem »Vorbegriff« geht im Kompendium noch die »Einleitung« voraus, die ebenfalls
einen Überblick über die Hegelsche Philosophie und die Methode des Denkens gibt.
Zum Verhältnis von »Einleitung« und »Vorbegriff« vgl. Hans-Christian Lucas, »Zum
Problem der Einleitung in Hegels enzyklopädisches System. ›Vorreden‹, ›Einleitung‹
und ›Vorbegriff‹ der Logik zwischen 1817 und 1830«, in: Hegels enzyklopädisches System der Philosophie. Von der »Wissenschaft der Logik« zur Philosophie des absoluten
Geistes, hrsg. von Hans-Christian Lucas, Burkhard Tuschling und Ulrich Vogel, Stuttgart-Bad Cannstatt 2004, 41–70.
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Erst in der Nachschrift von Karol Libelt aus dem Jahre 1828, also nach
der Publikation der zweiten Auflage der Enzyklopädie, werden die drei
»Stellungen des Gedankens« in den vorliegenden Nachschriften explizit. Ab dem Sommersemester 1827 las Hegel vor dem Hintergrund
dieser zweiten Auflage. 31 Zur Funktion der »Stellungen« heißt es im
§ 25 der gedruckten Enzyklopädie von 1827: »Die dem Denken zur
Objectivität gegebenen Stellungen sollen als nähere Einleitung, um
die Bedeutung und den Standpunkt, welcher hier der Logik gegeben
ist, zu erläutern und herbeizuführen, nun betrachtet werden.« 32 Auch
Libelts Nachschrift enthält einen ausführlichen »Vorbegriff«, der nahezu die Hälfte des gesamten Manuskripts umfasst. Hier geht es zunächst ebenfalls um die Logik im Allgemeinen, welche die Wissenschaft des Denkens ist, und es wird greifbar, wie Hegel die Methode
der Logik erläutert und weiter auf deren eigentlichen Anfang hinsteuert. Dabei handelt es sich zunächst um die Wahrheit, die sich erstens
auf Gegenstände und zweitens auf die Tätigkeit des Geistes bezieht.
Unsere Begriffe müssen sich nun den Gegenständen anpassen. Es ist
unsere Aufgabe, uns die Gegenstände anzueignen. Das geschieht durch
die Tätigkeit des Geistes oder durch Sinnlichkeit. Nun gibt es aber auch
Gegenstände, die nicht durch die Sinne erfahrbar sind: »Nehmlich Religion und Sittlichkeit. Es ist zuerst die Frage was ist Gott, was ist meine Bestimmung.« 33 Diese Gedanken entsprechen dem Text der gedruckten Enzyklopädie. In der Nachschrift von Libelt schließen sich
ausführliche Reflexionen darüber an, wie Gott nun zu erfassen sei, da
er durch die Sinne ja nicht erkannt werden könne. So muss er mit dem
Subjektiven zusammenhängen. Nun kreisen also Hegels Gedanken um
den Gegenstand und die Methode der Logik, denn sein Ziel ist es, »die
Natur des Erkennens zu untersuchen.«34 Mit dieser Aufgabe ergibt sich
aber die Schwierigkeit, wie man dieses Erkennen gewinnen kann, und
vor allem, wie und womit man überhaupt anfangen soll, um zu erkennen. »Das was Erkennen ist, müßten wir schon wissen. In der ganzen
Logik ist das Resultat, daß das Erkennen sich erkenne, das macht also
Von 1827 liegt keine Nachschrift vor.
GW 19, 50.
33 Vorlesung zur Logik. Sommersemester 1828. Nachschrift Karol Libelt, Manuskriptseite 6.
34 Vorlesung zur Logik. Sommersemester 1828. Nachschrift Karol Libelt, Manuskriptseite 12.
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Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften
vielmehr den Schluß aus. Als daß man damit anfangen könne.« 35 Nun
sucht Hegel die verschiedenen historischen Stufen im Hinblick auf ihre
Tauglichkeit zu erkennen. In der Metaphysik, die das unbefangene
Denken ist, ist man sich noch nicht über die Voraussetzungen klar,
wenn das Absolute oder Gott bestimmt werden soll. Außerdem kann
die Allmacht und Fülle Gottes nicht durch die Prädikate erschöpft werden. Diese Frage nach Gott im metaphysischen Denken beschäftigt Hegel in dieser Nachschrift recht intensiv, und immer wieder geht es darum, dass die Beilegung von Prädikaten nicht zu einer Erkenntnis
Gottes führen kann. Von den verschiedenen Vorwürfen an die Metaphysik war schon oben die Rede, und bei Libelt werden diese nun ausführlicher und dadurch auch verständlicher als in der Enzyklopädie
entwickelt. Dabei sind bei den ersten beiden Stellungen aber keine wesentlichen inhaltlichen Differenzen gegenüber dem Kompendium festzustellen. Dass die dritte Stellung nur kurz gestreift wird, ist wiederum
der Quellenlage zuzuschreiben. Es zeigt sich im Manuskript, dass Libelt keine Aufzeichnung vorgenommen hat, als das »unmittelbare
Wissen« Gegenstand der Vorlesung war. 36 Zusammenfassend heißt es
zu den drei Stellungen: »Es giebt 3 Stufen unbefangenes Philosophiren, wie eine unbefangene Religion bei höheren Ständen bleibt es nicht
mehr bei der Unbefangenheit. Ein frommer Gläubiger ist nicht polemisch gegen ein Anderes, die Polemik der heutigen Gläubigen ist schon
ein Austritt aus der Unbefangenheit des Glaubens. Die 2te Stufe ist das
Philosophiren, das sich des Gegensatzes bewußt ist, der in dem Unbefangenen erscheint, die 3te ist die Auflösung | des Gegensatzes. Das ist
die eigenthümliche Bestimmung der Idee, als Resultat der angegebenen Stufen.« 37
Die Darstellung der drei Stellungen ist in den einzelnen Nachschriften in Nuancen unterschieden. So führt Hegel in der Nachschrift von
Hyppolite Rolin aus dem Jahre 1829 die zweite Stellung, d. h. insbesondere die Kantdarstellung sehr umfangreich aus. Es ist wohl zu vermuten, dass Hegel diese Darstellungen der historischen Positionen
Vorlesung zur Logik. Sommersemester 1828. Nachschrift Karol Libelt, Manuskriptseite 10.
36 Vorlesung zur Logik. Sommersemester 1828. Nachschrift Karol Libelt, auf der Manuskriptseite 111 ist der Rest der Seite nicht beschrieben, und es folgen vier leere Seiten.
Danach setzt die Nachschrift mit dem näheren Begriff und der Einteilung der Logik ein.
37 Vorlesung zur Logik. Sommersemester 1828. Nachschrift Karol Libelt, Manuskriptseite 43 f.
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auch aus didaktischen Gründen derartig ausführlich behandelt hat. Es
ging ihm – neben der systematischen Konzeption seiner Logik – natürlich auch darum, den Studenten historische Positionen zu vermitteln.
Die Kritikpunkte an den zu überwindenden Stellungen sind in allen
Nachschriften aber eindeutig und divergieren nur in Nuancen und in
der Schwerpunktsetzung. Was nun Empirismus und die Kritische Philosophie, welche die zweite Stellung bilden, betrifft, so ist deren Gemeinsamkeit die Bestimmung der Erfahrung als einziger Boden der
Erkenntnis. Im Unterschied zum Empirismus geht es bei Kant dann
aber um die Spontaneität des Denkens. Die Kritische Philosophie untersucht die Verstandesbegriffe, indem der Gegensatz von Subjektivität
und Objektivität bestimmt wird. Das Mannigfaltige wird im Bewusstsein vereinigt und auf ein Ich bezogen. Die Weisen des Beziehens sind
die Kategorien. Damit hat Kant es sich leicht gemacht, sagt Hegel in der
Enzyklopädie. Die Anwendung der Kategorien ist nämlich willkürlich,
heißt es auch in der Nachschrift von Rolin. 38 Mit ihnen fällt das Bewusstsein ins Endliche zurück »Wir haben Schon bemerklich gemacht
dass die Kantische Philosophie in irriger weise antiquirt ist, aber dass
sie sich Ruhm gemacht hat und in den gegenwärtigen vorstellungen
unserer Zeit lebendig ist.« 39 Wie nun diese zweite Stellung in die dritte
Stellung übergeht, formuliert Hegel in der Nachschrift. »Die versöhnungen der realität und der objectivität sind also nur in einem sollen
gesetzt. Es finden auch zum theil vereinigungen zwischen beiden statt
aber eine vollständige harmonie gibt es nicht. Damit haben wir den
2ten standpunct des Geistes zur objectivität vollendet.« 40
Nicht nur, dass es sich bei dem Nachschreiber der letzten Logikvorlesung, die Hegel vor seinem Tode gehalten hat, um seinen damals fast
achtzehn Jahre alten Sohn Karl Hegel handelt, macht diese Quelle zu
einem wichtigen Zeugnis der Hegelschen Logik. Auch die Präzision
und die Qualität dieser Nachschrift zeigt Hegels Arbeit an seiner Logik
auf eindrucksvolle Weise. 41 Der »Vorbegriff« umfasst nahezu die Hälfte der gesamten Nachschrift. Auffallend ist Hegels ausführliche DarVorlesung zur Logik. Sommersemester 1829. Nachschrift Hyppolite Rolin, Manuskriptseite 5.
39 Vorlesung zur Logik. Sommersemester 1829. Nachschrift Hyppolite Rolin, Manuskriptseite 7.
40 Vorlesung zur Logik. Sommersemester 1829. Nachschrift Hyppolite Rolin, Manuskriptseite 79r.
41 Vgl. hierzu vor allem die wichtige und sehr informative Einleitung von Udo Rameil:
38
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Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften
stellung des einleitenden Teils (§§ 19 bis 25), bevor die drei Stellungen
des Gedankens zur Objektivität abgehandelt werden. Hier spricht Hegel vom geschichtlichen Ursprung der Logik. Ausführlich und lebendig
schildert er, wie der Mensch, also das Subjekt, zunächst arm ist, und
durch den Trieb versucht, sich die äußerlichen Gegenstände zu eigen zu
machen. 42 Dieser Vorgang ist anfangs instinktmäßig, und man hat
noch kein Bewusstsein davon. Nun hat Aristoteles bereits eine Logik
geschaffen, die vom Objekt ausgeht. Er hat die Dinge beobachtet, dabei
ist er aber nicht zum denkenden Begriff übergegangen. Seine Logik
bleibt einseitig, indem sie den Widerspruch zu vermeiden sucht. Hegel
kritisiert auch den Syllogismus und den Satz der Identität. Dieser Aristoteles-Exkurs ist in dieser Ausführlichkeit nicht in den anderen Nachschriften zu finden. Die Aristotelische Logik betrachtet nur die Formen, wobei ihre Wahrheit aber nur durch den Inhalt bestimmt
werden kann. Die Form bestimmt den Inhalt. Wenn sich die Form unwahr am Inhalt zeigt, dann sind es einseitige Formen. Es folgen Ausführungen über Art und Weise des Denkens. Ein Überblick über die
»drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität« rundet diese Einleitung ab. Zu den »Stellungen« sagt Hegel: »Das Interesse jetziger Zeit
dreht sich um diese Verhältnisse.« 43 Es besteht ein Gegensatz von Subjekt und Objekt, von Denken und Sein. Dieser Gegensatz wird auf drei
verschiedene Arten gedacht. 44 Auch in der Nachschrift von Karl Hegel
»Einleitung«, in: G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik, Berlin 1831, VII–LI. Zum
»Vorbegriff« siehe dort XIX–XXVIII.
42 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik. Berlin 1831, 5.
43 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik. Berlin 1831, 23, auch 21.
44 Dass der Verlauf der drei verschiedenen Arten bzw. Stellungen nicht zwangsläufig
einen erkenntnismäßigen Fortschritt bedeutet, ist in der Interpretation von Christoph
Halbig zu lesen: »Hegel akzentuiert in seiner Kritik der vorkritischen Metaphysik, wie
die Untersuchung der Kant-Kritik in der ›Zweiten Stellung‹ zeigen wird, nämlich genau
die Unzulänglichkeiten, die von der kantischen Philosophie überwunden werden, ohne
daß sich daraus aber ein linearer Fortschritt zwischen beiden Stellungen konstruieren
ließe: Denn die kantische Philosophie gibt gerade die Überzeugung, die Common sense,
Metaphysik und spekulative Philosophie teilen, nämlich die Identität der Bestimmungen unseres Denkens mit der ontologischen Grundstruktur der Wirklichkeit, auf und
verstellt sich damit die Möglichkeit, durch die Korrektur ihrer Unzulänglichkeiten einen
höheren Standpunkt als den der ›ersten‹ Stellung zu erreichen« (220). Halbig spricht
von einer Patt-Situation, die erst von der Perspektive der Hegelschen Philosophie aus
erklärt werden kann. Halbigs Interpretation der drei Stellungen ist eingebettet in eine
Studie über Erkenntnistheorie und »Philosophy of Mind«, die überaus erhellend für das
Verständnis der Grundstruktur der drei Stellungen und damit einhergehend für das
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rechtfertigt Hegel den Durchgang durch diese drei Stellungen der Philosophiegeschichte mit dem Interesse der Zeit. Die drei Stellungen lassen sich also folgendermaßen zusammenfassen: Die Metaphysik hatte
noch kein Bewusstsein über Kategorien. Sie war unbefangen, und Gegenstand und Bewusstsein waren noch ungetrennt. Die zweite Stellung
kannte bereits eine Trennung von Denken und Inhalt. Es bestand eine
Kluft beider Bereiche. Die dritte Stellung zeugt von der Einheit von
Denken und Sein. Gegenüber der Metaphysik ist diese Einheit nun
aber durch eine Methode begründet. 45 Beim unbefangenen Denken
dachte man, durch Denken zum Wahren zu kommen. Der Gegensatz
von Denken und Objektivität war noch nicht vorhanden. »Es besteht
ein Widerspruch von Denken und Objektivität, aber man glaubt nicht
durch das Denken zur Wahrheit zu kommen, sondern man nimmt das
Objekt, wie es ist, ohne zu denken. In der Kantischen Philosophie werden die Entwicklung der Formen dargestellt, die dem Denken angehören, aber die Sache bleibt draußen.« 46 Es ist nun gefordert, den Gegensatz von Unmittelbarkeit des Wissens und Vermittlung, der in der
dritten Stufe vorliegt, zu überwinden. Das muss aber in der Logik
selbst und nicht im historischen Räsonieren untersucht werden. So bildet die Stellung des unmittelbaren Wissens den Übergang zur Unmittelbarkeit der Logik und somit zur Frage nach ihrem Anfang. 47
Dieser Überblick über den »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften sollte einen Eindruck von dem Inhalt und der Art und Weise geben,
wie Hegel in ihnen diesen Teil seiner Philosophie entwickelt, modifiziert und gegenüber der gedruckten Enzyklopädie mit weiteren Gedanken und Beispielen anreichert. Gleichzeitig galt es hier, einen Einblick
in die »Werkstatt« der Editorin zu geben, die sich editorisch, philologisch und systematisch den Vorlesungsnachschriften zur Logik zuwenVerhältnis von Hegels epistemologischen Realismus und seiner Metaphysik des absoluten Idealismus ist (Christoph Halbig, Objektives Denken. Erkenntnistheorie und Philosophy of Mind in Hegels System, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002; zum »Vorbegriff«
siehe besonders 219–324).
45 Vgl. G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik. Berlin 1831, 83.
46 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Logik. Berlin 1831, 23.
47 Gerade der Anfang der Wissenschaft der Logik sowie die damit verbundenen Probleme werden in dem Sammelband von Andreas Arndt und Christian Iber in fünf Einzelstudien diskutiert: Andreas Arndt und Christian Iber, Hegels Seinslogik. Interpretation
und Perspektiven, Berlin 2000.
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Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften
den muss, um diese Texte handwerklich-philologisch, und das heißt
auch immer philosophisch, in der Edition zu erschließen, so dass sie in
den Gesammelten Werken der Akademie-Ausgabe der Öffentlichkeit
zur Verfügung gestellt werden können. Der Vorzug der Vorlesungsnachschriften gegenüber der gedruckten Fassung der Enzyklopädie ist
sicherlich die Lebendigkeit und Detailliertheit des Vortrags. In Bezug
auf den »Vorbegriff« wird in den Nachschriften Hegels Ringen mit den
geschichtlichen Positionen besonders deutlich. Je nachdem, welcher Fokus auf die Nachschriften gerichtet wird, lassen sich viele Innovationen
gegenüber den gedruckten Werken in ihnen entdecken, die an dieser
Stelle nicht alle dargestellt werden und vom zukünftigen Leser der
Logiknachschriften selbst vorgenommen werden können. Einzelne Begriffe und Inhalte, die hier nur exemplarisch behandelt werden konnten, werden ausführlicher und klarer in ihnen gefasst. Anhand der Vorlesungsnachschriften kann also die Hegelsche Entwicklungsgeschichte
eines bedeutenden Teils seines Systems verfolgt werden. Schließlich
lässt sich von den Logiknachschriften aus auch der Bezug zu den anderen Disziplinen des Hegelschen Systems herstellen. Durch diese Gesamtschau und parallele Betrachtung von Vorlesungen etwa eines Jahrgangs können Tendenzen und Etappen des Hegelschen Denkens
differenziert dargestellt werden. Ist in einem Jahrgang etwa eine besondere Thematisierung auffällig, so kann geprüft werden, ob sich diese Besonderheit auch in anderen Disziplinen niederschlägt. 48 Diese synoptische Betrachtungsweise der verschiedenen Systemteile ist
sinnvoll für eine Gesamtsicht des Hegelschen Systems.
In Bezug auf den »Vorbegriff« wird durch die Rezeption der Nachschriften möglich, dass Hegels Ausarbeitung der Methodik des Denkens und der Bildung der »drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität« im Einzelnen verfolgt werden kann. 49 So lassen sich besonders
Erkenntnisse über die Hegelsche Entwicklungsgeschichte gewinnen. In
den Nachschriften, die vor dem Hintergrund der ersten Auflage der
Enzyklopädie entstanden sind (Good, Hotho, Kehler, Correvon, Anonymus), steht die Frage im Vordergrund, was das Denken überhaupt
Diese Aufgabe kann aber erst gelöst werden, wenn alle Nachschriften in lesbarer und
das heißt in edierter Form vorliegen.
49 Ein inhaltlicher Überblick und eine pointierte Ansicht der drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität sind bei Walter Jaeschke, Hegel-Handbuch. Leben-Werk-Wirkung, Stuttgart-Weimar 2003, 264–267, zu finden.
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ist. Hier bereitet Hegel die drei Stellungen vor, bis er schließlich um das
Jahr 1827 zu einer immer ausführlicheren Darstellung der drei historischen Gestalten kommt. Es ist ein Hauptresultat der Beobachtung des
»Vorbegriffs«, dass in den Nachschriften vor allem Hegels Arbeit an
diesen geschichtlichen Positionen deutlich wird. Er wollte mit ihnen –
nach eigener Aussage – einem zeitgemäßen Geschmack entsprechen;
gleichzeitig sagt er, dass ein derartiger »Vorbegriff« nötig sei, um zu
zeigen, dass sich Gegenstände, die man in der Vorstellung hat und die
man für »ganz concret hält«, erst in der »Logik ihre wahrhafte Erledigung erhalten« (§ 25 Anm.). Dabei hatte Hegel selbst die Schwierigkeit
erkannt, dass er sich vor und nicht innerhalb der Philosophie befand. 50
Die Stärke des Hegelschen Denkens ist sicherlich die Weise, stets zu
thematisieren, welcher Gedankenschritt gerade vorgenommen wird.
Das Bewusstsein und auch Hegel selbst reflektieren also jedesmal über
seinen jeweiligen Gegenstand. Die expliziten Reflexionen Hegels auf
den Gegenstand »Vorbegriff« bzw. auf die systematische Funktion desselben sind aber rar, und so bleiben dieses Kapitel und die Frage, warum
historische Gestalten in die Logik einleiten sollen, nach wie vor schwer
verständlich. Eine Antwort darauf ist sicherlich, dass sich Hegels Philosophie als Ausdruck seiner Zeit versteht, so dass er am Beispiel der
drei genannten Epochen zeigt, welche Gedanken zum Verhältnis von
Subjekt und Objekt bereits durchschritten sind und welche neue Aufgabe somit der Logik zuteil wird. Dabei sind die Epochen, wie gesagt,
Ausdruck dessen, was Hegel für das Zeitinteresse hält. 51 Wie ist nun
abschließend ein solcher »Vorbegriff« zu beurteilen? Muss man sich
dieses »Vorbegriffs« bewusst sein, um daraus Gefolgertes verstehen
zu können? Ist dann gewährleistet, dass wir nicht irren, wenn wir mit
diesen Vorbegriffen an die Beurteilung der Tatsachen gehen, wie es in
dem Eingangszitat der Brüder Grimm heißt. Der »Vorbegriff« hat sicherlich eine Einleitungsfunktion für die Logik und auch für das System, 52 doch kann nicht aus ihm allein das Gefolgerte, also die Logik,
Vgl. die obige Anmerkung 5 zum Briefwechsel mit Daub.
Andreas Arndt weist den Epochen eine exemplarische Bedeutung zu. Sie stellen typisierend Positionen der neueren Wissenschaft dar und haben somit keinen Anspruch
auf historische und systematische Vollständigkeit. Vgl. Andreas Arndt, Dialektik und
Reflexion. Zur Rekonstruktion des Vernunftbegriffs, Hamburg 1994, 148.
52 Die Debatte der sechziger Jahre zwischen Hans Friedrich Fulda und Werner Flach hat
über dieses Problem großen Aufschluss gegeben. 1984 hat Fulda dieses Thema erneut
aufgenommen und teilweise seine ältere Argumentation erneuert. 1991 hat Hans50
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Der »Vorbegriff« in den Vorlesungsnachschriften
verstanden werden, da die Logik aus sich selbst heraus verständlich sein
muss. Sie ließe sich, an ihrem eigenen Anspruch gemessen, auch ohne
eine derartige Einleitung verstehen. Der »Vorbegriff« steht dabei aber
immer schon unter dem Begriff der Logik, so dass er nicht im logischen
Sinne vor dem Begriff, also unbegrifflich ist, wie etwa Heidegger von
einem vor-begrifflichen Seinsverständnis spricht. Hegel sagt ja auch,
dass die Darstellung der drei Stellungen und somit die Einleitung an
einer »Einsicht mitwirken« sollen, um zur eigentlichen Logik zu gelangen (§ 25 Anm.). Auf diese Weise bereitet der »Vorbegriff« hilfreich
auf die Hegelsche Logik vor. Es ist nun gefordert, den Gegensatz von
Unmittelbarkeit des Wissens und Vermittlung, die in der dritten Stufe
vorliegt, zu überwinden, um einen Anfang der Logik zu machen. Das
muss aber in der Logik selbst und nicht im historischen Räsonieren
geschehen.
Christian Lucas die Frage nach dem »Vorbegriff« erneut gestellt. Angelica Nuzzo wendet sich diesem Komplex im vorliegenden Band zu. Vgl. auch Werner Flach, »Zum Vorbegriff der Kleinen Logik», in: Der Idealismus und seine Gegenwart. Festschrift für
Werner Marx, hrsg. von Ute Guzzoni, Bernhard Rang und Ludwig Siep, Hamburg 1976,
133–146; ders., »Die dreifache Stellung des Denkens zur Objektivität und das Problem
der spekulativen Logik«, in: Hegel-Studien Beiheft 18 (1976), hrsg. von Dieter Henrich,
3–18; Hans Friedrich Fulda, Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der
Logik, Frankfurt am Main 1965; ders., »Vorbegriff und Begriff von Philosophie bei Hegel«, in: Hegels Logik der Philosophie. Religion und Philosophie in der Theorie des
absoluten Geistes, hrsg. von Dieter Henrich und Rolf-Peter Horstmann, Stuttgart 1984,
13–34; Hans-Christian Lucas, »Der ›Vorbegriff‹ der enzyklopädischen ›Logik‹ doch als
Einleitung im emphatischen Sinne?«, in: Hegel-Studien 26 (1991), 218–224.
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