Das Leib-Seele

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Das Leib-Seele-Problem
Das Leib-Seele-Problem ist ein Beispiel für ein klassisches philosophisches Problem, das im Zusammenhang mit dem Computermodell des Geistes in der KI und
der Kognitionswissenschaft aufgegriffen und intensiv diskutiert wurde. Es geht dabei um die Frage nach der Wechselwirkung zwischen leiblichen und seelischen
Vorgängen, weshalb man auch vom psychophysischen Problem spricht. Während
man in Antike und Mittelalter Leib und Seele als eine Einheit verstand, hatte Descartes eine Tennung in zwei Substanzen, die körperliche (res extensa) und die
seelische (res cogitans) vorgenommen. Wenn wir übrigens im Folgenden vom
Körper-Geist-Problem“ sprechen, wie es heutzutage üblich ist, müssen wir uns
”
vor Augen halten, dass damit eine Verengung erfolgt, denn weder bezeichnen Leib
und Körper dasselbe, noch Seele und Geist.
Descartes’ Dualismus wirft in verschärfter Form die Frage nach der Interaktion
des ausgedehnten Körpers mit dem nicht ausgedehnten Geist auf, die er als Kausalbeziehung postuliert, jedoch in keiner Weise befriedigend erklären konnte. Als
Schnittstelle“ sah er die Zirbeldrüse im Gehirn an: Der Geist wird nur von diesem
”
Teil des Körpers unmittelbar beeinflußt. Für ihn bestehen alle Empfindungen aus
Bewegungen im Körper, die über die Nerven in die Zirbeldrüse gelangen und dort
dem Geist ein Signal geben, das ein bestimmtes Ereignis hervorruft.
Wie auch immer man den dualistischen Ansatz weiterzudenken versucht, landet man entweder bei Widersprüchen oder bei einem unendlichen Regress — was
wir hier jedoch nicht weiter vertiefen können —, dennoch hat er unser alltagspsychologisches Reden und Erklären zutieft beeinflußt.
In unserem Zusammenhang ist interessant, inwieweit der kognitionswissenschaftliche Diskurs neues Licht auf das psychophysische Problem werfen konnte.
Der am ehesten einschlägige unter den neuen Ansätzen ist der Funktionalismus
von Hilary Putnam u.a. Für ihn sind mentale Zustände die funktionalen Zustände
eines Systems. Sie werden durch ihre kausale Rolle bestimmt, durch ihre Vernetzung mit anderen Zuständen und mit den Ein- und Ausgaben des Systems.
Beispielsweise bedeutet Schmerzen zu haben nicht, ein bestimmtes Verhalten zu
zeigen oder in einem bestimmten organischen Zustand zu sein, sondern einen
funktionalen Zustand, mit dem das Ziel verbunden ist, ihn loszuwerden. Was auch
immer diese kausale Rolle spielt, gilt als Schmerz (vgl. [1]).
Mentale Zustände können wie die Zustände einer Turing-Maschine in verschiedenen Organismen auf unterschiedliche Weise realisiert sein. Insofern ist
der Funktionalismus kompatibel mit dem Computermodell des Geistes. Andere
Autoren gehen noch weiter, indem sie mentale Zustände als solche funktionalen
Zustände definieren, denen eine bestimmte, z.B. biologische, Funktion für das System zugeschrieben werden kann. Da in diesem Zusammenhang der Körper zumeist auf das Gehirn reduziert wird (!), ergibt sich ein Verhältnis von Gehirn zu
Geist wie das von Hardware zu Software, und geistige Eigenschaften werden zu
abstrakten Informationsverarbeitungs-Eigenschaften des Gehirns. Verknüpft man
diese Position mit der These des sog. reduktiven Materialismus, nämlich dass geistige Zustände Hirnzustände und nichts anderes sind, hat man lediglich eine Variante der starken KI-Hypothese formuliert. Eine Erklärung, wie Wahrnehmungen,
Gefühle, Überzeugungen, Wünsche, Absichten unser Verhalten lenken können,
wenn zugleich wahr ist, daß dieses Verhalten lückenlos physisch verursacht ist, ist
damit nicht gewonnen.
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Nun mag man einwenden, das Computermodell des Geistes solle gar nicht
eine solche Erklärung liefern, sondern es ginge im Hinblick auf die MenschMaschine-Interaktion um eine Analogie: Maschinen mentale Zustände zuzuschreiben hieße dann nicht, zu behaupten, sie hätten mentale Zustände. Die Maschinen
verhielten sich aber so, als ob sie sich in entsprechenden mentalen Zuständen
befänden; tatsächlich haben sie aber keine mentalen Zustände, weil sie nichts
bewußt erleben oder nicht das bewußt erleben, was ein Mensch dabei bewußt
erlebt. In diesem Sinne verhielte sich die KI als empirisches Forschungsprojekt
neutral. Sie machte keine Aussagen darüber, wie ähnlich uns ein anderes Lebewesen oder ein künstliches System in seinem Verhalten, in seinen physikalischen
und chemischen Eigenschaften sein muss, damit wir von ihm sagen, es habe mentale Zustände.
Mit einer derart abgeschwächten Position geben sich aber zumindest einige
Hirnforscher nicht zufrieden — doch ist gegenüber vorschnellen Schlüssen Vorsicht geboten. Inzwischen kann als unbestritten gelten, dass kognitive Prozesse
der Wahrnehmung und des Denkens stets mit messbaren Gehirnaktivitäten korreliert sind, was Messungen mit bildgebenden Verfahren wie z.B. der PositronenEmissions-Tomographie (PET) belegen. Die Feststellung einer Korrelation ist allerdings etwas ganz anderes als die einer Kausalbeziehung. Zur Aufstellung eines
Kausalgesetzes bedarf es einer theoretischen Begründung, die bestenfalls durch
eine beobachtete Korrelation gestützt werden kann. Und es ist keineswegs klar,
ob dies mit endlichen Mitteln erreichbar ist. So hat der Hirnforscher Gerhard Roth
in einem Artikel (Die Zeit Nr. 14 vom 29.3.1996, s.a. [2]) ausgeführt: Die Hirn”
forschung steckt, sofern sie sich auf das Geist-Gehirn-Problem einläßt, in einem
tiefen Dilemma: Sie muss in einer mentalistischen“ Sprache reden, sonst entge”
hen ihr genau die Phänomene, die es zu erklären gilt. Gleichzeitig muss sie sich
in naturwissenschaftlichen Begriffen ausdrücken, denn im Gehirn geht es nun einmal physikalisch-physiologisch zu. . . . In der Psychologie . . . glaubt man, kognitive
Prozesse ohne Ansehen des materiellen Substrats beschreiben zu können. Dies
ist jedoch ein schwerwiegender Irrtum. Jeder geistigen Aktivität entspricht genau
ein neuronaler Prozess . . . , und jeder Veränderung des Gedankens entsprechen
strukturelle und funktionelle Veränderungen im Verschaltungsmuster von Nervenzellen. Die Architektur des Gehirns bestimmt seine kognitiven Leistungen, und kognitive Leistungen — durch das limbische System bewertet — verändern die Architektur des Gehirns. Für diese Nichtabtrennbarkeit von Geist eine gemeinsame
psychoneuronale Begriffs- und Erklärungssprache zu finden ist die größte Herausforderung an beide Disziplinen. Sie würde den eigentlichen Schritt über Decartes
hinaus darstellen. . .“
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