JOHANN WOLFGANG VON GOETHE: Iphigenie auf Tauris Gk12 (Lenk) Erwartungshorizont/ Bewertungsbogen (Analyse des Eingangsmonologs) Inhaltliche Leistung Anforderungen 1. 2. 3. 4. 5. Der Prüfling formuliert eine Einleitung (Verfasser, Titel, Erscheinungsjahr, ggf. Uraufführung und vor allem Themenangabe des Dramas). erläutert den situativen Kontext. (Was passiert vorher? Was danach? Was kündigt sich hier schon an? ) gibt den Inhalt der Szene in eigenen Worten kurz wieder. (hier: Iphigenie betrauert im Schatten des Tempels der Göttin Diana ihr Schicksal. Der Leser erfährt, dass sie sich schon längere Zeit auf Tauris befindet und sich dort noch immer nicht heimisch fühlt. (V.1-10) So artikuliert sie ihre Sehnsucht und ihr Heimweh. (V.10-22) In ihrem Monolog skizziert sie weiterhin die Rollensituation der Frau, als deren Exempel sie sich wahrnimmt (V23-34) und richtet die deutliche Bitte an die Göttin, sie von dieser Situation zu erlösen. (V.35-53) formuliert eine Deutungshypothese. (z.B.): Die vorliegende Szene betont bereits zu Beginn des Dramas die ausweglose Situation, in der sich Iphigenie auf Tauris befindet sowie Unmenschlichkeit der herrschenden Verhältnisse, denen Iphigenie aufgrund ihrer Stellung zum Opfer gefallen ist. Hier werden ein Menschen- und Götterbild aber zugleich auch Geschlechterdifferenzen deutlich, welche eine klare soziale Hierarchie implizieren. untersucht die Szene aspektorientiert in Hinblick auf die Deutungshypothese und fundiert seine Ausführungen durch eine sprachliche Analyse. Verortung der Szene anhand der klassischen Dramentheorie: der Eingangsmonolog gehört zur Exposition des Dramas, hier werden bereits zentrale Figuren (Iphigenie, Thoas (Diana, Agamemnon)), Ort (Hain vor Dianens Tempel) , Zeit bzw. Zeitspanne („so manches Jahr“, V.7) sowie Konflikte (Heimat und Fremde, Tantaliden-Mythos (Kontext der Rettung der Iphigenie); Differenz zwischen Göttern und Menschen & Autonomiegedanke der Frau (Geschlechterdifferenzen)) deutlich. Einführung aller Figuren des Dramas an dieser Stelle noch nicht abgeschlossen - - - - Bereits zu Beginn des Monolog wird Iphigenies betrübte Gemütslage illustriert, da sie „in [die] Schatten“ (V.1) des bewaldeten Gartens tritt. Dieser Verfassung wird durch die antithetische Stellung „heraus in“ (V.1) besondere Bedeutung zugemessen. Die atmosphärische Beschreibung des „Haines“ (V.2) ist auffällig, die Adjektive („rege“, (V.1); „ alt“ (V.2), „dicht belaubt“ (V.2)) mit denen Iphigenie ihre Umgebung („Wipfel“ (V.1) oder das „Heiligtum“ V.3) beschreibt, weisen auf eine traditionelle Umgebung, zu der Iphigenie keine emotionale Bindung hat, hin. Sie fühlt sich auf Tauris fremd und ängstlich, was durch Aussagen wie „mit schauderndem Gefühl“ (V.4) und „es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher“ (V.6) deutlich wird. Der Eindruck, dass sie sich gegen ihren Willen auf der Insel aufhält, wird durch die Äußerung: „ein hoher Wille, dem ich michergebe“ (V.8) verstärkt. Im ersten Teil des Monologs wird drüber hinaus die zeitliche Dauer ihrer Situation deutlich, so wird von „so manche[m] Jahr“ (V.7) sowie „lange[n] Tage[n]“ (V.11) gesprochen, die an ihrem Zustand nicht verändert haben, sie ist auf Tauris „, wie im ersten, fremd.“ (V.9) Interjektion in V. 10 („Denn ach!“) macht Iphigenies Wehmut innerhalb ihrer Situation besonders deutlich. „Ufer“ (V.11) und das „Meer“ (V.10) als Symbole für eine unüberwindbare Hürde, die sie hindert, in die Heimat (aus eigenen Kräften) zurück zu kehren. Das Verweilen am Ufer („lange Tage“, V.11) illustriert erneut die Sehnsucht, aber auch Iphigenies Hoffnung nach Griechenland zurückzukehren. JOHANN WOLFGANG VON GOETHE: Iphigenie auf Tauris - - - - - - - Gk12 (Lenk) Die einzige Antwort, die sie auf ihre „Seufzer“ (V.13) bekommt, sind „dumpfe Töne“ (V.14), die ihr nichts aus der Heimat berichten. Ab V.15 beginnt Iphigenie in der 3. Person von sich zu sprechen. Dies legt dar, wie distanziert sie sich zu ihrer Notlage sieht. Sie klagt dabei zunächst nicht die Götter an („Ich rechte mit den Göttern nicht“, (V.23)), sondern hadert mit der ihr durch ihr Geschlecht zugewiesenen Lage. Iphigenie ist sich bewusst, überpersönlichen Ordnungen unterlegen zu sein, wie den Göttern oder ihrer Familie, da sie ihren Kontext nicht kommentiert. Ganz im Gegensatz dazu, ersinnt sie ein überhöhtes Vater-Imago („göttergleichen Agamemnon“) (V.45) und idealisiert die Heimat. („wo die Sonne zuerst den Himmel vor ihm aufschloss“, (V.19f)). Iphigenie kritisiert zudem den Zustand der Frauen in der griechischen Gesellschaft (V.2334). Die unterwürfige Lage der Frauen wird unterstrichen, da sie vorwiegend männliche Pronomen verwendet („dem“, V.15). Ihrer Meinung nach ist die Frau dem Manne in jeder Hinsicht unterlegen und ist verpflichtet, ihm in Demut zu gehorchen (vgl. V. 25-30). Attribute, die dabei dem Manne zugeordnet werden, sind „Besitz“ (V.27) und „Sieg“ (V.27). Diese ehrenvollen Auszeichnungen werden im Gegensatz zu dem eingeschränkten Leben der Frauen durch den Parallelismus unterstützt. Ein klassischer Mann wird im Folgenden angeführt. Iphigenie beklagt ihr Schicksal, „einem rauen Gatten“ (V.30) gehorchen zu müssen. Thoas, den sie paradoxer Weise als „edle[n] Mann“ (V.33) und Sklaventreiber zugleich begreift, scheint diese Rolle zu übernehmen. Iphigenie ist als repräsentativ für das klassische Weltbild anzusehen, da sie Charaktereigenschaften wie der Tugend oder dem Pflichtbewusstsein zeigt. Sie zeigt sich selbst beschämt, als sie eingesteht, dass sie der Göttin nur mit „starken Widerwillen“ (V. 35-36) ihrer Göttin dient. Trotz ihrer Sehnsucht und ihrer Verzweiflung ist sich Iphigenie bewusst, dass Artemis ihr Leben rettete und sie ihr eigentlich dienen sollte (vgl. V.37f). Vom „zweiten Tode“ (V.53) möchte sie gerettet werden, womit sie nicht nur auf ihre vom Vater herbeigeführte Opferung anspielt, sondern ebenfalls ihr jetziges Leben auf Tauris dem Tod gleichsetzt. Das Oxymoron („Leben“ –„Tod“ (V. 52)) zeigt, wie belastend sie die Situation empfindet. Abschließend wird der Eindruck der Machtlosigkeit Iphigenies und einer Ohnmacht durch die Apostrophe „Und rette mich, die du vom Tod errettet, auch von de Leben hier, dem zweiten Tode!“ (V. 52f) untermalt. Weitere sprachliche Besonderheiten: - Monolog (der eine klare inhaltliche Strukturierung aufweist) - aufeinander aufbauende Gedankenentwicklung - im Blankvers verfasst, durchgängiger Fließtext mit Versumbrüchen (Enjambements) → Sprachliche Gestaltung des Monologs geschieht in Hinblick auf inhaltliche Aspekte Wesentlich ist das klare und zielgerichtete Vorgehen in Bezug auf die Aufgabenstellung und die Deutungshypothese. Erwartet wird eine detailierte, schwerpunktmäßige Analyse. 6. formuliert einen Schlussteil. (Rückbezug zur Deutungshypothese, Bedeutung der Szene für den Verlauf des Dramas bzw. des dramatischen Konflikts, abschließende Einordnung in den historischen Kontext (Alles in allem lässt sich bereits in der Exposition feststellen, dass Iphigenie das typische Menschenbild der Klassik repräsentiert, da sie durch Vernunft, Tugend und Ehrlichkeit ihren Pflichten nachkommen möchte und trotz ihrer Notlage versucht ihr Leben so gut es geht zu bewältigen. Ihr Leben ist Idealen gewidmet, nicht dem Selbstzweck.)