BEISPIELANALYSE VON SARAH REITHMEIER (...mit überwiegend recht ordentlichen Formulierungen. - Inhaltlich könnte insbesondere Matuscheks Kerngedanke, dass Goethe in seiner Bearbeitung des Iphigenie-Stoffes der antiken Vorlage eine neue, an den Kerngedanken der Aufklärung orientierte Ausprägung verleiht und dabei das Moralische ganz in die Sphäre des Menschlichen verlagert, noch etwas genauer erfasst werden.)Sachtextanalyse zu Stefan Matuschek: Klassisches Humanitätsideal: Goethes Iphigenie und ihr Nachhall Im vorliegenden Textauszug eines Aufsatzes mit dem Titel „Klassisches Humanitätsideal: Goethes Iphigenie und ihr Nachhall“ aus Stefan Matuscheks literaturwissenschaftlichem Werk „Mythos Iphigenie“, das 2006 publiziert wurde, thematisiert der Autor die bedeutsame Funktion der Figur Iphigenie in Goethes Drama, die die humanistischen Werte in sich vereint und diese mit den Ansprüchen der Gesellschaft in Einklang bringt, wodurch sie eine überzeitliche Bedeutung erlangt. Der Textauszug ist in sechs Sinnabschnitte zu unterteilen. Zu Beginn (Z. 1-6) stellt Matuschek Iphigenies Bedeutung als ethisches Ideal heraus, das die Werte der Selbstbestimmung und der Selbstverantwortung in sich vereint, sowie die daraus resultierende Befreiung aus politischen und religiösen Missständen, die an zwischenmenschliche Verhaltensweisen gekoppelt ist. Im nachfolgenden Abschnitt (Z. 7-13) führt der Autor die Moral des Werkes „Iphigenie auf Taurus“ auf die menschliche Selbstverantwortung zurück und rekapituliert einige inhaltliche Versatzstücke des Werkes. Im Nachfolgenden (Z. 14-18) weitet der Autor seine vorangegangene These auf die politische Dimension aus. Im vierten Sinnabschnitt (Z. 18-25) verweist Matuschek auf die Programmatik und das Ziel der europäischen Aufklärungsphilosophie, deren Kernanliegen Goethe durch die Figur der Iphigenie aufgreift. Dem Verweis auf die klassizistische Graecophilie in „Iphigenie auf Taurus“, die bereits von Johann Joachim Winckelmann initiiert wurde, dient der fünfte Sinnabschnitt (Z. 25-31). Abschließend (Z. 31-38) betont der Autor die außerordentliche Stellung der Figur Iphigenies als Repräsentation der Weimarer Klassik und deren humanistische Bildungsmission. Der Autor misst der Figur der Iphigenie eine hohe Bedeutung bei und stellt sie als eine idealistische Verkörperung der humanistischen Werte heraus. Nach Auffassung Matuscheks erlangt der ursprüngliche Mythos durch Goethes Neugestaltung des antiken Stoffes eine neue Ausprägung, insofern Iphigenie samt ihrer Botschaft in besonderer Weise herausragt und somit die Werte der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sowie der Einklang der Autonomie des Individuums mit den Ansprüchen der Gesellschaft in den Vordergrund gestellt werden. Im ersten Sinnabschnitt hebt der Autor die Verkörperung Iphigenies als ein „ethisches Ideal“ (Z. 1f.) hervor, das die „Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des einzelnen Menschen“ (Z. 2 f.) in sich vereint. Matuschek spezifiziert seine Aussage, indem er eben diese „Selbstbestimmung“ (Z. 4), die im Schauspiel „Iphigenie auf Taurus“ thematisiert wird, als eine Möglichkeit herausstellt, das Individuum aus „aller religiösen und auch politischen Bevormundung [zu] [befreien].“ (Z. 4 f.). Der Autor weitet seine Aussage aus, indem er zum einen die „Rücksichtnahme“ (vgl. Z. 6) und zum anderen das Berücksichtigen des „Einverständnis[ses] des anderen“ (Z. 6) benennt, die an diese Freiheit gekoppelt sind. Im zweiten Sinnabschnitt folgert Matuschek Iphigenies „Offenheit gegenüber Thoas und ihr Vertrauen auf menschliches Verständnis und Einverständnis“ (Z. 9 f.) als Faktoren, die sie aus „ihrem Exil“ (Z. 8 f.) befreien. Der Autor referiert die „Intrige“ (Z. 7 f.) und die „dea ex machina“ (Z. 8) als die ursprünglichen Faktoren im antiken Mythos, die zu der Befreiung Iphigenies führen. Der Autor stellt Goethes Darstellung unter diesem Gesichtspunkt dem antiken Mythos gegenüber. Matuschek rekapituliert „Goethes viel zitierten Selbstkommentar, seine Iphigenie sei ‚verteufelt human‘ “ (Z. 10 f.) und stellt diesen als eine Andeutung auf einen „antireligiösen Impuls“ (Z. 12) des Stückes heraus, insofern Goethes Bearbeitung des Iphigenie-Stoffes seiner Auffassung nach offenbar alle Moralvorstellungen aus religiösen Zusammenhängen löse und auf die „menschliche Selbstverantwortung“ (Z. 13) zurückführe. Der Autor spezifiziert seine vorangegangene These, indem er diese auf die „politische Dimension“ (Z. 14) ausweitet und sich dabei auf Iphigenies Klage bezüglich der „fehlende[n] moralische[n] Rechenschaft des absoluten Herrschers“ (Z. 14 f.) bezieht. Er referiert Thoas' Bezeichnung dieser Klage als „[e]in wildes Lied“ (Z. 16) und verdeutlicht somit die Grundhaltung „zur Zeit des Absolutismus“ (Z. 17) während der Entstehung von „Iphigenie auf Taurus“. Er setzt Goethes „Botschaft von individueller Freiheit und Selbstbestimmung“ (Z. 18 f.) in Bezug zu der „europäischen Aufklärungsphilosophie und ihrem Ziel“ (Z. 20), den Einklang zwischen der „Autonomie des Einzelnen“ (Z. 21) und den „Ordnungsbedürfnissen der Gemeinschaft“ (Z. 21 f.) zu schaffen. Darüber hinaus betont er die „Europäische Aufklärungsphilosophie und ihr[...] Ziel (Z. 20) als das ursprüngliche Gedankengut, auf das sich Goethe mit seinem Drama bezieht. Den durch den „Charakter“ (Z. 23) und die „unerhörte Tat“ (ebd.) Iphigenies ermöglichten Einklang zwischen diesen beiden Ansprüchen der Aufklärung erreicht Goethe nach Matuscheks Vorstellung dadurch, dass er sich zum Zwecke der Darstellung des „aktuelle[n] philosophische[n] Ideal[s]“ (Z. 25) eines antiken Mythos‘ bedient. Der Autor führt Goethes Vorgehensweise auf die „Idealisierung der griechische[n] Antike“(Z. 26 f.) zurück, wodurch diese zur „Projektionsfläche der eigenen, gegenwärtigen Wunschvorstellungen“ (Z. 27 f.) werde. Matuschek schlägt in diesem Zusammenhang eine gedankliche Brücke zu dem Vers „Das Land der Griechen mit der Seele suchend“ (Z. 28 f.) aus Iphigenies Eingangsmonolog und belegt damit die „klassizistische Graecophilie“ (Z. 30 f.), die sich auch in dem Schauspiel „Iphigenie auf Taurus“ seiner Auffassung nach manifestiert. Abschließend betont der Autor die Funktion der Figur Iphigenie als ein „klassische[s] Humanitätsideal“ (Z. 34 f.), das in Goethes Ausführungen „ganz neue mythische Züge annimmt“ (Z. 35). Matuschek resümiert Iphigenies Bedeutung als eine repräsentative Verkörperung der „Weimarer Klassik und deren humanistische[r] Bildungsmission“ (Z. 37 f.). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Autor der Figur Iphigenie eine hohe Bedeutung beimisst, die sich auf die gesamte Epoche der „Weimacher Klassik“ erstreckt und darüber hinaus auch überzeitlich Bestand hat. Darüber hinaus schlägt der Autor mehrere gedankliche Brücken zu anderen Ausführungen, die er als Gedankengut, auf das sich Goethe in seinen Ausführungen bezieht, herausstellt.