Wiederholung der letzten Vorlesungsstunde: Aufbau von Metallen, hexagonale Schichten, hexagonal-dichte-, kubischdichte Kugelpackung, Oktaeder-, Tetraederlücke, kubisch-innenzentrierte Packung, 74 vs. 68 % Raumausfüllung Thema heute: Metallbindung-II, Koordinative Bindung, Komplexverbindungen Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 197 Einige Metalle können auch in mehreren Strukturformen vorkommen. Dieses Phänomen bezeichnet man als Polymorphie. Eisen z. B. kommt in drei Modifikationen vor: α-Eisen, kubisch innenzentriert (bcc), bis 906°C stabil γ -Eisen, kubisch flächenzentriert (fcc), bis 1401°C stabil δ-Eisen, kubisch innenzentrierten (bcc), bis 1535°C (Schmelzpunkt) α-Fe 906o C ← → γ -Fe 1401o C ← → δ-Fe 1535o C ← → Schmelze Durch diese unterschiedlichen Modifikationen wird deutlich, warum es von sehr großem Vorteil ist Metalle wie z. B. Eisen zur mechanischen Bearbeitung auf eine bestimmte Temperatur zu erhitzen. Die Duktilität von Metallen (Ziehen, Walzen, Hämmern) beruht darauf, dass in ausgezeichneten Ebenen eine Gleitung möglich ist. Gleitebenen sind vor allem Ebenen dichtester Packung, da innerhalb der Ebenen der Zusammenhalt stark ist. In der kubisch flächenzentrierten Struktur (fcc) existieren senkrecht zu den vier Raumdiagonalen der kubischen Elementarzelle vier Scharen dicht gepackter Ebenen. Bei der hexagonal dichtesten Packung (hcp) existiert nur eine solche Ebenenschar. Deshalb sind Metalle mit kubisch dichtester Packung (fcc) relativ weiche, gut zu bearbeitende, also duktile Metalle, während Metalle mit hexagonal dichtester Packung (hcp) und besonders kubisch innenzentrierte Metalle (bcc) eher spröde sind. Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 198 Bindungen in Metallen: Elektronengasmodell Von Drude und Lorentz (um 1900) Feste Metalle (Metallkristall): Gitterplätze werden von positiv geladenen Metallionen besetzt, deren Zusammenhalt von den im Gitter frei beweglichen ursprünglichen Valenzelektronen, dem Elektronengas (Elektronen, die über den gesamten metallischen Feststoff hinweg delokalisiert sind), bewirkt wird. Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 199 Delokalisation der Elektronen hohe Elektronenbeweglichkeit hohe elektrische und thermische Leitfähigkeit Die Leitfähigkeit nimmt mit steigender Temperatur ab; im Gegensatz zu Halbleitern (Halbmetallen). Erklärung: Metallionen führen mit steigender Temperatur verstärkte Schwingungen um ihre Ruhelage aus wodurch der Elektronenfluß behindert wird. Bei Metallen führen die ungerichtete Bindungskräfte wegen der gleich großen Bausteine zu wenigen, geometrisch einfachen Strukturen mit großen Koordinationszahlen. Ionengitter (Ionenverbindungen) haben häufig die Metallgitter Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling KZ: 4, 6, 8 KZ: 8 oder 12 200 Die Verformbarkeit (Duktilität) von Metallen (links) und nicht-Duktilität von Salzen (rechts) Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 201 Grenzen / Übergänge zwischen den Bindungsarten 1) Ionische und kovalente Bindung Rein ionische oder rein kovalente Bindung sind sehr selten. Beispiele für rein kovalente Bindungen: Homonuklearen zweiatomigen Nichtmetallmoleküle H2, N2, Cl2 Die Elektronenverteilung zwischen den Atomen ist völlig symmetrisch. Beispiele für rein ionische Bindung liefern die Verbindungen aus Metallen mit niedriger Ionisierungsenergie und Nichtmetallen mit hoher Elektronenaffinität; das sind die Alkali- und Erdalkalihalogenide und -oxide. Die meisten Verbindungen lassen sich irgendwo zwischen den Extremen einordnen. Es liegen dort polare Atombindungen vor, z.B. in NO und HF. Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 202 Einige Sonderfälle: SnCl4 und PbCl4: Keine Salze sondern Flüssigkeiten. Vierfach geladene Kationen sind nicht existent kovalente Bindungen, molekulare Verbindungen. Ebenso: MoCl5 = Mo2Cl10, WCl6 und OsO4: Leicht sublimierbare Verbindungen Metalllegierungen: Das Mischen sehr ähnlicher Metalle im flüssigen Zustand liefert Legierungen, die in jeder Zusammensetzung oder in einem weiten Konzentrationsbereich homogen sind. Legiert man jedoch Metalle deutlich unterschiedlicher Elektronegativität wie Alkaliund Erdalkalimetalle einerseits mit Metallen wie Zinn, Blei, Antimon, Bismut andererseits, so treten auffällige stöchiometrische Verhältnisse bevorzugt auf. Intermetallische Verbindungen, z.B. Mg2Pb Ionische Formulierung: "Mg2+"- und "Pb4-" geringe elektrische Leitfähigkeit, kristallisiert in typischen Salz- (Ionen-) gittern. Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 203 Zwei unterschiedliche Modifikationen beim elementaren Zinn: Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 204 Betrachtet man die Siedepunkte der Reihe NaCl bis Cl2, so ergibt sich folgendes Bild: Siedepunkte der Chloride der 3. Periode Verbindung Kp/oC Bindungsart NaCl MgCl2 1441 1412 ionisch AlCl3 183 SiCl4 58 Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling PCl3 76 SCl2 Cl2 59 -34 kovalent 205 Koordinationschemie/Komplexchemie Von fast allen Metallionen sind Verbindungen bekannt, die als Komplexe / Koordinationsverbindungen bezeichnet werden. Sie haben grundsätzlich andere Eigenschaften als die Summe der Bestandteile, aus denen sie bestehen. Beispiel: Kupfer(II)sulfat, im wasserfreien Zustand: fast farblos / hellblau; nach Zusatz von Wasser: [Cu(H2O)6]SO4 Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 206 Komplexchemie nach A. Werner Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 207 Komplexchemie nach A. Werner Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 208 Komplexchemie nach A. Werner Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 209 Komplexchemie nach A. Werner Liganden: Liganden müssen mindestens über ein freies Elektronenpaar verfügen, welches eine koordinative (dative) Bindung zum Metallatom ausbildet. Eine Komplexverbindung kann auch als Lewis Säure-Base-Komplex beschrieben werden. Die Zahl der koordinativen Bindungen, die ein Ligand in einem Komplex betätigt, wird als die Zähnigkeit des Liganden bezeichnet. Die besondere Stabilität von Komplexverbindungen resultiert aus dem Erreichen einer 18-Elektronen-Schale des Metallions. Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 210 Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 211 Komplexchemie nach A. Werner Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 212 Haemoglobin: Fe2+ komplexiert von einem Porphyrinring Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 213 Komplexchemie nach A. Werner Typische Liganden Name Hydrido Formel H− Chloro Fluoro Cl− F− E E Bromo Iodo Oxo Aqua Ammin Cyano Cyanato Sulfido Thiolato Etylendiamin Isocyanato Etylendiamintetraacetato Phosphan etc. Br− I− O2− H2O aq NH3 CN− OCN− S2− RS− H2NCH2CH2NH2 en NCO− {(−OOCCH2)2NCH2-}2 edta PR3 E E E E(O) E(N) E(C) E(O) E E(S) Z(N) E(N) V(O) E(P) Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling Abkürzung Klassifizierung E 214 Komplexchemie nach A. Werner Die Zahl der gebundenen Liganden heißt Koordinationszahl Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 215 Komplexchemie nach A. Werner Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 216 Komplexchemie nach A. Werner Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 217 Komplexchemie nach A. Werner Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 218 Komplexchemie nach A. Werner Nomenklatur • Kationen zuerst, dann Anionen • Komplexanionen bekommen die Endung -at • Anzahl Liganden nach griechischen Zahlwörtern •Oxidationszustand des Metalls wird mit angegeben Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 219 Komplexchemie nach A. Werner Nomenklatur [Co(NH3)6]Cl3: [Fe(H2O)6]Cl2: Na[CoCl4]: Na2[NiCl4]: Cobalt(III)hexamin-chlorid Eisen(II)hexaqua-dichlorid Natrium-tetrachlorocobaltat(III) (-tetrachloridocobaltat(III) ) Natrium-tetrachloronickelat(II) (-tetrachloridonickelat(II) ) Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 220 18-Elektronen-Regel Die besondere Stabilität von Komplexverbindungen resultiert aus dem Erreichen einer 18-Elektronen-Schale des Metallions (Valenzelektronen- anzahl des folgenden Edelgases). Vorlesung Allgemeine Chemie, Prof. Dr. Martin Köckerling 221