Institut für Leistungselektronik und Elektrische Antriebe Einführung

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Universität
Stuttgart
Institut für Leistungselektronik
und Elektrische Antriebe
Abt. Elektrische Energiewandlung
Prof. Dr.-Ing. N. Parspour
Einschwingvorgänge
Wenn in einem elektrischen Netzwerk ein oder mehrere Energie speichernde Bauelemente (Spule mit der
Induktivität L, Kondensator mit der Kapazität C) vorhanden sind, so kann das Netzwerk nicht mehr
unendlich schnell auf äußere Änderungen reagieren. Unter Änderungen versteht man einerseits
Änderungen in den Ursachen (z. B. die angelegte Quellenspannung ändert sich) und andererseits in der
Topologie des Netzwerks (z. B. wenn Schalthandlungen durchgeführt werden). Die Ursache, dass sich
unter solchen Umständen keine schlagartige stationäre Strom- und Spannungsverteilung einstellen kann,
liegt an den Grundgesetzen für die Bauelemente L und C:
u L (t)  L 
di L (t)
dt
i C (t)  C 
du C (t)
dt
Man erkennt, dass an der Induktivität die Spannung unendlich groß wird, wenn der Strom einen Sprung
(
di L (t)
  ) aufweist. Am Kondensator wird hingegen der Strom unendlich groß, wenn die Spannung
dt
einen Sprung (
du C (t)
  ) aufweist. Beides hätte zur Folge, dass die Quelle eine unendlich große
dt
Leistung liefern müsste. Da dies nicht sein kann, können die Energie kennzeichnenden Größen (bei L der
Strom iL und bei C die Spannung uC) nicht springen, d.h. es muss gelten:
u C (t  0 )  u C (t  0 )
bzw.
i L (t  0 )  i L (t  0 )
Dabei bezeichnet „t = 0-“ die Zeit kurz vor der Änderung und „t = 0+“ die Zeit kurz nach der Änderung.
Die Strom- und Spannungsverhältnisse einer Schaltung erreichen nach einer äußeren Änderung erst nach
theoretisch unendlich langer Zeit wieder einen neuen stationären Zustand. Die Zeit nach der Änderung
bis zum Erreichen des neuen stationären Zustandes wird als
Einschwingzeit bzw. Einschwingphase bezeichnet; in dieser Zeit läuft in der Schaltung ein sogenannter
Einschwingvorgang ab.
Während des Einschwingvorganges ändern sich die Werte der Ströme und Spannungen mit der Zeit!
Insgesamt können drei Zustände des Elektrischen Netzwerkes unterschieden werden:
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 Zustand vor der Änderung
t  0
 Ausgleichsvorgang (Einschwingvorgang)
0  t  
 Stationärer Endzustand
t
Dabei wurde angenommen, dass die Änderung zur Zeit t  0 erfolgte.
Für die Berechnung von Einschwingvorgängen müssen die Kirchhoffschen Gesetze und die Grundgesetze
für R, L und C in ihrer allgemeinsten Form für die Zeitfunktionen verwendet werden, d.h.:
Knotenregel:
i (t)  0


Maschenregel:
 u  (t)  0
Grundgesetz für R:
u R (t)  R  i R (t)
Grundgesetz für L:
u L (t)  L 
Grundgesetz für C:
i C (t)  C 
di L (t)
dt
du C (t)
dt
Die Verwendung dieser Gleichungen führt letztendlich auf lineare Differentialgleichungen für die
Energie kennzeichnenden Größen u C (t) bzw. i L (t) . Die Lösung der Differentialgleichungen geben den
Verlauf der elektrischen Größen Strom und Spannung während des Einschwingvorgangs wieder.
Für t   muss der neue stationäre Zustand der Schaltung erreicht werden, d. h. die Amplituden bzw.
Effektivwerte der Ströme und Spannungen ändern sich nicht mehr.
Der stationäre Zustand der Schaltung kann z. B. mit Hilfe der komplexen Rechnung bestimmt werden.
Der Einschwingvorgang selbst kann nicht mit der komplexen Rechnung berechnet werden!
Das prinzipielle Vorgehen zur Behandlung von Einschwingvorgängen soll nachfolgend anhand eines
Beispiels verdeutlicht werden. In der Schaltung soll lediglich ein einziger Energiespeicher (Induktivität)
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vorhanden sein. Dies hat zur Folge, dass sich für die Berechnung des Einschwingvorganges eine
Differentialgleichung erster Ordnung ergibt, deren Lösung einfach bestimmt werden kann. Bei
Schaltungen mit mehreren Energiespeichern entstehen Differentialgleichungen höherer Ordnungen.
Beispiel:
Zuschalten eines R-L-Gliedes an eine Gleichspannungsquelle mit der Quellenspannung U.
i(t)
S
R
L
uR(t)
uL(t)
t=0
U
Zur Zeit t = 0 wird das R-L-Glied durch
Schließen
des
Schalters
S
an
die
Spannungsquelle U geschaltet.
 Zustand vor dem Schaltvorgang
t < 0:
Schalter offen, d.h. i L (t  0 )  0 , d.h. die Spule ist stromlos!
(Anfangsbedingung, AB)
 Einschwingvorgang
t = 0:
Schalter wird geschlossen, der Strom i(t) darf nicht springen, d.h. i L (t  0 )  0
 Stationärer Endzustand
t = :
Stationärer Wert von i(t) ist erreicht.
Berechnung des Einschwingvorganges für 0  t   :
Maschenregel:
U  u R (t)  u L (t)
Grundgesetze:
u R (t)  R  i(t)
(2) in (1):
U  R  i(t)  L 
(1)
und
u L (t)  L 
di(t)
dt
di(t)
dt
(2)
(3)
Gleichung (3) ist eine inhomogene lineare Differentialgleichung (DGL) 1. Ordnung.
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Allgemeine Lösung von (3) ist:
i fl (t)
i(t)  i fl (t)  ist (t)
(4)
flüchtiger Anteil, verschwindet für t  
ist (t) stationärer Anteil, bleibt für t  
a) i fl (t) als Lösung der homogenen DGL:
0  i fl (t) 
L di fl (t)

R dt
(5)
i fl (t)  k  e pt
Lösungsansatz für i fl (t) :
(6)
Die Konstanten k und p sind noch unbekannt und müssen nachfolgend bestimmt werden!
Aus (6):
di fl (t)
 k  p  e pt
dt
(6) und (7) in (5):
0  k  e pt 
1 p
(7)
L
 k  p  e pt
R
L
0
R

p
R
L
(8)
b) stationäre Lösung für t   :
Zur Berechnung der stationären Lösung darf die komplexe Rechnung angewendet werden.
Mit WS-Rechnung:
I
U
Z
Z  R  j  L
mit
(9)
Hier: Gleichspannung U, d.h.  = 0 und somit:
UU
I  I  ist
 0
Oder kürzer:
in (9) liefert
ist  I 
U
R
(10)
Für   0 ist auch X L    L  0 , d.h. für Gleichstrom ist die
Induktivität wirkungslos (Kurzschluss)!
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c) Gesamtlösung
i(t)  k  e
(6), (8) und (10) in (4):
 t R
L

U
R
(11)
Der Strom i(t) ist die Energie kennzeichnende Größe und darf daher nicht springen, d. h. es muss gelten:
i(t  0 )  i(t  0 )  0
Mit dieser Anfangsbedingung lässt sich aus Gleichung (11) die Konstante k bestimmen:
k
U
R
(12)
Gesamtlösung für i(t):
i(t) 
 t R

U 
 1  e L 
R 

Der Kehrwert der vorher ermittelten Konstanten p besitzt die Dimension der Zeit (Sekunde).
Als Abkürzung wird üblicherweise das griechische Formelzeichen  (Tau) eingeführt.
Abkürzung:

L
R
[] = s
Zeitkonstante
(13)
Tau wird als Zeitkonstante bezeichnet. Die Zeitkonstante ist eine charakteristische Größe für den
Einschwingvorgang. Je kleiner die Zeitkonstante ist, desto schneller erfolgt der Einschwingvorgang, d. h.
um so weniger Zeit vergeht, bis die Schaltung wieder im neuen stationären Zustand ist.
Anmerkung: Theoretisch erreicht die Schaltung erst nach einer unendlich langen Zeit den neuen
stationären Zustand. Praktisch jedoch gilt, dass nach einer Zeit von rund 5 der
Einschwingvorgang abgeschlossen ist.
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Zusammenfassung und grafische Darstellung der Ergebnisse des Beispiels:
i(t) 
t

U 
 1  e  
R 

(14)
t


u R (t)  U  1  e  


(15)
t
u L (t)  U  e 
(16)
Darstellung der zeitlichen Strom- und Spannungsverläufe:
Beispiel mit:
U = 10 V
R = 0,5 
L=1H
istat 
U 10 V

 20 A
R 0,5 
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
L
1H

2s
R 0,5 
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