Genmutationen sichern Therapieerfolg

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MOLEKULARE MEDIZIN
Individualisierte Krebstherapie
Genmutationen sichern Therapieerfolg
Eigentlich gelten unkontrollierte Genmutationen als Krebsauslöser, aber beim nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinom sind bestimmte Mutationen für das Therapieansprechen verantwortlich.
Das Lungenkarzinom ist die dritthäu-
therapie im Rahmen einer multimodalen
im EGF-Rezeptor-Gen mit der Wirksam-
figste Krebserkrankung und die häufigste
Therapie Aussicht auf Heilung. Bei fort-
keit eines speziellen Inhibitors (Gefitinib)
Krebstodesursache in Deutschland. An
geschrittenen Tumoren im Stadium IIIB
korrelieren. Diese Mutationen sind bei nur
der hohen Mortalität von etwa 50.000 pro
und IV ist bislang die Chemotherapie die
5-20% der nicht-kleinzelligen Bronchial-
Jahr bzw. 30% aller Krebssterbefälle hat
Therapie der Wahl, doch lässt sich damit
karzinome (NSCLC) nachweisbar, aber
sich trotz hochspezialisierter chirurgischer
meist keine wesentliche Verlängerung der
immerhin sprechen ca. 70-75% der NS-
Methoden und adaptierter Chemotherapie-
Überlebenszeit erreichen.
CLC-Tumoren mit einer EGFR-Mutation
auf das neue Medikament an.
Protokolle seit 1950 nichts Wesentliches
Die Hoffnungen der Medizin liegen der-
geändert. Doch neuerdings steht das nicht-
zeit in zielgerichteten Therapien, die sich
Erwartungsgemäß ist in unselektierten
kleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC)
gegen Wachstumsrezeptoren in der Tumor-
Patientenkollektiven kein signifikanter
im Fokus des therapeutischen Interesses.
zellmembran richten. Man unterscheidet
Vorteil einer TKI-Therapie nachweisbar,
Mit einer Inzidenz von 40 pro 100.000
hochmolekulare blockierende Antikörper
aber eine Subgruppe von Patienten, ins-
Einwohner und Jahr macht es rund 70% al-
gegen die extrazelluläre Domäne und klei-
besondere Asiaten und Niemals-Raucher
ne inhibierende
sowie ein Teil der Patienten, bei denen eine
Moleküle, die
Platin-basierte Behandlung wirkungslos
ins Innere der
war, profitieren davon.
Tu m o r z e l l e n
eindringen kön-
Gastkommentar
nen und dort die
TyrosinkinaseAktivität
der
intrazellulären
Domäne hemmen. In beiden
TMR = Transmembranregion
Fällen kommt
es zur Blocka-
Abb. 1: Das nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC) ist durch Mutationen
de von wachs-
des Wachstumsrezeptors EGFR gekennzeichnet. Es besteht eine Häufung
tumsfördernden
in zwei Abschnitten, nämlich in Exon 19 und Exon 21. Ein wichtiger Ansatz-
Signalwegen.
punkt für die individualisierte Therapie mit dem neuen Tyrosinkinasehemmstoff
Gefitinib (Iressa) ist die L858R-Mutation im Exon 21.
Man
kennt
heute etwa 500
ve r s c h i e d e n e
ler Lungenkarzinome aus und umfasst die
Tyrosinkinasen und über 100 potenzielle
drei Untergruppen der Plattenepithelkarzi-
Inhibitoren (TKI), die folglich nicht alle
nome, Adenokarzinome und großzelligen
streng spezifisch sein können. Im Fall des
Karzinome. Nur in frühen Stadien besteht
Lungenkrebses hat sich jedoch gezeigt,
durch Operation, Bestrahlung und Chemo-
dass spezielle aktivierende Mutationen
42
Trillium-Report 2010 8(1):42
Das Lungenkarzinom stellt trotz gewisser Therapiefortschritte im letzten Jahrzehnt mit einer
Fünf-Jahres-Überlebensrate von nur 15% weiterhin eine ernste Prognose dar. Insbesondere
zytotoxische Chemotherapeutika, die mittlerweile seit sechs Dekaden weiterentwickelt wurden,
scheinen mit ihren begrenzten Therapieerfolgen
eine Plateau-Phase zu erreichen.
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen weist
die Individualisierung der Therapieauswahl anhand von klinischen, histologischen und molekularbiologischen Kriterien in die richtige Richtung.
Sie hat mit dem gezielten Einsatz von Gefitinib
bei aktivierenden EGFR-Mutationen das erste
und bisher einzige Systemtherapeutikum in die
klinische Anwendung gebracht, das in der Zulassung für die Therapie des nicht-kleinzelligen
Lungenkarzinoms (NSCLC) mit einem positiven
Biomarkernachweis verknüpft ist.
Zwar betrifft die therapierelevante Mutation nur
etwa 10% der NSCLC-Patienten, zumeist Nichtraucher mit Adenokarzinom, doch wird damit
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Abb. 2: Der diagnostische Weg vom Primärtumor der Lunge (links) bis zum spezifischen Mutationsnachweis (rechts) führt über die histopathologische Charakterisierung. In der HE-Färbung erkennt man ein typisches Adenokarzinom mit weitgehender Verdrängung der Lungenbläschen durch
zellreiches Tumorgewebe. Zum Immunphänotyp primär pulmonaler Adenokarzinome gehört u.a. die Expression von TTF1 (braune Granula).
Am 24. Juni 2009 erhielt AstraZeneca die
Zur Auswahl (Stratifizierung) geeig-
Zulassung von Gefitinib (Iressa) für die ge-
neter Patienten ist vor Behandlungsbe-
samte Europäische Union zur Behandlung
ginn eine gezielte Diagnostik durch den
Für die Zukunft wird es wichtig sein,
nicht-kleinzelliger Bronchialkarzinome
Pathologen erforderlich. Sie beginnt mit
sowohl primäre als auch sekundäre thera-
mit aktivierenden EGFR-Mutationen.
der Identifizierung und Mikrodissektion
pierelevante Mutationen zur Stratifizierung
Über 90% dieser Mutationen betreffen
des Tumorgewebes nach adäquater histo-
von Patientengruppen zu identifizieren, um
einen kleinen Abschnitt des Gens, insbe-
pathologischer Subtypisierung des Bron-
mit der zielgerichteten individualisierten
sondere in der ATP-bindenden Domäne
chialkarzinoms. Anschließend erfolgt
Therapie Erfolge zu erzielen sowie unnö-
des Rezeptors (Abb. 1).
eine DNA-Isolierung und Sequenzierung
tige Nebenwirkungen und Kosten zu ver-
(Abb. 2).
meiden. Die molekularpathologischen Me-
die Suche nach weiteren Biomarkern beflügelt.
Hoffnungsvolle Kandidaten wie das eml/alkFusionsgen oder diverse Resistenzmarker für
Chemotherapeutika und Tyrosinkinase-Inhibitoren werden derzeit in klinischen Studien auf
ihre Anwendbarkeit überprüft.
Der Befund des (Molekular-)Pathologen wird
also künftig nicht nur für die Diagnosesicherung, sondern in zunehmendem Maß auch für
die Therapieauswahl entscheidend sein. Das
erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit
von Pneumologen, Radiologen, Onkologen,
Strahlentherapeuten und Chirurgen.
Hier steckt die Forschung noch in den
Anfängen.
Neben Mutationen, die die Wirksam-
thoden dafür sind heute in ausreichendem
keit der TKI-Behandlung erhöhen, wur-
Maße vorhanden, und Ringversuche unter
den im Krebsgenom auch Veränderungen
dem Dach der Qualitätssicherungs-Initiati-
entdeckt, die eine primäre oder sekundäre
ve Pathologie (QuIP) stellen die für solche
Therapie-Resistenz verursachen. Dazu
Untersuchungen nötige hohe Qualifikation
gehören zum Beispiel KRAS-Mutationen,
der zertifizierten Pathologischen Institute
die vorwiegend bei Rauchern, aber so gut
sicher.
wie nie in Kombination mit EGFR-Mutationen auftreten.
Nach initial erfolgreicher Therapie
können auch sekundäre Mutationen
auftreten, die entweder das EGFR-Gen
oder andere Signalkaskaden betreffen.
Einige scheinen Resistenzen für Chemo-
Priv.-Doz. Dr. med. Dipl.-Med. Mike Otto
therapeutika zu vermitteln; Kandidaten
Prof. Dr. med. Christopher Poremba
hierfür sind zum Beispiel bei Taxanen
Prof. Dr. med. Dr. phil. Jörg Kriegsmann
das Klasse III Beta-Tubulin (TUBB3),
Priv.-Doz. Dr. Martin Steins
Prof. Dr. Michael Thomas
Thoraxklinik Heidelberg
bei platinhaltiger Chemotherapie ein
Zentrum für Histologie, Zytologie und
ERCC1-Polymorphismus und bei Gem-
Molekulare Diagnostik ZHZMD Trier
citabin eine RRM1-Überexpression.
www.patho-trier.de
Trillium-Report 2010 8(1):43
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