restglühen - Theater für Niedersachsen

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Restglühen
Schauspiel von Petra Wüllenweber
Spielzeit 2014/15
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Gotthard Hauschild (Dr. Thomas Lammenbehr).
Zum Stück
Jochen Billziger, Abteilungsleiter in einer Bank, hat Rückenschmerzen. Mirjam Schmitt,
Verkäuferin in einem Drogeriemarkt, wird ständig von Weinkrämpfen heimgesucht.
Der Lehrer Dr. Thomas Lammenbehr hat massive Verdauungsprobleme, den Pianisten
Ferdinand Kleewin belastet sein Tinnitus und die Werbegrafikerin Carmen Wellner
ist geplagt von Panikattacken. Sie alle wollen gesund werden und begegnen sich in
einem privaten Burnout-Seminar. Unter Anleitung der Psychologin Dr. Swana
Kimberk hoffen sie, wieder zurück ins Leben zu finden. Denn ihre körperlichen und
seelischen Krankheitssymptome sind alle Folgen von Burnout, jenem Phänomen,
das aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist.
In Gruppen- und Einzelgesprächen, in Achtsamkeits- und körperlichen Übungen
tasten sich die Fünf mal vorsichtig und widerwillig, mal engagiert und ehrgeizig an
die eigenen Probleme heran. Gerade als sie beginnen, Verständnis für die anderen
und ihre eigene Situation zu entwickeln, schleicht sich Misstrauen in die Gruppe:
Werden sie hier überwacht? Ist der Spitzel vielleicht sogar einer von ihnen?
Dr. Kimberk entgleitet die Situation …
Das Stück RESTGLÜHEN wurde von Petra Wüllenweber im Auftrag des TfN
geschrieben. Ein Anlass darüber nachzudenken: Wie wollen wir leben und arbeiten?
Zur Autorin
Petra Wüllenweber wurde 1971 in Saarbrücken geboren. Sie studierte Regie an der
Theaterakademie in Ulm und war anschließend Regieassistentin und Regisseurin
an den Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld/Mönchengladbach. Seit Herbst 2000
arbeitet Petra Wüllenweber als freie Regisseurin u.a. in Regensburg, Heilbronn, Köln,
Krefeld, Mönchengladbach, Bremen, Linz und Hildesheim, wo sie zuletzt „Eine Stille
für Frau Schirakesch“ und „Antigone“ inszeniert hat.
Zudem ist Petra Wüllenweber als Autorin tätig. Am Theater Heilbronn brachte sie
ihre Theateradaption von Dirk Kurbjuweits Novelle „Zweier ohne“ zur Uraufführung
und wurde 2014 damit in der Sparte Regie Kinder- und Jugendtheater für
den deutschen Theaterpreis Faust nominiert. Ihre Theaterstücke „Am Horizont“
und „Zur Zeit nicht erreichbar“ wurden für den Mülheimer KinderStückePreis 2010
bzw. 2012 nominiert. Für das Potsdamer Hans Otto Theater schrieb sie das Stück
„Und morgen?“, das im April 2015 uraufgeführt wurde. Petra Wüllenweber lebt in Köln.
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Bei dauerhafter Überforderung
verliert man sich
Petra Wüllenweber im Gespräch mit Dramaturgin Cornelia Pook
Was interessiert dich besonders an der Thematik Burnout?
Wieso sind in unserer Gesellschaft so viele Menschen davon betroffen? Warum
erkrankt der eine daran und jemand anderes, der die gleichen Bedingungen hat, nicht?
Wo sind die Ursachen für dieses Erschöpfungssyndrom? Und können wir etwas
dagegen machen?
Warum ist das Thema Burnout deiner Ansicht nach in der heutigen Gesellschaft
so verbreitet?
Unsere Leistungsgesellschaft zwingt uns, uns immer schneller an neue Prozesse,
Herausforderungen etc. anzupassen. Der Mensch ist grundsätzlich sehr anpassungs­fähig. Aber wenn die Anforderungen permanent zu hoch sind, überfordert man sich
dauerhaft – und verliert sich darüber.
Gab es Dinge, die in der Beschäftigung mit dem Thema für dich besonders
überraschend waren? Die du so nicht erwartet hast?
Nein, auch wenn es durchaus seltsame Behandlungsformen gibt. Einige BurnoutKliniken haben sich auf „Green Care“ spezialisiert. Sie arbeiten mit Lamas, Hühnern
und Schafen zusammen. Und preisen auf ihrer Internetseite ihre „zertifizierten
Therapieschweine“ als Co-Therapeuten an.
Warum eignet sich das Thema Burnout für die Bühne?
Das Theater bietet die Möglichkeit, die Gesellschaft zu spiegeln, aktuelle Themen
zu verhandeln und dabei Fragen zu stellen. Deshalb gehört für mich auch das Thema
Burnout auf die Bretter, die die Welt bedeuten.
Wie überführt man ein derart komplexes Thema in ein Theaterstück?
Berufsgeheimnis.
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Martin Molitor (Jochen Billziger) und Simone Mende (Dr. Swana Kimberk)
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Michaela Allendorf (Mirjam Schmitt).
Burnout –
Überfordert und ausgebrannt
Mehr Deutsche denn je fühlen sich tief erschöpft. Doch es ist
nicht die Arbeit allein, die uns krank macht. Es sind auch unsere
überzogenen Erwartungen an ein perfektes Leben.
(…) Burnout ist keine Krankheit, sagen Mediziner. Burnout ist ein Risikozustand.
Das wichtigste Erkennungszeichen: Man fühlt sich überwältigend erschöpft. Aufstehen,
Duschen, Kaffee kochen, alles, was zur Tagesroutine gehört, wird zur unzumutbaren
Kraftanstrengung. Die eigene Arbeit wird als wirkungslos erlebt, was häufig auch
stimmt: Denn die Leistungsfähigkeit nimmt dramatisch ab. Und noch etwas kommt
hinzu: Die Distanz zur Umwelt wird größer. Die Erschöpften werden zynisch,
apathisch. Dieser Risikozustand kann irgendwann, schleichend, in eine handfeste
Krankheit münden: meist in eine Depression, dann oft Erschöpfungsdepression
genannt. Möglich sind aber auch Panikattacken oder körperliche Krankheiten.
Erst wenn es so weit ist, geraten die Ausgebrannten richtig aus dem Tritt.
Burnout ist ein gesellschaftliches Problem. Denn es melden sich immer mehr
Betroffene. Gab es 2004 noch lediglich 4,6 Krankheitstage durch Burnout je 1000
Krankenversicherte, so waren es im Jahr 2012 schon 87,5 Krankheitstage. Eine
Steigerung um 2000 Prozent in acht Jahren. Seelische Erkrankungen sind heute der
häufigste Grund für die Frühverrentung. Ein wichtiger Auslöser dafür: Burnout. (…)
Anfällig für den Zusammenbruch sind insbesondere zwei Typen von Menschen:
Perfektionisten und Idealisten. Das sind perfiderweise häufig diejenigen, die in ihrer
Arbeit besonders engagiert sind, voller Enthusiasmus für die Sache. Sie brennen
für ihren Beruf – und dann sind sie irgendwann ausgebrannt. „Narzisstische
Persönlichkeiten sind anfällig“, sagt Götz Mundle medizinischer Geschäftsführer der
Oberbergkliniken, die Burnout-Patienten behandeln. (…) „Und Menschen, die schon
in der Kindheit gelernt haben: Nur wenn ich etwas leiste, werde ich von meinen Eltern
wahrgenommen.“ (…) Die Arbeitsbelastung von Führungskräften taugt besonders
gut für Heldengeschichten voller Superlative – von den Ausgebrannten selbst
immer noch mit einem Rest von Stolz auf die einstigen schier übermenschlichen
Leistungen erzählt. Doch Burnout gibt es längst auch unter normalen Leuten, ohne
70-Stunden-Woche und ständige Auslandsreisen. Mittlerweile trifft es fast alle
Berufsgruppen. Auch Sekretärinnen haben Burnout, sogar Arbeiter am Band.
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Klar belegt ist: Burnout hat mit Stress zu tun, mit chronischem Stress über Wochen,
Monate, Jahre. Wer seinen Körper immer wieder überlistet und mit Kaffee, Drogen
oder eisernem Willen zu Leistungen zwingt, wo er Ruhe fordert, der riskiert
Erschöpfung und Depression – und zudem eine Menge anderer gefährlicher Dinge:
Infektionskrankheiten häufen sich, weil das Immunsystem nicht mehr richtig
arbeitet, das Krebsrisiko steigt, man ist gereizt, bekommt Sodbrennen, Kopf­schmerzen, Schlafstörungen, Angstzustände.
So weit, so eindeutig. Doch wieso haben wir heute mehr Ausgebrannte als einst?
Haben wir denn so viel mehr Stress als früher? Schnell ist man dabei, das zu glauben.
Schließlich ist die Kommunikation in der heutigen Arbeitswelt schneller, die
Geschäftsreisen sind häufiger und weiter, die Stellen unsicherer als vor 15 Jahren.
Doch es gibt genauso viele Indizien, die solche Vermutungen in Frage stellen:
Früher gab es ganz andere Bedrohungen wie etwa Weltkriege, die auch gehörigen
Stress auslösten; es wurde länger gearbeitet; Despotismus unter den Chefs und
starre Hierarchien waren weit verbreitet. Es gab lange Zeiten in der Geschichte,
in denen die Arbeitsplätze viel unsicherer waren als heute. Die meisten
Psychologen machen deshalb nicht vorrangig die Arbeitswelt verantwortlich. „Ich
glaube nicht, dass die Menschen heute ihre Arbeit mehr hassen als vor hundert
Jahren“, sagt der Psychologe und Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi.
Die Skepsis der Psychologen zwingt dazu, nach weiteren Gründen für das MassenPhänomen Burnout zu fahnden. Was bedeutet es, dass Menschen, die allein leben,
ein höheres Burnout-Risiko haben? Warum sind Personen, die geistig arbeiten,
besonders gefährdet? Körperlich Arbeitende leiden bei Überlastung eher unter
körperlichen Symptomen. Beides – die geistige Arbeit wie das Single-Dasein –
hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Das begünstigt die
Erschöpfung. Dazu kommt, dass die Einstellung der Menschen zu psychischen
Krankheiten sich verändert hat. So wird heute als Erschöpfung diagnostiziert,
was früher unter dem Deckmantel körperlicher Diagnosen versteckt wurde.
Der wohl wichtigste Grund aber, wieso die Arbeitswelt den Menschen derzeit so
zusetzt, liegt in den Menschen selbst: in ihrer Sehnsucht, ihrem Streben nach
dem perfekten Leben. Perfektionismus ist heute nicht mehr einfach nur vorzeigbar,
sondern gilt vielerorts als höchst erwünscht. Die Generation der Selbstoptimierer
versucht, das Beste aus dem Leben herauszuholen – und macht sich den Stress zu
einem Gutteil selbst. Sie arbeitet sich ab an den eigenen Ansprüchen und riskiert,
am Ende auszubrennen.
Lisa Nienhaus und Bettina Weiguny in: FAZ, 24.4.2014
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Simone Mende (Dr. Swana Kimberk) und Julia Gebhardt (Carmen Wellner)
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Thomas Strecker (Ferdinand Kleewin), Martin Molitor (Jochen Billziger).
und Michaela Allendorf (Mirjam Schmitt).
Schluss mit Ärger und Stress
Was können wir tun, um der Beschleunigung im Außen eine innere Entschleunigung
entgegenzusetzen?
1. Stellen Sie sich in den Mittelpunkt Ihrer Aufmerksamkeit und machen Sie Ihre
innere und äußere Lebensqualität zum zentralen Thema Ihres Lebens. Das ist
keineswegs egoistisch. Denn die Menschen, die nicht gut für sich sorgen, sondern
sich für andere aufopfern, sind für diese eine Belastung.
2. Überprüfen Sie systematisch, was in Ihrem Leben nicht (mehr) stimmt. Das betrifft
die Arbeit wie die Partnerschaft, Wohnung, Wohnort und Freundeskreis. Test:
Wenn Sie mit einem Menschen ein paar Stunden zusammen waren oder nach der
Arbeit heimkommen, fühlen Sie sich danach bereichert und fröhlich oder erschöpft
und ausgelaugt? Dann überlegen Sie, was Sie konkret ändern können und wollen.
3. Nehmen Sie sich Zeiten mit sich selbst, in denen Sie nichts tun, sondern einfach da
sind mit sich und für sich selbst. Auch wenn Sie Familie haben, können Sie das
organisieren – wenn Sie wollen.
Robert Betz, Diplom-Psychologe
Ensemble
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Restglühen
Schauspiel von Petra Wüllenweber
30. Mai 2015 im Großen Haus, Hildesheim
Aufführungsdauer 2 Stunden 20 Minuten, inklusive einer Pause
Aufführungsrechte THEATERSTÜCKVERLAG, München
Uraufführung
Petra Wüllenweber
Bühne und Kostüme Susanne Ellinghaus
Dramaturgie Cornelia Pook
Inszenierung
Dr. Swana Kimberk Simone Mende
Jochen Billziger Martin Molitor
Dr. Thomas Lammenbehr Gotthard Hauschild
Carmen Wellner Julia Gebhardt
Ferdinand Kleewin Thomas Strecker
Mirjam Schmitt Michaela Allendorf
Ein besonderer Dank an Sven Weissenborn von Eintracht Hildesheim/
Abteilung Karate (U25) für die Einstudierung der Karate-Choreografie und
an Andreas Unsicker für die musikalische Einstudierung der Beatles-Songs.
Petra Wüllenweber
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Susanne Ellinghaus
Michaela Allendorf
Julia Gebhardt
Regieassistenz und Abendspielleitung Anne Beyer
Inspizienz Mick Lee Kuzia
Soufflage Heinrich Maas
Technik/Werkstätten
Technische Direktion Guido aus dem Siepen*, Ringo Günther
Ausstattungsleitung Hannes Neumaier*, Elisabeth Benning
Technische Leitung Produktion Andrea Radisch*
Bühnentechnik Eckart Büttner*, Jenny Nobbe, Manfred Lawrenz, Andreas Sander
Beleuchtung Lothar Neumann*, Lars Neumann, Daniel Paustian
Ton Thomas Bohnsack-Pätsch*, Attila Bazso, Indra Bodnar, Dirk Kolbe
Maske Carmen Bartsch-Klute*, Birgit Heinzmann, Jennifer Mewes
Requisite Silvia Meier*
Schneidereien Annette Reineking-Plaumann*, Egon Voppichler*
Werkstättenleitung Werner Marschler*
Tischlerei Johannes Niepel*
Malsaal Thomas Mache*
Schlosserei Joachim Stief*
Dekoration Danja Eggers-Husarek, Anita Quade
* Abteilungsleiter/-in
Gotthard Hauschild
Simone Mende
Martin Molitor
Thomas Strecker
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Impressum
TfN ∙ Theater für Niedersachsen
Theaterstraße 6
31141 Hildesheim
www.tfn-online.de
Spielzeit 2014/15
Intendant Jörg Gade
Prokuristen Claudia Hampe, Werner Seitzer
Probenfotos Andreas Hartmann | Porträtfotos T. Behind-Photo­graphics,
Andreas Hartmann, Judith Schenten Textnachweise Lisa Nienhaus/Bettina Weiguny:
Burnout – Überfordert und ausgebrannt. In: FAZ, 24.4.2014. Robert Betz: Schluss
mit Ärger und Stress. In: Kopf bis Fuß. Magazin für Körper und Gesundheit,
3/2015. Die anderen Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.
Gestaltung ProSell! Werbeagentur GmbH, Hannover Layout Jolanta Bienia
Druck Gerstenberg Druck & Direktwerbung GmbH
Gefördert durch: Partner:
Sponsoren:
Freunde des
Theater für Niedersachsen e. V.
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Martin Molitor (Jochen Billziger)
15
„Wer ist für Sie
der wichtigste Mensch?“
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