„Fieber seit drei Tagen und Auswurf“ Symptome akuter Atemwegsinfektionen, die mit einer Antibiotikaverordnung assoziiert sind. Eine Conjointanalyse bei Hausärzten. Susann Schaffer Schaffer1, Schwarz2, Kühlein1, Roos1 & Schedlbauer1 1 2 Allgemeinmedizinisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen Medizinische Fakultät, FAU Erlangen-Nürnberg Hintergrund: Warum Antibiotika bei Husten? Symptome als vermeintliches Indiz einer bakterieller Infektion: Gelb-grünlicher Auswurf (Altiner et al., 2009) Fieber (Coenen et al., 2002) Patienteneigenschaften, die eine Antibiotikaverordnung rechtfertigen: Hohes Alter und Komorbiditäten (NICE-Guideline, DEGAM-Leitlinie Akuter Husten) Bei welchen Symptomen einer Erkrankung der oberen Atemwege und bei welchen Patienteneigenschaften ziehen Hausärzte die Verordnung eines Antibiotikums in Betracht? Fragestellung Husten seit fünf Tagen Gelb-grünlicher Auswurf 38° Fieber Ja oder nein? 1. Welche Merkmale sind am stärksten mit einer Verordnung assoziiert? Conjointanalyse 2. Wie sicher sind sich Hausärzte in ihrer Verordnungsentscheidung? 3. Gibt es einen Zusammenhang zu arztseitiger Ambiguitätstoleranz? Fragebogen „Physicians‘ reactions to uncertainty“ - PRU 4. Gibt es Subgruppen mit unterschiedlicher Entscheidungstendenz? Clusteranalyse Fragestellung Husten seit fünf Tagen Gelb-grünlicher Auswurf 38° Fieber Ja oder nein? 1. Welche Merkmale sind am stärksten mit einer Verordnung assoziiert? Conjointanalyse 2. Wie sicher sind sich Hausärzte in ihrer Verordnungsentscheidung? 3. Gibt es einen Zusammenhang zu arztseitiger Ambiguitätstoleranz? Fragebogen „Physicians‘ reactions to uncertainty“ - PRU 4. Gibt es Subgruppen mit unterschiedlicher Entscheidungstendenz? Clusteranalyse Methodik Husten seit fünf Tagen Gelb-grünlicher Auswurf 38° Fieber Ja oder nein? Objekte/Personen haben bestimmte Ausprägungen von Merkmalen Beurteilung erfolgt jedoch ganzheitlich Conjointanalyse: Einfluss (Nutzen) einer Merkmalsausprägung Clusteranalyse: Beschreibung von Subgruppen, die sich in der Nutzenbeurteilung unterscheiden Methodik: Fallvignetten aus Kombinationen verschiedener Eigenschaften Fallvignetten erstellen: Eigenschaften Ausprägungen Sputum Durchsichtiges Sputum Gelb-grünes Sputum Alter des Patienten Jung (33-43) Alt (76-80) Vorerkrankungen Keine Diabetes Typ 2 Fieber Kein 38° bis 39° Dauer der Erkrankung 1-2 Tage, seit gestern,… 5-8 Tage, seit einer Woche, seit mehr als fünf Tagen usw. Erhebungsdesign: reduziertes Design aus 2 x 2 x 2 x 2 x 2 Kombinationen 16 Fallvignetten (aus 32 möglichen) nach Hahn und Shapiro Katalog Dargeboten in randomisierter Reihenfolge Methodik: Online-Befragung von Hausärzten, Rekrutierung über Email-Verteiler BHÄV, N = ca. 5000 und List-Server, N = 781. Fragebogenaufbau: (1) 16 Fallvignetten in randomisierter Reihenfolge (2) PRU-Fragebogen (15 Items, nach Gerrity et al. und Schneider et al.) Ergebnisse Teilnehmer List-Server: 98, Rücklauf: 13% BHÄV: 75, Rücklauf = 2% Vollständig beantwortet N = 173 Nutzenwerte für Conjointanalyse N = 139 N = 164 Demografische Angaben (N = 139): 66% männlich 40% seit mehr als 15 Jahren als Hausarzt tätig 63% arbeiten in einer Gemeinschaftspraxis 75% sind Allgemeinmediziner Ergebnisse: Verordnungsrate pro Fall 100 Verordnungsrate in % 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 16 14 15 4 Höchste Verordnungsrate: alt, grün-gelblicher Auswurf, lange Dauer, Fieber. 12 8 7 10 13 Fallvignette 6 2 5 1 11 3 9 Niedrigste Verordnungsrate: (9) alt, Diabetiker, sonst unkompliziert und (3) jung, Diabetiker, lange Dauer. Ergebnisse: Gesamtnutzenwerte der Merkmale Alter Auswurf Dauer Temperatur Komorbidität Konstante jung alt farblos gelb-grün kurz lang kein Fieber Fieber keine Diabetes Typ 2 Nutzenschätzung Standardfehler -,09 ,09 -,14 ,14 -,12 ,12 -,15 ,15 -,03 ,03 ,29 ,04 ,04 ,04 ,04 ,04 ,04 ,04 ,04 ,04 ,04 ,04 Höchsten Nutzen haben Auswurf und Temperatur. Komorbidität und Alter scheinen weniger wichtig zu sein. Wichtigkeitswert 17,1 23,6 20,7 27,3 11,4 Ergebnisse: Clusteranalyse (Nutzen einzelner Merkmale) 2 Cluster, Single Linkage, quadrierte euklidische Distanz Ausschluss von zwei Ausreißerwerten Finale Clusterlösung: 2 Cluster, Ward-Methode Ergebnisse: Unterschiede zwischen den Clustern Cluster 1 Cluster 2 N 92 45 Relevante Symptome und Patientenmerkmale Gelb-grünlicher Auswurf Vorhandensein von Fieber Hohes Alter 0,26 0,11 Gelb-grünlicher Auswurf 0,36 0,1 Längere Krankheitsdauer 0,26 0,28 Fieber 0,23 0,54 Diabetes 0,1 0,08 Unterschiede: Farbe des Sputums vs. Fieber. Ergebnisse: Unterschiede zwischen den Clustern Cluster 1 Cluster 2 N 92 45 Relevante Symptome und Patientenmerkmale Gelb-grünlicher Auswurf Vorhandensein von Fieber Verordnungsrate (M) 27% 30% Entscheidungssicherheit (M) 4,7 4,6 PRU-Summenscore (M) 42,3 43,0 Soziodemographische Merkmale 50,4 Alter, M in Jahren 66% Geschlecht (männlich) Mehr als 10 Jahre Hausarzt 59% 48,1 66% 49% Fiebercluster: tendenziell jünger und mehr Ärzte mit weniger Berufserfahrung. Schlussfolgerung Insgesamt relativ geringe Verordnungsrate. Bezüglich verordnungsrelevanter Merkmale unterscheiden sich zwei Gruppen: Farbe des Sputums vs. Vorhandensein von Fieber. Farbe des Sputums gilt als „alte Lehrmeinung“. Diese Gruppe ist etwas älter und meist länger im Berufsleben. Faktoren, die in Leitlinien genannt werden, scheinen für die Befragten weniger wichtig zu sein. Limitationen: geringerer Rücklauf.