Wolfgang Rihm - Schulmusik

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Wolfgang Rihm
Klavierkonzert Nr. 2
Do 19. Januar 2017, 20 Uhr
Fr 20. Januar 2017, 20 Uhr
Stuttgart, Liederhalle
So 22. Januar 2017, 20 Uhr
Freiburg, Konzerthaus
(jeweils 19 Uhr Konzerteinführung)
Außerdem auf dem Programm:
W. A. Mozart: Konzert-Rondo A-Dur; R. Strauss: Burleske für Klavier u. Orch.
d-Moll; L. v. Beethoven: Sinfonie Nr. 8
Tzimon Barto, Klavier
SWR Symphonieorchester
Dirigent: Christoph Eschenbach
Empfohlen ab Klasse 8
Erstellt von Anja Renczikowski
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Inhalt:
I. Wolfgang Rihm – Ein Komponist zwischen Tradition und Freiheit
II. Aufgeregtes Fließen - Wolfgang Rihms zweites Klavierkonzert
III. Ausführende
1. Der Pianist: Tzimon Barto
2. Das SWR Symphonieorchester
3. Der Dirigent: Christoph Eschenbach
IV. Wo gibt es mehr?
1. Weblinks
2. Hörtipps
3. Literatur
V. Unterrichtsmaterial
1. Ein Leben in Stichworten
2. Daten zum Werk
VI. Unterrichtliche Hinweise
1. Wolfgang Rihm in einem Interview mit dem Musikjournalisten
Bjørn Woll über sein 2. Klavierkonzert.
2. Der „Nobelpreis“ der Musik: Der Ernst-von-Siemens-Musikpreis.
3. Wolfgang Rihm - der schreibende Komponist
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I. Wolfgang Rihm – Ein Komponist zwischen Tradition und Freiheit
„Durch Faktur und Diktion stelle ich meine Musik bewusst in die Tradition Beethovens,
Bruckners, Mahlers und Hartmanns, weil ich von diesen Komponisten gelernt habe, Musik
als sprechenden Übergang ins Unsagbare zu begreifen; als einen behaupteten Vorstoß, der
es mir ermöglicht, auch dort mit Menschen zu reden, wo ich kopflos viel zu ängstlich bin, wo
ich im Drumherum, im Vorgeplänkel schon ersticke, wo wir keine Worte mehr haben.
Vielleicht arbeite ich deswegen oft so hastig und lustvoll, weil ich wegen meiner
Überwindungshoffnung in Euphorie gerate“, so der Komponist Wolfgang Rihm. Derartige
Überlegungen über sein eigenes künstlerisches Schaffen begleiten sein umfangreiches
kompositorisches Werk. Dabei steht Rihm sich selbst und seiner Auseinandersetzung mit
der Musik und ihrer Geschichte immer kritisch gegenüber. Das ist faszinierend und selten.
Ein Komponist, der sich selbst hinterfragt, der von sich behauptet auch mal „kopflos“ und
„ängstlich“ zu sein, überrascht. Vor allem dann, wenn man weiß, dass er weit über 400
Kompositionen geschrieben hat und zu den erfolgreichsten Komponisten Deutschlands zählt.
Seine Werke werden im In- und Ausland, in den großen Konzert- und Opernhäusern und bei
großen Festivals aufgeführt. Mit Spannung wird jedes neue Werk von ihm erwartet. Sein
Wissen im Blick auf die Musik ist allumfassend, gleichwohl seine Kenntnis im Bereich der
Künste, Literatur und Philosophie, die für seine Kompositionen als Inspirationsquellen
dienen. Rihm ist ein vielseitiger Komponist, für den die Lehre (seit 1985 unterrichtet er an
der Musikhochschule Karlsruhe) und das Schreiben (mehrere Bände seiner Schriften, Essays
und Interviews sind erschienen) ebenso zu seinem Komponisten-Dasein gehört, wie er sein
Publikum als charismatischer Redner beeindruckt. Viele Ehrungen und Auszeichnungen
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begleiten seine Karriere: Rihm ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin, München und
Mannheim sowie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. 1989
erhielt er das Bundesverdienstkreuz und 2003 wurde er mit dem Ernst-von-SiemensMusikpreis (so etwas wie der „Nobelpreis“ im Bereich der klassischen Musik) ausgezeichnet.
Wolfgang Rihm wurde 1952 in Karlsruhe geboren, wo er auch heute noch lebt und arbeitet.
Seit den 1970er Jahren beschäftigt sich Rihm, der u.a. bei Klaus Huber und Karlheinz
Stockhausen studierte, mit den Ideen der Avantgarde. Im Zentrum seiner Arbeit steht der
unmittelbare Ausdruckswille, mit dem er bereits 1974 bei den Donaueschinger Musiktagen
Publikum und Kritik irritierte und die bis heute seine musikalische Handschrift prägt.
Individuelle Erfahrung und das vorbehaltlose Einbeziehen von Traditionen klammert er
bewusst nicht aus. Vieles kann man über sein vielfältiges Œuvre sagen – doch einzig gültig
mag sein, dass es sich jedem Versuch widersetzt in bestimmte Kategorien eingeordnet zu
werden. Er möchte sich und seine Hörer überraschen, mit jedem Werk neue Fragen
aufwerfen, die mit folgenden Werken vielleicht eine weitere Antwort finden. Neben
Musiktheaterstücken, Werken für großes Orchester, finden sich im Werkkatalog Rihms
Kammermusik- und Vokalwerke. Zahlreiche Kompositionen bilden Gruppen oder Reihen, von
einigen gibt es fortschreitende Fassungen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass seine
Kompositionen nicht nur im Zirkel der so genannten „Neuen Musik“ Gehör finden, sondern
mit einer großen Selbstverständlichkeit genauso in einem Abonnementzyklus für Liebhaber
der klassischen Musik oder bei Musikfestivals Platz finden.
Ganz offen bekennt sich Wolfgang Rihm zu scheinbar unvereinbaren Bezugspunkten wie der
musikalischen Spätromantik und der zweiten Wiener Schule wie auch der Avantgarde. Statt
determiniertem seriellen Denken (Serielle Kompositionen basieren auf dem Versuch,
möglichst alle Eigenschaften der Musik, wie Tondauer, Tonhöhe oder Lautstärke, auf Zahlenoder Proportionsreihen aufzubauen) in musikalischen Strukturen war und ist für ihn die
künstlerische Freiheit wichtigstes Kriterium. Während andere Komponisten seiner
Generation
sich
um
eine
ent-romantische
und
ent-subjektivierte
Musik-
und
Kunstbetrachtung bemühten, finden sich bei ihm Begriffe wie „Intuition“, und „Spontanität“.
Form ist für Wolfgang Rihm kein vorgegebenes Konzept, sondern eng mit dem Prozess des
Komponierens verbunden. Jeder in der Musik gefundene Gedanke schafft sich im Verlauf der
Komposition seine Form selbst. Rihm fordert die Freiheit in der Wahl der Mittel und der
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Bezugspunkte und findet dafür eine eigene Beschreibung: „Unter ‚inklusivem Komponieren‘
verstehe ich eine Arbeitsweise, die durch Einbeziehung und Umschließung aller von
Phantasie und Arbeitsökonomie berührten und geöffneten Bereiche zu einem mit
Gegenwart vollgesogenen Ergebnis gelangt.
II. Aufgeregtes Fließen - Wolfgang Rihms zweites Klavierkonzert
Bild: Marco Borrelli
Wolfgang Rihm ist nicht nur einer der bekanntesten lebenden Komponisten in Deutschland –
er ist auch einer, der sehr viel komponiert. Innerhalb eines Jahres schrieb er sein zweites
Klavierkonzert, ein Hornkonzert und ein Trio concerto. Ihnen allen gemeinsam ist der
Oberbegriff „Konzert“. Ein traditioneller Begriff und der Komponist hat auch nichts dagegen,
dass er sich in die lange Reihe der Komponisten einreiht, die eben Musik für große Orchester
und Solisten geschrieben haben. Die Virtuosität in Form eines brillierenden Solisten ist ihm
dabei weniger wichtig, vielmehr spricht er von einer „weitergetragenen Energie“. Dabei
betont er, dass er besonders gerne für Menschen schreibt, die er kennt und deren
instrumentales und musikalisches Können er bewundert. Dazu zählen zum Beispiel der
Klarinettist und Komponist Jörg Widmann, die Geigerin Anne-Sophie Mutter oder der Pianist
Tzimon Barto. Durch den gemeinsamen Bekannten Christoph Eschenbach, der als Dirigent
auch das Konzert mit dem SWR Symphonieorchester leiten wird, hat er den amerikanischen
Pianisten kennengelernt. Wolfgang Rihm ist vom Spiel Tzimon Bartos faszinierte und schätzt
ihn „als außergewöhnlichen und höchst eigen-schöpferischen Künstler“. Und er erklärt
weiter, dass er „über das exquisiteste ‚pianissimo‘ verfüge, das sich denken lässt. Das hat
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sicher auf einige Partien meines neuen Stückes eingewirkt. Auch die vielen Gestalt- und
Charakterwechsel des Tonfalls weiß ich bei Bartos pianistischer Intelligenz in den besten
Händen“. In seinem zweiten Klavierkonzert möchte er kein „Boxkampf nach Noten“, sondern
das „Singen auf dem Klavier“ in den Vordergrund stellt. „Beim Klavierkonzert erhebt sich als
Klangphänomen zart dialogisch Melos allmählich aus dem Leisen“, so Rihm über sein Stück.
Dennoch ist ihm die Expressivität und Intensität der Musik wichtig. Traditionelle Formen wie
das „Konzert“ oder eine „Sinfonie“ sind für ihn vorgeprägte Gefäße, in die er quasi den Klang
der Musik hineingießt. Das musikalische Material bearbeitet er mit viel Freiheit, subjektiven
Empfinden und künstlerischer Entscheidungsfreiheit. Dafür hat er einmal einen schönen
Vergleich angestellt. „Vielleicht bin ich gleichzeitig eine Pflanze und der Gärtner. Also
vegetativ einerseits, andererseits auch ordnend, konzentrierend, den Wuchsformen
helfend.“ Viele dieser „Wuchsformen“ dehnen sich aus – etwa, wenn er seine Werke zyklisch
anordnet und sich dann daraus ganze Werkfamilien bilden. Einmal gewonnenes
musikalisches Material erscheint in verändert Form oder in neuen Zusammenhängen.
Rihms 1. Klavierkonzert – das Konzert für Klavier und acht Instrumente - ist kaum als echtes
Solokonzert zu erkennen. Komponiert hatte Wolfgang Rihm es im Jahr 1969 – uraufgeführt
wurde es erst 1987. Somit ist das zweite Klavierkonzert in gewisser Weise das eigentlich
erste Klavierkonzert. Die Form des Solokonzerts als tradierte Formmodel lotet er hier neu
aus. Fein-Zeichnungen, wie mit einem Pinsel-Strich gemalt wirken manche Passagen. Doch
diese Intimität des Ausdrucks und die Gesanglichkeit bekommen auch Reibungsflächen. Dies
zeigt sich am Beginn des ersten Satzes, der mit „Andante, cantabile, scorrevole, inquieto“
überschrieben ist. Dem Gesanglichen und Fließenden (scorrevole) ist mit „inquieto“ das
„Unruhige““ und „aufgeregte“ entgegengesetzt. Dem Klavierpart wird zwar „sempre dolce“,
also immer sanft empfohlen, die rhythmische Energie des Soloparts und dessen Einbindung
in das Orchester ist durchaus virtuos. Und Rihm selbst erklärt, dass der gesangliche Aspekt
des Klaviers keineswegs diese Seite ausschließt und „die Linienzüge manchmal galoppieren
und ‚husch-quirl-bautz! davon springen“. Im zweiten Satz mit der Bezeichnung „Rondo,
Allegro ma non tanto“ pendelt der Klang zwischen „Härte und Überschwang, zwischen
Schroffheit und glühender Sinnlichkeit“. Wenn Rihm so ganz klassische Satzbezeichnungen,
wie „Rondo. Allego ma non tanto“ verwendet, so zeigt das auch seine Verehrung großer
Komponisten wie Mozart oder Beethoven, deren Namen man sofort mit diesen klassischen
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Bezeichnungen in Verbindung bringt. Und so rät er sein Werk ganz unvoreingenommen
anzuhören: „Denken Sie, es sei von Mozart. Oder von Rihm. Aber am besten: Sie hören
einfach aufmerksam zu.“
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III. Ausführende
1. Tzimon Barto
Die Verbindung zwischen Poesie und Musik ist Tzimon Barto als Pianist sowie in seinen
schriftstellerischen Aktivitäten sehr wichtig; dies drückt sich auch in seinen musikalischen
Interpretationen aus. Seine Sichtweise ist sehr persönlich und unkonventionell; überzeugt
durch
Konsequenz,
exquisiten
Klangsinn
sowie
faszinierende
Kontraste
und
Differenzierungen. Eine farbige und breit gefächerte Ausdruckspalette von federleichten
melodischen Linien bis zu ausdrucksstarken Akkordketten charakterisieren sein Spiel.
Als einer der führenden amerikanischen Pianisten begeistert Tzimon Barto seine
Fangemeinde auf beiden Seiten des Atlantiks. Seinen internationalen Durchbruch feierte er
Mitte der 1980er Jahre, als er auf Einladung Herbert von Karajans im Wiener Musikverein
und bei den Salzburger Festspielen auftrat. Seither ist Tzimon Barto mit beinahe allen
international führenden Orchestern aufgetreten. Bei großen Festivals gastiert er zudem
regelmäßig.
Wolfgang Rihm widmete Tzimon Barto sein 2. Klavierkonzert. Die Uraufführung fand bei den
Salzburger Festspielen 2014 gemeinsam mit dem Gustav Mahler Jugendorchester statt;
gefolgt von einer Tournee durch Deutschland und Italien. Nach der amerikanischen
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Erstaufführung mit dem National Symphony Orchestra Washington, wurde und wird das
Konzert in München, Stockholm, Amsterdam, Stuttgart und Freiburg aufgeführt.
In der Saison 2016/2017 ist Tzimon Barto „artist in residence“ beim SWR
Symphonieorchester und wird mit Repertoire von Klassik bis Moderne sowie in
kammermusikalischer Besetzung zu hören sein.
Tzimon Bartos umfangreiche Diskographie umfasst Alben mit Werken von u.a. Haydn,
Rameau, Schubert, Tschaikowsky, Schumann und Brahms. Seine neusten Einspielungen sind
den Goldberg Variationen in der Busoni-Fassung sowie Paganini Variationen von Liszt,
Brahms, Lutosławski und Rachmaninoff gewidmet. Das selten zu hörende Es-Dur
Klavierkonzert von Hans Pfitzner ist mit ihm und der Staatskapelle Dresden unter Christian
Thielemann erschienen.
Tzimon Barto wuchs in Florida auf, wo er mit fünf Jahren ersten Klavierunterricht von seiner
Großmutter erhielt. An der Juilliard School in New York studierte er bei der berühmten
Klavierdozentin Adele Marcus. Bereits in dieser Zeit gewann er gleich zwei Mal
hintereinander den Gina Bachauer Wettbewerb.
Die Förderung zeitgenössischer Musik liegt Barto sehr am Herzen und so rief er 2006 einen
internationalen Kompositionswettbewerb für Klavier solo – den „Barto Prize“ – ins Leben.
Dieser wird alle zwei Jahre vergeben und das Gewinnerwerk in seinen Reztialen präsentiert.
Tzimon Barto spricht fünf Sprachen fließend, liest Altgriechisch, Latein sowie Hebräisch und
lernt derzeit Mandarin. 2001 erschien sein erstes Buch „eine frau griechischer herkunft“, mit
Neuauflage in 2008. Eine Bühnenversion wurde in Frankfurt und Wien aufgeführt. 2010
erschien die Novelle „Harold Flanders“.
Tzimon Barto ist Artist in Residence beim SWR Symphonieorchester
Insgesamt 16-mal wird Tzimon Barto im Zuge seiner Residency in der aktuellen Saison mit
dem SWR Symphonieorchester zu hören sein. Die Zusammenarbeit beginnt am
11. November 2016 mit seiner Interpretation von Ravels Klavierkonzert G-Dur in Dortmund
und Mannheim und führt den Ausnahmepianisten anschließend mit dem Orchester im
Rahmen einer ausgiebigen Tour nach Spanien. Weitere Konzerte folgen im Januar 2017.
Gleich drei Werke präsentiert Tzimon Barto in diesen Konzerten: Rihms 2. Klavierkonzert
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sowie Strauss Burleske und Mozarts Rondo A-Dur. Mit Christoph Eschenbach, dem
Dirigenten der November und Januar Konzerte, verbindet Tzimon Barto eine langjährige und
intensive Kooperation, weshalb wenige Blicke und Gesten ausreichen, um Momente von
höchstem künstlerischen Ausdruck entstehen zu lassen. Im März 2017 ist Tzimon Barto dann
mit Beethovens 4. Klavierkonzert unter Jakub Hrusa, dem neuen Chefdirigenten der
Bamberger Symphoniker, zu hören. Das Publikum darf gespannt sein auf eine inspirierende
und neue musikalische Zusammenarbeit. Gemeinsam mit Musikern des Orchesters wird
Tzimon Barto Anfang April dann noch mit Dvoraks Klavierquintett zu erleben sein. Seine
erfrischend unkonventionellen Interpretationen und beeindruckende Bühnenpräsenz
zeichnen Tzimon Barto als einer der angesehensten Pianisten der Gegenwart aus.
2. SWR Symphonieorchester
Das SWR Symphonieorchester geht hervor aus der Zusammenführung des RadioSinfonieorchesters Stuttgart des SWR und des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und
Freiburg. Das SWR Symphonieorchester ist zwar neu, aber es hat dennoch bereits nachhaltig
Musikgeschichte geschrieben. Die bedeutenden Traditionslinien und 70 Jahre an gelebter
Erfahrung aus den beiden Vorgänger-Ensembles kommen in ihm überein. Seit der Gründung
1945/46 formten profilierte Chefdirigenten ihre noch jungen Orchester. In Baden-Baden war
es der weltläufige Hans Rosbaud, in Stuttgart Hans Müller-Kray, der sich dabei von Carl
Schuricht unterstützen ließ. Nach der Gründergeneration am Chefdirigentenpult kamen
neue Kräfte: In Baden-Baden/Freiburg waren es Ernest Bour, Michael Gielen, Sylvain
Cambreling und zuletzt François-Xavier Roth, in Stuttgart hießen die Chefdirigenten Sergiu
Celibidache, Sir Neville Marriner, Gianluigi Gelmetti, Georges Prêtre, Sir Roger Norrington
und Stéphane Denève. Selbstverständlich gehört die Neue Musik zum Profil des SWR
Symphonieorchesters – allein 13 Uraufführungen bietet die Saison 2016/17. Genauso
selbstverständlich zum Profil gehört auch die sinfonische Orchesterliteratur der
vorangegangenen Epochen der Musikgeschichte sowie die Interpretationsansätze aus der
historisch informierten Aufführungspraxis. Zudem ist die Vermittlung anspruchsvoller Musik
an alle Altersstufen und Publikumsschichten ein wichtiges Anliegen des SWR
Symphonieorchesters. Dirigenten von Weltrang wie Christoph Eschenbach, David Zinman,
Philippe Herreweghe, Peter Eötvös, Ingo Metzmacher, David Afkham, Jakub Hrůša und viele
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weitere gestalten die Konzerte der Saison 2016/17 des SWR Symphonieorchesters. Eine
Reihe hochkarätiger internationaler Solisten konzertiert gemeinsam mit dem Orchester,
darunter Tzimon Barto, Patricia Kopatchinskaja, Renaud Capuçon, Mojca Erdmann, Fazil Say,
Sol Gabetta und Thomas Zehetmair, um nur einige wenige zu nennen. Neben zahlreichen
Auftritten in den SWR-eigenen Konzertreihen in Stuttgart, Freiburg und Mannheim ist das
SWR Symphonieorchester bei den Donaueschinger Musiktagen und den Schwetzinger
Festspielen präsent. Nationale und internationale Einladungen führen das Orchester u. a.
nach Madrid, München, Barcelona, Edinburgh, Dortmund, Basel und nach Skandinavien.
Außerdem gastiert das SWR Symphonieorchester beim Rheingau Musik Festival, beim
Festival Heidelberger Frühling und beim Festival Acht Brücken in Köln.
3. Christoph Eschenbach
Christoph Eschenbach, hoch geschätzter Gastdirigent der großen Orchester und
Opernhäuser der Welt, versieht seit September 2010 die doppelte Leitung des John F.
Kennedy Center for the Performing Arts sowie des National Symphony Orchestra in
Washington D.C. Seit seiner Berufung im Jahre 2008 hat er eine Schlüsselrolle inne bei der
Planung der Spielzeiten, der internationalen Festivals und besonderen Projekte für diese
beiden renommierten Institutionen. Zu den Höhepunkten der Spielzeit 2015 -2016 gehören
zwei große internationale Tourneen – eine dreiwöchige in Europa in seiner Eigenschaft als
musikalischer Direktor des National Symphony Orchestra, sowie eine Asientournee am Pult
der Wiener Philharmoniker mit zwölf Konzerten in Japan, Korea, Taiwan und Singapur. Auch
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in dieser Saison ist Eschenbach wieder Gast bedeutender Orchester wie des New York
Philharmonic, des Leipziger Gewandhausorchesters, der Filharmonica Della Scala, des
Orchestre National de France, des National Spanish Orchestra und des London Philharmonic
Orchestra (Konzerte in London, Frankfurt und Amsterdam). In Europa wird Eschenbach
erneut zwei Orchester dirigieren, deren langjähriger musikalischer Direktor er war: das NDR
Sinfonieorchester in Hamburg und das Orchestre de Paris. Er hat zudem das Vergnügen,
wieder drei Orchester zu leiten, denen er sich besonders freundschaftlich verbunden fühlt:
das WDR Sinfonieorchester Köln, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin sowie die
Bamberger Symphoniker, mit denen ihn eine kleine Tournee nach Österreich und Budapest
führt. Den Beginn der neuen Saison markiert eine Konzertreihe mit dem Royal Stockholm
Philharmonic. Wie jedes Jahr liegt es Christoph Eschenbach am Herzen, nach Asien
zurückzukehren; diesmal ist er Gast des Hongkong Philharmonic, des Shanghai Philharmonic,
des Guangzhou Symphony sowie des Seoul Philharmonic. Im Opernrepertoire bereitet
Eschenbach eine Produktion für die Eröffnung der Saison 2016-2017 des Mailänder Teatro
Alla Scala vor. Die Weitergabe seiner großen künstlerischen Erfahrung liegt Christoph
Eschenbach besonders am Herzen; er hält regelmäßig Meisterkurse ab und leitet
Orchesterakademien wie die des SchleswigHolstein Musikfestivals, die Kronberg Academy,
die Manhattan School of Music, etc. Als Pianist setzt Christoph Eschenbach die fruchtbare
Zusammenarbeit mit dem Bariton Matthias Goerne fort. Das Duo hat seit 2009 die
Liederzyklen Franz Schuberts - Die Schöne Müllerin, Die Winterreise und Schwanengesang –
für Harmonia Mundi eingespielt und dafür großen Beifall von Seiten der Kritik geerntet. Bei
den Salzburger Festspielen im Sommer 2010 kamen die Zyklen an drei Abenden zur
Aufführung. Damals spielte Eschenbach auch Schuberts monumentale BDur-Klaviersonate D
960 und dirigierte zwei Konzerte mit den Wiener Philharmonikern. Die Liederzyklen
Schuberts wurden danach in der Spielzeit 2011-12 in der Pariser Salle Pleyel aufgeführt
sowie beim Wiener Musikverein im darauffolgenden Jahr. 2014 und 2015 setzt das Duo
seine Zusammenarbeit fort mit Recitals im Symphony Center,Chicago, im Kennedy Center
und in der Carnegie Hall sowie in Baden Baden und Hamburg. Seit über fünf Jahrzehnten hat
Christoph Eschenbach eine beeindruckende Anzahl von Musikwerken eingespielt, sowohl als
Dirigent wie als Pianist. Seine Diskographie reicht von Werken J. S. Bachs bis zu
zeitgenössischer Musik und spiegelt ein Engagement wider, das nicht allein die kanonischen
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Werke der Musikgeschichte betrifft, sondern ebenso die Musik des ausgehenden 20. und
beginnenden 21.Jahrhunderts. Eschenbachs Aufnahmen mit dem Orchestre de Paris
erschienen bei Ondine und der Deutschen Grammophon, darüber hinaus gibt es
Einspielungen mit dem London Symphony (Sony/BMG), den Wiener Philharmonikern
(Decca), dem NDR Sinfonieorchester (BMG/Sony & Warner) und der Houston Symphony
(Koch), um nur die wichtigsten zu nennen. In den letzten fünf Jahren hat Ondine sechzehn
von der Kritik hochgelobte CDs mit dem Orchestre de Paris und dem Philadelphia Orchestra
unter Eschenbachs Leitung herausgebracht, von denen einige besondere Ehrungen erfahren
haben wie „Disc of the Month“ des BBC Magazine, Gramophone‘s „Editors Choice“, den
„Preis der Deutschen Schallplattenkritik“ oder den MIDEM Classical Award 2009 in der
Kategorie Zeitgenössische Musik (für eine CD mit Werken von Kaija Saariaho, eingespielt mit
dem Orchestre de Paris und der Sopranistin Karita Mattila). Seine aktuelle HindemithEinspielung mit Midori und dem NDR Sinfonieorchester gewann 2014 den Grammy Award in
der Kategorie « Best Classical Compendium ». Von George Szell und Herbert von Karajan
gefördert, war Christoph Eschenbach Chefdirigent und künstlerischer Leiter des Züricher
Tonhalle-Orchesters von 1982 bis 1986, musikalischer Direktor der Houston Symphony von
1988 bis 1999, musikalischer Direktor des Ravinia Festivals von 1994 bis 2003, künstlerischer
Leiter des Schleswig-Holstein Musik Festivals von 1999 bis 2002 sowie musikalischer Direktor
des NDR Sinfonieorchesters von 1998 bis 2004 und des Orchestre de Paris von 2000 bis
2010. Christoph Eschenbach ist Ritter der Légion d'Honneur, Offizier des französischen
Nationalverdienstordens, Commandeur des Ordre des Arts et des Lettres, Träger des
deutschen Bundesverdienstkreuzes und Gewinner des Leonard Bernstein Preises. 2015
wurde er als Pianist und Dirigent mit dem angesehenen Ernst-von-Siemens-Musikpreis
ausgezeichnet.
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VI. Unterrichtsmaterial
1. Ein Leben in Stichwort
1952: Wolfgang Rihm wird am 13. März in Karlsruhe geboren.
1963: erste Kompositionsversuche
1968-1972: Rihm nimmt sein Kompositionsstudium bei Eugen Werner Velte an der
Staatlichen Hochschule für Musik in Karlsruhe noch während seiner Studienzeit am
Humanistischen Gymnasium auf; weitere Kompositionsstudien bei Wolfgang Fortner und
Humphrey Searle
1970: erstmals bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik
1972: Abitur am Gymnasium und Staatsexamen in Komposition und Musiktheorie an der
Musikhochschule
1972/1973: Kompositionsstudium bei Karlheinz Stockhausen in Köln
1973-1976: Kompositionsstudium bei Klaus Huber und musikwissenschaftliche Studien bei
Hans Heinrich Eggebrecht in Freiburg im Breisgau
1973-1978: gelegentliche Lehrtätigkeit in Karlsruhe
1976: Er komponiert „Faus und Yorick“- Kammeroper Nr. 1 (Jean Tardieu/Frithjof Haas)
1977/1978: „Jakob Lenz“ Kammeroper Nr. 2 (Georg Büchner/Michael Fröhling)
1978: Berliner Kunstpreis–Stipendium, Kranichsteiner Musikpreis Darmstadt,
Reinhold Schneider–Preis der Stadt Freiburg
seit 1978: Dozent bei den Darmstädter Ferienkursen
1979: Stipendium der Stadt Hamburg
1979/1980: Stipendium an der deutschen Künstlerakademie, Villa Massimo in Rom (Rom–
Preis)
1981: Beethoven–Preis der Stadt Bonn; Lehrtätigkeit in München
seit 1982: Präsidiumsmitglied des Deutschen Komponisten–Verbandes
1983: Stipendium der Cité des Arts in Paris
1983/1986: „Die Hamletmaschine“ (Heiner Müller/Rihm)
1984/1985: Fellow des Wissenschaftskollegs Berlin; Mitherausgeber der Musikzeitschrift
„Melos“ (bis 1989); Präsidiumsmitglied des Deutschen Musikrates
1984-1989: Musikalischer Berater der Deutschen Oper Berlin
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seit 1985: Professor für Komposition an der Karlsruher Musikhochschule als Nachfolger
seines Lehrers Velte; Kuratoriumsmitglied der Heinrich–Strobel–Stiftung des SWF Baden–
Baden
1986: Rolf-Liebermann-Preis für die Oper „Hamletmaschine“
1986/1987: „Oedipus“ (Textzusammenstellung von Rihm nach Sophokles, Hölderlin,
Nietzsche, H. Müller)
1987/1991: „Die Eroberung von Mexico“ (Antonin Artaud/Rihm)
seit 1989: im Aufsichtsrat der GEMA
1989: Wolfgang Rihm erhält das Bundesverdienstkreuz.
1990-1993: Musikalischer Berater des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in
Karlsruhe (ZKM)
1991: Festredner bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele; Mitglied der Akademien der
Künste München, Berlin und Mannheim
1994: „Séraphin“ - Musiktheater ohne Text, UA in Frankfurt am Main; Februar: Großes
Rihm–Portrait (35 Werke) im Rahmen von Éclat – Tage für Neue Musik, Stuttgart
1996: Szenische EA von „Séraphin“ in Stuttgart
1997: Rihm erhält den Prix de Composition Musical de la Fondation Prince Pierre de
Monaco; Composer-in-residence bei den Internationalen Musikfestwochen Luzern
1998: Er erhält den Jacob Burckhardt–Preis der Johann Wolfgang von Goethe–Stiftung;
Ehrendoktorat der Freien Universität Berlin
2000: Composer in residence bei den Salzburger Festspielen und beim Festival Musica in
Straßburg; Rihm erhält den Bach-Preis der Stadt Hamburg
2001: Royal Philharmonic Society Award für „Jagden und Formen“. Das französische
Ministerium für auswärtige Angelegenheiten ernennt Wolfgang Rihm zum 'Officier dans
l’Ordre des Arts et des Lettres'.
2001/2002: Rihm wird anlässlich seines 50. Geburtstages europaweit gefeiert (Festivals,
Uraufführungen)
2003: Der Ernst von Siemes Musikpreis wird Rihm zugesprochen. Der Preis wurde ihm am
22. Mai 2003 im Münchner Cuvilléstheater überreicht; 7. November: Eintrag ins Goldene
Buch der Stadt Karlsruhe
2004: 8. Mai: Rihm wird die Verdienstmedaille des Landes Baden–Württemberg verliehen
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2006: 27. Oktober: Uraufführung der Oper „Das Gehege“ (nach Botho Strauß‘ Schauspiel
„Schlusschor“)in der Bayerischen Staatsoper in München
2009: 2. Mai: Uraufführung des Monodramas „Prosperina“ im Rokokotheater Schwetzingen
2010: 27. Juli: Uraufführung der Oper „Dionysos“ (eine Opernphantasie nach Texten von
Friedrich Nietzsche, Libretto vom Komponisten) im Rahmen der Salzburger Festspiele
2010: 30. September: Rihm wird der Goldene Löwe 2010 des Bereichs Musik der Biennale di
Venezia für sein Lebenswerk zugesprochen
2010: 18. November: Uraufführung von „Lichtes Spiel“ für Violine und kleines Orchester in
der Avery Fisher Hall New York
2011: Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland zum Tag der Deutschen Einheit
2011: 15. Januar: Uraufführung von „Will Sound More“ für Ensemble an der Alten Oper in
Frankfurt am Main
2011: 3. April: Uraufführung von „Dyade“ für Violine und Kontrabass in der Avery Fisher Hall,
New York
2011: 22. Juni: Uraufführung von „Nähe fern 1“ für Orchester in Luzern.
2011: 9. Juli: Uraufführung von „Eine Strasse, Lucile“ für Sopran und Orchester in Karlsruhe
2011: 19. Oktober: Uraufführung von „Nähe fern 2“für Orchester in Luzern
2011: 25. Oktober: Uraufführung von „Will Sound More Again“ für Ensemble
2011: 29. Oktober: Uraufführung von „Der Maler träumt“ für Bariton und Ensemble
2011: Rihm erhält das Große Bundesverdienstkreuz
2012: 29. Februar: Uraufführung von „Nähe fern 3“ für Orchester
2012: 13. Juni: Uraufführung von „Nähe fern 4“ für Orchester
2012: 20. August: Uraufführung von „Dämmerung senkte sich von oben“ für Bariton und
Orchester am KKL Luzern
2012: wird in den Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste aufgenommen
2013: 10. Februar: Uraufführung von „Epilog“ für Streichquintett am Eclat Festival Stuttgart
2013: 5. April: Eröffnung des Wolfgang-Rihm-Forums an der Hochschule für Musik Karlsruhe
2013: 18 April: Ernennung zum Commandeur dans l’ordre des Arts et des Lettres
2013: 27. April: Uraufführung von „Stille Feste“ für Chor und Orchester in Stuttgart
2013: 23. Juni: Uraufführung von „A Tribute“ für Orchester am Aldeburgh Festival
2013: 20. Oktober: Uraufführung von „In-SCHRIFT 2“ für Orchester
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2013: 20. November: Uraufführung von „Verwandlung 5“ für Orchester
2013/2014: Capell-Compositeur der Sächsischen Staatskapelle Dresden
2014: 10. Mai: Uraufführung von „Transitus“ am Teatro alla Scala unter Riccardo Chailly
2014: 4. Juni: Uraufführung von „Verwandlung 6“ in der Philharmonie Essen.
2014: 19. August: Uraufführung des Hornkonzertes am Lucerne Festival (Stefan Dohr, Hr)
2014: 25. August: Uraufführung des 2. Klavierkonzerts bei den Salzburger Festspielen
(Tzimon Barto, Klavier)
2014: 17. September: Uraufführung des „Trio Concertos“ beim Musikfest Berlin (Trio Jean
Paul; WDR SO Köln, Dir. Jukka-Pekka Saraste)
2014: 6. Oktober: erhält das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern
2014: 6. November: erhält den Robert Schumann Preis für Dichtung und Musik 2014
2015: 9. Januar: „Gedicht des Malers Upoème du Peintre) wird von Renaud Capuçon und
den Wiener Symphonikern unter Philippe Jordan uraufgeführt.
2015: 23 Juli: erhält das Ehrenzeichen des Landes Salzburg
2016: Im Sommer übernimmt Wolfgang Rihm die Gesamtleitung der Lucerne Festival
Academy, zudem ist er resident composer beim „Fast Forward“ Festival.
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2. Daten zum Werk:
Wolfgang Rihm: Klavierkonzert Nr. 2 (2014)
Uraufführung:
Uraufführung am 25.8.2014 mit dem Gustav Mahler Jugendorchester unter Christoph
Eschenbach, Solist Tzimon Barto bei den Salzburger Festspielen.
Auftragswerk von Salzburger Festspielfonds, Gustav Mahler Jugendorchester und National
Symphony Orchestra of Washington, DC, Christoph Eschenbach, Music Director.
Commissioned by Salzburger Festspielfonds, Gustav Mahler Jugendorchester and National
Symphony Orchestra of Washington, DC, Christoph Eschenbach, Music Director.
Widmung: Für Tzimon Barto
Besetzung
1. Flöte,2. Flöte (+Picc), Oboe, 1. Klarinette in A, 2. Klarinette in A, Bassklarinette, 1. Fagott,
2. Fagott in Kontrafagott, 1. Horn in F, 2. Horn in F, Trompete in C, Posaune, 1. Schlagzeug, 2.
Schlagzeug, Harfe
Violine I, Violine II, Viola, Violoncello, Kontrabass
Sätze:
I. Andante, cantabile, scorrevole, inquieto
II. Rondo. Allegro ma non tanto
Dauer: ca. 25 Minuten
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IV. Quellen
Wo gibt es mehr?
1. Weblinks:
Über kaum einen lebenden Komponisten sind so viele Informationen im Internet
einzusehen. Hier eine kleine Auswahl:

Das Karlsruher Rihm Center: www.karlsruherrihmcenter.de bietet umfangreiche
biografische Informationen, Wesentliches zum Werk, Interviews, aber auch Hinweise,
wo und wann welche Werke aufgeführt werden.

Die Werke Rihms werden bei dem Verlag Universal Edition verlegt. Auch hier finden
sich zahlreiche Informationen zu Leben und Werk:
http://www.universaledition.com/Wolfgang-Rihm/komponisten-undwerke/komponist/599

Auf der Seite des Journalisten Max Nyffeler finden sich einige Interviews:
http://www.beckmesser.de/komponisten/rihm/inhalt.htm

Auf der Hompage der Hochschule für Musik gibt es ein Filmporträt in drei Teilen über
Wolfgang Rihm:
http://www.hfm-karlsruhe.de/hfm/03-Studium/dozentenverzeichnis/bios/rihmwolfgang.htm
2. Hörtipps:
Von dem 2. Klavierkonzert von Wolfgang Rihm liegt bislang keine Aufnahme vor. Auf der
Seite von Universal Edition gibt es jedoch einen Einblick vom Uraufführungskonzert in
Salzburg am 25. August 2015 mit dem Gustav Mahler Jugendorchester und dem Pianisten
Tzimon Barto unter der Leitung von Christoph Eschenbach.
http://www.universaledition.com/komponisten-und-werke/Wolfgang-Rihm/2Klavierkonzert/komponist/599/werk/14559
Eine weitere Hörprobe im Netz unter:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/audio-spielt-rihm-tzimon-barto-mit-dem-gustavmahler-jugendorchester-unter-christoph-eschenbach-13133487.html
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3. Literatur:
Dieter Rexroth (Hrsg.): Der Komponist Wolfgang Rihm. Schott, Mainz 1985,
Ulrich Tadday (Hrsg.): Musik-Konzepte: Sonderband Wolfgang Rihm. München 2004.
Reinhold Urmetzer: Wolfgang Rihm.Patricia Schwarz, Stuttgart 1988.
Eine umfangreiche Sammlung von Wolfgang Rihm verfassten Texten:
Wolfgang Rihm – ausgesprochen. Schriften und Gespräche. 2. Bde., Hrsg. Von Ulrich Mosch –
Veröffentlichung der Paul-Sacher-Stiftung, Basel 1997.
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VI. Unterrichtsmaterial
1. Wolfgang Rihm in einem Interview mit dem Musikjournalisten
Bjørn Woll über sein 2. Klavierkonzert
BW: Herr Rihm, was reizt Sie an der Gattung Klavierkonzert? Wie ist Ihr Umgang mit der
traditionellen Form?
WR: Wenn wir uns die „traditionellen” Klavierkonzerte einmal genauer anschauen, hat jedes
seine eigene Form. Genau das ist es, was mich reizt: etwas zu schaffen, das seine eigene
Form ausprägt und dennoch in einer Form-Kontinuität steht.
BW: Welche Gestalt und welchen Charakter trägt das Werk?
WR: Wie gesagt: eigene Gestalt und eigener Charakter. Aber vielleicht kann man sagen, dass
es der intimeren Gattungsart angehört? Weniger Boxkampf, mehr Kammermusik?
BW: Können Sie den Kompositionsstil und die musikalische Faktur des Konzertes beschreiben?
WR: Nein, denn ich bin ja kein Musikwissenschaftler. Aber wenn man das Stück hört – was
ich ja noch nicht konnte außerhalb einer gewissen Phantasie und Vorstellung – wird wohl
der gesangliche Charakter vieler Partien auffallen. Das eben erwähnte Kammermusikalische.
Die Fein-Zeichnung eher als der Anstreicher-Pinsel. Das schließt ja nicht aus, dass die
Linienzüge manchmal galoppieren und „husch-quirl-bautz!“ davonspringen. Das Virtuose
bleibt aber eingebunden in den Gesang des Ganzen, sodass es nicht den Vordergrund bildet.
Dadurch ist solch ein Stück natürlich viel schwerer zu spielen als normales Virtuosenfutter.
Das freie Linienspiel bleibt unberechenbar, „virtuell”… der doppelte Boden als ResonanzKasten.
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BW: Das Werk ist Tzimon Barto gewidmet – hat Sie das bei der Komposition inspiriert oder
beeinflusst?
WR: Ein außergewöhnlicher Künstler, höchst eigenschöpferisch! Er verfügt über das
exquisiteste „pianissimo”, das sich denken lässt. Das hat sicher auf einige Partien meines
neuen Stückes eingewirkt. Auch die vielen Gestalt- und Charakterwechsel des Tonfalls weiß
ich bei Bartos pianistischer Intelligenz in den besten Händen.
BW: Gab es einen Austausch zwischen Ihnen und dem Interpreten während des
Kompositionsprozesses?
WR: Nein. Wenn ich komponiere, bin ich nicht „austauschbar”…
BW: Haben Sie einen kleinen Tipp oder eine kleine Hör-Hilfe für die Zuschauer, die das Werk
zum ersten Mal im Konzert erleben?
WR: Denken Sie, es sei von Mozart. Oder von Rihm. Aber am besten: Sie hören einfach
aufmerksam zu.
Quelle: Universal Edition:
www.universaledition.com/komponisten-und-werke/WolfgangRihm/komponist/599/werk/14559ttp
2. Der „Nobelpreis“ der Musik: Der Ernst-von-Siemens-Musikpreis.
Sowohl der Komponist Wolfgang Rihm als auch der Dirigent Christoph Eschenbach sind
Preisträger des Ernst von Siemens Musikpreises. Rihm erhielt den renommierten Preis
2003, Christoph Eschenbach im Jahr 2015. Doch was bedeutete diese Auszeichnung?
Jedes Jahr wird mit Spannung die Bekanntgabe des Preises erwartet. Der Preis ist ein
jährlich für herausragende Leistungen vergebener internationaler Musikpreis für
Komponisten, Interpreten oder Musikwissenschaftler. Der Ernst von Siemens Musikpreis
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wird von der Bayerischen Akademie der schönen Künste im Auftrag der Ernst von
Siemens Musikstiftung vergeben. Der Name erinnert an den Stifter, den Industriellen und
Kunstmäzen Ernst von Siemens (1903-1990).
Geehrt wird alljährlich ein Komponist, Interpret oder Musikwissenschaftler. Neben dem
Hauptpreis werden noch drei Förderpreise vergeben. Als so genannter „Nobelpreis der
Musik“ gewinnt er von Jahr zu Jahr eine immer größere internationale Beachtung und ist
2016 mit 250.000 € dotiert.
Unter den bisherigen Ernst von Siemens Musikpreisträgern waren, um nur einige zu nennen,
Benjamin Britten, Olivier Messiaen, Mstislav Rostropovich, Witold Lutoslawski, Luciano
Berio, Hans Werner Henze, György Ligeti, Claudio Abbado, Maurizio Pollini, Helmut
Lachenmann, György Kurtág, Daniel Barenboim, Aribert Reimann und Mariss Jansons.
Die Ernst von Siemens Musikstiftung engagiert sich auf vielfältige Art und Weise für die
zeitgenössische Musik. Neben der jährlichen Vergabe des Ernst von Siemens Musikpreises
für herausragende Lebensleistungen werden jährlich drei Komponistenpeise vergeben. Die
Auszeichnung erfolgt allein auf Vorschlag und nach Auswahl des Kuratoriums.
Darüber hinaus fördert die Ernst von Siemens Musikstiftung weltweit Festivals, Konzerte mit
Ur- und Wiederaufführungen, Kompositionsaufträge, Symposien und die Herausgabe
musikwissenschaftlicher Schriften. Ein weiteres Anliegen ist die Förderung von Akademien
für junge Musiker und Komponisten. Zudem unterstützt die Musikstiftung Vermittlungs-,
Kinder- und Jugendprojekte, welche die Neue Musik einem neuen bzw. jungen Publikum
erschließen.
Weblinks:
http://www.evs-musikstiftung.ch/de
http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/hauptpreistrager/christopheschenbach/essay.html
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3. Wolfgang Rihm - der schreibende Komponist
Die Werke des Komponisten Wolfgang Rihm zählen zu den meist aufgeführten im Bereich
der so genannten zeitgenössischen Musik. Einer Musikrichtung, zu der weitläufig alles
Werke gezählt werden, deren Schöpfer in unserer Zeit komponieren oder deren Werke in
den letzten 50-60 Jahren entstanden sind. Die Grenzen sind dabei oft fließend und das
Verständnis, bzw. das Einverständnis der Hörer, Kritiker und Musiker darüber, was denn
nun genau zu dieser Musik zählt, ist oft nicht eindeutig. Für den einen zählt dazu die
Musik von Arnold Schönberg (1874-1951), Anton Webern (1883-1945) oder Alban Berg
(1885-1935) dazu, für die anderen beginnt die „Neue Musik“ erst nach dem Ende des 2.
Weltkriegs. Auch das hängt von individuellen Hörerfahrungen ab. Während ein Werk wie
„Le Scare du Printemps“ von Igor Strawinsky, das zu seiner Uraufführung im Jahr 1913 ein
Skandal war, auch heute noch sehr aktuell klingen kann, sind einige Werke neueren
Datums weit traditioneller, bzw. klingen für unsere Ohren weitaus „älter“.
Wolfgang Rihms Werke werden meist von renommierten Orchestern und Solisten aus der
Taufe gehoben. Auch das erleichtert die Verbreitung seiner Musik. Bekannte Interpreten
haben seine Werke auch einem Publikum zugänglich gemacht, das sich sonst vielleicht ein
wenig vor der sogenannten „Neuen Musik“ gefürchtet hätte oder auch gar nicht so offen
dafür gewesen wären. Einmal brach die weltbekannte Geigerin Anne-Sophie Mutter ein
Konzert ab, weil so viele Leute im Publikum husteten. Beim zweiten Anlauf – nachdem
sich alle „ausgehustet hätten“ - war es sehr still und letztlich hätte sie das Publikum
überzeugt. Solche Anekdoten erzählt Wolfgang Rihm in Gesprächen und Interviews gerne.
Lange Zeit hat er viel über seine Musik geschrieben – mittlerweile fällt ihm das schwer.
Doch immer wieder äußert er sich zu gesellschaftlichen Phänomene und ihrer Bedeutung
für die Kunst und die Musik. Intensiv setzt sich Rihm auch mit Bildender Kunst, Literatur
und Philosophie auseinander, die ihn inspirieren und auch in sein Schaffen einfließen.
Einige Auszüge aus seinen Texten, sollen als Inspiration, als Anregung dienen, um den
Komponisten und Menschen Wolfgang Rihm näher kennenzulernen und zu verstehen –
oder einfach nur den Blickwinkel auf bestimmte Themen fokussieren oder zur eigenen
Inspiration dienen...
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Hören ohne Vorurteile
„Ich weiß gar nicht, woher dieser Irrglaube kommt, dass man erst promoviert haben
muss, bevor man sich mit Kunst auseinandersetzen kann.“ Die Menschen sollten aus einer
Neigung zu Musik ins Konzert kommen. Musikalische Vorkenntnisse seien doch egal,
wenn man nur seine Sinne öffne!“
(Aus: „Varèse, Malerei und Schaffensprozeß, Gespräch mit Wilhelm Matejka“, 1981)
Was Musik kann
„Darin sehe ich die Möglichkeit der Musik: dass sie die Gegenwelt aufbaut, das Andere,
was eben nicht formal einbeziehbar ist in bereits laufende Dinge, wie das tägliche
Konfrontation, die jeder erlebt, mit Formblättern, die ihm von Ämtern hereingereicht
werden. Warum soll er das in der Kunst wiederfinden? Oder gar wieder suchen? Das ist
doch idiotisch, dass er in der Kunst genau das gleiche mitmachen sollte, was ihm vom
Finanzamt vorgeschrieben wird. Das fände ich absurd.“
(Aus: „Varèse, Malerei und Schaffensprozeß, Gespräch mit Wilhelm Matejka“, 1981)
Über das Komponieren
„Ich glaube ja gar nicht, dass ich so schwierig komponiere. Ich glaube, dass nur die
Einzelereignisse in ihrem Zusammenhang schwierig sind, also nicht spieltechnisch,
sondern: woneben sie stehen. Es ist also eher ein mentales als ein muskuläres Problem.
Für mein Komponieren wie überhaupt für mein ganzes Denken wesentlich ist das Prinzip
des fast absurden schnellen Wechsels vom einen ins andere, also diese Erfahrung, dass
etwas übergangslos - ich will nicht sagen: bruchlos - vom einen ins andere überschlägt.
Ich glaube, dass es daher kommt, dass ich mitten in einer Zeit lebe, die von diesen
ständigen Wechseln geprägt ist. Wir haben die Informations-Wechsel, wir schalten das
Radio, das Fernsehen ein, alles schlägt ständig um. Selbst wenn wir durch eine
Stadtlandschaft gehen, ist der Wechsel ähnlich schnell. Und wir erleben Geschichte und
Lebenszeit nicht mehr als kontinuierlich an- und abschwellend, sondern als Folge von
zerhackten Bildern.“
(Ich weiß nicht, wer ich bin, Gespräch mit Heinz Josef Herbort, 1982)
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Die Gegenwart
„Wie empfinde ich die Gegenwart? Ich empfinde sie so, dass ich mir sage, ich möchte in
keiner anderen Zeit gelebt haben, ich möchte auch in keiner anderen zukünftigen Zeit leben,
denn ich verstehe Menschsein als die Fähigkeit, das Jetzt zu begreifen und in Beziehung zu
setzen zu einem Zukünftigen, Möglichen und zu einem Vergangenen und Gewesenen. Ich
möchte jetzt leben, jetzt. Und wie ich die Zeit empfinde? Ja, so dass ich sie erlebe. Sehen Sie,
ich bin nicht mit Wertsystemen zugebaut. Dazu weiß ich auch zu viel von der Vergangenheit.
Ich glaube, man kann nur sagen, in dieser Zeit möchte ich nicht leben, wenn man in arge
physische Bedrängnis kommt. Wenn man in Notsituationen gerät. Da jemand, dem das
geschieht, das Recht zu sagen, in dieser Zeit möchte er nicht leben. Sie berühren Dinge mit
dieser Frage, die nicht beantwortbar sind. Zur Beispiel das Problem der Selbsttötung. Das
entzieht sich öffentlichem Diskurs. Aber das sind trotzdem Fragen, die herumgeistern im
alltäglichen Sprechen. Das Lamentieren über die Zeit, in der man lebt, ist eine ziemlich bare
Münze des Sich-weg-Wünschens: der eine wäre gerne in einer Zopf-Zeit, ein anderer lieber
in irgendeiner Ufo-Zeit. Das ist die Flucht aus der Gegenwart, da kann ich mitreden. Ich will
weder in die Vergangenheit noch in die Zukunft fliehen. Ich will jetzt sein. Gibt es das: Flucht
in die Gegenwart?“
(Der Ort der Musik, Gespräch mit Roland Zag, 1995)
Ein weißes Blatt Papier...
„Ich arbeite stehend, meist. Das Faszinierendste, Anstößigste, Abstoßendste, Konzeptuellste,
Sprechendste und schweigsam Rätselhafteste, das ich - immer schon - auf meiner
Schreibunterlage finde: ein leeres Blatt, das leere Blatt. Darauf steht alles. Aber ich kenne es
nicht. Nicht mehr. Ich muss erst vergessen, was sich als Wissen darübergelegt hatte, damit
ich erfahren kann, was ich gewusst haben werde. Ich muss es erst leeren, mich selbst leeren,
Das ist Arbeit. Die Abwesenheit von Ankern und Flugvorrichtungen ermöglicht erst Flug und
Fluss. Aber: Befrage ich das Weiß, antwortet es mir mit meiner Frage. Es kennt das Echo
schon, bevor ich es aufrufe. Listig rufe ich etwas anderes, jedoch mein Papier ist auch listig.
Es kennt auch diesen Ruf und antwortet mit dessen Echo. Verärgert gehe ich erst einmal ins
Freie, besuche Spazierwege, Kaffeehäuser oder sonst echoloses Gebiet. Erneuter Besuch des
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Papiers. Es hat seine Simulation, die ich in meinem Hirn vornahm, überlebt. Nun bin ich ihm
voraus, habe mir etwas ausgedacht, auf das es keine Antwort weiß, die ich schon kenne.
Aber ich muss immer weiter zurücktreten, so dass auf dem Papier - gleichsam angesogen
durch mein Entfernen - das sich hervorwagt und sich zeigt, was ich nicht kenne. Das aber
muss ich aus der Entfernung, die keine wirkliche sein darf, sofort erkennen. Also muss der
Blick dortgeblieben sein: ich muss das, was sich abzeichnet, lesen lernen. Aber nicht als
Schrift, die durch meinen Blick erst aufgetragen ist, durch mein Vorlesen erst
nachgeschrieben, als hätte der Blick Schwärze, die Spuren legt. Vielmehr als
Einheit/Gleichzeitigkeit von Setzung und Ahnung, Absichtslosigkeit, Willen, Absicht und
Willenlosigkeit - jeder Wahrsager würde verrückt. Notenpapier ist ein Spezialfall. Nicht
allein deshalb, weil es meistens nicht weiß ist. Es ist schon in zweiter Generation
beschrieben: Die Linien sind bereits ein Schriftgitter über der ersten Schrift, der
unsichtbaren, die hervorzulocken ich mich entferne. Was da erscheint, ist schon
gefangen, vernetzt. Meine Arbeit: die Vernetzung aufzulösen, die Benetzung
abzuschütteln. Strenge ist Lockerung des Netzes, alles andere ist nur Anstrengung. Und
Anstrengung schafft Undichte, im harmloseren Fall: Krampf.
Das Papier, seine unbeschriebene Fülle, ist wie ein Gegenkörper. Schreiben wird zum
Entzug im Nahkampf, Vollzug mit Gerät, das die Bewegung übersetzt, wie beim Hantieren
mit radioaktivem Material unter hermetischem Abschluss. Dennoch muss alles mit der
Hand geschehen. Ich kann nichts delegieren an entlastende Denk- und Schreibsysteme.
Tragik sogar des Computers: er käme nicht nach, denn alles geschieht in Wirklichkeit.“
(Auf meinem Schreibtisch, 1990)
Der Klang
„Man hat es als Komponist mit einem Phänomen zu tun – dem Klang -, das ja eine ganz
seltsame Zwitterstellung einnimmt zwischen körperlich und unsichtbar. Den Ort von Musik,
auch darüber spreche ich oft, gibt es nicht. Sich den Ort von Musik vorzustellen ist eine
Unmöglichkeit. Man weiß nicht, wo die Musik eigentlich ist. Sie ist nicht auf dem Papier
(zeigt Papier) ist sie nicht. Ist sie hier? (spielt Klavier) Das ist ja nicht die Musik. Ich mache so
(krümmt die Finger), ich berühre die Taste…, hier wird eine Saite angerührt.., da geht ein Ton
weg, hier in meinem Ohr kommt er an, ja – wo ist die Musik? Musik besitzt keinen Körper,
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und trotzdem trifft sie unseren Körper fühlbar als Schallwelle. Aber die Schallwelle ist nicht
die Musik. Wir sind im (nicht nur) physischen Sinn von einer Musik betroffen, gepackt,
genommen, benommen, abgestoßen, von einem Körper sind wir besessen, aber den Körper
gibt es nicht. Wenn man das überlegt, sich diesen Gedanken im Kopf hin und her bewegt,
wird man verrückt. „
(Improvisation über das Fixieren von Freiheit, 1988)
Was ist Kunst?
„Ich glaube, dass dann die stärksten Momente in der Kunst entstehen, wenn das Material,
aus dem sie selber bestehen, überwunden wird, wenn Holz plötzlich nicht mehr wie Holz
aussieht, aber dann doch erkennbar wird als Qualität des Holzes; oder wenn nicht mehr
erkennbar ist, woher der Klang kommt, aber ganz bewusst wird: Dies ist spezifischer
Klang. Also: wenn versucht wird, die Prämissen, auf Grund derer sich Kunst bisher
artikuliert hat, neu zu schaffen. Man muss immer wieder demiurgisch (Anmerkung:
Demiurg = Weltenschöpfer) mit der Sache umgehen.“
(Ich weiß nicht, wer ich bin, Gespräch mit Heinz Josef Herbort, 1982)
Der Hörer
„Der Hörer bringt seine eigene Form mit und setzt sie in Verbindung mit dem, was er als
musikalische, als organische Form vorfindet. Er bringt seine eigene Geformtheit, seine
ganze Bildung und Erziehung, seine Wünsche mit hinein. Der Musikhörer ist, im
Gegensatz zum Leser von Literatur, wo ihm der Begriff den Weg vorschreibt, in der
Musik relativ frei, ungebunden, weiß aber mit der Anarchie, die sich darin äußert, in den
seltensten Fällen etwas anzufangen und schreit nach Formdiktat. Der Hörer ist viel
reaktionärer und regressiver, als man ihn sich manchmal vorstellt. Er wird darin nur
noch von Komponisten und Rezensenten übertroffen.“
(Varèse, Malerei und Schaffensprozeß, Gespräch mit Wilhelm Matejka 1981)
„Ich denke, dass es für den Hörer gar nicht so wichtig ist, ständig zu wissen, wie etwas
gemacht ist. Das muss der Komponist wissen, der Interpret sollte es wissen, damit er es in
die Tat umsetzen kann. Aber der Betrachter eines Bildes muss ja auch nicht die genaue
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Farbmischung kennen, die Chemie, die Lasurtechniken etc. Ob der Hörer in der Musik
Kompositionstechnik bemerken soll, das ist also die Frage - ich bin unsicher, ich glaube nicht.
Ich finde es schön, wenn es einer kann und sich auskennt, sich dafür interessiert. Aber es ist
nicht Voraussetzung, und es fördert auch kein tieferes Verständnis.“
(Musik zur Sprache bringen, Aus einem Gespräch mit Heinz Josef Herbort, 1987)
Musik hält viel aus
„Musik sollte durch alle widrigen Umstände hindurchkönnen. Wir verhalten uns ja auch
so, dass wir in bestimmten Situationen anwesend und abwesend sind. Obwohl wird da
sind. Warum also nicht auch Musik in widrigen Umständen? Meinen Sie, eine
Aufführung im » Studio für Neue Musik « im schlechten Saal auf schlechtem Flügel, mit
mürrischen Interpreten, vor vierundzwanzig Zuhörern, vor fünfundzwanzig Jahren, war
ideal? Dann doch lieber Frühstücksfernsehen. Wir reden metaphorisch. Man wird der
Musik sowieso nie gerecht. In der Philharmonie, da husten alle. Im Frühstücksfernsehen
knuspern wenigstens nur die Cornflakes. Widrig ist es immer. Ist Ihnen das schon mal
aufgefallen: das Husten? Diese Klagerufe, das kann ja nicht nur ein Huster sein, es muss
ja wirklich ein: »Ich bin da! « sein. Meist bei Neuer Musik, oder im Pianissimo. Wenn
jemand in ein Museum geht und schreibt über ein Gemälde mit Filzstift: »Ich war da!«,
dann wird er verhaftet und kommt ins Irrenhaus. Im Konzert darf jeder bellend » öhöhö
« schreien und zerstört natürlich das Stück in diesem Augenblick. Trotzdem zerstört er
es nicht. Musik übersteht das, verwundet, aber lebend ...“
(Der Ort der Musik, Gespräch mit Roland Zag, 1995)
Energiespeicher Kunst
„Kunst, die Beschäftigung mit Kunst und das Machen von Kunst, ist bereits von sich aus eine
Aufforderung zu grenzenloser Freiheit. Da kann es kein Fügen geben und dennoch herrscht
hier auf brutalste Art das Recht des Stärkeren, nämlich des stärkeren Gedankens; jegliche
Strategie ist zwecklos, hat höchstens im Moment gewisse Folgen, meist markttechnischer
Art. Hier ist durchaus ein gewisser Stoizismus (Anmerkung: eine gelassene und gleichmütige
Haltung) erlaubt: was kommt, kommt. Gestrampel jedweder Art arbeitet sich selbst ab, das
heißt aber gerade nicht, dass hier Hoffnung auf güldene Prinzipien zu setzen ist, auf
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unabänderliche Werte in der Kunst, auf Wahres, Schönes, gar Gutes. Eben nicht: es herrscht
Ungewissheit, das einzige Bewegungspotential des Geistes. Es scheint, dass in dem Maße,
wie die umgebende Natur bedroht ist und sich auf dem Rückzug befindet, die Prinzipien des
Kreatürlichen und Vegetativen sich im Künstlerischen verwirklichen müssen. Das haben sie
zwar vorher auch schon, aber der Gegenbildcharakter von Kunst tritt gegenwärtig plastischer
heraus. Darin sehe ich auch die Aufgabe von Kunst: in repressiver Zeit nicht eben
Zufluchtsort, sondern Energiespeicher zu sein.“
(Musikalische Freiheit, 1983/1996)
Ein (Komponisten)-Leben voller Überraschungen
„Gegen ein »Mal-hier-, mal-da-Versuchen« muss ich mich wehren, gegen das Labyrinth
nicht. Ich weiß nicht, wer ich bin. Ich bin mir nicht sicher. Ich erlebe ständig Überraschungen,
was mich selber betrifft. Ich kenne jüngere Kollegen, die wesentlich professoraler und
bereits gesicherter sind als ich. Künstlerisch erscheint es mir kein Negativum - menschlich ist
es problematisch. Nebenbei: Ist es nicht merkwürdig, wenn man überlegt, ob die Person
gestört sein könnte, wenn sie nach absoluter Freiheit strebt? Was da in uns schon steckt!
Und dass man sich eventuell ganz frei fühlt - und gerade dann am gebundensten ist? Das ist
eine ganz niederschmetternde Erfahrung.“
(Ich weiß nicht, wer ich bin, Gespräch mit Heinz Josef Herbort, 1982)
Das Klavier
„Vielleicht ist es interessant zu erfahren, welche Rolle das Klavier schon gespielt hat in
meinem Leben. Zunächst eine problematische: es war die Werkbank des älteren
Klavierlehrfräuleins um die Ecke. Meine ersten Versuche in Mehrstimmigkeit drangen
karg aus der dunklen Kiste und verdumpften in den spitzenbewehrten Sesseln. Außerdem
war nicht einzusehen, warum die zwei Hände nicht dasselbe spielen sollten, und dieser
Herr Czerny musste der mächtigste Komponist der Welt sein.
Das Klavier war aufgesuchter Qual-Ort, denn es spendete auch Lust: gefundene Töne,
Folgen, Klänge nämlich, die nur mir gehörten. Aber vielleicht verklärt sich das nach so langer
Zeit. Jedenfalls war an geregelte Wiedergabe bereits ersonnener Musik nicht zu denken. Das
Komponieren begann aus der Überwältigung durch das Selberfinden. Auch wenn zunächst
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nichts Überwältigendes entstand. Vom Fräulein ging es aufwärts ins Konservatorium, wo
vorher schon die Notennamen und das Blasrohrspiel im Kinderkurs erlernt worden waren.
Dort häuften sich Erlebnisse von der Art Lirum-Larum-Löffelstiel, wer nicht übt, der kann
nicht viel. Also: Wer übt, kann mehr. So ist es bis heute geblieben - überfaul, will ich lieber
nichts können. Das verleiht dem Arbeitsethos experimentelle Züge. Damals war das aber
eher schmerzliche Erfahrung, denn belohnt und anerkannt wurde ja nicht das geheime
Arbeitsethos, sondern die offenkundig geläufige Tonleiter. Das geringe Gelingen
nachschöpferischen Elans forcierte also die schöpferische Energie. Das muss nicht immer so
sein. Natürlich wurde das Klavier dann zu einer Art Trostapparat. Da mir nichts genug war,
erschien mir damals die Orgel als Steigerung: über ungeheuerliche Klänge konnte verfügt
werden. Stundenlang krachte das Gebälk - im Ohr vollzog ich die Differenzierung nach.
Solches Klangbad kann ich jedem empfehlen, der glaubt, Stil und Pur seien Brüder.
Apropos Brüder: Die liebste Klavierspielerfahrung ist mir bis heute das Vierhändigspiel. Am
liebsten mit einem besseren Spieler, ich selbst in der tiefen Region.
Das Klavier ist für mich auch kompositorisch bis heute Phantasierinstrument
geblieben. Nicht, dass ich am Klavier komponiere. Das gibt es auch, hauptsächlich um
Harmonik zu beklopfen. Aber am Klavier sitzen, bevor ich ans Papier gehe, die Musik
gleichsam anfassen, das ist Einstimmung geblieben, immer wieder. Oder nach dem
Schreibtisch-Gebücke am Klavier lümmeln, Säue heraus lassend - angenehme Übung,
Gott sei Dank ohne Lirumlarum.“
(Wolfgang Rihm, 1982)
Quellen:
Wolfgang Rihm – ausgesprochen
Schriften und Gespräche 2 Bde.
Hrsg. von Ulrich Mosch
Veröffentlichung der Paul-Sacher-Stiftung,
Basel 1997
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