Österreichische Ärztezeitung vom 25.01.2016

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Die Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte
Wien, am 25.01.2016, Nr: 1/2, 24x/Jahr, Seite: _
Druckauflage: 44 045, Größe: 88,28%, easyAPQ: _
Auftr.: 226, Clip: 9549694, SB: Widhalm Kurt
Krebsrisiko durch Fleisch:
Neuerlicher Hinweis
Ein erheblicher Risikofaktor für die Entstehung von Darmkrebs ist ein typisch westlicher Lebensstil. Daher war die Einstufung derWHO von rotem und prozessiertem
Fleisch als (potentiell) krebserregend für Experten nur wenig überraschend - und
sollte vielmehr als erneuter Hinweis darauf gesehen werden. Von Verena Isak
M
it etwa 4.000 Neuerkrankungen
pro Jahr stellt das Kolonkarzinom den dritthäufigsten Tumor
in Österreich dar; rund jeder fünfte aller
Tumore ist im Darm lokalisiert. Dass die
Inzidenz stetig im Steigen ist, ist auf den
Lebensstil zurückzuführen: fleischreiche,
ballaststoffarme Ernährung und geringe
körperliche Aktivität sind Risikofaktoren
für die Entstehung von Kolonkarzinomen.
Deshalb hat die WHO im Oktober 2015
verarbeitetes Fleisch - beispielsweise
Wurstwaren und Schinken - als krebserregend (Gruppe 1) und rotes Fleisch beispielsweise von Schwein, Rind, Lamm
oder Wild - als potentiell kanzerogen
(Gruppe 2A) eingestuft. „Diese Einstufung
an sich ist für Experten nichts Neues.
Vielmehr geht es darum, die Leute noch
einmal darauf aufmerksam zu machen",
sagt Univ. Prof. Kurt WidjTaJm, Präsident
des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin. Prozessiertes Fleisch ist somit in derselben Gruppe
wie auch Asbest oder Tabakrauch. Den-
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noch: „Rauchen ist noch gefährlicher, das
Krebsrisiko ist viel höher", so Widhalm
weiter.
schen dem Konsum von rotem und prozessiertem Fleisch und Karzinomen untersuchten, evaluiert.
„Dass ein Lebensmittel als krebserregend bezeichnet wird, hat es noch nie gegeben. Daher hat das Statement der WHO
Wellen geschlagen, vor allem weil die WHO
als wichtige Organisation betrachtet wird",
meint Univ. Prof. Christoph Gasche von der
Medizinischen Universität Wien. „Für die
Bevölkerung war das harter Tobak."
Warum rotes beziehungsweise prozessiertes Fleisch kanzerogen ist, hat
verschiedene Gründe. Ein zentraler Stoff
im Myoglobin von rotem Fleisch ist das
Häm-Eisen Fe2+, das auch dessen rote
Farbe bedingt. „Durch die Reaktion von
zweiwertigem Eisen mit Wasserstoffperoxid
entstehen toxische Sauerstoffradikale,
die DNA-Mutationen auslösen können",
erklärt Gasche. Bei dreiwertigem Eisen,
das im Gemüse vorkommt, ist dieses Risiko viel geringer.
Risikoerhöung
nachgewiesen
Die von der International Agency for
Research on Cancer (IARC) durchgeführte
Metaanalyse ergab bei einem Konsum
von 100 Gramm rotem Fleisch pro Tag
eine Erhöhung des relativen Risikos, an
Darmkrebs zu erkranken, um 17 Prozent.
Bei prozessiertem Fleisch steigt das relative Risiko für das Auftreten eines Kolonkarzinoms um 18 Prozent pro 50 Gramm
pro Tag. Insgesamt wurden mehr als 800
Studien, die einen Zusammenhang zwi-
Gasche sieht auch die Gabe von Eisentabletten bei Eisenmangel als problematisch: „Durch die Toxizität kommt es oft
zu Verdauuungsproblemen als Nebenwirkung." Weswegen er ein Verfechter
der iv.-Eisentherapie ist. „Während zweiwertiges Eisen im Gastrointestinaltrakt
krebserregend ist und das Wachstum von
Tumorzellen fördert, ist die intravenöse
Eisengabe unproblematisch", sagt er.
Ü Ä Z • 1/2 • 2 5 . J ä n n e r 2016
Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
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medizin
Die Art der Zubereitung des Fleisches
spielt ebenfalls eine große Rolle. Bei
hohen Temperaturen - ab etwa 130° C
- kommt es zur Bildung von trans-Fettsäureestern. Neben einem durch Arteriosklerose bedingten erhöhten Risiko für
einen Myokardinfarkt oder Insult haben
Transfette auch einen negativen Einfluss
auf die Darmschleimhaut, da es zu oxidativem Stress in den Zellen kommt.
„Kochen oder braten ist besser als grillen
oder frittieren", empfiehlt Gasche.
Ein weiterer Faktor ist die veränderte
Darmflora. „Bei der Umstellung von einer
vegetarischen auf Fleischkost kommt es
innerhalb von 24 Stunden zu deutlichen
Veränderungen der Darmflora", erklärt
Gasche. Ob eine Fleisch-intensive Diät
auch das Wachstum von Fusobakterien
fördert, welche mit Kolonkarzinomen assoziiert sind, ist derzeit noch nicht klar:
„Fusobakterien wurden vermehrt bei Patienten mit Darmkrebs gefunden, vor allem
in den Tumorzellen und umliegendem Gewebe. Momentan haben Fusobakterien
Auf Fleisch komplett zu verzichten, ist
dennoch nicht notwendig, denn es komme
auf die Menge an, betont Widhalm. „Maximal zwei bis drei Mal Fleisch pro Woche
genügt." Für den Durchschnitts-Österreicher ist daher die Reduktion des Fleischkonsums zu empfehlen. „In der österreichischen Küche wird Gemüse nur als
Beilage betrachtet - das Hauptgericht ist
immer Fleisch", sagt Gasche.
Handlungsbedarf ist von Seiten der
Politik gegeben, wie Gasche an einem
Beispiel erläutert: „Ein Kilogramm Faschiertes kostet im Angebot 3,79 Euro.
Zwei Gurken mit insgesamt rund 250g
0,68 Euro. Gemessen an der Nahrhaftigkeit sind Gurken also rund 20-fach so
teuer wie Fleisch." Sein Fazit: „Fleisch ist
viel zu billig im Vergleich zu den Produktionskosten." Gasche fordert in diesem Zusammenhang eine Änderung der Preisgestaltung, dass „Fleisch so viel kostet wie
in der Produktion. Der Lobbyismus geht
aber in die andere Richtung."
Weniger Fleisch und dafür mehr Obst
und Gemüse zu essen allein genügt allerdings nicht. Bewegung ist ein weiterer
wichtiger Faktor: „Nur ums Haus zu gehen reicht nicht. Man sollte den Kreislauf
anregen und ins Schwitzen kommen",
erklärt Widhalm. Er empfiehlt zumindest
zwei Stunden pro Woche Sport. „Physikalische Aktivität fehlt als Basis der Ernährungspyramide des Gesundheitsministeriums", bemängelt er.
Was Widhalm besonders kritisiert:
„Es hat keine Stellungnahme des Gesundheitsministeriums gegeben." Und:
„In der öffentlichen Diskussion sind Wissenschafter nicht zu Wort gekommen."
Erstaunt sei er auch gewesen über die
öffentliche Reaktion. „Denn die wesentliche Botschaft ist, dass die Menschheit
mit ihrem eigenen Verhalten Gesundheit
beziehungsweise Krankheit beeinflussen
kann", so Widhalm resümierend.
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aber noch nicht den Status als Krebserreger, den Helicobacter pylori bei Magenkrebs hat", erläutert der Experte.
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