Der Lagrange- Formalismus

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Kapitel 8
Der LagrangeFormalismus
8.1 Euler-Lagrange-Gleichung
In der Quantenmechanik benutzt man oft den Hamilton-Operator, um
ein System zu beschreiben. Es ist aber auch möglich den LagrangeFormalismus zu verwenden.
In der klassischen Mechanik kann das grundlegende Gesetz mit Hilfe
des Lagrange-Formalismus ausgedrückt werden:
r
r
r
r
d2x
=
⇒
F ma
m 2 = −∇V
dt
Die Lagrange-Funktion wird definiert als
L≡
T
{
kinetische
Teilchenphysik
−
V
{
potentielle
Energie
≡ L(qi ,
dqi
)
dt
i = 1,..., n
125
Der Lagrange-Formalismus
wobei qi die verallgemeinerten Koordinaten sind und dqi/dt deren
zeitliche Ableitungen.
Das Prinzip der kleinsten Wirkung: das System breitet sich
zwischen der Zeit t1 und t2 entlang eines Weges aus, entlang
welchem die Wirkung S minimal wird
δS = 0
wobei die Wirkung als
t2
S ≡ ∫ Ldt
t1
definiert wird.
Diese Bedingung führt zur Euler-Lagrange-Gleichung:


d  ∂L  ∂L
=0

−
dt   dqi   ∂qi
∂ 
  dt  
i = 1,..., n
8.2 Lagrange-Funktion in der
relativistischen Feldtheorie
Wir sind an der Bewegungsgleichung von Feldern interessiert. Ein
Feld beschreibt ein kontinuierliches System mit unendlich vielen
Freiheitsgraden, z.B. die Auslenkung einer klassischen Saite.
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Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Lagrange-Funktion in der relativistischen Feldtheorie
Das System wird durch das Feld φ beschrieben, das eine Funktion des
Ortsvektors und der Zeit ist:
r
φ ( x , t) = φ ( x µ )
Das Feld besitzt unendlichviele Freiheitsgrade, die mit Hilfe des
Ortsvektors x indiziert werden. D.h., wir ersetzen die diskreten Koordinaten qi und deren zeitlichen Ableitungen durch die kontinuierlichen Funktionen φ(xµ) und ∂µφ(xµ)
qi → φ ( x µ )

 dqi
→ ∂ µφ ( x )

 dt
µ = 0,1, 2, 3
(Beachte, dass wir nicht nur die zeitliche Ableitung des Feldes, sondern die vier unabhängigen Ableitungen ∂µ betrachten).
Wir führen die Lagrange-Dichte L ein als eine Funktion des Feldes
und dessen Ableitungen:
(
L ≡ L φ, ∂ µφ
)
Die Wirkung wird
r
S ≡ ∫ Ldt = ∫ dt ∫ d 3 xL = ∫ d 4 xL
wobei wir bemerken, dass der letzte Term als ein “kovariantes” Integral ausgedrückt wird.
Weil das 4-dimensionale Volumenelement d4x eine Invariante der
Lorentz-Transformation ist, suchen wir eine Lagrange-Dichte, die
auch eine Invariante ist. Es gilt, dass
Teilchenphysik
127
Der Lagrange-Formalismus
die Invarianz der Lagrange-Dichte eine hinreichende Bedingung für die Kovarianz der Theorie ist.
(Andere Symmetrien können auch in die Lagrange-Funktion
eingebaut werden, wie z.B. eine Eichinvarianz)
Das Prinzip der kleinsten Wirkung sagt voraus:
0 = δS =
 ∂L

∂L
δ ∂ µφ 
= ∫ d 4 x  δφ +
∂ ∂ µφ
 ∂φ


 ∂L

 ∂L
4  ∂L
δ φ − ∂µ 
= ∫ d x  δφ + ∂ µ 
 ∂ ∂ φ ( )
∂ ∂ φ
 ∂φ
µ
µ



( ) ( )
( )
( )



 δ (φ )


wobei das 4-dimensionale Integral über ein Raumzeitvolumen Ω
läuft. Wir bemerken, dass
∫d
Ω
4
x∂ µ (...) =
∫ d x (...)
3
∂Ω
wobei ∂Ω die Raumzeitfläche ist, die das Raumzeitvolumen Ω
umschliesst. Wir nehmen an, dass das Feld bestimmte “Randbedingungen” über die Raumzeitfläche ∂Ω erfüllt, so dass
δ (φ ) ∂Ω = 0
über die Raumzeitfläche ∂Ω
Es folgt daraus, dass für eine beliebige Änderung des Feldes δφ gilt
 ∂L
 ∂L

−
∂
∫ d xδφ  ∂φ µ  ∂ ∂ φ

µ

4
128
( )
 
  = 0
 
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Lagrange-Funktion des skalaren Klein-Gordon Felds
oder
 ∂L
∂L
− ∂µ 
∂ ∂ φ
∂φ
µ

( )

 = 0

relativistische Euler − Lagrange − Gleichung
Im Allgemeinen kann man mehr als ein Feld betrachten. Wenn wir n
Felder φi betrachten, wird die Lagrange-Funktion so ausgedrückt
(
L ≡ L φ i , ∂ µφ i
)
i = 1,..., n
und wir erhalten n Euler-Lagrange-Gleichungen
 ∂L
∂L
− ∂µ 
∂ ∂ φ
∂φ i
µ i

( )

 = 0

8.3 Lagrange-Funktion des skalaren
Klein-Gordon Felds
Wir betrachten ein einziges skalares Feld
r
φ ( x µ ) = φ ( x 0, x )
Wir suchen eine invariante Lagrange-Funktion, die eine Funktion des
Feldes und dessen Ableitungen ist:
(
L ≡ L φ, ∂ µφ
Teilchenphysik
)
129
Der Lagrange-Formalismus
Wir schreiben als Ansatz:
( )
1
1
∂ µφ (∂ µφ ) − m 2φ 2
2
2
2
1
1
= ∂ µφ − m 2φ 2
2
2
L KG =
( )
Wir berechnen:
∂L
1
= − m 2 2φ = − m 2φ
∂φ
2
und
∂L
∂
∂(∂ φ )
( ) ( )
=
µ
1
∂ µφ
∂ ∂ µφ 2
2
= ∂ µφ !
Beachte die Lage des Index. Der Beweis ist der folgende: wir
betrachten die verschiedenen µ:
∂ 1
∂L
=
(∂ φ )(∂ 0φ ) − ... = ∂ 0φ = ∂ 0φ
∂(∂ 0φ ) ∂(∂ 0φ ) 2 0
[
]
und
∂ 1
∂L
=
(∂ φ )(∂ 0φ ) − (∂1φ )(∂1φ )... = −∂1φ = ∂1φ
∂(∂1φ ) ∂(∂1φ ) 2 0
[
usw...
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Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
]
Lagrange-Funktion der Dirac-Gleichung
Wegen der Euler-Lagrange-Gleichung gilt
 ∂L
∂L
= ∂µ 
∂ ∂ φ
∂φ
µ

( )

2
µ
 ⇒ − m φ = ∂ µ (∂ φ ) ok!

8.4 Lagrange-Funktion der DiracGleichung
Wir betrachten ein Spinorfeld ψ and die folgende Lagrange-Funktion
L Dirac ≡ iψγ µ ∂ µψ − mψψ
Die beiden Spinoren ψund ψ werden als zwei unabhängige Felder
betrachtet, d.h. wir benutzen zweimal die Euler-Lagrange-Gleichung:
(
∂L
∂ ∂ µψ
)
=0
und
∂L
= iγ µ ∂ µψ − mψ ⇒ iγ µ ∂ µψ − mψ = 0 ok!
∂ψ
und
∂L
( )
∂ ∂ µψ
= iψγ µ
und
∂L
= − mψ ⇒ i∂ µ (ψγ µ ) − mψ = 0 ok!
∂ψ
8.5 Invarianzeigenschaft der LagrangeFunktion
Wir erinnern uns an das Theorem von Nöther (Emmy Nöther, 1917):
Teilchenphysik
131
Der Lagrange-Formalismus
Wenn die Lagrange-Funktion invariant ist unter einer kontinuierlichen Transformationgruppe, dann gibt es einen erhaltenen Strom des Feldes.
Man spricht von Invarianz der Lagrange-Funktion unter der
Gruppe.
Die Invarianzeigenschaften der Lagrange-Funktion einer Theorie
sind fundamental.
Wir betrachten als Beispiel die Invarianz unter Translation. Bei einer
infinitesimalen Translation ändert sich der Raumzeitvektor so
x µ → x µ + δa µ
Die Änderung der Lagrange-Funktion ist gleich
δL =
∂L
∂L
δφ +
δ ∂ µφ
∂φ
∂ ∂ µφ
( ) ( )
Wir bemerken, dass wir nur die Änderung des Feldes betrachten, weil
wir annehmen, dass die Lagrange-Funktion nicht explizit von xµ
abhängt.
Es gilt
δφ = (∂νφ )δaν =
∂φ ν
δa
∂xν
( )
und δ ∂ µφ = ∂ µ (δφ )
Aus der Euler-Lagrange-Gleichung
 ∂L
∂L
= ∂µ 
∂ ∂ φ
∂φ
µ

( )
132



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Invarianzeigenschaft der Lagrange-Funktion
folgt
 ∂L
δL = ∂ µ 
∂ ∂ φ
µ

( )

∂L
∂ µ (δφ )
 δφ +
∂ ∂ µφ

( )
 ∂L

 ∂L

= ∂µ 
δφ = ∂ µ 
∂ φ δaν
∂ ∂ φ

 ∂ ∂ φ ( ν )

µ


µ

( )
( )
Wir können die Änderung der Lagrange-Funktion auch bezüglich der
Raumzeitkoordinaten ausdrücken:
δL =
∂L µ
δa = ∂ µ L δaνδνµ
∂x µ
( )
Wenn wir die zwei Gleichungen vergleichen, erhalten wir
 ∂L

∂µ 
∂νφ ) − δνµ L δaν = 0
(
∂ ∂ φ

µ


( )
d.h., wir haben einen erhaltenen Strom gefunden:
∂ µ Tνµ = 0 wobei Tνµ ≡
∂L
( )
∂ ∂ µφ
(∂νφ ) − δνµ L
wobei T der Energie-Impuls-Tensor des Feldes ist.
Energie des Feldes: Die T00 Komponente entspricht der HamiltonDichte H:
H ≡ T00 =
Teilchenphysik
∂L
(∂ φ ) − L
∂(∂ 0φ ) 0
133
Der Lagrange-Formalismus
Der Hamilton-Operator ist gleich
r
r
H = ∫ d 3 xH = ∫ d 3 xT00
Wenn wir diese Gleichungen mit dem klassischen Analog vergleichen,
H ( p, q) = p
dq
−L
dt
können wir die kanonische Impuls-Dichte des Feldes definieren
Π≡
∂L
∂(∂ 0φ )
Mit dieser Definition gilt
T00 = Π(∂ 0φ ) − L
Impuls des Feldes: Die T0i Komponenten entsprechen dem vom
Feld getragenen Impuls:
r
r ∂L
Pi ≡ ∫ d 3 xTi 0 = ∫ d 3 x
(∂ φ )
∂(∂ 0φ ) i
r
= ∫ d 3 xΠ(∂ iφ )
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i = 1, 2, 3
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