Higher vs lower positive end-expiratory pressure in patients with acute lung injury and acute respiratory d Briel M, Meade M, Mercat A, et al. In: JAMA 2010; 303: 865-73 BEWERTUNGSSYSTEM ***** = hervorragende Arbeit **** = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit *** = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet ** = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel * = erhebliche Mängel Bewertung: *** Zielstellung: Bessert bei Beatmung mit niedrigem Zugvolumen (6 mL/kgKG) ein höherer PEEP (> 12 cm H2O) verglichen mit einem niedrigeren die Prognose bei akutem Lungenversagen (ALI) und/oder ARDS (definiert wie üblich als paO2 : FiO2 > 200 mmHg)? Design: 1/3 Higher vs lower positive end-expiratory pressure in patients with acute lung injury and acute respiratory d Metaanalyse aus individuellen Studiendaten von 2299 Patienten (3 Studien konnten herangezogen werden). Wichtige Ergebnisse: Konkret geht es um einen PEEP-Unterschied von 5-6 cm H20 (15 vs. 9 an Tag 1, 13 vs. 8 an Tag 3) in der ersten Beatmungswoche. Die Gesamtmortalität von etwa 34% hing nicht vom PEEP ab. In der Untergruppe der 1892 ARDS-Patienten ergab sich eine gerade signifikante Senkung der Mortalität bei höherem PEEP (p=0,049); für ALI-Patienten fand sich kein Unterschied. Die Quote von Pneumothorax und Katecholamin-Indikation wurde nicht vom PEEP beeinflusst. Schlussfolgerung: Die Mortalität von ARDS-Patienten wird durch höheren PEEP gesenkt. Kommentar: Seit Ashbaughs bahnbrechender Beschreibung des ARDS im Lancet 1967 wissen wir, dass man Alveolen bei ARDS nur mittels PEEP am Kollabieren hindert. Davon kann auch die Erkenntnis aus neuerer Zeit nicht abhalten, dass höherer PEEP potentiell die allgemeine Entzündungsreaktion verstärkt und ein Multiorganversagen in die Wege leiten kann. Insbesondere ersteres nehmen wir für Überleben relativ gelassen in Kauf. Dass die Einstellung eines höheren PEEP die Gasaustauschsituation bei ARDS-Patienten verbessert, solange man damit nicht den Kreislauf zusammenbrechen lässt, ist Basiswissen aus der Lungen- und Beatmungsphysiologie und alltägliches hands-on-Erleben am Krankenbett. Es scheint mir intuitiv plausibel, dass die Überlebenschance einer Grunderkrankung größer wird, wenn man nicht zwischendurch an einem Lungenversagen stirbt. Es wäre nachgerade ein Skandal gewesen, wenn bei dieser Metaanalyse jetzt etwas anderes herausgekommen wäre. Wenn überhaupt etwas erstaunen kann, dann, wie statistisch gering der Effekt eines höheren PEEP auf die Mortalität ist. Dazu trägt natürlich bei, dass alle in einer solchen Studie auswertbaren Daten letztlich Globalparameter der Lungenfunktion darstellen, deren Abweichung ins Pathologische auf individuell unterschiedlich gewichteten Störungen von Diffusion, Restriktion, Ventilation und Perfusion beruhen – wofür wahrscheinlich eine 2/3 Higher vs lower positive end-expiratory pressure in patients with acute lung injury and acute respiratory d Behandlung nach Schema F nicht das Allheilmittel darstellen kann. Andererseits ist aufgrund der verfügbaren Erkenntnisse aber auch nicht auszuschließen, dass es doch solche schlichten Allheilmittel-Herangehensweisen geben kann. Der eine oder andere mag sich fragen, ob man so etwas denn nun wirklich lesen muss und warum dafür so viel Raum in der JAMA vergeben wird. Wenn man als Horizont das Krankenbett akzeptiert, dann reicht es durchaus, das Abstract (s.o.) zu lesen und die Bestätigung mitzunehmen, dass die längst üblichen Standards jetzt auch bewiesen für die Überlebenschance und nicht nur evident für die Lungenfunktion richtig sind. Tatsächlich hilft diese Metaanalyse im Tagwerk nicht weiter außer beruhigend zu vermitteln, dass ein PEEP von 15 noch längst nicht Schuld sein muss an einem Pneu und auch nicht an einer kritischen Abnahme der Pumpfunktion des Herzens. Man kann auch die indirekt vermittelte Botschaft mitnehmen, dass man bei einem ALI durch sinnblindes Herumschrauben am PEEP außer möglicher Inkaufnahme einer Hypotension und dem dann allfälligen prärenalen Nierenversagen wohl nichts gewinnt. So richtig interessiert wäre man lebenspraktisch an der Klärung der Frage, wie man denn nun den PEEP messen soll – da gibt es inzwischen 4-6 alternative Methoden –, und ob man besser dem best-PEEP- oder dem optimum-PEEP-Konzept bei der Anpassung an die Oxigenierung von so kritischen Patienten folgen sollte. Ausgerechnet diese Information geben die drei analysierten Studien aber nicht her, weil die Erfassung nicht vorgegeben war. Wenn das Thema der PEEP-Messung sich eines Tages als relevant herausstellen sollte, so wie manche vermuten, dann steht die vorgelegte Metaanalyse auf wackligen Füßen. Lesenswert ist der umfängliche Artikel vor allem, wenn man lernen will, welche Kriterien an die Erstellung einer aussagefähigen Metaanalyse anzulegen sind. Das ist schon alles sehr überzeugend dargestellt und gut gemacht. Die Metaanalyse enthält noch eine indirekte sehr wichtige Botschaft, nämlich einen Tiefschlag für die intensivmedizinische Forschung am Patienten: wenn man tragfähige Ergebnisse bezüglich des Einflusses von Beatmungsparametern erhalten will, braucht man gar nicht anzufangen mit weniger als 2000 Patienten. Kein Wunder also, dass die letzten Studien zur PEEP-Frage (Alveoli, Lovs, Express, Epvent; 2004, 2008) zu keinem Ergebnis kamen wegen hoffnungslos zu niedriger statistischer Power (was deren Hypothesen wieder interessanter macht). Diese PEEP-Story ist also noch längst nicht am Ende. W. Müllges 3/3