Fisch ist nicht gleich Fisch! Eckhard Gabler-Hagedorn Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich vor einigen Jahren nach längerer Pause wieder mit der Haltung und Zucht von ostafrikanischen Buntbarschen begann. Wie in solchen Situationen üblich. zog ich die Fachliteratur zu Rate, um mein Wissen aufzufrischen und zu ergänzen. Und da gibt's ja reichlich Auswahl: Gutes, Schlechtes und ganz Schlechtes. Mein Hauptinteresse galt natürlich auch den Verhaltensweisen der Tiere; war mir doch noch bekannt, daß eine der Schwierigkeiten bei der Pflege von Cichliden die innerarlliche Aggression ist. Die Ratschläge, die mir die Bücher erteilten - manche differenziert, manche auch gar nicht - lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: aggressiv, friedlich, relativ friedlich. Nach meinen heutigen Erfahrungen tuifft die letzte den Nagel auf den Kopf, wobei das Wort ,,relativ" hervorzuheben wäre. Kein Lebewesen läßt sich uneingeschränkt in die Schemata ,,aggressiv" oder ,,friedlich" eingliedern. Und überhaupt wäre das a1les relativ. In den letzten Jahren habe ich mich unter anderem recht intensiv mit der Zucht von Schneckenbuntbarschen (e nach Literatur Neo- oder nur Inmprologus) befaßt, zum Beispiel mrt Inmprologus ocellatus (e nach Händler und/oder Färbung ,,orange" oder ,,gold"). Das erste Ztchtpaar dieser Art, das ich erwarb, setzte ich in ein 60-Liter-Becken: Bodengrund Sand, dazu einige Aufbauten aus Sandstein und etwa vier bis fünf Schneckenhäuser zur freien Auswahl, von denen das Männchen sofort eines bezog und, nach der für diesen Fisch typischen Art, im Sand eingrub. Das Weibchen hatte es die ersten Tage etwas schwerer, denn der ,,Partner" verordnete ihm eine der oberen Ecken des Aquariums. Im Laufe der nächsten ein, zwei Wochen fand dann auch das Weibchen seinen Platz in einem Schneckenhaus, ohne daß es zu Verletzungen kam. In den folgenden Monaten hatte ich ausgiebig Gelegenheit, das Brutverhalten des Paares zu beobachten. Das Männchen verteidigte das Revier (besonders gegen die Fische im Nachbarbecken), während das Weibchen sich um die Jungtiere sorgte. Mitunter befanden sich bis zu drei Bruten im Becken. Alles verlief recht harmonisch, bis zu dem Tage , an dem ich den Fischbestand und die Dekoration im benachbarten Aquarium veränder1e. Vielleicht lag es daran, daß sich in diesem Becken nun statt recht großer Zuchttiere kleine Fische zur Aufzucht befanden, wodurch das Feindbild des l-amprolo gas-Männchens durcheinandergeriet. Die eigenen Jungfische wurden gefressen, und das Weibchen hatte es von nun an schwer. Zwar laichten die beiden in den folgenden Monaten noch mehrmals ab, doch @ r"o-rrro 25 (1) 1ee4: 1-3 nach einer gewissen Zeit endeten die,,Babies" im Bauch des Männchens. und auch die vorher erlebte Harmonie kehrte nicht mehr zurück. Irgendwann überließ ich das Paar einem interessierten Bekannten, und ich besorgte mir ein neues Zuchtpaar (diesmal rnehr ,.go1d" als ,,orange"). Auch diese Tiere setzte ich in dasselbe Aquarium; die Dekoration blieb unverändert. obwohl es sich um dieselbe Art handelte, war ich doch überascht, so viele auffällige Abweichungen im Verhalten zu erleben. Die anfängliche Aggression des Männchens gegenüber dem weibchen blieb völlig aus. Beide bezogen sofort ein Schneckenhaus. Auch im Brutverhalten zeigten sich deuiliche Unterschiede. Mehrere Jungfischbruten gleichzeitig wurden nicht geduldet. Kurz vorjedem erneuten Ablaichen verschwanden die Jungtiere, und die Eltern sahen satt und zufrieden aus. Auch eine Aufteilung in Revier- und Brutpflege fand nicht statt. Wenige Tage nach dem Verlassen der Schnecke teilten sich die jungen Fische auf: Ein Teil blieb beim weibchen, den anderen zog es zu dem Schneckenhaus des Männchens. Diese Teilung blieb bestehen, bis ich entweder den Nachwuchs mit dem Nerz herausfischte oder bis sich ein erneutes Ablaichen abzeichnete (siehe oben). Sonst war und ist von innerartlichen Aggressionen bei diesem Paar nichts zu spüren. Auch bei den anderen Schneckenbuntbarscharten, von denen man meinen sollte. daß sie sich vom Verhalten her zumindest ähneln, machte ich sehr abweichende Beobachtungen. Da ist zum Beispiel LamprologtLs meeli (beide Farbformen, Zaire und ransania), der in den ersten Monaten auf jede veränderung im Becken mit heftiger Aggres- Julidochromis ornatus - Foto: Matzanke DCG-Info 25 (1) 1994:, , @ Lamprologus ocellatus - Foto: Stawikowski sion reagierte. Nach jedem Wasserwechsel verbissen sich die bis dahin harmonischen Pärchen in einen stundenlangen Maulkampf, was ich nur dadurch zu dämpfen wußte, daß ich die Becken mit kaltem Frischwasser auffül1te. Dieses Verhalten war mir vorher nur von JLilidochromis-Arten bekannt. Angenehm überascht war ich iber Lamprologus signatus, vor dessen Aggressivität mich Bekannte gewarnt hatten. Mein Paar zeigte jedoch durchweg pazifistische Züge. Auch hier zeigt sich deutlich, daß sich Fische einer Art nicht so ohne weiteres in eine der vielen Verhaltensschubladen stecken lassen. Genau entgegengesetzt verhielt es sich mit larryrologus sp. (Büscher, DATZ 6191). Im Vertrauen auf meine Erfahrungen mit ähnlichen Arten setzte ich die Tiere anfangs in ein 60-Liter-Aquarium. Schon nach wenigen Stunden stellte sich das als Fehler heraus, den ich gerade noch im letzten Moment korrigieren konnte. Insgesamt dauerte es über ein halbes Jahr, bis aus Männchen und Weibchen ein Paar wurde! Bis es aber soweit war, wurden meine Nerven und die einiger wesentlich größeren Aquarienbewohner (unter anderen diverse TropheLts-Grtppen) auf eine harte Probe gestellt. Ich hoffe, daß durch diese Beispiele etwas klar geworden ist, worauf ich hinauswill. Das Aggressionsverhalten der Fische wird durch viele Faktoren beeinflußt. Die Literatur und auch die Händler können immer nur grobe Richtlinien geben. Letztlich darf man nicht außer acht lassen, daß auch die Cichliden Individuen sind, die ihre eigenen Verhaltensweisen haben. Das heißt für den Aquarianer, daß er seine Tiere beobachten, ja, kennenlernen muß. Wer bereit ist, sich rrit seinen Fischen auf diese Weise auseinanderzusetzen. der dürfte lange Freude an ihnen haben! @ r"o-tfo 25 (1) tee4: 1-3