pdf des Originalartikels - Medien

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Stuttgarter Zeitung, 13.6.2012, S. 18, Stadtausgabe.
Autorin: Gerlinde Felix
Ein Krebsmittel hält den Sehverlust auf
Medizin: Bei der Makuladegeneration hilft das
Mittel Lucentis. Doch eine viel günstigere Alternative wirkt genauso gut.
Es ist eine gute Nachricht für Patienten mit altersabhängiger Makuladegeneration: das Medikament
Avastin ist so wirksam in der Behandlung wie
Lucentis – kostet aber nur einen Bruchteil. Das
wirft die Frage auf, ob sich der hohe Preis für
Lucentis lohnt. Die altersabhängige Makuladegeneration, kurz AMD, ist eine Augenerkrankung, die
hierzulande rund vier Millionen Menschen betrifft.
Ein Teil davon leidet an der schnell verlaufenden
feuchten Makuladegeneration mit drastischer Sehverschlechterung. Die Netzhaut produziert hierbei
größere Mengen des Botenstoffs VEGF. Er lässt
krankhafte, undichte Blutgefäße aus der Aderhaut
in die normalerweise gefäßfreie Makula, die Stelle
schärfsten Sehens, hineinsprießen.
Vor einigen Jahren kamen die ersten VEGFHemmer auf den Markt, die das Wachstum der
Blutgefäße blockieren. Avastin (Wirkstoff Bevacizumab) und Lucentis (Wirkstoff Ranibizumab) sind
Antikörper, die den Botenstoff VEGF neutralisieren.
Während Avastin den kompletten Antikörper gegen
den Botenstoff VEGF enthält, besteht Lucentis nur
aus einem Fragment des Antikörpers. Diese beiden
Medikamente haben in den vergangenen Jahren
einige Unsicherheiten ausgelöst. Avastin ist schon
länger zur Krebstherapie, aber bisher nicht zur
Therapie der AMD zugelassen. Da es aber Erfahrungsberichten zufolge auch bei AMD wirksam ist,
wurde es trotzdem zur AMD-Behandlung eingesetzt. Das Bundessozialgericht hat diesen sogenannten „Off-Label-Use“ von Avastin im Jahr 2004
befristet zugelassen.
Der Preisunterschied ist groß: Während Lucentis
etwa 1262 Euro pro Injektion (Apothekenabgabepreis) kostet, fallen für eine Avastinspritze nur
Kosten in Höhe von etwa 50 bis 60 Euro an. Die
Ergebnisse einer jetzt veröffentlichten Studie des
US-Augeninstituts mit 1185 Patienten sowie die
vorläufigen Ergebnisse einer britischen Studie vergleichen nun erstmals die Wirksamkeit von Avastin
und Lucentis. „Beide einmal im Monat ins Auge zu
injizierende Medikamente sind langfristig gleichwertig“, berichtet der AMD-Experte Bernd Kirchhof von der Universitätsaugenklinik in Köln.
„Werden die Ergebnisse der beiden Studien kombiniert, ergibt sich zudem für beide Medikamente
kein Unterschied bei der Komplikationsrate.“ Der
Vorteil von Lucentis beträgt unterm Strich 1,4
Buchstaben mehr, die die Patienten auf der Sehtafel
bei monatlich erfolgten Injektionen im Vergleich zu
Avastin gewonnen haben.
Einen Haken hat das günstige Avastin derzeit noch:
Ein Apotheker muss die große Einzeldosis, in der
Avastin geliefert wird, in die viel kleineren bei
AMD not-wendigen Injektionsmengen portionieren.
„Durch Anheftung an die Spritzenwand, durch
Verklumpung und Brüche im Molekül könnte er an
Aktivität verlieren und zu Wirkeinbußen führen“,
sagt Kirchhof. Bis Juli sollen die kleineren Avastin-Dosen bei einigen Apotheken zur Verfügung
stehen. „Momentan läuft ein Pilotprojekt mit einer
speziellen Apotheke“, berichtet Kirchhof.
Demnächst erhalten Avastin und Lucentis Konkurrenz. Der Wirkstoff Aflibercept ist in den USA
bereits zur AMD-Therapie zugelassen, nachdem er
in zwei Zulassungsstudien mit Lucentis verglichen
worden war. Das Ergebnis: Aflibercept ist genauso
wirksam. Es ist ein Protein, das sich stärker an den
Botenstoff VEGF bindet als dieser an seine natürliche Andockstelle an den Blutgefäßen. So unterbindet Aflibercept, dass VEGF durch Andocken an
seine natürlichen Rezeptoren das Wachstum der
Blutgefäße fördert. Kirchhof nennt zudem einen
praktischen Vorteil: „Es muss nur halb so oft wie
Lucentis und Avastin injiziert werden. Weniger
Injektionen ins Auge bedeuten mehr Lebensqualität
und ein geringeres Infektionsrisiko für die Augen.“
Kirchhof erwartet die Zulassung in Deutschland für
September. Es gäbe nicht weniger Nebenwirkungen
als bei Avastin und Lucentis, sagt er. Und was
macht der Preis? „Aflibercept ist dann vermutlich –
wie in den USA – geringfügig günstiger als Lucentis, aber viel teurer als Avastin.“
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