5. Elektrische Eigenschaften 5.1 Leitfähigkeit von Polymeren Polymere sind meistens gute Isolatoren! Leitfähigkeit setzt eine Beweglichkeit der Elektronen voraus (entlang der Kette und von einer Kette zur nächsten) Vergleich der Leitfähigkeiten: Teflon (PTFE) Polyacetylen, undotiert Silber, Kupfer 10-16 S/m 10-10 S/m 108 S/m Polyacetylen schon bei Raumtemperatur geringe Leitfähigkeit Grund: Peierls Übergang (Theorem: 1-dim Metalle sind instabil durch die Bildung einer Energielücke am Fermi-Niveau) trans-Struktur des Polyacetylen = 2-fach entarteter Grundzustand A und B Einzel- und Doppelbindungen können ohne Energieänderung austauschen Bildung von freien-Radikalen wo Zustand A und B zusammentreffen (dieser Defekt wird neutrales Soliton genannt) stabil: Ladung des freien Elektrons wird über alle Monomereinheiten verteilt 1 5.2 Photoleitfähige Polymere In Isolatoren kann durch Lichteinstrahlung ein Strom in einem elektrischen Feld erzeugt werden. Lichteinstrahlung produziert also freie Ladungsträger. Historisches Beispiel NaCl mit Farbzentren: NaCl-Kristallen die 1016 Farbzentren/cm³ enthalten. Bei höheren Temperaturen treten höhere Dunkelströme auf. Photoströme können nach Anregung mit Blaulicht durch Rotlicht wieder reaktiviert werden. • Elektronen, die lose an eine Anionenleerstelle gebunden sind, absorbieren Licht • Lose gebundenes Elektron wird ins Leitungsband angeregt • Dort bewegt es sich so lange bis es wieder eingefangen wird • Gemessener Strom entspricht der Verschiebung der Elektronen im elektrischen Feld. Beispiele für photoleitfähige Polymere: a) Poly-N-vinyl-carbazol (PVK) Polymer mit Seitengruppen Schematische Darstellung eines Ladungsträgers (Lochzustand) In PVK ist das Elektron-Loch Paar an einer Carbazol-Einheit lokalisiert. Polymer-Rückgrat trägt nicht zur Leitung bei. Loch-Zustand ist ein Radikalkation: Elektronen eingebunden, Löcher sind beweglich typische effektive Beweglichkeiten μ = 10-6 cm²/Vs 2 b) Polysilan quasikonjugierte Polymere Schematische Darstellung eines Ladungsträgers (Lochzustand) konjugierte Polymere (= eine Einfachbindung zwischen zwei Doppelbindungen): Photoleitfähigkeit auch längst der Polymerhauptkette typische effektive Beweglichkeiten μ = 1 cm²/Vs Anwendungen: • Antistatische Beschichtungen für photografische Filme • Strahlungsschutz an Computerbildschirmen • Selbsttönende Fenster, die im Sommer das Sonnenlicht abfangen Hier: Bandlücke im UV-Bereich. Die Fallen sind jedoch flach, so daß IR Licht genügt, um Elektronen wieder zu reaktivieren. Farbzentren sind nicht nur Quellen freier Elektronen sondern auch effiziente Fallen ("traps"). Mechanismus der Photoleitfähigkeit: Excitonen • Einfallendes Licht hebt Elektron aus dem Valenzband ins freie Leitungsband: Schaffung eines Elektron-Loch Paares • Schwingungsanregung dieses Zustandes ≡ Exciton • Wegen van-der-Waals WW nur geringe Überlappung der Wellenfunktionen • Starke Lokalisierung der excitonischen Anregung ≡ sogenannte Frenkel Excitonen • Gegensatz: Excitonen im Halbleitern sind wegen starker Überlappung der Elektronen-Wellenfunktionen 3-dim. bis zu 100 Å ausgedehnt (MottWannier Excitonen) ⇒ Ladungsträger sind also über das ganze Gitter verteilt. Bewegung der Ladungsträger ist also ein Hüpfprozeß 3 Genauer: • Ladungsträger-Erzeugung als Folge eines hochangeregten ExcitonenZustandes geschieht im Picosekunden Bereich • Quantenausbeute wird am stärksten durch Rekombination des Elektron-Loch Paares auf Grund der eigenen gegenseitigen Coulomb WW reduziert. Diese Rekombination kann durch Anlegen hoher Felder teilweise unterdrückt werden. Sind Elektron und Loch aus ihrem gegenseitigen Coulombpotential befreit, können sie sich frei im elektrischen Feld bewegen. • Einer der beiden Ladungsträger wird an der dem Licht ausgesetzten Oberfläche rekombiniert, die andere Ladungsspezies drifted durch Probe (Folie)v zur Gegenoberfläche. Deren Beweglichkeit μ(cm²/Vs) im elektrostat. Feld E wird gemessen. v v v = μ⋅E Driftgeschwindigkeit • Bandabstand ist im allgemeinen bei ca. 4 eV (für Anwendung sehr hoch) • Erniedrigung dieses Bandabstandes durch Charge-Transfer WW. Beispiel: In unmittelbarer Nähe des Donatormoleküls Carbazol wird ein starker Elektronenakzeptor wie Trinitrolfluorenon (TNF) gebracht. Dies erniedrigt die Gesamtenergie für Elektron-Loch Paar Erzeugung hν charge transfer = I donator − I akzeptor − ΔΕ { Coulomabsenkung Vergleich eines Elektron-Loch-Zustandes in PVK (links) und eines 'Charge-transfer'-Zustandes im Donator-Akzeptor-Komplex PVKTNF (rechts) ⇒ Resultat: Übergänge werden vom UV-Bereich in den IR-Bereich verschoben ⇒ DOTIERUNG ! 4 Anwendung: Elektrophotographie (Xerokopie) Photoleitende Schichten früher Chalkogenid-Gläser (Se), heute photoleitende Polymere. a) Gleichförmiges Besprühen der photoleitenden Schicht mit Ladungen durch Corona-Entladung. Draht in der Nähe der photoleitenden Schicht auf hoher Spannung bis zur Durchschlagsfeldstärke der Luft. b) Positiv-Bild wird auf photoleitfähige Schicht projektiert. An hellen Flächen wird durch Photoleitfähigkeit Ladung abgebaut. Optisches Bild wird in elektrostatisches Bild umgewandelt. c) Gegensinnig (hier negativ) geladene Tonerteilchen haften an den geladenen Stellen. d) Übertragung der Tonerteilchen auf gegensinnig aufgeladenes Papier. e) Einschmelzen der Tonerteilchen auf Papieroberfläche durch IR-Bestrahlung (Toner = leichtschmelzendes organisches Harz) f) Fertige Kopie des Originalbildes. Der Laserdrucker basiert auf gleichem Prinzip, lediglich die anfängliche Optik ist durch abtastenden Laserstrahl ersetzt. 5 Theoretische Beschreibung: a) Onsager Ansatz zur Beschreibung des Elektron-Loch Trennungsvorgang f Uv E θ Trennungswahrscheinlichkeit ∝ φ (Quantenausbeute) gegenseitiges Coulombpotential Feldstärke v Winkel zwischen Dipolaxe und E ⎡ ∂f kT u ⎤ μ div ⎢e kT grad f ⎥ = ∂t kT ⎦ e ⎣ u b) Modelle zur Beschreibung der Beweglichkeit einfacher Ansatz: Vangelegte = E ⋅ l und vd = μ ⋅ E Spannung l l2 = μ ⋅ E Vμ Sind also l (Schichtdicke des photoleitenden Polymers), V (angelegte Spannung) bekannt, läßt sich über die Messung von τt die Beweglichkeit μ bestimmen. ⇒ τt = Die Quantenausbeute φ ist dann proportional der insgesamt abgeflossenen Ladung ∞ Q = ∫ I (t )dt 0 Typisch für ungeordnete Strukturen ist der Zeitverlauf I(t) durch komplexe Relaxationsgesetze gekennzeichnet Beispiel: Polysiloxan Transientzeit τt aus Lage des Abknickpunkt Bereiche konstanter Steigerung in der log I - gegen - log t Kurve legen die Gültigkeit von Skalengesetzen nahe. 6 Transport im amorphem Körper durch breite Verteilung g(ε) einfachexponentieller Hüpfraten zu beschreiben ψ(t) = Wahrscheinlichkeit, daß Ladungstäger der zur Zeit t0 = 0 an einem bestimmten Platz angekommen ist, diesen zur Zeit t wieder verläßt ψ (t ) = ∑ g (ε )⋅ W (ε )e −W (ε )t ε ↑ Zustandsdichte entsprechender ψ(ε) Beiträge ↑ Hüpfwahrscheinlichkeit Wichtig: Einfach exponentiell abfallende Hüpfzeitkorrelation ψ(t) = r e-rt ergibt konstante Driftgeschwindigkeit vd (t) = const. Aber: Langzeitverhalten ψ (t ) t →∞ ∝t für Polymer realistischer. Modellierung eines solchen Langzeitverhaltens durch Fallenmodell: • Landungsträger werden mit Wahrscheinlichkeit 1 eingefangen wenn sie an einer Falle vorbeikommen • Eingefangene Ladungsträger entkommen durch Boltzmann-Aktivierung den Fallen − ε / kT − (1+α ) W ( ε ) = W0 e • Zur ↑ Versuchsfrequenz Vereinfachung exponentielle g (ε ) = e −ε / kT0 Fallenverteilung in Energieraum • Einsetzen in Gleichung für ψ(t) (siehe vorher) ergibt ψ (t ) ≈ ∑ e −ε / kT e −ε / kT exp− {W0 te −ε / kT } 0 ε Mathematisch kann diese Gleichung in ψ (t ) = ∑ a n b n e − b t n umgeschrieben werden n Diese Gleichung hat Langzeitverhalten ψ(t) ∝ t-(1+α) mit α = T/T0 Der Exponent n kann physikalisch durch hierachisches Modell erklärt werden Wij = e − ΔΕ ij kT =e − nΔ kT = b mit b = e n −Δ Beispiele: Polyvenylcarbazol, Polysilan, amorphes Silizium 7 kT Messung der Photoströme in amorphen Materialien: ← Halbdurchlässige Al-Elektrode ← Phozoleitendes Polymer ← Halbdurchlässige Al-Elektrode ← Polyesterträgerfilm a) Siloxan-Polymere mit Carbazoleinheiten als photoleitende Spezies b) Polysilan-Polymere c) Amorphes Silizium Als Konsequenz des Potenzgesetzes für die Hüpfwahrscheinlichkeit wird die makroskopische Beweglichkeit μ zeitabhängig. Dies unterscheidet amorphe Polymere von kristallinen Photoleitern. Anschauliche Erklärung dieser zeitabhängigen Beweglichkeit: Zunächst Ladungsträgererzeugung; dann Einfangen in statistisch verteilte Fallen; auf Grund der Boltzmann-Aktivierung verweilen Ladungsträger in den tieferen Fallen länger, dies entspricht einem Abfall des "Schwerpunkts" der Ladungsträger in tiefere Fallen mit der Zeit; dies wiederum bedeutet effektive Verlangsamung der Beweglichkeit. Deshalb Korrektur der Annahme: (Beispiel: Polysiloxan α = 0.58±0.04) τt ∝ Ε τt ∝ l − 1α 1 α 8 ≠ Ε −1 ≠l 5.3 Dotierung 1977: A. J. Heeger, A. G. Mac Diarmind, H. Shirakawa: Leitfähigkeit von dünnen Polyacetylen Filmen um Faktor 109 erhöht durch Dotierung mit Halogenen (Polyacetylen mit Cl, Br und J bedampft) ⇒ 2000 Nobelpreis für Chemie Vergleich der Leitfähigkeiten: Polyacetylen, undotiert Polyacetylen, dotiert Silber, Kupfer 10-10 S/m 105 S/m 108 S/m Leitfähigkeit durch Dotierung: 1) Oxidation: • analog zu Entfernung von Elektron aus Valenzband (Schaffung von Akzeptorzustand) • keine p-Dotierung im eigentlichen Sinne • durch AsF5, Br2, I2, HclO4 2) Reduktion: • analog zu Hinzufügung von Elektron ins Leitungsband (Schaffung von Donorzustand) • keine n-Dotierung im eigentlichen Sinne • durch elektrochemische Methoden oder Alkalimetallnaphthalide Polyacetylen stabil: freie Ladung wird über alle Monomereinheiten verteilt hohe Dotierungs-Level: Solitonregionen überlappen → Zusammenführung von Valenz- und Leitungsband → metallische Leitfähigkeit 9 5.4 Elektroluminiszenz Seit ca. 1990 sind einige konjugierte Polymere bekannt, die unter Anlegung einer Spannung Licht ausstrahlen. Hier eröffnet sich prinzipiell die Möglichkeit großflächige, flexibel, zweidimensional adressierbare und in der Farbe durchstimmbare LED's herzustellen. Polymer LEDs Beispiele für Polymere mit Elektroliminiszenz: a) Poly-para-phenylen-vinylen (PPV) Herstellung von PPV über Precursor-Polymer - Precursor Polymer aus Lösung zu beliebigen mechanischen Formen herstellbar - Thermische Konvertierung des Precursor-Polymers bei T>250°C - Degradation ab T>400°C Schema der Synthese von Poly-para-phenyl-vinylen: α, α'-dichloro-p-xylene wird polymerisiert zu einem Sulphonium-Salz-Intermediat. Dieses Präpolymer wird zu Filmen verarbeitet und unter UV-Einstrahlung oder Temperung bei T ≅ 320°C und unter Abspaltung von Tetrahydrothiophen und HCl zu dem konjugierten PPV konvertiert. 10 Eigenschaften von PPV Devices: ← Negative Deckschicht ← PPV Film ← Positiv leitender Kontakt ← Träger negative Deckschicht: Al, Mg, Ag-Legierung, a-Si-H, C → niedrige Austrittsarbeit, Elektroneninjektor positiver Kontakt: Al2O3, Au, InO, InZnO (ITO), Polianilin (PANI) → hohe Austrittsarbeit, Lochinjektor Träger: Glasplatte oder flexibeles PET (durchsichtig) 1) Strom-Spannungskennlinien haben Schottky-Dioden Charakter Strom-Spannungs-Charakteristik für 70nm PPV-Film mit einer aktiven Fläche von 2mm², positive InO und negative AlElektrode Kennlinien der Al/PPV/ITO bzw. Ca/PPV/ITO Dioden sowie die Intensität der Elektrolumineszenz. Die aktive Fläche betrug 25mm.² 11 2) Proportional zum Strom Lumineszenz im gelb-grünen Bereich Elektrolumineszenz (Lichtausbeute) in Abhängigkeit des Stromes für 70nm PPV-Film mit einer aktiven Fläche von 2mm², positive InO und negative AlElektrode 3) Spektrale Intensität hängt stark von der Temperatur ab (heute gute Quantenausbeute (1%) bei RT Spektrale Intensität der Elektrolumineszenz bei verschiedenen Temperaturen Stromes für 70nm PPV-Film mit einer aktiven Fläche von 2mm², positive InO und negative Al-Elektrode 4) Durchschaltungspannungen der Diode von anfangs (1990) 14 Volt auf jetzt (1994) 2-4 Volt abgesenkt Lumineszenz setzt stets bei Durchbruchspannung an. Welcher Mechanismus führt zur Lumineszenz ? a) Strom-Spannungskennlinien können mit der Halbleiter-Diode beschrieben werden. Shockley-Gleichung für I = I0 (eqV/nkT - 1) Trotzdem ist Dioden -Ersatzschaltbild noch fraglich. b) Elektron und Loch werden von den beiden Seiten des Polymers emittiert und rekombinieren im Inneren. Hierbei Excitonen-Erzeugung, welche durch Lumineszenz abregen. Der viel häufiger vorkommende Konkurrenzprozess (99%) ist strahlungslose Rekombination in Fehlstellen 12 b) Poly-para-phenylen (PPP) kein entarteter Grundzustand, Grundzustand ist die Benzenoidform A erster angeregter Zustand ist die Quininoidform B mit leicht höherer Energie also keine Soliton-Defekte die zur Leitfähigkeit führen Lokalisierte Elektron-Lochpaare polarisieren lokal die Umgebung Relaxation in neuen Grundzustand: Polaron (Stabilisierung der Quininoidform) Polaron kann nur durch Überwindung von Energiebarriere bewegt werden Paar von Polaronen heißt Bipolaron Bewegung der Ladungsträger ist also ein Hüpfprozeß 13 Eigenschaften von PPP Devices: Al PPP ITO Glas • • • • wird ebenfalls über Precursor-Polymer als Lösung hergestellt PPP hat ein Band-gap von 2.7 eV, Filmdicken von 0.5 μm wie bei PPV großer Unterschied zu PPV: a) Elektrolumineszenz (und Photolumineszenz) wird ab einer Sperrspannung ±10V beobachtet b) Betrieb des Devices unter Anlegung einer Wechselspannung ⇒ Beschreibung als Schottky-Diode inadequat. Lumineszenz wird wie vorher als Strahlungszufall von Excitonen beschrieben. Besonderheit von PPP: Es leuchtet im blauen Bereich → technisch attraktiv Anwendungen: Optoelektronik Stimulierte Emission → Laserlichtemission nach optischem Pumpen Beispiel: Poly-phenyl-phenylen-vinylen/PMMA Laser nach optischem Pumpen und resultierende Interferenzen nach Durchgang durch Michelson Interferrometer (zeigt Kohärenz der Strahlung) 14 Geometrien von optischen Devices, die mit herkömmlichen Feststofflasern nicht realisierbar sind: Zukunft: Verbesserung der Eigenschaften durch Synthese von Polymeren mit einer geänderten Kettenarchitektur Lineares PPP Chirales PPP oder neuer Polymere Poly-(3,9-di-t-buthylindeno[1,2b]fluoren) (PIF) 15 5.5 Dielektrisches Verhalten von Polymeren Polymere sind meistens gute Isolatoren. Isolator in einen Plattenkondensators ändert die Kapazität gegenüber Vakuum: Q = Cvac ⋅ Uvac = C⋅U = ε ⋅ Cvac ⋅ U Bei Stoffen, in denen beim Anlagen eines elektrischen Feldes Dipole durch Ladungsverschiebung entstehen bzw. vorhandene Dipole durch Polarisation in Feldrichtung gedreht werden, ist ε größer als εvac = 8.854 x 10-12 A s V-1 m-1 εrel = ε/εvac = relative Dielektrizitätskonstante Gegen die Ladungsverschiebung bzw. das Ausrichten der Dipole in Feldrichtung wirken Reibungskräfte. Dadurch entstehen im elektrischen Wechselfeld, d.h. bei periodischer Bewegung der Ladungen bzw. Dipole, Verluste. Als Folge dieser dielektrischen Verluste beträgt die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung einer realen Kondensatoranordnung bei Speisung mit Wechselstrom nicht 90° sondern 90°-δ . Dabei ist δ der Verlustwinkel und ist ein Maß für die Dämpfung oder den Verlust und führt zur Aufheizung. Messung von ε und tan δ erfolgt mit Brückenschaltung. Der zu untersuchende Stoff wird in einen Brückenkondensator mit bekannter Abmessung eingebracht. Zusammenfassung beider Anteile in komplexe Dielektrizitätskonstante ε(ν) = ε'(ν) – i ε"(ν) mit tan δ = ε ′′(ν ) ε ′(ν ) ε'(ν) zeigt Dispersion, Abfall mit steigender Frequenz ε"(ν) zeigt ein Absorptionsmaximum bei Resonanzfrequenz Anstatt im Frequenzraum kann Dielektrizitätskonstante auch im Zeitraum durch Einschalten oder Abschalten eines Feldes und Beobachtung der zeitabhängigen Größe gemessen werden. φ (t ) = ε (t ) − ε ∞ ε = ε bei ν = ∞ bzw. 0 ε 0 − ε ∞ ∞ ,0 Verbindung von Zeit zu Frequenzraum durch Fouriertransformation ∞ ε (ν ) − ε ∞ = 1 − iω ∫ φ (t )e ε0 − ε∞ 0 − iωt Trennung von Real und Imaginärteil dt ∞ ε ′(ν ) − ε ∞ = 1 − ω ∫ φ (t ) sin ωtdt ε0 − ε∞ 0 ∞ ε ′′(ν ) = ω ∫ φ (t ) cos ωtdt ε0 − ε∞ 0 16 Zunächst Annahme, das φ(t) ∝ e(-t/τ), =) eine Relaxationszeit ε ′(ν ) − ε ∞ 1 = ε0 − ε∞ 1 + ω 2τ 2 ε ′′(ν ) ωτ = ε 0 − ε ∞ 1 + ω 2τ 2 (Lorentzkurve) Exponentielle Relaxation in der Zeit entspricht Lorentzkurve im Energieraum Halbwertsbreite der Verlustkurve bei einer Anregung = 1.14 (log ωτ) und sym. Form um log ωτ = 0 Real: Polymeren zeigen breitere Verlustkurve meistens asymmetrisch mit längeren Schwanz zu ωτ > 0 ⇒ empirische Erweiterung im Frequenzraum ε (ν ) − ε ∞ 1 = a ε0 − ε∞ 1 + (iωτ ) [ ] b a=b=1 wie gehabt, eine einzige Anregung 0 < a ≤ 1, b = 1 Cole-Cole Funktion a = 1, 0 < b ≤ 1 Cole-Davidson Funktion 0 < a ≤ 1, 0 < b ≤ 1 Havriliak-Negami Funktion ⇒ alternativ Einführung einer gestreckten Exponentialfunktion für Relaxation φ(t) im Zeitraum φ (t ) ∝ e (− t / τ ) β mit 0 < β ≤ 1 Kohlrausch-Williams-Watt Funktion Diese verschiedenen nicht exponentiellen Relaxationsfunktionen haben allgemeine Anwendungen !!! 17 Beispiel: amorphes Polymer Polyethylmethacrylate bei 272 K für Drücke von 1(1), 340(2), 690(3),und 1020(4) bar zeigt starke Druckabhängigkeit. Sehr gute Beschreibung durch KWW Funktion ⇒ Hier wird α-Prozeß, d.h. langreichweitige strukturelle Relaxation beobachtet. Alle amorphen Polymere zeigen zwei Relaxationsprozesse, α-Prozeß für Bewegungen auf großer Skala β-Prozeß für lokalisierte Bewegung (höhere Frequenzen als α-Prozeß) 18 a) α-Prozeß ⎛ B ⎝ T − T0 τα folgt Vogel-Fulcher-Tamman (VFT)-Gesetz τα = A exp ⎜⎜ ⎞ ⎟⎟ ⎠ α-Prozeß folgt Temperatur-Zeit-Superpositionsprinzip: Normierungsgröße folgt Williams-Landel-Ferry (WLF)-Gleichung lnτ 2 C1 (T1 − T2 ) = lnτ 1 C 2 + (T2 − T1 ) C1 = B / (T1 − T0 );C 2 = T1 − T0 b) β-Prozeß τβ ist einfach aktiviert (Arrhenius Gerade) mit schwacher T-Abhängigkeit mündet bei hohen Temperaturen in den α-Prozeß normalerweise ist Relaxationsstärke Δεα > Δεβ (Ausnahmen möglich) Was ist die Natur des β-Prozesses? • Mikroskopisch nicht eindeutig identifiziert • In Polymeren teilweise Seitenarmbewegungen, lokale Bewegungen der Hauptkette, partielle Reorientierung der Hauptkette … Anregungsmaxima zu höheren Frequenzen hin werden als γ−, δ−Relaxationen bezeichnet: Beispiel für eine molekulare Zuordnung: α und β Relaxation sehr verschieden für verschiedene Polymere 19 Superpositionsprinzipien: Temperatur Druck - Zeit Superpositionsprinzip ⎫ ⎪ ⎬beide beobachtet ⎪ Superpositionsprinzip ⎭ Zeit - - Normalisierte Meisterkurve für ε' und ε" für Polyethylacrylate •, , entspricht Daten gemessen mit 1, 340 und 690 bar α-Prozeß am häufigsten mit Kohlrauschgesetz (KWW) angepaßt: β ~ 0.3 - 0.7 Wo kommt Kohlrausch Relaxationsgesetz her? • Superposition von vielen Relaxationszeiten, inhomogenes Modell • Modenkopplung bietet Potenzgesetze, die im α-Bereich gut mit Kohlrausch übereinstimmen • Kopplungsmodell von Ngai Relaxationsrate dh = W (t ) ⋅ h dt für W(t) = konst. folgt exponentielle Relaxation für W(t) = W0(ωct)-n, d.h. zeitabhängige Relaxationsrate folgt h(t) = exp [– (t/τ)1-n] und τ = [ (1-n) ωnc τo ] (1-n)-1 20