Skript

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Kurz‐Skript ohne Beispiele, Erläuterungen und Beweise Prof. Dr. Hans‐Dieter Rinkens Inhalt Vorwort Kapitel π: π.1 π.2 π.3 π.4 π in der Geometrie Geometrische Definitionen von π Approximation von π mit Hilfe von regelmäßigen Vielecken Die Quadratur des Kreises π in der Trigonometrie Kapitel i: i.1 i.2 i.3 Komplexe Zahlen Zahlbereichserweiterungen Gaußsche Zahlenebene Fundamentalsatz der Algebra Kapitel e: e.1 e.2. Wachstumsfunktionen Kontinuierliches Wachstum Die e‐Funktion Kapitel e i π: Das Finale e i π.1 Die Eulersche Formel e i π.2 Faszinierende π‐Formeln Vorwort In dieser Veranstaltung geht es um die fünf „wichtigsten“ Zahlen, 1, 0, π, e und i, verknüpft durch die „wichtigste“ Rechenoperation, , und die „wichtigste“ Relation, . 1 DIE ERZEUGENDE, 0 DIE NEUTRALE, π DIE KREISZAHL, e DIE WACHSTUMSZAHL, i DIE IMAGINÄRE. π und e sind reelle Zahlen, genauer: irrationale Zahlen, deren Dezimalbruchdarstellung also unendlich und nicht‐periodisch ist. Näherungswerte sind: π 3,14159, e 2,71828183 Die fundamentale Beziehung zwischen den fünf Zahlen lautet: e
1
0. Auf den ersten Blick muss diese Formel erstaunen: eine Potenz einer positiven reellen Zahl soll negativ sein!?! Das ist die Krönung einer erstaunlichen Begriffsentwicklung: Potenzen werden ursprünglich eingeführt als verkürzte Multiplikation die ihrerseits am Anfang wieder als verkürzte Addition interpretierbar ist ; das macht allerdings nur Sinn für natürliche Zahlen 1 als Exponenten. Im Laufe der Zahlbereichserweiterungen von den natürlichen über die ganzen und rationalen zu den reellen Zahlen braucht man an die Basis keine Einschränkungen zu machen, solange der Exponent eine natürliche Zahl 1 ist. Aus den bekannten Rechenregeln für die Addition und Multiplikation ergeben sich die Potenzgesetze. Aus dem Permanenzprinzip, nach dem in neuen Zahlen‐ und Rechenwelten die alten Gesetze möglichst weiter gelten sollen, ergeben sich zwei Begriffserweiterungen. Soll das Potenzgesetz a :a
a
auch gelten, wenn m n ist, dann muss man definieren: Potenzen mit beliebiger Basis 0 und mit dem Exponent 0 sind immer gleich 1 und Potenzen mit beliebiger Basis 0 und mit einem negativen Exponent sind die Kehrwerte der Potenzen mit dem entsprechenden positiven Gegenzahl als Exponent. Soll das Potenzgesetz a
a · auch gelten, wenn n der Kehrwert vom m 1 ist, dann muss man definieren: Potenzen mit beliebiger Basis 0 und einem Stammbruch als Exponent sind gleich der n‐ten Wurzel aus der Zahl a. Nach diesen beiden Begriffserweiterungen sind also Potenzen mit beliebiger positiver Basis a und beliebigem rationalen Exponenten b wohldefiniert und stets positive reelle Zahlen. Die Erweiterung auf beliebige reelle Exponenten b bei beliebiger positiver Basis a benutzt auch das Permanenzprinzip, allerdings etwas subtiler: Eine reelle Zahl b lässt sich beliebig gut durch zwei rationale Zahlen einschachteln; die Potenzen mit diesen rationalen Zahlen als Exponenten wohldefiniert! bilden nach den bekannten Rechengesetzen ihrerseits eine Einschachtelung einer positiven reellen Zahl c, die wir deshalb als Potenz a b definieren. Die Wachstumszahl e ist eine positive reelle Zahl; potenziert man sie mit einer beliebigen reellen Zahl, z.B. mit π, erhält man wieder eine positive Zahl, auf keinen Fall aber –1. Es muss also an der imaginären Einheit i und an einer weiteren notwendigen Begriffserweiterung liegen, will man zu der Gleichung e
1 0 gelangen. Den Weg dorthin soll diese Veranstaltung beschreiben und dabei viel Wissenswertes über DIE KREISZAHL Π, DIE WACHSTUMSZAHL e und DIE IMAGINÄRE i vermitteln. 2
Kapitel π: π.1 π in der Geometrie Geometrische Definitionen von π Definition über den Kreisumfang: Der Kreisumfang ist proportional zum Durchmesser. „Warum?“ Das Verhältnis des Kreisumfangs zum Kreisdurchmesser ist konstant. Die Konstante/ der Proportionalitätsfaktor wird mit πu bezeichnet. Wie groß ist π ungefähr? Durch Vergleich mit dem einbeschriebenen und dem umbeschriebenen Sechseck ergibt sich: 3 π 2√3. Definition über die Kreisfläche: Die Kreisfläche wächst mit dem Quadrat des Radius. „Warum?“ Die Kreisfläche ist proportional zum Radiusquadrat. Das Verhältnis der Kreisfläche zur Fläche des Radiusquadrats ist konstant. Die Konstante/ der Proportionalitätsfaktor wird mit π A bezeichnet. Wie groß ist π ungefähr? Durch Vergleich mit dem einbeschriebenen und dem umbeschriebenen Quadrat ergibt sich: 2 π 4. Durch Vergleich mit dem einbeschriebenen Zwölfeck ergibt sich: 3 π. Satz: Es gilt πu πA. D.h. für Kreisumfang u und Kreisfläche A gilt u π d und A π r2. Beweisideen nach Archimedes: „Kuchen“‐Beweis und „Schäl“‐Beweis. Historische Werte von π: Ägypten um 1850 v.Chr. „Moskauer Papyrus“ π 3,167 Ägypten um 1650 v.Chr. „Papyrus Rhind“ π 3,160 Babylonien um 1900‐1600 v.Chr. Keilschrift‐Tafel aus Susa π 3
Bibel ca. 550 v.Chr. 1 Könige 7:23 π 3 Indien um 500 v.Chr. „Hinduwert“ π √10 3,162 Archimedes von Syrakus 287 ‐ 212 v.Chr. 3
3,125 π.2 Approximation von π mit Hilfe von regelmäßigen Vielecken Approximation über den Umfang nach Archimedes 287 ‐ 212 v.Chr. Idee: Beginne mit einem einbeschriebenen und einem umbeschriebenen regelmäßigen Secheck und berechne jeweils den halben Umfang u1 und U1. Konstruiere durch fortgesetztes Halbieren der Mittelpunktswinkel in jedem Schritt ein einbeschriebenes und umbeschriebenes regelmäßiges Vieleck mit doppelter Eckenzahl und berechne jeweils die halben Umfänge un und Un. Offensichtlich bilden die halben Umfänge un der einbeschriebenen Umfänge eine wachsende Zahlenfolge, die halben Umfängen Un der umbeschriebenen Umfänge eine fallende Zahlenfolge und der halbe Kreisumfang π liegt dazwischen, kurz: un un 1 π Un 1 Un . Die Differenz Un – un geht mit wachsendem n gegen Null. In der Sprache der Analysis: Die Folge der Intervalle un,Un bildet eine Intervallschachtelung, die die Zahl π approximiert. Die Berechnung lässt sich durch Mittelwerte beschreiben. Für beliebige nichtnegative Zahlen x und y ist aM x, y
das arithmetische Mittel, gM x, y
· ·
hM x, y
und x · y das geometrische Mittel und das harmonische Mittel der beiden Zahlen. Es gilt: aM x,y hM x,y gM x,y
2 min x,y hM x,y gM x,y aM x,y max x,y Mit Hilfe geometrischer Überlegungen zeigte Archimedes U n 1 hM un,Un und un 1 gM un,Un 1 . Archimedes führte die Berechnungen bis zum 96‐Eck durch. Indem er bei jedem Schritt die auftretenden Quadratwurzeln durch kleinere bzw. größere Brüche ersetzte, erhielt er seine berühmte Abschätzung: Approximation über die Fläche nach François Vieta 1540‐1603 Idee: Schöpfe die Kreisfläche aus, indem du mit dem Quadrat beginnst und in jedem Schritt die Eckenzahl des regelmäßigen Vielecks verdoppelst. Aus geometrischen Überlegungen folgt für Fläche An und die Höhe hn im Bestimmungsdreieck des regelmäßigen 2n 1‐Ecks: A
· A und h
·
. Hieraus folgt π
2·
√
·
√
·
· … √
Isoperimetrische Approximation nach René Descartes 1596‐1650 Idee: Beginne mit einem Quadrat der Seitenlänge 2 und konstruiere in jedem Schrit ein umfangsgleiches regelmäßiges Vieleck mit doppelter Eckenzahl. Betrachte zu jedem der Vielecke den Inkreis und den Umkreis. Du erhältst so eine monoton steigende Folge von Inkreisradien rn und eine monoton fallende Folge von Umkreisradien Rn, deren Unterschied immer kleiner wird. In der Sprache der Analysis: Die Folge der Intervalle rn,Rn bildet eine Intervallschachtelung, die den Radius r des „Grenzkreises“ approximiert. Da alle approximierenden Kreise denselben Umfang 8 haben, gilt dies auch für den „Grenzkreis“, also 2πr 8. Demnach gilt π
. Aus geometrischen Überlegungen folgt: r
aM r , R und R
und dann auch π näherungsweise berechnen. 4
gM r
, R . Hiermit kann man r π.3 Die Quadratur des Kreises Die drei klassischen Probleme der antiken Mathematik sind: Quadratur des Kreises: Konstruiere zu einem gegebenen Kreis ein flächengleiches Quadrat. Winkeldreiteilung: Unterteile einen gegebenen Winkel in drei gleich große Winkel. Würfelverdopplung „Delisches Problem“ : Konstruiere zu einem gegebenen Würfel einen Würfel mit dem doppelten Volumen. Konstruktionsbedingungen: •
Erlaubte Hilfsmittel sind nur die „Euklidischen Werkzeuge“ Zirkel und unskaliertes Lineal. •
Die Anzahl der Konstruktionsschritte muss endlich sein. Hippokrates von Chios 5. Jhd. v.Chr., nicht zu verwechseln mit dem Arzt Hippokrates von Kos, „hippokratischer Eid“ hatte gezeigt, dass durch Kreisbögen begrenzte Flächen „Möndchen des Hippokrates“ flächengleich zu einem Dreieck sind; da man ein Dreieck mit den obigen Konstruktionsbedingungen in ein flächengleiches Quadrat verwandeln kann, ist die Quadratur der „Möndchen des Hippokrates“ also möglich. Ferdinand von Lindemann bewies 1882, dass die Quadratur des Kreises unter den obigen Konstruktionsbedingungen unmöglich ist. Wenn man eine der obigen Konstruktionsbedingungen fallen lässt, gelingt die Quadratur des Kreises. Zur Quadratur des Kreises äquivalent ist das Problem der Rektifizierung des Kreises: Konstruiere zu einem gegebem Kreis eine Strecke, die die Länge des Kreisumfangs hat. Rektifizierung des Kreises mit Hilfe der Quadratrix des Hippias von Elis um 420 v.Chr. . Die Quadratrix ist eine kinematisch erzeugte Figur. Ausgangsfigur ist ein Quadrat. Eine Quadratseite dreht sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit um einen ihrer Endpunkte Ecke des Quadrats , bis sie die senkrechte Quadratseite erreicht. Gleichzeitig bewegt sich vom anderen Endpunkt die zu dieser Quadratseite senkrechte Seite mit gleichförmiger Geschwindigkeit zum Drehpunkt hin. Der Schnittpunkt der sich drehenden und der sich parallel verschiebenden Quadratseite beschreibt die Quadratrix. Der Punkt, in dem die Quadratrix das Quadrat zum zweiten Mal trifft, teilt die Quadratseite so, dass das Verhältnis der Quadratseite zum größerem Abschnitt gleich π : 2 ist. Der Rest der Rektifizierung erfolgt durch Anwendung des Strahlensatzes. Knackpunkt: Der Punkt, in dem die Quadratrix das Quadrat zum zweiten Mal trifft, lässt sich nicht in endlich vielen Schritten exakt bestimmen, sondern nur approximieren. Rektifizierung des Kreises mit Hilfe der archimedischen Spirale: „Wenn sich ein Strahl in einer Ebene um seinen Endpunkt mit gleichförmiger Geschwindigkeit dreht, nach einer beliebigen Anzahl von Drehungen wieder in seine Anfangslage zurückkehrt und sich auf dem Strahl ein Punkt mit gleichförmiger Geschwindigkeit, vom Endpunkt des Strahls ausgehend, bewegt, so beschreibt dieser Punkt eine Spirale.“ Archimedes 287 ‐ 212 v.Chr. Rektifizierung des Kreises: Zeichne einen Kreis, betrachte einen verlängerten Radius als Strahl und zeichne die Spirale wie oben angegeben. Nach einer Vierteldrehung schneidet die Spirale den Kreis. Zeichne im Schnittpunkt der Spirale mit dem Kreis die Tangente an die Spirale. Sie schneidet den verlängerten Ausgangs‐ Radius in einer Entfernung vom Kreismittelpunkt, der einem Viertel des Kreisumfangs entspricht. Knackpunkt: Der Schnittpunkt der Spirale mit dem Kreis und die Tangente an die Spirale lassen sich nicht in endlich vielen Schritten exakt bestimmen, sondern nur approximieren. 5
π.4 π in der Trigonometrie Die Trigonometrie untersucht die Geometrie von Dreiecken in der Ebene, insbesondere die Beziehungen zwischen Seitenlängen und Winkeln. Eingeführt am rechtwinkligen Dreieck, dann über den Einheitskreis verallgemeinert, spielen dabei die Winkelfunktionen, insbesondere die Sinus‐ und die Kosinusfunktion, eine entscheidende Rolle. Wird der Winkel als Drehwinkel interpretiert, sind die Funktionen für beliebige, auch negative Argumente erklärt. Ihr Wertebereich liegt zwischen 1 und 1, den Extremwerten. Insbesondere gilt: sin 0° 0 und cos 0° 1 Zur Messung von Winkeln werden in der Traditon des Sechzigersystems der Babylonier bis heute Gradzahlen verwendet: der Vollwinkel beträgt 360°. Eine andere Möglichkeit, insbesondere bei funktionalen Betrachtungen, ist die Messung des Winkels über die Bogenlänge des Einheitskreises „Bogenmaß“ : der Vollwinkel beträgt 2π. Sinus‐ und Kosinusfunktion sind periodische Funktionen mit der Periode 360° bzw. 2π, d.h. für beliebige Winkel x und für alle ganzen Zahlen k gilt: sin x k 360° sin x k 2π sin x und cos x k 360° cos x k 2π cos x Weitere Eigenschaften, die sich aus der Definition am Einheitskreis ergeben, sind: sin – x – sin x Punktsymmetrie der Sinus‐Kurve cos x cos x sin x 2 cos x 2 1 Achsensymmetrie der Kosinus‐Kurve Satz des Pythagoras cos x sin x 90° sin x sin x cos x 90° cos x Phasenverschiebung sin x y sin x cos y cos x sin y cos x y cos x cos y sin x sin y Additionstheoreme Die Vielfachen von π sind die Nullstellen der Sinus‐Funktion und die Extemstellen der Kosinus‐Funktion; speziell für die Maxima der Kosinus‐Funktion gilt Für die Ableitung der Sinus‐ und der Kosinus‐Funktion gilt: sin' cos und cos' sin Für die 2. Ableitung der Sinus‐ und der Kosinus‐Funktion gilt: sin'' sin und cos'' cos 6
Kapitel i: i.1 Komplexe Zahlen Zahlbereichserweiterungen Durch Störungen des Rechnens „geht nicht“ und den Drang nach Freiheit des formalen Rechnens kommt es zu Erweiterungen des Zahlbegriffs und der bis dahin bekannten Rechen‐Welt der Zahlen. Historisch empfand man mitunter Unbehagen über die „Bedeutung“ der „neuen“ Zahlen, vor allem wenn man für sie und das Rechnen mit ihnen „in der Wirklichkeit“ keine erkennbaren Grundvorstellungen entwickeln kann. Die Erweiterungen der jeweils bekannten Zahlbereiche erfolgt nicht willkürlich. Die alten Zahlen sollen stets in die neuen eingebettet sein und das Rechnen mit ihnen sollte auch weiterhin nach denselben Regeln erfolgen. Kurz: die Zahlbereichserweiterung soll das Permanenzprinzip beachten: Bei der Erweiterung sollen die bisherigen Rechenregeln möglichst ausnahmslos weiter gelten. Störungen beim führen zur Einführung von
zusammen mit den alten Zahlen zu
Subtrahieren natürlicher Zahlen negativen Zahlen
ganzen Zahlen Dividieren* natürlicher Zahlen Brüchen
positiven Bruchzahlen Dividieren* ganzer Zahlen oder rationalen Zahlen Subtrahieren von Bruchzahlen Messen irrationalen Zahlen
reellen Zahlen Wurzelziehen imaginären Zahlen
komplexen Zahlen *Die Division durch Null ist und bleibt aus logischen Gründen verboten, da sie mit den übrigen Gesetzen kollidiert. Keine der „alten“ Zahlen löst die Gleichung x2 1 0; denn für alle reellen Zahlen x gilt x2 0. Deshalb wird zu der alten Welt der reellen Zahlen eine neue Zahl i, die imaginäre Einheit, hinzu gefügt1, für die gelten soll: i2 1 bzw. i √ 1. Die imaginäre Einheit soll mit den reellen Zahlen multipliziert werden können. So erhält man die imaginären Zahlen b i mit beliebiger reeller Zahl b. Die imaginären Zahlen sind die Wurzeln der negativen reellen Zahlen; denn wenn man die alten Wurzelgesetze gelten lässt; gilt für jede positive reelle Zahl x, dass √ x i · √x ist. Die imaginären Zahlen sollen mit den reellen Zahlen addiert werden können. So erhält man die komplexen Zahlen z a b i mit beliebigen reellen Zahlen a und b. Die Zahl a heißt auch Realteil, die Zahl b Imaginärteil der komplexen Zahl z. Die Menge der komplexen Zahlen wird mit bezeichnet. Nun müssen die Rechenoperationen auf die neuen Zahlen übertragen werden, und zwar so, dass das Permanenzprinzip beachtet wird. Um diesen Gründungsakt zu kennzeichnen, sind in der Tabelle die „neuen“ Operationen mit einem Sonderzeichen dargestellt, während für die alten die bekannten Symbole verwendet werden. Addition Subtraktion Multiplikation a b i c d i a c b d i a b i c d i a c b d i a b i c d i a c b d a d b c i a bi
a·c b d b c a·d
i Division die Division durch 0 0 0 i ist nicht möglich
c di
d
d
c
c
Für die so definierten Rechenoperationen gelten die „alten“ Rechengesetze: das Kommutativ‐ und das Assoziativgesetz für die Addition und für die Multiplikation, das Distributivgesetz u.a.m.. Eine neue Errungenschaft ist: In der Menge kann man uneingeschränkt die Wurzel ziehen. Folglich besitzen alle quadratischen Gleichungen in mindestens eine Lösung. Der Preis ist der Verlust der Ordnung: Die Kleiner‐ bzw. Größer‐Relation lässt sich nicht unter Erhalt der alten Rechengesetze Transitivität, Trichotomie, Monotonie auf übertragen. Anschaulich: man kann die komplexen Zahlen nicht linear auf einer Zahlengeraden anordnen. 1
Wie man dieses Hinzufügen mathematisch beschreiben kann, soll hier nicht dargestellt werden. 7
i.2 Gaußsche Zahlenebene Die komplexen Zahlen können als Punkte in der Ebene mit Hilfe eines rechtwinkligen Koordinatensystems dargestellt werden Gaußsche Zahlenebene . Dabei werden auf der waagerechten Achse die reellen Zahlen reelle Achse und auf der dazu senkrechten Achse die imaginären Zahlen imaginäre Achse in gewohnter Weise notiert. Der komplexen Zahl z x y i entspricht also der Punkt mit den kartesischen Koordinaten x,y . Die Zahl z x yi heißt die zu z konjugiert komplexe Zahl. Diese Darstellung legt den Vergleich mit Orts‐ Vektoren nahe. Tatsächlich entspricht die Addition komplexer Zahlen der Vektoraddition, formal wie anschaulich. Vektoren kann man darüber hinaus mit einem Skalar, einer reellen Zahl r, multiplizieren: r x,y r x,r y ; bei einem positiven Skalar bedeutet das anschaulich eine Streckung r 1 oder Stauchung r 1 des Vektors; die Multiplikation mit r 1 bedeutet eine Drehung um 180°. Die reelle Zahl r kann man als komplexe Zahl r 0 i und die wiederum als Punkt r,0 auf der reellen Achse interpretieren. Tatsächlich ergibt r 0 i x y i rx ry i, in kartesischen Koordinaten geschrieben also rx,ry . Also entspricht die Skalarmultiplikation von Vektoren der Multiplikation zweier komplexer Zahlen, wobei die erste Zahl den Imaginärteil 0 hat. Die Multiplikation einer komplexen Zahl x y i mit der imaginären Einheit i ergibt die komplexe Zahl y x i; aus x,y wird also y,x . In der Vektorinterpretation: der Vektor x,y wird um 90° gedreht. Wie kann man die Multiplikation zweier beliebiger komplexer Zahlen anschaulich interpretieren? Hierzu ist es sinnvoll, neben der Darstellung in kartesischen Koordinaten die Darstellung in Polarkoordinaten zu betrachten. Eine komplexe Zahl z läßt sich als Punkt in der Zahlenebene darstellen. Dieser kann durch den Abstand r vom Ursprung des Koordinatensystems und den Winkel φ, den der Ortsvektor mit der positiven reellen Achse bildet, beschrieben werden. Dabei ist φ nur bis auf Vielfache des Vollwinkels eindeutig bestimmt. Das Zahlenpaar r,φ nennt man die Polarkoordinaten der komplexen Zahl z. Der Abstand r heißt auch Absolut‐ Betrag der komplexen Zahl z, in Symbolen: r z ; man bezeichnet φ auch als Argument der komplexen Zahl z. Zusammenhang zwischen den Polarkoordinaten r,φ und den kartesischen Koordinaten x,y : r2 x2 y2 z · z x r cos φ y r sin φ also: z x y i r cos φ i sin φ Anschauliche Interpretation der Multiplikation komplexer Zahlen: Sind z1 r1 cos φ1 i sin φ1 und z2 r2 cos φ2 i sin φ2 zwei beliebige komplexe Zahlen, dann folgt aus der Definition der Multiplikation unter Ausnutzung der Additionstheoreme Kap.π.4 : z1 z2 r1 r2 cos φ1 φ2 i sin φ1 φ2 Multiplikation in Polarkoordinaten Multiplikation zweier komplexer Zahlen bedeutet Multiplikation der Beträge und Addition der Winkel. Anschaulich wird der Ortsvektor r1,φ1 um den Betrag r2 gestreckt oder gestaucht und um den Winkel φ 2 gedreht; man spricht auch von einer Drehstreckung. Als Spezialfall der Multiplikation in Polarkoordinaten erhält man die Moivreschen Formeln A. de Moivre 1667‐1754 . Für die komplexe Zahl z r cos φ i sin φ gilt zn rn cos φ i sin φ n rn cos nφ i sin nφ Potenzieren in Polarkoordinaten . Speziell für r 1 gilt: cos φ i sin φ n cos nφ i sin nφ Moivresche Formeln Links steht ein Binom; rechnet man es aus, ordnet man die Summe nach Realteil und Imaginärteil und nutzt man die Beziehung sin φ 2 cos φ 2 1 aus, dann kann man cos nφ nur durch Potenzen von cos φ und sin nφ nur durch Potenzen von sin φ ausdrücken. n‐te Einheitswurzeln Bekanntlich sind √a z und zn a äquivalent. Für a 1 spricht man auch von den n‐ten Einheitswurzeln. Für diese muss gelten: cos nφ i sin nφ 1 mit 0 φ 2π. Die Kosinus‐Funktion besitzt ihre Maxima bei Vielfachen von 2π; das sind zugleich Nullstellen der Sinus‐Funktion. Folglich gibt es n verschiedene n‐te Einheitswurzeln mit den Argumenten φ
· mit 0 k n. In der Zahlenebene liegen sie auf dem Einheitskreis und bilden die Ecken eines regelmäßigen n‐Ecks. 8
i.3 Fundamentalsatz der Algebra Die n‐ten Einheitswurzeln erfüllen die Gleichung zn 1 0. Eine spezielle Lösung ist z1 1. Teilt man die Gleichung zn 1 0 durch z 1 , so erhält man für die übrigen Einheitswurzeln z2, z3, … , zn die Gleichung zn‐1 zn‐2 … z 1 0. Diese Gleichung heißt auch Kreisteilungsgleichung, weil ihre Lösungen zusammen mit z1 1 den Einheitskreis in n gleichgroße Abschnitte teilt. Anschaulich ist klar, dass es für die Gleichung zn 1 0 bei ungeradem Exponenten n nur eine reelle Lösung, nämlich z1 1, bei geradem n genau zwei reelle Lösungen, nämlich z1 1 und z2 1, gibt. Die übrigen Lösungen haben einen Imaginärteil ungleich Null. Verallgemeinerung: Der Term zn an‐1 zn‐1 an‐2 zn‐2 … a1 z a0 mit komplexen Koeffizienten ai heißt Polynom n‐ten Grades, eine Gleichung der Form zn an‐1 zn‐1 an‐2 zn‐2 … a1 z a0 0 heißt algebraische Gleichung n‐ten Grades, die durch die Funktionsgleichung f z zn an‐1 zn‐1 an‐2 zn‐2 … a1 z a0 beschriebene Funktion mit dem Definitions‐ und Wertebereich heißt komplexe Polynomfunktion. Die Lösungen der algebraischen Gleichung sind die Nullstellen der Polynomfunktion und umgekehrt. Algebraische Gleichungen 2. Grades mit reellen Koeffizienten quadratische Gleichungen zu lösen, lernt man in der Schule. Es gibt keine, eine oder zwei reelle Lösungen Nullstellen der quadratischen Funktion , wobei man im Falle einer Lösung von einer doppelten Nullstelle spricht plausibel aufgrund des Funktionsgraphen Parabel . Im Falle keiner reellen Lösung liegt das daran, dass die Wurzel einer negativen reellen Zahl zu ziehen ist, was zu zwei konjugiert komplexen Zahlen mit einem Imaginärteil ungleich Null führt. Lösungen für Gleichungen 3. und 4. Grades wurden durch komplizierte Formeln im 16. Jahrhundert angegeben Tartaglia, Cardanus . Bemühungen um eine Lösung der allgemeinen Gleichung 5. Grades scheiterten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. 1799 bewies Carl Friedrich Gauß 1777‐1855 in seiner Doktorarbeit, ohne eine Formel anzugeben, dass jede algebraische Gleichung vom Grad 1 mindestens eine komplexe Lösung hat Satz von Gauß . Beachte: Eine komplexe Lösung kann auch den Imaginärteil Null haben, also reell sein. Der Satz von Gauß wird oft schon als Fundamentalsatz der Algebra bezeichnet, da er der schwieriger zu beweisende Teil der folgenden Verallgemeinerung ist: Fundamentalsatz der Algebra: Jedes Polynom n‐ten Grades zn an‐1 zn‐1 an‐2 zn‐2 … a1 z a0 kann als Produkt von genau n Linearfaktoren z z1 z z2 z z3 … z zn geschrieben werden, wobei die komplexen Zahlen zi die Nullstellen der Polynomfunktion bzw. die Lösungen der algebraischen Gleichung sind; dabei muss jede Nullstelle entsprechend ihrer Vielfachheit vorkommen. Bei Polynomfunktionen mit reellen Koeffizienten ist die konjugierte Zahl einer Nullstelle wieder eine Nullstelle. Das heißt, ist z1 x1 iy1 eine Nullstelle, so auch z x1 iy1. Daraus folgt, dass bei Polynomfunktionen mit reellen Koeffizienten nicht‐reelle Nullstellen immer paarweise auftreten, das heißt, die Anzahl der komplexen nicht reellen Nullstellen ist gerade. Daraus kann man auch folgern, dass jede Polynomfunktion mit reellen Koeffizienten und ungeradem Grad eine reelle Nullstelle hat. 9
Kapitel e: e.1 Wachstumsfunktionen Kontinuierliches Wachstum Wachstumsprozesse werden durch monoton wachsende Funktionen beschrieben, Zerfallsprozesse durch monoton fallende. Im Folgenden soll „Wachstum“ als umfassender Begriff verwendet werden und auch Zerfallsprozesse einbeziehen. Man unterscheidet diskretes und kontinuierliches Wachstum. Bei ersterem findet der Veränderungs‐
prozess oder das, was man von ihm beobachten kann, in getrennten Zeitpunkten mit immer gleichem Abstand statt Beispiel: Zinsberechnung . Die Zeitpunkte kann man durchnummerieren; der Definitionsbereich von Funktionen, die solch ein Wachstum beschreiben, ist also die Menge der natürlichen Zahlen; es handelt sich also um Folgen. Bei kontinuierlichen Prozessen findet eine ständige oder wie man auch sagt: stetige Veränderung statt; der Definitionsbereich ist also die Menge der reellen Zahlen. Selbst bei diskreten Prozessen wie bei der Zellteilung kann es sinnvoll sein weil einfacher und nahezu ergebnisgleich , sie durch ein kontinuierliches Wachstum zu modellieren. Die Wachstumsfunktion werde mit f, der Zeitpunkt mit x beschrieben. Dann ist f x der reelle Messwert der Größe zum Zeitpunkt x. Der Startwert sei f 0 1; d.h. zum Zeitpunkt 0 sei 1 Einheit der wachsenden Größe vorhanden. Exponentielles Wachstum Der Messwert wächst oder fällt in gleichen Zeitabständen proportional zum Bestand bzw. die Wachstumsrate ist in gleichen Zeitabständen konstant q 1 Wachstum i.e.S., 0 q 1 Zerfall . Zeitabstand 1: f 0 1, f 1 q, f 2 q2, …, f k qk für jede natürliche Zahl k. Daraus ergibt sich für eine beliebige ganze Zahl x die Funktionsgleichung f x qx. Durch Verallgemeinerung kann man zeigen, dass dieselbe Funktionsgleichung auch für eine beliebige rationale Zahl x gilt. Der „Rest“, nämlich die Verallgemeinerung auf beliebige reelle Zahlen, benötigt zu seiner Präzisierung eine infinitesimale Argumentation aus der Analysis Intervallschachtelung . Eine durch f x qx mit q 0 beschriebene Funktion heißt Exponentialfunktion zur Basis q. Eine Exponentialfunktion ist positiv. Für q 1 ist die Funktion streng monoton steigend, für 0 q 1 streng monoton fallend, in jedem Fall also injektiv bzw., wenn man den Wertebereich auf die positiven reellen Zahlen einschränkt, bijektiv. Wegen q verlaufen die Graphen der beiden Funktionen f x qx und f x spiegelsymmetrisch zur y‐Achse. Für q 1 ist die x‐Achse Asymptote von f x qx für ∞ und von f x für ∞. Das Wachstumsverhalten einer Exponentialfunktion f x q x lässt sich durch zwei Bedingungen zusammenfassend charakterisieren: Funktionalgleichung f x1 x2 f x1 f x2 „Das Wachstum/ der Zerfall in der Summe zweier Zeitabschnitte ist gleich dem Produkt des Wachstums/ Zerfalls in den beiden Zeitabschnitten.“ Umgekehrt gilt auch: Eine reelle Funktion f, die der Funktionalgleichung genügt, für die f 0 1 ist und die im Punkt x 0 stetig ist, hat die Form f x qx mit q f 1 . Differentialgleichung f' x p f x „Die lokale Änderungsrate Ableitung ist überall proportional zum Bestand.“ Beachte: Der Proportionalitätsfaktor p ist im Allgemeinen verschieden vom Proportionalitätsfaktor q. Umgekehrt gilt auch: Eine reelle Funktion f, die der Differentialgleichung genügt und für die f 0 1 ist, erfüllt die Funktionalgleichung und hat folglich die Form f x qx mit q f 1 . 10
e.2. Die e‐Funktion Wir betrachten den Sonderfall p 1; d.h. für die Wachstumsfunktion f gilt: f' f und f 0 1. Sie heißt auch natürliche Wachstumsfunktion. Wir setzen e f 1 . Also hat die natürliche Wachstumsfunktion die Form f x ex Beachte. Noch wissen wir nicht, welchen Wert e hat. Berechnung des Funktionswerts f x durch geometrische Näherung Idee: Unterteile das Intervall 0,x in n gleichlange Abschnitte der Länge h. Wenn h klein genug ist, gilt: f h f 0 h f' 0 1 h, f 2h f h h f' h 1 h 2, … , f nh f n 1 h h f' n 1 h 1 h n, also mit x nh: f x 1 n Die Vermutung lautet: f x
lim
1
Die Funktion ist hier punktweise d.h. für jedes einzelne x durch den Grenzwert einer Folge definiert. Zu prüfen wäre: Konvergiert die Folge für jedes x? Ist die so definierte Funktion an jeder Stelle x differenzierbar? Ist die Differentialgleichung f' f erfüllt? Mit Mitteln der Analysis kann man alle diese Fragen bejahen. Die Folge konvergiert allerdings sehr schlecht. Für x 1 ergibt sich: e
lim
1
Berechnung des Funktionswerts f x durch Potenzreihenentwicklung Angenommen, f sei eine reelle Polynomfunktion n‐ten Grades f x xn an‐1 xn‐1 an‐2 xn‐2 … a1 x a0 mit reellen Koeffizienten ai. Der Ansatz muss falsch sein, da sich bei Ableitung dieser Funktion eine Polynomfunktion n 1 ‐ten Grades ergibt. Dieses Gegenargument entfällt, wenn man unendlich viele Summanden zulässt: f x a0 a1 x a2 x2 … an xn … „Potenzreihe“ Aus f' f und f 0 1 folgt für alle Ableitungen f n 0 1. Hieraus ergibt sich a
. !
Die Vermutung lautet: ∑
f x 1 x x2 x3 … ! xn … !
Die Funktion ist hier durch den Grenzwert einer unendlichen Reihe definiert. Zu prüfen wäre: Konvergiert die Reihe? Ist die so definierte Funktion überall differenzierbar? Ist die Differentialgleichung f' f erfüllt? Mit Mitteln der Analysis kann man alle diese Fragen bejahen. Die Reihe konvergiert sehr gut. Man kann zeigen: Es gibt nur eine Funktion mit den Eigenschaften f' f und f 0 1. Also gilt: ex 1 x x2 x3 … ! xn … Für x 1 ergibt sich: e 1 1 … Als Wert erhält man e 2,718281828459... !
… ∑
∑
!
!
Die Eulersche Zahl e nach dem Schweizer Mathematiker Leonhard Euler ist eine irrationale Zahl. Man kann außerdem zeigen, dass es keine algebraische Gleichung endlichen Grades gibt, die e als Lösung hat. Solche reellen Zahlen nennt man transzendent. 11
Kapitel e i π: Das Finale e i π.1 Die Eulersche Formel Die Sinusfunktion genügt der Differentialgleichung f'' f mit den Anfangsbedingungen f 0 0 und f' 0 1. Nun umgekehrt: Angenommen, wir hätten über eine Funktion f nur diese Informationen, was können wir daraus schließen? Angenommen, f sei eine reelle Polynomfunktion n‐ten Grades f x xn an‐1 xn‐1 an‐2 xn‐2 … a1 x a0 mit reellen Koeffizienten ai. Der Ansatz muss falsch sein, da sich bei Ableitung dieser Funktion eine Polynomfunktion n 1 ‐ten Grades ergibt. Dieses Gegenargument entfällt, wenn man unendlich viele Summanden zulässt: f x a0 a1 x a2 x2 … an xn … „Potenzreihe“ Aus f'' f und f 0 0 und f' 0 1 folgt für alle geraden Ableitungen f 2n 0 0 und für alle ungeraden Ableitungen f 2n 1 0 1 n. Hieraus ergibt sich a2n 0 und a
. !
Die Vermutung lautet: f x x ! x3 ! x5 … !
·
∑
x2n 1 … !
Die Funktion ist durch den Grenzwert einer unendlichen Reihe mit ausschließlich ungeraden Exponenten definiert. Zu prüfen wäre: Konvergiert die Reihe? Ist die so definierte Funktion überall differenzierbar? Ist die Differentialgleichung f' f erfüllt? Mit Mitteln der Analysis kann man alle diese Fragen bejahen. Die Reihe konvergiert sehr gut. Man kann zeigen: Es gibt nur eine Funktion mit den Eigenschaften f'' f und f 0 0 und f' 0 1. Also gilt: sin x x ! x3 ! x5 … !
x2n 1 … ·
∑
!
Da cos x sin' x ist und die Analysis zeigt, dass man die obige unendliche Reihe gliedweise diffenzieren darf , lässt sich cos x durch den Grenzwert einer unendlichen Reihe mit ausschließlich geraden Exponenten beschreiben: cos x 1 x2 ! x4 … !
x2n … ∑
·
!
Beobachtung: In den Potenzreihenentwicklungen von ex, sin x und cos x kommen, abgesehen vom Vorzeichen, dieselben Koeeffizienten vor.Würde man sin x und cos x addieren, erhielte man eine Summe aller Potenzen xn, jeweils mit dem Koeffizienten !, wie bei der Potenzreihe von ex, allerdings mit einem eigenwilligen Rhythmus der Vorzeichen. Diesen Rhythmus finden wir auch bei den Potenzen von i: i0 1 i1 i i2 1 i3 i i4 1 i5 i i6 1 i7 i i8 1 … Der Zusammenhang zwischen den drei Potenzreihen ist einfach zu beschreiben, wenn man als Definitionsbereich der e‐Funktion komplexe Zahlen zulässt. Dann ist eix 1 ix ix 2 ix 3 … ! ix n … 1 ix x2 ix3 … ! in xn … eix cos x i sin x Eulersche Formel Damit ergibt sich auch eine einfache Darstellung der Polarkoordinaten komplexer Zahlen Kap. i.2 : z r eiφ Setzt man in der Eulerschen Formel x π, ergibt sich: eiπ 1 bzw. eiπ 1 0. 12
e i π.2 Faszinierende π‐Formeln Der Fundamentalsatz der Algebra Kap. i.3 besagt: Jede Polynomfunktion n‐ten Grades f z zn an‐1 zn‐1 an‐2 zn‐2 … a1 z a0 kann auch in Produktform geschrieben werden f z z z1 z z2 z z3 … z zn , wobei die komplexen Zahlen zi die Nullstellen der Polynomfunktion sind; dabei muss jede Nullstelle entsprechend ihrer Vielfachheit vorkommen. Sind alle Nullstellen von Null verschieden, kann man das Produkt auch in der Form schreiben: f z 1 n z1 z2 … zn 1 1 1 … 1 a0 1 1 1 … 1 Eulers Idee: Die Gleichheit von Summenformel und Produktformel gilt auch für unendliche Reihen und Produkte, speziell auch für die bekannte Potenzreihe der Sinus‐Funktion, deren Nullstellen ja ebenfalls bekannt sind: zn nπ mit n . Störend ist dabei, dass Null auch eine Nullstelle ist. Deshalb betrachtete Euler die Funktion , die bei Null den Wert 1 annimmt und ansonsten dieselben Nullstellen hat wie die Sinusfunktion. Die zugehörige Potenzreihe lautet: 1 ! z2 ! z4 … !
·
∑
z2n … !
Wenn man die Nullstellen, die Vielfachen von π, abwechselnd positiv und negativ nimmt, ergibt sich die Produktdarstellung: 1 1 1 1 … 1 1 1 … Ein Vergleich der Koeffizienten von z2 in der Potenzreihe und in der Produktdarstellung ergibt: ! … Die Multiplikation mit π2 liefert ∑
1
In Worten: Die Summe der Kehrwerte aller Quadratzahlen ist . Euler bestätigte mit seiner Methode auch eine schon vorher bekannte Formel. Setze in die Produktdarstellung von Hieraus folgt: für z den Wert ein. Wegen sin 1 π 2 ·
· · 1 ·
·
· ·
1 · · ·…
1 ergibt sich: ·
·
·
· · · · ·…
·
… 4·
· ·
· ·
· ·
· · ·…
4·
· · ·
·
· ·
· · · … Diese Formel wurde von John Wallis 1616‐1703 entdeckt. Euler bestätigte mit seiner Methode eine weitere Formel, die nach James Gregory 1638‐1675 und Gottfried Wilhelm Leibniz 1646‐1716 benannt ist. Er betrachtete die Funktion f z 1 sin z; sie hat 5π
7π
die doppelten Nullstellen , 3π
, … Schreibt man die Potenzreihe und die Produktdarstellung 2 , 2 ,
2
der Funktion auf und vergleicht man die Koeffizienten für z in beiden Darstellungen, so ergibt sich: 1
∑
In Worten: Die alternierende Summe der Kehrwerte aller ungeraden Zahlen ist . 13
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