Therapie bei Autismusspektrumsstörungen

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Therapie bei
Autismusspektrumsstörungen
– ein Überblick
Ingo Spitczok von Brisinski
LVR-Klinik Viersen
2. Dia – declaration of interest
• Unterstützung für Vorträge in den letzten 5 Jahren
von: ADHS Deutschland e. V., Hochschule Aachen,
Context, DGSF, DGVT, Fachhochschule Düsseldorf,
isiberlin, Janssen-Cilag, Universität Lüneburg,
Universität Münster, Verband deutscher
MotopädInnen, Volkswagen
• Kein Sponsoring für Tagungen, Studien, Gremien,
boards, keine Aktien
• Angestellter der LVR-Kliniken
• Vorstandsmitglied von BAG und BKJPP
• Mitglied der S3-AWMF-Leitlinien-Arbeitsgruppen
‚Autismusspektrumsstörungen‘ und ‚ADHS‘
Mission impossible
Ein Überblickvortrag zur Therapie bei
Autismusspektrumsstörungen
für ein Kompetenznetzwerk – Eulen
nach Athen bzw. Ravensburg tragen?
Trost aus dem Karneval:
Eminenz basierte Medizin
Gliederung
• Therapeutische Rahmenbedingungen
• Behandlung der Kernsymptomatik
• Behandlung der Folge- und
Begleitstörungen
• Therapiemotivation & Verlauf:
Hoffnungen und Enttäuschungen
• Wie viel Therapie ist gesund?
– Autismus im Spannungsfeld von
Krankheit und menschlicher Vielfalt
Vielfalt der Menschen und Probleme
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Benjamin, 18 Monate, schläft nicht
Julius, 4 Jahre, aggressiv im Kindergarten
Maik, 9 Jahre, Mobbing-Opfer
Lars, 12 Jahre, kratzt sich das Gesicht blutig,
schlägt sich den Kopf, bohrt in den Augen
Olaf, 14 Jahre, intelligent aber nicht ‚bei der Sache‘
Janine, 16 Jahre, depressiv trotz Psychotherapie
Georg, 18 Jahre, hört auf zu essen
Herr Müller, 23 Jahre, Patient im Maßregelvollzug
wegen sexueller Übergriffe
Herr Maier, 27 Jahre, Student der Sozialpädagogik,
möchte an seinen Schwierigkeiten im Alltag etwas
ändern
Methoden und Konzepte
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Applied Behavior Analysis (ABA)
Akupunktur
Beratung
Berufliche Förderung
Coaching
Computergestütztes Training zur
Erkennung von
Gesichtsausdrücken
Delfintherapie
Elektrokonvulsive Therapie (EKT)
Festhaltetherapie
Gestützte Kommunikation (FC)
Heilpädagogische Behandlung
Horch- und Klangtherapien
Integrationshelfer
Irlenbrille, Prismagläser
Logopädische Behandlung
•Lösungsorientierte Therapie
•Massage
•Medikamentöse Behandlung
•Neurofeedback
•Picture Exchange
Communication System (PECS)
•Relationship Development
Intervention (RDI)
•Sensorische Integration (SI)
•Smart-Phone Application
•Social stories
•Stereotaktische Operation
•Systemische Therapie
•TEACCH
•Verhaltenstherapie
•Videomodellierung
•Yoga
•etc.
Evidenz basierte Medizin
• umfasst die systematische Suche nach
Evidenz in der Fachliteratur für ein
konkretes Problem oder eine bestimmte
Krankheit bzw. Diagnose,
• kritische Beurteilung der Validität nach
klinisch-epidemiologischen
Gesichtspunkten,
• Bewertung der Effektstärke
• die Anwendung auf den Klienten mittels der
klinischen Erfahrung und der Vorstellungen
der Patienten
Störungsspezifische
versus individuum- und
kontextspezifische Therapie
• Autismusspezifische Therapie ist
wirksamer als unspezifische (Howlin, 2005)
• Jeder Mensch ist anders
• Jeder Mensch mit
Autismuspektrumstörung auch
Therapievielfalt
• „Aus diesem Grund profitiert nicht jedes
Kind von derselben Therapie oder
Intervention. Ein flexibles, möglichst breites
Angebot ist nötig, um das individuelle Kind,
die/den Jugendliche/n oder Erwachsene/n
und ihre/seine Familie unterstützen und
fördern zu können.“
Freitag, CM (2008) Autismus-Spektrum-Störungen. München: Ernst Reinhardt, S. 82
Allgemeine Prinzipien der
Förderung und Behandlung
• Primär muss sich das Umfeld an die
Stärken und Schwächen des
Betroffenen anpassen
• Die Anpassung des Betroffenen an
die „normale“ Welt ist ein Fernziel,
dem man sich nur langsam nähert
und in manchen Belangen nie erreicht
Alter bei Therapiebeginn
• Eine Früherkennung autistischer Störungen ist ab
dem zweiten Lebensjahr möglich
• Wissenschaftler und klinisch Tätige sind sich einig,
dass eine frühe Diagnostik anzustreben ist, um
eine frühe Intervention veranlassen und somit den
Verlauf der Störung positiv beeinflussen zu können
• Wird die Autismusspektrumstörung erst im
Erwachsenenalter diagnostiziert, sind dennoch
spezifische Therapiemaßnahmen möglich
Fangmeier T, Lichtblau A, Peters J, Biscaldi-Schäfer M, Ebert D, van Elst LT (2010)
Psychotherapie des Asperger-Syndroms im Erwachsenenalter. Nervenarzt 1-8
Kamp-Becker I, Duketis E, Sinzig J, Poustka L, Becker K (2010) Diagnostik und Therapie
von Autismus-Spektrum-Störungen im Kindesalter. Kindheit und Entwicklung 19 (3), 144
– 157
Allgemeine Prinzipien der
Förderung und Behandlung
• Möglichst früher Beginn
• Langfristige Perspektive (über Jahre)
• Symptom orientiertes Vorgehen, aber auch
„ganzheitlicher Ansatz“ mit Priorisierung
• Abgestimmtes Zusammenwirken mehrerer
Methoden zur multiaxialen Förderung
• Einbeziehung der Familie als gleichberechtigter
Partner
• umfassende pädagogische Programme
• auch bei Erwachsenen sind spezifische
Maßnahmen noch sinnvoll
• Nicht zuviel Therapie gleichzeitig, ggf. Pausen
Probleme sortieren, Ziele benennen, Ideen
sammeln, Umsetzbarkeit bewerten
Stellen Sie, Ihr Kind, die Schule und ggf. weitere
Beteiligte (zunächst jeder für sich, danach in
gegenseitiger Abstimmung) folgende Rangfolgen auf:
• Nach der Wichtigkeit (Welches Merkmal
beeinträchtigt das Leben bzw. die Entwicklung am
stärksten? Was ist am unwichtigsten?)
• Nach der Erkennbarkeit einer Verbesserung (Bei
welchem Merkmal kann man am leichtesten und
sichersten erkennen, dass sich eine Verbesserung
eingestellt hat? Was ist am schwersten zu erfassen?
Welche Merkmale sind eher unsicher?)
(aus: Spitczok von Brisinski (2003): Dazugehören - Wie Kinder ihren Platz in der Klasse finden.
Cornelsen Verlag)
Probleme sortieren, Ziele benennen, Ideen
sammeln, Umsetzbarkeit bewerten
Stellen Sie, Ihr Kind, die Schule und ggf. weitere
Beteiligte (zunächst jeder für sich, danach in
gegenseitiger Abstimmung) folgende Rangfolgen auf:
• Nach der Umsetzbarkeit der Maßnahmen (Welche
Ideen zur Verbesserung lassen sich am leichtesten
und sichersten umsetzen? Welche Maßnahmen sind
nur sehr schwer oder gar nicht durchführbar?)
• Nach der Erreichbarkeit der Ziele (Welches Ziel ist
wahrscheinlich leicht zu erreichen, welches eher
schwer, welches vermutlich nicht?)
(aus: Spitczok von Brisinski (2003): Dazugehören - Wie Kinder ihren Platz in der Klasse finden.
Cornelsen Verlag)
Gliederung
• Therapeutische Rahmenbedingungen
• Behandlung der Kernsymptomatik
• Behandlung der Folge- und
Begleitstörungen
• Therapiemotivation & Verlauf:
Hoffnungen und Enttäuschungen
• Wie viel Therapie ist gesund?
– Autismus im Spannungsfeld von
Krankheit und menschlicher Vielfalt
Etablierte Maßnahmen
• Informationen und Beratung für Schüler, Eltern und
andere Angehörige sowie Lehrkräfte
• Pädagogische Maßnahmen (z. B. TEACCH)
• Verhaltenstherapie (z. B. ABA - Applied Behavior
Analysis bzw. Frühförderung nach Lovaas)
• Förderung von Sozialkontakten in der Freizeit
• Selbsthilfe
• Ggf. Familientherapie
• Ggf. medikamentöse Behandlung
• Ggf. Behandlung der Begleitstörungen
Ansatzmöglichkeiten
Arbeit mit
• dem Betroffenen
• den Eltern/Betreuern
• dem Kindergarten/den Lehrkräften
• den Vorgesetzten/den Kollegen
Stärken von Menschen
mit Asperger-Syndrom
•
•
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•
•
•
•
•
Loyalität
Zuverlässigkeit
Unvoreingenommenheit
Enthusiasmus für einzigartige Interessen und
Themen
Wertschätzung von Details
Neigung „Small Talk“, sozial triviale Bemerkungen
und oberflächliche Konversation zu vermeiden
Konversation frei von versteckten Bedeutungen
oder Andeutungen
Enzyklopädisches oder „CD-ROM“-Wissen über
ein oder mehrere Themen
(aus Remschmidt & Kamp-Becker, 2006, S. 151)
Nutzung von Sonderinteressen
• Asperger, H (1944) Die autistischen Psychopathen
im Kindesalter. Arch Psychiatr Nervenkr 117, 76136
• Simon, G. (2006) Systemic Family Therapy With
Families With A Child Who Has A Diagnosis Of
Asperger Syndrome. Human Systems: The Journal
of Systemic Consultation & Management 15(4),
257-274
Beispiel: Interesse für Schach
Biologie
• Herkömmlich
Biologie
• & Kunst:
Biologie
• & Kunst & Schach:
Geschichte, Biologie, Sexualkunde?
Pädagogische Maßnahmen
/ Verhaltenstherapie
• Strukturierung von Material und
Aufgaben
• Routinen als Strukturierungshilfen
• Strukturierung des Alltags
TEACCH
• Treatment and Education of Autistic
and related Communication
handicapped CHildren
• Vom Kleinkind- bis zum
Erwachsenenalter anwendbar
TEACCH
• Oft fällt die Verarbeitung visueller
(simultaner) Reize leichter als die
Verarbeitung auditiver (sequentieller)
Stimuli
• Strukturierung des Raumes
• Strukturierung der Zeit
• Strukturierung von Arbeitsorganisation:
Strukturen, die eine möglichst selbständige
Durchführung von Tätigkeiten im Sinne der
Erledigung eines vorgegebenen
Aufgabenpensums unterstützen sollen.
Frühinterventionsprogramm nach Lovaas
Angewandte Verhaltensanalyse (ABA)
• Für Kinder im Alter von 2 bis 7 Jahren
• ca. 20 – 40 h/Woche über 3 Jahre mit starker Elternbeteilung
• Die Meta-Analyse von 3 kontrollierten klinischen Studien
zeigte, dass Lovaas-Therapie einer
nichtautismusspezifischen Frühförderung überlegen war
hinsichtlich angepasstem Verhalten, Kommunikation und
Interaktion, sprachlicher Kompetenzen, Aufgaben des
täglichen Lebens und gesamtintellektueller Befähigung
• Keine statistisch signifikanten Unterschiede gab es bzgl.
nonverbaler intellektueller Fähigkeiten
• Patientenauswahl nicht repräsentativ, Beurteiler nicht
unabhängig, Messmethoden teils unklar/fragwürdig
Ospina MB, Krebs Seida J, Clark B, Karkhaneh M, Hartling L, et al. (2008)
Behavioural and Developmental Interventions for Autism Spectrum Disorder:
A Clinical Systematic Review. PLoS ONE 3(11): e3755
ABA 2:
Verbesserung der Meta-Analyse?
•
•
•
In an attempt to fill this gap in the literature, state-of-the-art metaanalytical methods were implemented, including quality assessment,
sensitivity analysis, meta-regression, dose-response meta-analysis
and meta-analysis of studies of different metrics.
Results suggested that long-term, comprehensive ABA intervention
leads to (positive) medium to large effects in terms of intellectual
functioning, language development, acquisition of daily living skills
and social functioning in children with autism.
Although favorable effects were apparent across all outcomes,
language-related outcomes (IQ, receptive and expressive language,
communication) were superior to non-verbal IQ, social functioning
and daily living skills, with effect sizes approaching 1.5 for receptive
and expressive language and communication skills.
Virués-Ortega J. Applied behavior analytic intervention for autism in
early childhood: meta-analysis, meta-regression and dose-response
meta-analysis of multiple outcomes. Clin Psychol Rev. 2010
Jun;30(4):387-99.
Picture Exchange Communication
System (PECS)
• Meta-Analyse (1994 – 2009) bzgl. empirischer Evidenz für
PECS auf Kommunikation und Sprachentwicklung bei
Kindern (1-11 J.) mit Autismusspektrumstörung
• Einzelfallbeschreibungen (18) and 3 Gruppenstudien (95
PECS Teilnehmer, 65 als kontrollgruppe, teils mit anderer
Intervention)
• PECS ist Erfolg versprechend, aber noch nicht EbM-etabliert
• Geringe bis mittlere Verbesserung der Kommunikation
• Geringe Verbesserung oder sogar verschlechterung der
Sprachentwicklung
Flippin M, Reszka S, Watson LR. Effectiveness of the Picture Exchange
Communication System (PECS) on communication and speech for children
with autism spectrum disorders: a meta-analysis. Am J Speech Lang Pathol.
2010 May;19(2):178-95
Pädagogische & therapeutische Maßnahmen:
Empathie & Theory of Mind
• Emotionen Erkennen (Mimik, Gestik,
Stimme)
• Distanzregulierung
• Ein Gespräch anfangen und beenden
• Bedürfnisse des Gesprächspartners
erkennen
• Rollenspiele, social stories
Spieltherapie mit Gleichaltrigen
• Geeignet für Kinder von 4 bis 12 Jahre
• Wirksamkeit in mehreren Studien belegt
• Jüngere und schwerer betroffene Kinder
profitieren eher von stark strukturierten und
direktiven Spieltherapien
• Ältere, weniger stark betroffene Kinder
profitieren eher von am natürlichen Verlauf
des Spiels orientierten Gruppen
Freitag, CM (2008) Autismus-Spektrum-Störungen. München: Ernst Reinhardt
Selbsthilfe: Internet
• Websites von Personen mit AspergerSyndrom
• Websites von Angehörigen
(Erfahrungsberichte, Persönliches,
Infos)
• Autismus-Newsletter: Tagungen,
Literatur, Fernsehsendungen usw.
Autismus und Internet
• Mailing-Liste für Personen mit AspergerSyndrom
• Mailing-Liste für Eltern (a. Beginners; b. Advanced)
• Mailing-Liste für Geschwister
• Mailing-Liste für für andere Experten
• Mailing-Liste Autismus allgemein
(z. B. auf www.autismus-online.de)
Peer-Group-Gefühl (‚Ich bin nicht allein mit meinem
Problem', ‚Endlich versteht mich jemand‘, Trost,
Tipps & Erfahrungen)
Elterntraining/Familientherapie
Familientherapeutische Ansätze
• Symptomatische
Therapie/Lösungsorientierung
• Vermeidung sekundärer Störungen/
Stärkung von Schutzfaktoren
• Behandlung von Begleitstörungen
Medikamentöse Therapie bei
Autistischen Störungen
Aufmerksamkeitsprobleme,
Bewegungsunruhe, Impulsivität,
Aggressivität
• Stimulanzien
• Atomoxetin
• Neuroleptika
Zwangssymptome, ritualisierte Handlungen,
Aggressivität
• SSRI
• Neuroleptika
Gliederung
• Therapeutische Rahmenbedingungen
• Behandlung der Kernsymptomatik
• Behandlung der Folge- und
Begleitstörungen
• Therapiemotivation & Verlauf:
Hoffnungen und Enttäuschungen
• Wie viel Therapie ist gesund?
– Autismus im Spannungsfeld von
Krankheit und menschlicher Vielfalt
Begleitstörungen auf MAS-Achse 1
beim Asperger-Syndrom
• ADS/ADHS: > 50%
• Affektive Störungen: > 20%
• Aggressives Verhalten: > 20%; seltener intoxikiert während
der Tat und seltener Gebrauch von Messern oder Gewehren
• Persönlichkeitsstörungen: > 20%
• Schlafstörung: > 20%
• Zwangsstörung: > 20%
• Ticstörung: 20%
• Essstörung: > 10%; häufiger chronischer Verlauf
• Mutismus: > 10%
• Selbstverletzendes Verhalten: > 10%
• Schizophrenie: 5%
Wahlund K, Kristiansson M. Offender characteristics in lethal violence with special reference to antisocial
and autistic personality traits. J Interpers Violence. 2006 Aug;21(8):1081-91.
Zucker NL, Losh M, Bulik CM, LaBar KS, Piven J, Pelphrey KA. Anorexia nervosa and autism spectrum
disorders: guided investigation of social cognitive endophenotypes. Psychol Bull. 2007
Nov;133(6):976-1006
Remschmidt & Kamp-Becker, 2006
Begleitstörungen auf MAS-Achse 1
beim frühkindlichen Autismus
•
•
•
•
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•
•
•
•
ADS/ADHS: > 50%
Aggressives Verhalten: > 20%
Autoaggressives Verhalten
Essstörung: > 20%
Persönlichkeitsstörungen: > 20%
Schlafstörung: > 20%
Selbstverletzendes Verhalten: > 20%
Zwangsstörung: > 20%
Affektive Störungen: > 10%
Mutismus: > 10%
Ticstörung: > 10%
Remschmidt & Kamp-Becker, 2006
Elektrokonvulsive Therapie
(EKT)
Die Arbeitsgruppe um Wachtel (Baltimore, USA) hat bisher über
3 Behandlungserfolge berichtet:
• Ein 11jähriger Junge mit Autismus und über 4 Jahre
therapieresistenter bipolarer Psychose mit gefährlichen
Episoden mit für ihn und seine Betreuer sehr gefährlichem
selbstverletzendem und fremdaggressivem Verhalten.
• 8 bilaterale EKTs führten zu signifikanter
Stimmungsstabilisierung und signifikanter Besserung von
Selbst- und fremdverletzendem Verhalten
(Wachtel LE, Jaffe R, Kellner CH. Electroconvulsive therapy for psychotropicrefractory bipolar affective disorder and severe self-injury and aggression in
an 11-year-old autistic boy. Eur Child Adolesc Psychiatry. 2011 Jan 21.
[Epub ahead of print])
Elektrokonvulsive Therapie
(EKT)
• Ein 8jähriger Junge mit Autismus, Intelligenzminderung,
deutliche Stimmungslabilität und seit 5 Jahren bestehendem
extremem selbstverletzendem Verhalten mit seinem Kopf
(hohes Risiko für ernsthaftes Schädel-Hirn-Trauma),
durchschnittlich 109 Mal pro Stunde.
• Protektoren für Schultern, Arme und Beine
• Alle Bereiche des täglichen Lebens waren schwerwiegend
durch das selbstverletzende verhalten beeinträchtigt..
• 15 bilaterale EKTs führten zu sehr guter
Stimmungsstabilisierung und reduktion des
selbstverletzenden verhaltens auf 19 Mal pro Stunde. Der
patient konnte wieder an entwicklungsadäquaten schulischen
und sozialen Aktivitäten teilnehmen.
Wachtel LE, Contrucci-Kuhn SA, Griffin M, Thompson A, Dhossche DM, Reti IM.
ECT for self-injury in an autistic boy. Eur Child Adolesc Psychiatry. 2009
Jul;18(7):458-63.
Elektrokonvulsive Therapie
(EKT)
• Ein 19jähriger Mann mit Autismus, leichter
Intelligenzminderung und schwerer Depression mit
wiederholten Suizidversuchen, multiplen
Katatoniesymptomen, und lebensgefährlichem
wiederholtem selbstverletzendem Verhalten, seit 3
Jahren therapieresistent
• Sehr gute Rückbildung der Symptome nach
bilateraler EKT
(Wachtel LE, Griffin M, Reti IM. Electroconvulsive therapy in a man with
autism experiencing severe depression, catatonia, and self-injury. J
ECT. 2010 Mar;26(1):70-3)
Begleitstörungen auf MAS-Achse 2
beim Asperger-Syndrom
•
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•
Motorische Entwicklungsstörung
Dyspraxie
Artikulationsstörung (Dyslalie)
Räumliche Wahrnehmungsstörung
Rechenstörung (Dyskalkulie)
Auditive Verarbeitungs- und
Wahrnehmungsstörungen
Begleitstörungen auf MAS-Achse 2
bei frühkindlichem Autismus
•
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Sprachentwicklungsstörung
Dyspraxie
Räumliche Wahrnehmungsstörung
Lese-Rechtschreibstörung
(Legasthenie)
• Auditive Verarbeitungs- und
Wahrnehmungsstörungen
Begleitbesonderheiten auf MASAchse 3 beim Asperger Syndrom
• Inhomogenes Intelligenzprofil (VT>HT)
• Lernbehinderung
• Hochbegabung
Begleitstörungen auf MAS-Achse 4:
Körperliche Erkrankungen
beim frühkindlichen Autismus
Über 40 körperliche Erkrankungen sind
überzufällig häufig, u. a.
•
•
•
•
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Hörstörungen
Sehstörungen
Epilepsie
Tuberöse Sklerose
Neurofibromatose
fragiles X-Syndrom und andere
Chromosomenstörungen
• fetales Alkoholsyndrom
• Röteln-Embryopathie
Begleitstörungen auf MAS-Achse 5 bei
Autismusspektrumstörungen
• In Familien von Kindern mit
Asperger-Syndrom treten
gehäuft ADS/ADHS, und
autistische Züge auf, in 50%
Depression und/oder Suizid
• Eltern haben gehäuft
behandlungsbedürftige
depressive, Angst- oder
Zwangsstörungen
Lainhart JE, Folstein SE (1994) Affective disorders in
people with autism: a review of published cases. J
Autism Dev Disord 24(5), 587-601
Yirmiya N, Shaked M (2005) Psychiatric disorders in
parents of children with autism: a meta-analysis. J Child
Psychol Psychiatry 46, 69-83
Folgestörungen bei Autismus
•
•
•
•
•
•
Schuldvorwürfe
Mobbing
Depression
Suizidalität
Ablösungsproblematik
Probleme in der schulischen und
beruflichen Entwicklung
• Probleme in der sozialen Integration
Gliederung
• Therapeutische Rahmenbedingungen
• Behandlung der Kernsymptomatik
• Behandlung der Folge- und
Begleitstörungen
• Therapiemotivation & Verlauf:
Hoffnungen und Enttäuschungen
• Wie viel Therapie ist gesund?
– Autismus im Spannungsfeld von
Krankheit und menschlicher Vielfalt
Verlauf autistischer
Störungen
nach Remschmidt & Kamp-Becker (2006), S. 202
Die Prognose hängt ab von
•
•
•
•
•
der Schwere der Symptomatik
den komorbiden Störungen
den Betreuungsmöglichkeiten
dem familiären Umfeld
therapeutischen Maßnahmen
Remschmidt & Kamp-Becker, 2006
Lebensqualität bei Autismus
• Autistische Störungen haben einen
erheblichen Einfluss auf die
Lebensqualität der Familie
• In der Regel sind sehr langfristige
unterstützende Maßnahmen
notwendig, die individuell auf Kind und
Familie abgestimmt werden müssen
Nydén A, Myrén KJ, Gillberg C. Long-Term Psychosocial and Health
Economy Consequences of ADHD, Autism, and Reading-Writing
Disorder: A Prospective Service Evaluation Project. J Atten Disord.
2007 Oct 29;
Larsen & Mouridsen 1997: 9 FA, 9 AS über
30 Jahre:
• 7 AS hatten Regelschule besucht, 0 FA
• 4 AS waren verheiratet, davon ließen sich
2 nach 7 bzw. 15 Jahren scheiden, 2
hatten Kinder, 0 FA
Bölte et al. 2005: 85 HFA:
• 45% besuchten Regelschule;
• > 17 J.: 19% Arbeit, 14% Gymnasium,
14% Behindertenwerkstatt
• Cederlund et al. 2008: Outcome nach
5 J. bei AS (N=70) gut in 27%, 26%
hatten ein sehr eingeschränktes
Leben, ohne Arbeit, ohne Freunde.
Outcome bei FA (N=70) deutlich
schlechter
Albert Einstein und Isaac Newton sollen am Asperger-Syndrom
gelitten haben (Simon Baron-Cohen 2003)
• Newton sei sehr kühl zu seinen wenigen Freunden gewesen. Es
habe ihn nicht gestört, wenn zu seinen Vorlesungen keine
Studenten gekommen seien, er habe auch vor komplett leeren
Sälen doziert
V. a. Asperger Syndrom u. a. bei
•
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Hans Christian Andersen
Aristoteles
Jane Austen
Béla Bartók
Charles Darwin
Arthur Conan Doyle
Marie Curie
Albert Einstein
Benjamin Franklin
Galileo
Glenn Gould
Patricia Highsmith
Edward Hopper
Thomas Jefferson
Immanuel Kant
Karl XII.
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Alfred Kinsey
Stanley Kubrick
Michelangelo
Wolfgang Amadeus Mozart
Isaac Newton
George Orwell
Pablo Picasso
Ramanujan
Bertrand Russell
Erik Satie
Shakespeare
Jonathan Swift
Ludwig van Beethoven
Vincent van Gogh
Andy Warhol
Robert Walser
Ludwig Wittgenstein
Gliederung
• Therapeutische Rahmenbedingungen
• Behandlung der Kernsymptomatik
• Behandlung der Folge- und
Begleitstörungen
• Therapiemotivation & Verlauf:
Hoffnungen und Enttäuschungen
• Wie viel Therapie ist gesund?
– Autismus im Spannungsfeld von
Krankheit und menschlicher Vielfalt
Definitionen „Gesundheit“
• WHO (1948): „Zustand vollkommenen
körperlichen, psychischen und sozialen
Wohlbefindens, welcher mehr ist als
Abwesenheit von Krankheit“
• WHO heute: Gesundheit als „positiver
funktioneller Gesamtzustand im Sinne eines
dynamischen biopsychologischen
Gleichgewichtszustandes, der erhalten bzw.
immer wieder hergestellt werden muß“
(zit.n.Quaas,1994,S .148)
Freud:
„Gesundheit ist
die Fähigkeit
lieben und
arbeiten zu
können.“
Neurotypisches Syndrom
• „Das neurotypische Syndrom ist eine
neurobiologische Störung. Die Symptome sind:
Übertrieben geselliges Verhalten,
Überlegenheitswahn, und eine Fixierung auf
Konformität. NTs können nicht gut alleine sein. NTs
sind oft intolerant. In Gruppen agieren NTs
zwanghaft und bestehen oft auf funktionsgestörten,
destruktiven und sogar unmöglichen Ritualen, nur
um die Gruppenidentität aufrecht zu erhalten. NTs
haben ein Problem, direkt zu kommunizieren und
lügen viel mehr als Personen aus dem autistischen
Spektrum. Tragischerweise haben 9625 von
10.000 Menschen NT.“
Verfasser unbekannt, zitiert aus Carstensen, K. (2009) Das Asperger-Syndrom.
Sexualität, Partnerschaft und Elternsein. Norderstedt: BoD, S. 2
www.aspies.de
• „Wir sehen Autismus als einen Teil
menschlicher Vielfalt. Wir möchten
akzeptiert und respektiert werden,
so wie wir sind - und nicht ‚geheilt‘.
Vielfalt ist eine Stärke der
Menschheit!“
Qualitative und zeitliche
Perspektiven
• Eine Diagnose beschreibt niemals den
ganzen Menschen – stets gibt es auch
‚gesunde‘ Facetten
• Üblicherweise ist die Diagnose
Autismus als lebenslang konzipiert,
jedoch nicht notwendigerweise die
Behandlung – dennoch sind eher
Jahre als Monate einzuplanen
Gratwanderung
• Das Leben besteht nicht nur aus Problemen,
die durch Autismus bedingt sind
• Unhinterfragte Normalisierungsbestrebungen
können schädlich sein
• In vielen Dingen dürfen auch „normale
Ansprüche“ an das Kind/den
Jugendlichen/den Erwachsenen gestellt
werden, insbesondere hinsichtlich der
Stärken
• Ohne Anforderungen keine Fortentwicklung!
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