GRUNDZÜGE DER VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE Eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten Peter Bofinger 2., aktualisierte Auflage CREDITS by: Florian N., Daniel O., Sabine S., Nicky S., Stefan H., Kathi A., Stefan M., Ralf R., Sabine H., Steffi P., Philipp W., Raphael Z. Wir übernehmen keine Garantie für Richtigkeit oder Vollständigkeit, haben diese Ideale jedoch mit bestem Wissen und Gewissen angestrebt. Kapitel 2: Die „unsichtbare“ Hand des Marktes: Wie kommt der Aktienkurs für die Hyper‐Tec AG zustande? 2.1 Die Koordinationsfunktion des Marktes Die Koordination zwischen den Anbietern und Nachfragern ist eine der wichtigsten Funktionen eines Marktes. Anbieter und Nachfrager eines bestimmten Gutes sollen zusammengeführt werden. Märkte sind nach den Bedürfnissen von Käufer und Verkäufer ausgerichtet, und daher verschieden organisiert. Bsp.: Gurken auf Wochenmarkt, ungeliebtes Geschenk auf Ebay. Umgekehrt wär’s schwer etwas zu verkaufen. Ein Markt soll die Kauf‐ und Verkaufspläne zwischen Anbieter und Nachfrager zur Deckung bringen. = „Unsichtbare Hand“ oder Preismechanismus. 2.2 Wir ermitteln den Aktienkurs für die Hyper­Tec AG Anleger haben unterschiedliche Einschätzungen. Während die Einen noch mehr Aktien kaufen möchten, wollen die Anderen verkaufen. Der Aktienmarkt soll beide Seiten so gut es geht zufrieden stellen. Zu Beginn der Auktion werden alle Verkaufs‐ und Kaufaufträge in einem Orderbuch zusammengestellt. Es bestehen folgende Orders: Kurs (Euro) Kauforders Verkaufsorders Bestens 26 120 15 2 121 5 6 122 3 16 123 16 4 124 6 7 125 3 10 126 4 Billigst 25 Man kann beim Aktien An‐ und Verkauf „Limit‐Orders“ erteilen. Hat ein Kaufauftrag ein Limit von 121 Euro, wird er nur ausgeführt wenn der Kurs nicht höher als 121 ist. Umgekehrt, beim Verkaufsauftrag darf der Kurs nicht darunter liegen. Legt man kein -2- Limit fest und will man möglichst billig kaufen („Billigst“), bzw. möglichst teuer verkaufen („Bestens“) nennt man das „Market‐Order“. Man kann für jedes Kursniveau die angebotene und nachgefragte Menge in Aktien berechnen. Die angebotene Menge bei einem Kurs von 122 wäre 50. Man beginnt beim niedrigsten Kurs der Verkaufsorders zu zählen. Bei Ankauf umgekehrt. Das Orderbuch der Hyper‐Tec AG: Kurs (Euro) Nachgefragte Menge (Stück) Angebotene Menge (Stück) Umsatz (Stück) Unter 21 77 26 26 120 77 28 28 121 62 34 34 122 57 50 50 123 54 54 54 124 38 61 38 125 32 71 32 126 29 71 29 Über 126 25 71 25 Da der Markt Anbieter und Nachfrager zusammenführen soll, wird der Kurs bei 123 Euro angesetzt. Es werden 54 Aktien umgesetzt. Da Angebot und Nachfrage nur bei 123 Euro übereinstimmen ist es ein „markträumender Preis“. Man spricht von einem „Gleichgewichtspreis“ da Kauf‐ und Verkaufspläne übereinstimmen. 2.3 Unsere ersten Einsichten in den Marktprozess Beim Standard‐Diagramm der VWL ist auf der y‐Achse eine Preisgröße (Preis eines Gutes, Preisniveau, Zinssatz, Lohnsatz, Wechselkurs, Inflationsrate) und auf der x‐Achse eine Mengengröße (Menge eines Gutes, Bruttoinlandsprodukt, Beschäftigung, Devisen, Output‐Lücke). Es gibt eigentlich immer eine ansteigende Angebots‐ und eine fallende Nachfragekurve. Wichtige Einsichten: 1. Durch den Preismechanismus ist der Markt im Gleichgewicht. D.h. die unabhängigen Pläne von Anbietern und Nachfragern passen zueinander. 2. Käufer und Verkäufer ziehen Vorteile aus dem Handel. Bsp.: Verkäufer mit einer Verkaufsorder von 120. Heißt, für ihn hat die Aktie einen Wert von 120 Euro. -3- Kann er sie nun um 123 Euro verkaufen, hat er einen Handelsgewinn von 3 Euro. Umgekehrt bei Kauforder. 3. Die Anleger schätzen den Wert einer Aktie unterschiedlich ein. Das ist entscheidend für den Marktprozess. Es gibt verschiedene Meinungen über die Entwicklung eines Unternehmens. Es gibt daher in der VWL keinen objektiven Wertbegriff. Die Einschätzungen der Anbieter und Nachfrager bestimmt den Wert eines Gutes. Im Fall Hyper‐Tec schätzen die Nachfrager die Entwicklung besser ein als die Anbieter. -4- Kapitel 3: Die Arbeitsteilung ist die Mutter unseres Wohlstands 3.1 Märkte sind heute so wichtig, weil die Arbeitsteilung weltweit sehr hoch ist Arbeitsteilung bedeutet, dass wir Güter konsumieren, die andere für uns produziert haben. Das Gegenstück wäre die Autarkie, in der man kaum einen Markt braucht. Globalisierung heißt dass Arbeitsteilung über die Grenzen geht. Menschen, Unternehmen, Regionen und Nationen können sich auf eine Tätigkeit spezialisieren für die sie am besten geeignet sind. Es kommt zur Steigerung der Produktivität und des Wohlstands. Es gibt eine intensivere Arbeitsteilung als es auf nationaler oder regionaler Ebene möglich wäre. So gesehen ist die Globalisierung positiv zu bewerten. 3.2 Adam Smith und die Nadelproduktion Vorteile der Arbeitsteilung am Beispiel der Nadelproduktion(gekürzt von mir!): Ein ungelernter Arbeiter würde höchstens eine Nadel pro Tag schaffen. Doch die Herstellung von Nadeln wie sie betrieben wird beinhaltet 18 Arbeitsgänge und einige Fabriken. Manche Manufakturen haben 10 Arbeiter, von denen einer mehrere Arbeitsschritte erledigt. Im Schnitt konnte jeder von ihnen 4800 Nadeln herstellen. Hätte jeder für sich gearbeitet, hätten sie es bestimmt nicht geschafft 20 Nadeln herzustellen. Doch durch die Teilung der Arbeitsgänge wird ein Vielfaches davon produziert. Adam Smith fasst zusammen: „Die enorme Steigerung der Arbeit, die die gleiche Anzahl Menschen infolge der Arbeitsteilung zu leisten vermag, hängt von drei verschiedenen Faktoren ab: 1. der größeren Geschicklichkeit jedes einzelnen Arbeiters, 1. der Ersparnis der Zeit die gewöhnlich beim Wechsel von einer Tätigkeit zur anderen verloren geht und 2. die Erfindung einer Reihe von Maschinen, welche die Arbeit erleichtern, die Arbeitszeit verkürzen und den Einzelnen in den Stand versetzen, die Arbeit vieler zu leisten.“ Heute würde man von gesteigerten „Skalenerträgen“ reden. Die liegen dann vor, wenn durch doppeltes Input das Output um mehr als 100% erhöht wird. Lerneffekte spielen eine wichtige Rolle. Wird eine Tätigkeit oft wiederholt, sinkt der Zeitaufwand dafür. -5- Beispiel Arbeitsteilung in Industrieländern: Autos werden in Deutschland fast gleich gebaut wie in Frankreich. Doch importiert Deutschland französische Autos, weil sie in Augen der Konsumenten andere Eigenschaften haben. Ohne Import müsste die Produktpalette erweitert werden, was zu höheren Kosten führen würde. Dieser „Intra‐ industrieller Handel“(„intra­industry trade“) macht den größten Teil des Außenhandels aus. Der Lerneffekt bedeutet eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Es wird in immer kleinere Arbeitsschritte zerlegt um das Maximum zu erreichen („Taylorismus“). Nachteil: einförmige Tätigkeit führt zur Abstumpfung der Arbeiter, was produktivitätsmindernd sein kann. Daher werden große Arbeitsabläufe oft in Teams organisiert. Der häufige Ausdruck dafür ist KAIZEN (japanisch). Großer Kritiker der Arbeitsteilung war Karl Marx. Er sprach von Endfremdung, Verstümmelung und Entwürdigung des Menschen zum Anhängsel der Maschine. Kritik ist noch aktuell, doch werden heute Teile der stumpfsinnigen Arbeit durch Maschinen erledigt. Würden wir auf Arbeitsteilung verzichten, würde der materielle Wohlstand sinken. 3.3 Die Theorie der Arbeitsteilung und das Prinzip der komparativen Kosten David Ricardo entwickelte die Theorie der Arbeitsteilung um zu zeigen wie man die Arbeitsteilung zwischen den Ländern am besten organisiert. Er machte sich für den Freihandel stark. Im Beispiel zwischen England und Portugal zeigte er, wieso es vorteilhaft für England war sich auf Tuch zu spezialisieren und für Portugal sich auf Wein zu spezialisieren. Ein Modell der Arbeitsteilung nach Vorstellungen von Ricardo siehe Kapitel 3.3.1 – 2. Modelle: Jedes Modell muss den bestimmten Bedürfnissen angepasst sein. Um die Zusammenhänge gut zu vermitteln, muss es immer nur ein vereinfachtes Abbild der Realität darstellen. „Mach deine Theorie so einfach wie möglich – aber nicht einfacher.“ (Albert Einstein). Problematisch wird es bei frei erfundenen Modellen, die die reale Welt darstellen sollen. Diese „Spiel‐Theorien“ sind leider stark in Mode. 3.3.1 Robinson als Einsiedler Robinson ist auf einer einsamen Insel. Um zu überleben kann er entweder 40 Kokosnüsse in der Woche sammeln oder 20 Fische fangen. Er kann auch kombinieren. Zum Beispiel 20 Nüsse und 10 Fische. Im Diagramm trägt man auf der y‐Achse die Wochenproduktion Nüsse, auf der x‐Achse die Wochenproduktion Fische ein und verbindet die Punkte. Man erhält alle Kombinationsmöglichkeiten. Bezeichnung dafür in der VWL: Transformationskurve oder Produktionsmöglichkeitenkurve. Sie gibt an wie viele Endprodukte bei einem bestimmten Input erzeugt werden können. -6- Formale Herleitung der Transformationskurve Die Produktionsfunktion (siehe unten) gibt das Verhältnis zwischen dem Output, z.B.: Fisch (x1) und dem Arbeitseinsatz (A1) dafür an. x1 = A1/a1 a1 ist der Verbrauchskoeffizient. Er gibt an wie viel Arbeitszeit für eine Outputeinheit benötigt wird. Bei Fisch 1/20 Woche. Bei gegebenen Output von x1 kann man das mögliche Output von x2 (Nüsse) durch den Quotienten vom noch möglichen Arbeitsinput (Ā ‐ A1) durch den Verbrauchskoeffizienten (a2). x2 = (Ā ­ A1)/ a2 Durch Unformung der ersten Gleichung bekommt man für A1: A1 = x1 a1 Durch einsetzen in die zweite Formel erhält man: x2 = (Ā ­ x1 a1)/ a2 Nun kann man umformen in: x2 = Ā/a2 – a1x1/a2 Die Transformationskurve ist also eine Gerade mit dem x2‐Achsenabschnitt (Ā/a2) und der Steigung –(a1/a2). Die beiden Verbrauchskoeffizienten bestimmen die Steigung. Will Robinson also eine Einheit mehr von x1 produzieren, muss er auf (a1/a2 ) Einheiten x2 verzichten. Die Transformationskurve zeigt also die Opportunitätskosten der Produktion von x1 in Einheiten von x2 an. Die wären für x2: a1/a2 = 1/20 / 1/40 = 2 Um zwei Kokosnüsse zu produzieren, muss er auf einen Fisch verzichten. -7- Er kann sich nun eine Kombinationsvariante aussuchen. Wir nehmen an er wählt eine Kombination von 10 Fischen und 20 Nüssen. 3.3.2 Freitag kommt auf Robinsons Insel Er kann pro Woche 60 Nüsse sammeln oder 60 Fische fangen. Freitags Produktionsfunktion ist in beiden Gütern höher. Das heißt er hat absolute Kostenvorteile gegenüber Robinson. Was wäre nun wenn Robinson und Freitag Arbeitsteilung betreiben würden? Wer soll was produzieren? Es gilt das Prinzip der komparativen Kostenvorteile nach Ricardo: Jeder soll das Gut herstellen, welches er relativ am billigsten produzieren kann. Um einen Fisch mehr zu fangen, muss Robinson auf zwei Nüsse verzichten, Freitag aber nur auf eine Nuss. Freitag hat komparativen Kostenvorteil beim Fischfang. Um eine Nuss mehr zu sammeln, muss Robinson auf einen halben Fisch, Freitag auf einen ganzen Fisch verzichten. Hier hat Robinson also komparativen Kostenvorteil. Verbunden mit dem Prinzip der komparativen Kosten sind die Opportunitätskosten. Die Kosten einer Entscheidung werden ausgedrückt durch die entgangenen Erträge der nächstbesten Alternative. Robinson entgehen 2 Nüsse wenn er einen Fisch mehr fangen will. Beispiel: Herr Müller kauft eine Flasche Wein im Urlaub. Er stellt zu Hause fest der Wein ist verkorkt. Denkt er nicht ökonomisch, wird er ihn nicht wegschütten, weil er so teuer war. Denkt er ökonomisch, wird er die Alternative dazu suchen. Die wäre einen -8- schlechten Wein zu trinken und sich Kopfweh einzuhandeln. Entscheidend, die Kosten des Weinkaufs sind nicht mehr relevant. Man spricht von „sunk costs“ oder „gesunkenen Kosten“. Robinson soll also Nüsse sammeln und Freitag Fische fangen. Freitag ist gewohnt 30 Fische und 30 Nüsse zu konsumieren. Ohne Arbeitsteilung hätten sie zusammen 40 Fische und 50 Nüsse. Konsum Robinson Freitag Summe Nüsse 20 30 50 Fische 10 30 40 Sie spezialisieren sich jedoch und so fängt Freitag alle 40 Fische, und da er noch Zeit hat noch 20 Nüsse. Robinson sammelt nur Nüsse und kommt auf 40 Stück. So haben die beiden durch Arbeitsteilung 10 Nüsse mehr pro Woche. Wenn sie nun von beiden Gütern mehr konsumieren wollten, müsste Freitag 50 Fische und 10 Nüsse produzieren. Produktion Robinson Freitag Summe Nüsse 40 20 60 Fische 0 40 40 Wenn fair geteilt wird können beide 5 Nüsse mehr konsumieren. Konsum Robinson Freitag Summe Nüsse 25 35 60 Fische 10 30 40 Verbunden mit der Arbeitsteilung ist der Handel. Robinson exportiert 15 Nüsse und importiert 10 Fische. Bei Freitag ist das natürlich umgekehrt. Handel Robinson Freitag Nüsse exportiert 15 importiert 15 Fische importiert 10 exportiert 10 Verdeutlichung der Vorteile durch die Transformationskurve: -9- Die Eckpunkte ergeben sich durch die Spezialisierung auf nur ein Gut. Also maximale Nussproduktion wäre 100 (Punkt A), maximale Fischproduktion 80 (Punkt B). Bis zum Punkt 60 kommt die gesamte Fischproduktion von Freitag. Ab diesem Punkt wird Robinson auch zum Fischfang herangezogen. In Punkt B würden also nur Fische konsumiert. Die Steigung der Kurve zwischen A und C gibt die komparativen Kosten der Fischproduktion von Freitag an (‐1), die zwischen C und B die komparativen Kosten von Robinson (‐2). Wie man sieht liegt der Punkt der Güterkombination ohne Arbeitsteilung (Punkt D) unter der Transformationskurve. Würde man eine Transformationskurve entgegen der komparativen Kosten herleiten, würde die Kurve unter der mit Arbeitsteilung erstellten Kurve verlaufen. 3.3.3 Die Grundprinzipien der Arbeitsteilung Bestehen komparative Kosten ist Arbeitsteilung immer möglich. Aber aufgrund „economies of scale“ (siehe Kapitel 3.2) kann Arbeitsteilung auch ohne komparative Kosten sinnvoll sein. Zu sehen in der Tabelle unten. Der Großteil des deutschen Außenhandels wird mit den „alten“ EU‐Mitgliedsländern abgewickelt. Der „Intra‐ Industry Trade“(siehe Kapitel 3.2) steht dabei im Vordergrund, da sich die Anbieter auf diversifizierte Produkte spezialisieren. Ausfuhr Einfuhr Saldo EU­Länder 498.556 388.861 129.725 Alte EU­Länder 430.995 309.453 121.542 Frankreich 79.871 54.627 25.244 Großbritannien 61.681 39.414 22.267 Italien 54.374 35.589 18.785 -10- Neue EU­Länder 67.561 59.378 8.183 USA 69.331 5.820 63.511 Japan 13.330 21.453 ‐8.123 VR China 21.820 39.891 ‐18.071 Südostasiatische Schwellenländer 27.542 30.596 ‐3.054 Insgesamt 786.186 625.632 160.554 Außenhandel Deutschlands im Jahr 2005 in Mrd. Euro Durch die Arbeitsteilung wird der Wohlstand gegenüber einer Autarkiesituation verbessert. Arbeitsteilung ist also Win­Win­Situation. Dies ist auch in den realen Pro‐ Kopf Einkommen der einzelnen Regionen zu sehen. Nicht nur im asiatischen Raum auch bei den früheren sozialistischen Ländern Europas ist eine deutliche Entwicklung zu sehen, auch die Vereinigten Staaten und die „alten“ EU‐Länder konnten zulegen und ihr Pro‐Kopf Einkommen in 35 Jahren in etwa verdoppeln (Realer Zuwachs in Deutschland 82%). Schlusslichter sind Afrika und der mittlere Osten. Afrika ist weiter zurückgefallen, im mittleren Osten blieb die Situation gleich, wohl aufgrund der politischen Spannungen. 1971 1980 1990 2005 Veränderungen 2005 ­1971 in% Welt 3.405 3.983 4.557 5.597 64,4 USA 18.842 22.883 28.467 37.715 100,2 Lateinamerika 2.711 3.583 3.298 4.102 51,3 Südamerika 3.495 3.100 3.825 40,1 Alte EU­Länder 11.454 14.280 17.592 22.152 93,4 Deutschland 12.932 16.323 19.988 23.376 80,8 Ostasien 2.074 2.708 3.748 5.160 148,8 Südostasien 381 567 788 1.262 231,4 Südasien 210 229 322 545 159,1 Ozeanien 9.535 10.770 12.174 16.380 71,8 Mittlerer Osten 3.755 3.867 3.552 4.743 26,3 Afrika 588 675 656 732 24,4 2.730 Reales Pro‐Kopf‐Einkommen in wichtigen Regionen der Welt in US‐$ -11- Absolute Kostenvorteile spielen keine Rolle für die Arbeitsteilung. Auch die weniger leistungsfähigen Produzenten profitieren davon wenn sie sich auf die Güter mit den geringsten komparativen Kosten spezialisieren. So profitieren also auch die Entwicklungsländer von der Arbeitsteilung. Durch die Arbeitsteilung wird in einem Land nicht mehr das produziert was konsumiert wird. Daher braucht man eine gute Koordination von Konsum‐ und Produktionsplänen. -12- Kapitel 4: Wie kann man eine arbeitsteilige Wirtschaft am effizientesten organisieren? 4.1 Die Informations­ und Koordinationsprobleme der arbeitsteiligen Wirtschaft Bei der heutzutage herrschenden global angelegten Arbeitsteilung muss eine enorme Menge an Informationen effizient verarbeitet werden: • Präferenzen (Bedürfnisse) und deren Konsummöglichkeiten müssen an Produzenten weitergeleitet werden. • Jeder einzelne Produzent muss wissen auf welches Produkt er sich bei Produktions‐ und Investitionsplanung spezialisieren soll. • Produzenten brauchen Informationen über Inputs und Technologie für eine vorteilhafte Güterproduktion. • Verteilung der produzierten Güter. Bei dem wirtschaftlichen Koordinationsproblem handelt es sich also um zwei zentrale Funktionen: • Steuerung der Produktion von Gütern • Steuerung der Zuteilung von Gütern 4.2 Die grundlegenden Lösungsansätze: „Markt“ oder „Hierarchie“ Es gibt zwei unterschiedliche Ansätze für die Koordination von Produktionsprozessen: • Innerhalb eines einzelnen Unternehmens entscheiden Manager darüber, welcher Mitarbeiter welches Produkt mit welcher Produktionstechnik erstellt. • Steuerung erfolgt über Netzwerk der Märkte (Verträge, Preismechanismus) außerhalb des einzelnen Unternehmens. Dem einzelnen Erwerbstätigen stehen am Markt mehrere Optionen zur Auswahl: • Er kann sich über einen längerfristigen Arbeitsvertrag dem hierarchischen System eines Unternehmens anschließen • Er kann als Selbstständiger die Resultate seiner Arbeit am Markt anbieten • Er kann ein eigenes Unternehmen gründen und längerfristige Verträge mit anderen Erwerbstätigen abschließen. Für ein Unternehmen stellen sich permanent die Fragen, • ob es nicht effizienter wäre gewisse Güter oder Dienstleistungen selbst herzustellen anstatt anzukaufen -13- • ob es nicht effizienter wäre gewisse Güter oder Dienstleistungen anzukaufen anstatt selbst herzustellen (outsourcing) Es stellt sich die Frage, ob überhaupt Märkte benötigt werden, oder ob es nicht sinnvoller wäre, den gesamten Produktionsprozess im Rahmen eines einzigen, hierarchisch strukturierten Großunternehmens zu organisieren. 4.3 Vor­ und Nachteile der beiden Verfahren „Principal­Agent­Problem“: Der Arbeitgeber (bzw. Vorgesetzte) wird als „Principal“ und der Arbeitnehmer (bzw. Untergebene) als „Agent“ bezeichnet. Das „Principal­Agent­Problem“ resultiert daraus, dass die Bezahlung von der geleisteten Arbeitszeit und nicht vom Ergebnis bestimmt wird. Dies kann den Agenten dazu verleiten, den Arbeitseinsatz gering zu halten. In der Realität gibt es viele Mischformen zwischen Markt und Hierarchie. Jedes Unternehmen muss versuchen, den für ihn effizientesten Mix aus Markt und Hierarchie zu finden. -14- Kapitel 5: Der Markt in Aktion 5.1 Die Koordinationsfunktion des Marktes Beim Biermarkt handelt es sich um einen typischen Wettbewerbsmarkt mit vielen Anbietern (Polypol) und vielen Nachfragern. Der einzelne Anbieter ist in der Regel nicht in der Lage seine eigenständige Preispolitik zu verfolgen (anders als bei Oligopol und Monopol). 5.2 Die Nachfrage­ und die Angebotskurve für Bier Die Nachfragekurve beschreibt den Zusammenhang zwischen nachgefragter Menge und Preis eines Gutes. In der Regel besteht hier ein negativer Zusammenhang: Je niedriger der Bierpreis, desto mehr wird getrunken. Dies liegt am Gesetz des abnehmenden Grenznutzens. Laut diesem wird dem ersten Glas Bier der größte Nutzen zugerechnet, jedem weiteren Glas aber ein immer geringerer. Die Zahlungsbereitschaft für ein Glas Bier hängt vom Grenznutzen ab, den man als Konsument daraus erzielt. Ein niedriger Bierpreis verleitet also dazu, ein Glas mehr zu trinken. Es gibt es aber auch bei Freibier eine Grenze für den Bierkonsum, die Sättigungsmenge. Umgekehrt existiert auch ein so hoher Preis, bei dem gar kein Bier mehr konsumiert wird, der Prohibitivpreis. Die Angebotskurve beschreibt den Zusammenhang zwischen angebotener Menge und Preis eines Gutes. Der vom Wirt festgelegte Preis muss zumindest die anfallenden laufenden Kosten decken (Bierpreis der Brauerei, Kosten für Aushilfskräfte). Die nun angebotene Menge liegt bei Null, nimmt aber mit steigendem Preis kontinuierlich zu: Je höher der Bierpreis, desto mehr Bier wird von Kneipenwirten angeboten. Dahinter steht das Gesetz des abnehmenden Grenzertrages. Eine Ausweitung des Angebots ist nämlich mit einer Ausweitung der Inputs und dadurch steigenden zusätzlichen Kosten verbunden. Es besteht also ein positiver Zusammenhang zwischen Preis und angebotener Menge (siehe Schaubild). -15- Führt man Angebots‐ und Nachfragekurve in einem Diagramm zusammen, so ergibt sich ein Gleichgewichtspreis. 5.3 Das Prinzip der Konsumentensouveränität: Die Produktion wird durch die Nachfrage gesteuert Nehmen wir an, die Bierkonsumenten haben mehr Geld für Bier zur Verfügung als bisher. Dies erhöht die Nachfrage an Bier, zum alten Gleichgewichtspreis von 3€ liegt die nachgefragte Menge nun bei 12.000 Gläsern. Es besteht ein temporärer Nachfrageüberschuss von 4.000 Gläsern. Die Wirte werden darauf mit einer Preisanhebung reagieren, da die Ausweitung des Angebots mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. So ergibt sich ein neues Marktgleichgewicht bei 3,5€. Die nachgefragte Menge steigt auf 10.000 Gläser. -16- Sinkt die Nachfrage an Bier, so verschiebt sich die Nachfragekurve nach links. Der Prohibitivpreis sinkt auf 4€ und die Sättigungsmenge auf 16.000 Gläser. Es besteht ein temporärer Angebotsüberschuss von 4.000 Gläsern. Die Wirte müssen nun den Preis absenken um die Nachfrage wider zu erhöhen. Das neue Marktgleichgewicht stellt sich bei 2,5€ und 6.000 Gläsern ein. Siehe Abb.5.3 In einer Marktwirtschaft wird die Produktion also vorrangig von der Nachfrage gesteuert, man spricht vom Prinzip der Konsumentensouveränität. 5.4 Wie die Verbraucher über Veränderungen auf der Angebotsseite informiert werden Der Preismechanismus übermittelt Informationen über die Nachfrageseite an die Produzenten und informiert zugleich den Verbraucher wenn wesentliche Veränderungen bei der Erstellung eines Gutes stattfinden. Wenn die Kosten für die Produktion des Biers ansteigen, so wollen die Wirte zum alten Gleichgewichtspreis von 3€ nur noch 4.000 Gläser anbieten. Die Nachfrager sind aber trotzdem noch am Konsum von 8.000 Gläsern interessiert, es ergibt sich ein Nachfrageüberschuss. Es ergibt sich ein neues Gleichgewicht bei 3,5€ und 6.000 Gläsern. Die Angebotskurve verschiebt sich nach unten, wenn • der Inputpreis sinkt • sich die Produktionstechnologie verbessert • staatliche Regulierungen abgebaut werden -17- • die Zahl der Anbieter sinkt 5.5 Was gerne verwechselt wird, wir aber nicht verwechseln dürfen • Angebot: Kurzform für „Angebotskurve“, d.h. für den gesamten funktionalen Zusammenhang zwischen Preis und angebotener Menge. • Nachfrage: Kurzform für „Nachfragekurve“, d.h. für den gesamten funktionalen Zusammenhang zwischen Preis und nachgefragter Menge. • Angebotene Menge: Ein Punkt auf der Angebotskurve. • Nachgefragte Menge: Ein Punkt auf der Nachfragekurve. • Angebotsschocks: Vorfälle, die die Angebotskurve verschieben. • Nachfrageschocks: Vorfälle, die die Nachfragekurve verschieben. 5.6 Konsumenten­ und Produzentenrente zeigen, wie die Vorteile des Marktes auf Nachfrager und Anbieter aufgeteilt werden Kommt es über den Markt zum Austausch eines Gutes, so liegt • für den Nachfrager der Wert, den er einem Gut beimisst, über dem Preis, den er dafür bezahlt. • für den Anbieter der Wert, den er einem Gut beimisst, unter dem Preis, den er dafür bezahlt. Konsumentenrente: Differenz zwischen der Wertschätzung eines Gutes durch den Konsument und dem Marktpreis. Produzentenrente: Differenz zwischen der Wertschätzung eines Gutes durch den Produzent und dem Marktpreis. Die Tatsache, dass sowohl Anbieter als auch Nachfrager eine Rente erhalten zeigt, dass es sich beim Austausch von Gütern über den Markt um eine Win‐Win‐Situation handelt (beide Situationen profitieren). -18- Kapitel 6: Wie alle Informationen über die Nachfrageseite in der Nachfragekurve verdichtet werden 6.1 Ein schwieriges Entscheidungsproblem: Wie oft soll man ins Kino gehen und wie viele Gläser Bier in der Stammkneipe trinken? Christiane: Budget 120€ Bier und Kinokarten sind für sie keine vollständigen Substitute, d.h. Kinobesuche stellen für sie keinen Ersatz für das Biertrinken dar Jens: Budget 120€ Jens will ebenfalls Bier trinken und ins Kino gehen (unvollständige Substitute), hat jedoch Präferenzen gegenüber dem Bier Benjamin: Budget 150€ idente Präfernezen wie Christiane Heike: Budget 120€ kann ein Monat auf Bier oder Kino verzichten, wenn sie dadurch mehr vom anderen Freizeit‐Gut hat => vollständige Substitute Xavier: Budget 120€ wohnt am Land und konsumiert Kino nur in Kombination mit Bier => komplementäre Güter 6.2 Die Budgetrestriktion zeigt, was wir uns leisten können Bsp: 120€ = 3€ x Bier + 6€ x Kino 150€ = 3€ x Bier + 6€ x Kino -19- y = p1 x1 + p2 x2 y = Verfügbares Budget p1 = Preis von Gut 1 x1 = Menge von Gut 1 p2 = Preis von Gut 2 x2 = Menge von Gut 2 Aus dieser Funktion ergibt sich eine Gerade = Budgetrestriktion: die Kombinationsmöglichkeiten rechts der Geraden sind nicht leistbar, die Möglichkeiten links dieser Geraden sind nicht effitient, da sie das Budget nicht komplett ausnutzen. 6.3 Die Nutzenfunktion zeigt uns was uns Güter wert sind Bsp: Die beiden Ecklösungen kommen nicht in Frage (20 x Kino ODER 40 x Bier) Grenznutzen: der Nutzen für Christiane steigt mit jedem Kinobesuch, d.h. der Grenznutzen wird immer geringer wie die Abbildung zeigt. Genau der gleiche Zusammenhang ergibt sich für den Bierkonsum. Im Vergleich zu der Alternative ein ganzes Monat nicht in die Stammkneipe zu gehen, ist der Nutzen des ersten Glases Bier sehr hoch. Bei zu häufigem Genuß ist Christiane jedoch genau so langweilig wie bei zu häufigen Kinobesuchen. Opportunitätskosten: für jeden Kinobesuch muß Christiane auf 2 Gläser Bier verzichten. Optimaler Konsumplan: Nutzten von Bierkonsum ist im Gleichgewicht mit Nutzen von KinobesuchenNutzen = f ( Bier, Kino) -20- Im Allgemeinen beschränkt man sich darauf mit den Höhenlinien eines solchen Gebirges zu arbeiten. Die Linien werden als Indifferenzkurven bezeichnet und beschreiben in dem Bsp. 2 mögliche Funktionen mit gleichem Nutzen. Ihr konvexer Verlauf ergibt sich ausdem Grundprinzip des abnehmenden Grenznutzens. Die negative Steigung zeigt, auf wie viele Kinobesuche Christine verzichten kann, um bei gleich bleibendem Nutzen ihren Bierkonsum zu erhöhen. Dieses Austauschverhältnis bezeichnet man als Grenzrate der Substitution. -21- Indifferenzkurven dürfen sich nicht schneiden. Das ergibt sich aus der Logik der Höhenlinien (wenn sich z.B. in einer Wanderkarte zwei Höhenlinien schneiden, kann die Karte nicht stimmen). Da für Christiane verschiedene Nutzenniveaus denkbar sind, gibt es für sie verschiedene Indifferenzkurven. Je weiter eine Indifferenzkurve vom Ursprung entfernt ist, desto höher ist der Nutzen. Konkret kann man nun für Christiane sagen, dass der Optimale Konsumplan dort liegt, wo sich die Indifferenzkurve mit der Budgetgerade schneidet. Allgemein erhält man die Steigung der Budgetgeraden, wenn man die Gleichung (y = p1 x1 + p2 x2 ) nach x2 auflöst. x2 = y/ p2 – p1/p2 x1 Sie wird also durch die Preise der beiden Güter bestimmt. 6.5 Die optimale Konsumentscheidung von Heike, Xaver, Benjamin und Jens Substitute: Optimale Konsumentscheidung: Indifferenzkurve Budgetgerade schneidet (der optimale Konsumplan von Jens) -22- Perfekte Substitute: Optimale Konsumentscheidung: immer eine Ecklösung wählen Ganzes Budget entweder für Bier, weil Bier halb so viel kostet wie Kino, während relativer Nutzen von Bier zu Kino = 1 (optimale Konsumplan von Heike) Perfekte Komplemente: Keinerlei Substitution zw. den Gütern Optimale Konsumentscheidung: braucht ein bestimmtes Verhältnis Höhenlinien stellen rechteckige Indifferenzkurven dar (optimaler Konsumplan von Xaver: muss mit Auto fahren, kann nur best. Menge Bier trinken, wird aber nur in die Stadt fahren, wenn er auch ins Kino geht = Kombination) 6.6 Bier wird teurer Preisanstieg bei Bier: von 3,‐ auf 4,‐ bei gleichem Budget es wird weniger Bier konsumiert. An der max. Zahl d. Kinobesuche ändert sich nichts. Alte Optimalkombination v. Bier + Kino nicht mehr möglich. Folge: Das maximal erreichbare Nutzenniveau nimmt ab. Die neue Indifferenzkurve liegt unterhalb der alten Indifferenzkurve. Neue Optimalkombination: weniger Bier, aber auch weniger Kino. -23- Bierpreis hat 2 unterschiedliche Effekte: • Substitutionseffekt: Preisanstieg führt dazu, dass weniger von d. Gut nachgefragt wird, das teurer wurde • Einkommenseffekt: höhere Bierpreis wirkt sich so aus, dass sich Studenten insgesamt weniger leisten können. Sie reduzieren also ebenfalls ihre Kinobesuche. Budgetgerade dreht sich nach innen Bei entgegen gesetzten Entwicklungen (Bier = billiger) dreht sich Budgetgerade nach außen. Alle Studenten könnten höheres Nutzenniveau mit größerem Bierkonsum erreichen. Einkommenseffekt: reales Einkommen sinkt (wie viel kann man wirklich kaufen) Substitutionseffekt: Gut B wird relativ zu A billiger es wird mehr von B konsumiert -24- Preis von A steigt: 1) SE nachgefragte Menge v. A sinkt nachgefragte Menge v. B steigt 2) EE nachgefragte Menge v. A sinkt – Preis (A) steigt (Menge sinkt) 3) EE < SE: P(A) steigt Menge (A) sinkt EE > SE: P(A) steigt Menge (A) steigt; EE größer Inferiore Güter (billigere Chips) EE = SE: P(A) steigt nachgefragte Menge bleibt gleich 6.7 Gesamte Nachfrage nach Bier Kurve d. Konsumentscheidung – hängt ab von: ‐) Einkommen ‐) Präferenzen (die durch Nutzenfunktion abgebildet) ‐) Preis des substitutiven Gutes (Kino) ‐) Preis eines komplementären Gutes nachgefragte Menge = abhängig v. Preis individuelle Nachfragekurven repräsentativ für Gesamtmarkt (Preis‐Mengen‐Diagramm) 6.8 In der Nachfragekurve sind alle relevanten Informationen enthalten Mikro‐Nachfrageseite: Für Funktionsweise von Märkten = wichtig dass Nachfragekurve alle Infos widerspiegelt. Individuelle Konsumentscheidungen (Präferenzen, Einkommen, Preise substitutiver /komplementärer Güter) führen dazu, dass sich Nachfrage nach unten/oben verschiebt. -25- Kapitel 7: Wie alle Informationen über die Angebotsseite in der Angebotskurve zusammengefasst werden 7.1 Die Personalplanung im Brauereikeller Output = f (Input1, Input2) Die Produktionsfunktion zeigt mir von welchen Inputs mein Output abhängig ist. → Bier Output (B = Gläser/Tag) hängt davon ab wie viele Stunden meine Stammkräfte (hS) und wie viele Stunden meine Aushilfskräfte (hA) arbeiten. B=30 hS 0.7hA 0.3 ↓ 30 Stunden Arbeit aufgeteilt auf: Stammkräfte: 70% und Aushilfskräfte: 30% Dieser Zusammenhang (Output, Input1, Input2) wird 3 Dimensional als Ertragsgebirge dargestellt. (S.135) Es zeigt uns alle möglichen Zusammenstellungen von In‐ & Outputs. Die Isoquante (einheitliche Quantität = Biergläser) ist eine Höhenlinie v. Ertragsgebirge. Sie ist also eine Linie, die an jeder Stelle gleichviel Bier „hergibt“ (einmal mit 10% Input1 und 90% Input2 und einmal 40% / 60% usw.) GRTS: Grenzrate der technischen Substitution: Die Isoquante hat eine negative Steigung(=fallend). Das bedeutet, dass ein Input das andere ersetzt (substituiert). Anhand einer Isokostenlinie befinden sich verschiedene Inputvariationen, die mich gleichviel kosten 500€=15€ hS +7.5€hA Vorhanden:500 → aufteilen auf Stammkräfte & Aushilfskräfte in Std. (bei 15 bzw.7,5€ Lohn) Um das in ein Koordinatensystem zu übertragen formt man die Gleichung nach hS um. Minimalkostenkombination: Den größten Nutzen erreiche ich, wenn sich Isoquanten und Isokostenlinie an nur einem Punkt berühren (Tangente). (Wenn sie sich nicht berühren muss ich entweder mehr Geld hineinstecken (Isokostenlinie erhöhen) oder die Isoquantenlinie (Output=Bier) senken. Mathematisch: (alles was mit Minimum und Maximum zu tun hat ist Differential) Wenn ich „B=30 hS 0.7hA 0.3 “ allgemein nehme und ableite bekomme ich die Minimalkostenkombination. (Formeln auf S. 134 7.3 und S.136 7.6) -26- 7.2 optimales Angebot → Gewinn K(x) = Kf+Kv(x) Kosten sind aufgeteilt in fixe (Kf) und variable Kosten (Kv) Fix: Pacht, Strom, Stammkräfte; Variabel: Aushilfskräfte Ob Kosten als fix oder variabel angesehen werden hängt von der Sichtweise ab. Es kommt darauf an in welchen Zeiträumen ich denke (Pacht und Strom können sich ändern, wenn ich übersiedle; Stammkräfte können gekündigt werden etc.) Fix nennt man die Kosten, die von der Outputmenge unabhängig sind. Der Durchschnitt der Kosten wird ebenfalls in variable und fixe Durchschnittskosten aufgeteilt. Gewinn kann ich nur haben wenn ich mehr einnehme als meine Durchschnittskosten betragen. Kurzfristig kann ich auch unter meinen Durchschnittsk. liegen. G(x) = E(x) – K(x) Der Gewinn ist das was von meinem Erlös (nach Abzug der gesamten Kosten) übrig bleibt. Das Gewinnmaximum lässt sich wiederum mit dem Differential herausfinden (S.138). Grenzerlös – mit einer zus. verkauften Einheit erzielbarer Umsatz Grenzkosten – mit einer zus. verkauften Einheit verbundene Kosten Um mehr Bier zu verkaufen müssen die Kosten gedeckt sein. Die Grenzkostenkurve zeigt wo diese Grenze ist, sie zeigt die Abgabepreisuntergrenze (Reservationspreis) für zusätzliches Bier‐Output. Diese Kosten setzen sich (in unserem Fall) aus: Lohnkosten für Aushilfskräfte sowie Brauereikosten zusammen (Mehrkosten). Brauereikosten = konstant Personal schwieriger: Formt man „B=30 hS 0.7hA 0.3 “ diese Gleichung nach hA um kann man ermitteln wie viel Aushilfskräfte man braucht. Kv = whA(x)+qx → Stundenlohn + Brauereikosten Die Ableitung dieser Formel ergibt die Grenzkosten. -27- Zum Schaubild: Die durchschnittlichen variablen Kosten und die Grenzkosten steigen je mehr Einheiten Bier ich verkaufe, während die durchschnittlichen Fixkosten (gleiche Kosten – mehr Bier) sinken. Die Kurve der Durchschnittskosten zeigt uns die Zusammenstellung aller Kurven. Grenzproduktivität: Je mehr Aushilfskräfte (in einem gleich groß bleibendem Raum) desto mehr steigen sie sich auf die Füße – sie arbeiten weniger – Produktivität sinkt. Mathematisch: die Ableitung von: B = 30 ⋅ 24 0.7 ⋅ hA 0.3 Man soll ein Gut zu dem Preis verkaufen, bei dem die Grenzkosten liegen. 7.3 Von der individuellen Angebotskurve zur Angebotskurve für den Biermarkt in der kleinen Universitätsstadt / 7.4 Der Markt für Bier in der Universitätsstadt Bei der Annahme es gäbe in dieser vermeintlichen Stadt noch weitere 7 (insgesamt 8) reine Bierlokale, welche alle die selben Voraussetzungen haben (d.h. die selben Kostenstrukturen), lässt sich die gesamte Angebotskurve einfach errechnen. Man multipliziert die Menge an Angebotenen Bier mit 8. Unser Brauereikeller wird als repräsentativer Agent verwendet (wir wissen ja nicht wirklich wie die Strukturen der anderen Lokale sind. Angebotskurve setzt sich zusammen aus: Produktivität der Einzelfaktoren, die Kosten und die Anzahl der Anbieter. Nun wird die Angebotskurve mit der aggregierten Nachfragekurve aus Kapitel 6 zusammengeführt (macht der Computer). -28- 7.5 Die langfristige Angebotskurve Nun geht es um die vorher vermeintlich als Fixkosten bezeichneten Kosten. In unserem Falle die Frage: Welche Lokalgröße soll der Lokalbesitzer wählen? Die Durchschnittskosten hängen u.a. auch von der Größe des Lokals ab. Wenn der Wirt weiß wie viel Kapazität er haben will, kann er die Lokalgröße wählen, bei der die geringsten Durchschnittskosten entstehen (S.145). An dem Verlauf dieser langfristigen Angebotskurve kann man zudem ablesen ob es zu steigenden, konstanten oder sinkenden Skalenerträgen kommt. (Skalenerträge: Zusammenhang zw. Ausweitung von Input und Output. Steigende Skalenerträge: Verdoppelung des Outputs, mehr als doppelt soviel Input.) -29- Kapitel 8 : Anbieter sind am Wettbewerb nicht sehr interessiert: Die Welt von Monopolen und Kartellen 8.1 Bei vollständigem Wettbewerb ist der Preis kein Handlungsparameter Bei Vollständigem Wettbewerb bleibt allen Anbietern nichts anderes über als den Preis so zu nehmen wie er ist, da die anderen Anbieter bei Preiserhöhungen nicht mitziehen und er so seine Kundschaft verlieren wird. So sind die Anbieter Preisnehmer. Der Preis ist eine exogene Größe (er wird von Außen vorgegeben). Auch Voraussetzung: mehrere Anbieter. Da ein einzelner Anbieter nur einen kleinen Absatz hat, ist für ihn die nachgefragte Menge zum Gleichgewichtspreis oder darunter beinahe unbegrenzt. Allerdings liegt die nachgefragte Menge über dem Gleichgewichtspreis gleich bei Null. Voraussetzungen für ein solches Verhalten von Märkten bei Nachfragenden: Vollständige Information Keine Präferenzen von bestimmten Anbietern 8.2 Kartell oder Monopol schröpfen die Gäste 8.2.1 Die Wirte bilden ein Kartell Konsumenten­ und Produzentenrente sind im vollständigen Wettbewerb gleich groß. Die Anbieter, in Kartellen, probieren ihre Rente auf Kosten der Konsumenten möglichst weit auszudehnen. Und das machen sie in Form von Kollusion (Preisabsprachen eines Kartells): Die Wirte einigen sich auf einen Preis von 4€ (Gleichgewichtspreis waren 3€). Die nachgefragte Menge sinkt (Grafik ebf.S.151) von 8.000 auf 4.000 Gläser, die Konsumentenrente sinkt stark. Die Produzentenrente steigt zwar, aber lang nicht so stark wie die Konsumentenrente. Die Summe der Vorteile sinkt. Hier kommt der sogenannte Wohlfahrtsverlust zu tragen. Die Wohlfahrt der Gesellschaft wird verringert. Box 8.1 OPEC‐Kartell (Organization of Petrol Exporting Countries) Hat seinen Sitz in Wien und besteht aus elf Mitgliedstaaten, die sich zusammengetan haben um den Weltmarktpreis von Öl konstant zu halten, bzw. ihn zu beeinflussen. Seine Macht ist inzwischen beschränkt, da die OPEC nur etwa 40% der Weltproduktion fördern. Der Preissetzungsspielraum ist inzwischen sehr eingeschränkt. -30- Grundprobleme des Kartells: • Da durch die Erhöhung des Preises auch weniger Bier verkauft werden kann müssen die Kartellmitglieder festlegen wie viel Bier jeder einzelne verkaufen darf, also eine Absatzquote. • Da aber jeder einzelne nach einer möglichst hohen Produzentenrente trachtet muss ein Kartell die jeweils festgelegten Absatzmengen und Preise kontrollieren und sanktionieren – bei Nichteinhaltung. Oligopol – Markt mit wenigen Anbietern. Sehr komplexe Marktform, vor allem wenn keine Absprache gilt. Die Anbieter müssen die Reaktionen der anderen Anbieter abschätzen. 8.2.2 Biermarkt als Monopol – Optimierung des Absatzpreises Im Monopol gibt es nur noch einen Anbieter. Preisabsprachen und Kontrollen werden überflüssig. Wie im Kartell, ist der Preis das entscheidende Handlungsparameter. Beispiel: Ein Wirt kauft alle Lokale auf und führt sie einheitlich. Der Zusammenhang zwischen Umsatz und Preis in unserem Beispiel: Der Prohibitivpreis liegt bei 5€ ‐ niemand kauft, Absatz ist null. Nun steigt der Preis, der Umsatz steigt zuerst, sinkt dann aber wieder (wie eine Parabel), bis die Sättigungsmenge erreicht ist. Der Umsatz hat sein Maximum genau bei der halben Sättigungsmenge. Preis‐Elastizität der Nachfrage Der Zusammenhang der Veränderung von Umsatz und Preis wird mit dem Modell der Preis‐Elastizität beschrieben. Die Elastizität ist: Die prozentuale Veränderung der nachgefragten Menge in Relation zu einer prozentualen Veränderung des Preises. Wenn der Umsatz steigt ist der prozentuale Anstieg der nachgefragten Menge höher als der prozentuale Rückgang. D.h. links vom Umsatzmaximum (in der Umsatzkurve) ist die Elastizität < 1 und links kleiner als eins, da die Preissenkung den Umsatz reduziert. G(x) = p(x)x – K(x) Ergibt den optimalen Preis, nämlich als Differenz zwischen Umsatz und Kosten. Diese Gleichung mit einer Gleichung für den Preis: p = a – bx substituiert (zusammengebracht) und differenziert ergibt die Optimalitätsbedingung. Optimal ist wenn der Grenzerlös den Grenzkosten entspricht. (S.158) Die Grenzerlöskurve setzt bei dem Prohibitivpreis an und endet beim Umsatz‐Maximum. Die Preis‐Absatz‐Funktion ist die Funktion, die für ein Monopol gilt. Der Punkt, der die optimale Menge hervorbringt ist der Cournotsche Punkt. Er liegt auf der Preis‐Absatz‐ Funktion, seine x‐Koordinate ist der Schnittpunkt zwischen Grenzerlöskurve und -31- Grenzkosten der Wirte. Man vergleicht die gesamten Erlöse und die gesamten Kosten. Eine eigenständige Nachfragekurve existiert im Monopol nicht. Der Monopolist erzielt immer einen höheren Preis als unter vollständigem Wettbewerb, er liegt über seinen Grenzkosten und er bietet immer auf einem Teil der Nachfragekurve an der größer als eins ist. Man kann nun die allgemein aufgestellten Gleichungen von Box 8.2 auf unser konkretes Beispiel – vorgerechnet auf S.159 ‐ anwenden. Die Wohlfahrt ist nur ein Punkt der unter Monopol oder Kartell leidet. Andere wären die Qualität, Service, unternehmerische Dynamik, Entwicklung neuer Produkte. 8.2.3 Durch Produktdifferenzierung und Preisdiskriminierung kann man die Nachfrager noch besser schröpfen Das Monopol/Kartell hat allerdings noch nicht die gesamte Konsumentenrente geschluckt. Eine weitere Geldbeschaffungsmethode wäre in unserem Fall eine Produktdifferenzierung. Das bedeutet nichts weiter als das ich ein Produkt zu zwei verschiedenen mache. Normales Bier und edles Bier – bzw. edle Kneipen und die anderen. So werden die Produkte nicht mehr als vollständige Substitute angesehen, so kann ich für dieses Produkt einen noch über dem optimalen Monopolpreis liegenden Preis verlangen. Die Produzentenrente steigt auf kosten der Konsumenten. Es fallen aber auch Kosten für die Aufwertung an – z.B.: die Renovierung der Lokale. Die letztmögliche Steigerungsform wäre, wenn der Monopolist die Möglichkeit hat für jedes Produkt einen individuellen Preis zu verlangen, so entspricht der Preis ganz meiner individuellen Wertschätzung und so kommt das Monopol in den Besitz der gesamten Konsumentenrente. 8.3 Bei der Wettbewerbspolitik ist der Staat gefragt Da Monopole und Kartelle schädlich sind für den Markt gibt es Gesetze, die den Ablauf des Systems regeln. Diese verbieten etwa Monopole und Absprachen (GWB = Gesetz gegen Wettbewerbsabsprachen) und definieren natürlich auch was ein Monopol und was ein Kartell ist. So wie auch ab wann eine Stellung am Markt zu einer marktbeherrschenden wird. So gilt ein Unternehmen als beherrschend wenn es ein Drittel Marktanteil hat, eine Gruppe aus ≤3 und diese einen Marktanteil von 50% erreichen oder eine Gruppe aus ≤5 und diese einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen. (Gesetz in Deutschland) Antoine Augustin Cournot lebte im 19.Jahrhundert und war französischer Ökonom und Mathematiker. Er leitete die Theorie rund um den Cournot´schen Punkt ab. -32- Kapitel 10: Auch auf dem Arbeitsmarkt gelten die Prinzipien von Angebot und Nachfrage, ... 10.1 ... aber man darf den Arbeitsmarkt nicht mit dem Kartoffelmarkt gleichsetzten Massenarbeitslosigkeit ist kein neues Phänomen, es gab in unserer Geschichte schon längere Phasen hoher bzw. extrem hoher (30er Jahren des letzten Jahrhunderts) Arbeitslosigkeit. Die Gründe wodurch Arbeitslosigkeit entsteht, werden in der Wissenschaft folgendermaßen diskutiert: • einen zu hohen Preis für Arbeit, d.h. zu hohe Löhne und/oder zu großzügige Sozialleistungen (mikroökonomische oder „klassische“ Erklärung von Arbeitslosigkeit) • eine zu geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage (makroökonomische oder „keynesianische“ Erklärung) Viele Ökonomen vergleichen den Arbeitsmarkt mit dem Kartoffelmarkt. Dieser Vergleich greift jedoch etwas zu kurz, da die Nachfrage nach Arbeitskräften auch wesentlich davon bestimmt wird, wie viele Produkte die Unternehmen auf dem Gütermarkt absetzen können. 10.2 Die Nachfrage nach Arbeit geht von den Unternehmen aus 10.2.1 Intuitive Herleitung Die nachgefragte Menge (an Arbeit) nimmt mit dem Preis, d.h. dem Lohnsatz ab. Gesetz des abnehmenden Grenzertrags d.h. ein Unternehmer wird sich bei der Personalplanung die Frage stellen, wie hoch der zusätzliche Umsatz ist, den er mit einer zusätzl. Arbeitskraft erzielen kann, und diesen mit den Lohnkosten und den sonstigen variablen Kosten vergleichen, die er dafür zahlen muss. Nachfrage nach Arbeit umso größer, je geringer die Lohnkosten. 10.2.2 formale Herleitung Gewinn eines Wirtes = Erlös ‐ Kosten für das Bier – Kosten für Aushilfen ‐ Fixkosten wichtig ist das die zentralen Faktoren (Gewinn u. Output) davon bestimmt sind wie viele Arbeitsstunden vom Wirt nachgefragt werden. Man kann nun diese Gleichung nach der Zahl der Arbeitsstunden abgleichen. D. h. Wie -33- wirkt sich eine zusätzliche Arbeitsstunde einer Aushilfskraft auf den Gewinn aus ein Wirt wird zusätzl. Arbeitsstunden nur dann nachfragen, wenn der damit geschaffenen zusätzl. Output größer ist als der Lohnsatz. 10.3. Bsp. Zur Herleitung des Angebots an Aushilfskräften „Studentin H. bekommt von ihren Eltern nicht sehr viel Geld, sie geht jedoch gerne shoppen, sie möchte oft ans Meer reisen,.... Es ist daher nahe liegend, dass sich H. nach einem Nebenjob umsieht. Der Wirt des „Bierkellers“ möchte sie sofort einstellen, wobei sie frei wählen kann, wie viele Stunden sie pro Tag arbeitet. Der Stundenlohn beträgt 7,50€. Wie soll sie sich entscheiden?“ Formale Herleitung: Ausgangspunkt hierfür ist das pro Tag verfügbare Zeitbudget (Wie viel kann sie pro Tag maximal arbeiten?). nehmen wir an 12 h. kann sie für Job od. Freizeit einsetzten. Daraus ergibt sich eine Budgetgerade Für die optimale Mischung aus Einkommen und Freizeit legt man die Indifferenzkurve als Tangente an die Budgetgerade. Indifferenzkurve für Nutzenfunktion (U)=2*T*hf+hf*Y‐hf2 T = max. Arbeitszeit hf = Freizeitstunden Y = Einkommen Nutzen hängt ab von der Zahl der Freizeitstunden und dem Einkommen! Indifferenzkurve beschreibt Präferenzen! Würde sich nun der Lohnsatz ändern hätte das einen Einfluss auf die Budgetgerade und der Tangentialpunkt würde sich verschieben. -34- Zeichnet man die so gewonnen Punkte in ein Diagramm ein erhält man die Angebotskurve. Aus dieser individuellen Angebotskurve lässt sich eine aggregierte Angebotskurve für Aushilfskräfte ermitteln: 10.4 Der Arbeitsmarkt für Aushilfskräfte Schneidet man nun Angebots‐ und Nachfragekurve erhält man den Lohnsatz bei dem die vom Arbeitnehmer angebotene genau der vom Unternehmer nachgefragten Arbeitsmenge entspricht (Gleichgewichtslohn). ein wichtiger Unterschied zum Gütermarkt ist das es hier auch um den Produktionsfaktor (Arbeit) geht der zur Erstellung des Outputs eingesetzt wird. Faktormarkt 10.5 Wie es durch zu hohe Löhne zu Arbeitslosigkeit kommen kann Arbeitslosigkeit entsteht durch Störung des Preismechanismus. Mögliche Ursache wären Tarifverträge in denen Löhne vereinbart werden die höher sind als der Gleichgewichtslohn. Zu hohe Löhne bedeuten eine geringere Nachfrage an Arbeitskräften bei höherem Angebot an Arbeit durch die Arbeitnehmer. Für viele Ökonomen sind daher die durch die Gewerkschaften in Tarifverträgen festgelegten Löhne die wichtigste Ursache von Arbeitslosigkeit. „Mindestlohnarbeitslosigkeit“ oder „klassische Arbeitslosigkeit“ 10.6 Wozu braucht man eigentlich Gewerkschaften? Funktion: Eine Gewerkschaft vereinbart für ihre Mitglieder kollektiv die Löhne mit den Unternehmen. Somit ist sie in der Lage einen höheren Lohnsatz zu realisieren als dies bei individuellen Lohnverhandlungen der einzelnen Arbeitnehmer möglich wäre. Hier -35- ist es nun wichtig, dass es nicht durch einzelne Anbieter unterlaufen wird, die bereit sind, zu einem niedrigeren Lohn zu arbeiten. Gestaltung der Arbeitsverträge Alternative: individuelle Arbeitsverträge mit den Unternehmen – würde bedeuten: hohe Informationskosten für Arbeitnehmer; „asymmetrische Information“ zugunsten der Arbeitgeber Diese Lohnpolitik der Gewerkschaften erzeugt ein so genanntes „Insider­ Outsider­ Problem“: • Insider (bei höherem Lohn beschäftigte Arbeitnehmer) profitieren, da sie so mehr verdienen als bei freiem Wettbewerb am Arbeitsmarkt • Outsider sind benachteiligt durch so eine Lohnpolitik da sie jetzt keinen Arbeitsplatz mehr finden können. Solange es unter den Gewerkschaftsmitgliedern mehr Insider als Outsider gibt, kann es für eine Gewerkschaft sinnvoll sein eine solche Lohnpolitik zu verfolgen. Problem: Wohlfahrtsverlust der Gesellschaft Sollte man Gewerkschaften abschaffen? Vorteil für Unternehmen: - Einsparung von Transaktions‐ und Informationskosten - Sozialer Friede im Unternehmen Vorteil für Arbeitnehmer: - Schutz vor lokalem Monopson (Monopol auf der Nachfrageseite) - Problem der asymmetrischen Information wird vermieden (Arbeitgeber schließt dauernd Verträge ab, einzelner Arbeitnehmer nur sehr selten) -36- Kapitel 11: Trotz der hohen Effizienz des Marktes geht es nicht ohne den Staat 11.1 Das Pareto­Kriterium: Marktergebnisse des Wettbewerbprozesses sind nicht mehr verbesserungsfähig. Dieses Kriterium wurde sowohl für die Effizienz des Tausches als auch für die Effizienz der Produktion formuliert. Pareto­ Kriterium für Tausch: Situation ist dann effizient wenn es 2 Menschen durch Handel nicht mehr möglich ist ihre Lage zu verbessern, ohne dass dabei der andere schlechter gestellt wird. (Es ist dabei jedoch nicht relevant wie die Güter auf 2 od. mehr Menschen verteilt sind) Pareto­ Kriterium für Produktion: • Bei Wettbewerb (d.h. freier Preisbildung) befindet man sich immer auf einer Transformationskurve (siehe Kapitel 3). • Wettbewerb bewirkt immer effiziente Nutzung von Ressourcen 11.2 Weshalb Ökonomen vor Markteingriffen durch Politiker eher abraten Politiker verfügen über weniger Informationen als im Marktprozess enthalten. Zudem sind sie nicht notwendigerweise an Lösungen interessiert, die die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt verbessern. Die „politische Ökonomie“ erklärt dies damit, dass sie vor allem nach eigenen Interessen, wie Machterhalt und Privilegien (Dienstwagen, Dienstwohnung,...) handeln. Politiker können so leicht in die Abhängigkeit von zahlungsfähigen Interessengruppen („Lobbies“) geraten, die sich dann pol. Entscheidungen beispielsweise durch großzügige Wahlkampspenden erkaufen ( „rent seeking“). Durch Interesse an Wiederwahl besteht bei Politikern häufig die Gefahr des Kurzfristdenkens (kurzfristige Lösungen werden langfristigen Lösungen gegenüber bevorzugt). Die Theorie der “Wahlzyklen“ (political business cycles) erklärt konjunkturelle Schwankungen mit den durch die Legislaturperiode bestimmten politischen Zyklen. 11.3 Warum es aber ohne den Staat nicht geht - Rechtsordnung: Eigentumsrechte der im Marktprozess getauschten Güter müssen durch den Staat definiert und geschützt werden innere Sicherheit - Der Staat muss das eigene Land gegenüber Angriffen aus dem Ausland schützen äußere Sicherheit - Zahlungsmittel(garantie) -37- Ökonomische Staatsfunktionen: - Distributionsfunktion (Einkommensverteilung) - Allokationsfunktion (Störungen und Defekte des Marktprozesses durch staatliche Eingriffe korrigieren (Wettbewerbspolitik, Umweltpolitik) - Stabilisierungsfunktion (z.B. Weltwirtschaftskrise) Makroökonomie; Staat greift mit Hilfe der Geld‐ und Fiskalpolitik in den Wirtschaftsprozess ein. 11.4 Wie viel Staat braucht die Wirtschaft Es gibt unterschiedliche Modelle für die Rolle des Staates in einer Marktwirtschaft. Einen sehr schlanken Staat mit einer Staatsquote unter 40% (angelsächsische Staaten) und Staaten mit über 50% Staatsquote (Österreich, Skandinavien, Frankreich) Viele Ökonomen meinen, dass sich die Wirtschaft umso dynamischer entwickelt, je geringer der Staatsanteil ist. Die Realität sieht jedoch mehrfach anders aus: Relativ schlanke Staaten mit wenig dynamischen Volkswirtschaften (Japan, Schweiz) 11.5. Ludwig Erhard ­ Vater der „sozialen Marktwirtschaft“ Wirtschaftsminister (1949‐1963) und Bundeskanzler (1963‐1966) in Deutschland Wichtigste Einsichten („Lektionen“) Erhards: 1. Der Markt ist das überlegende Organisationsprinzip für arbeitsteilige Wirtschaft 2. System der Marktwirtschaft benötigt kluge Regeln (nicht alles darf geregelt werden, da dem System sonst seine Dynamik genommen wird 3. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum löst die meisten wirtschaftlichen Probleme ‐ Dieser Standpunkt wird nicht von allen Menschen geteilt ( „Kann denn eine Volkswirtschaft immer weiter wachsen?“, „Kann man der Umwelt ein ungebremstes wirtschaftliches Wachstum zumuten?“) Will man, dass in einer Gesellschaft auch andere Werte (außer Materialismus) zur Geltung kommen, ist es wichtig den allgemeinen Wohlstand anzuheben. 4. Privater Verbrauch ist essentiell für Wirtschaftswachstum 5. Zur Marktwirtschaft gehört eine „freizügige Lohnentwicklung“ ‐ Privater Verbrauch steigt mit dem Realeinkommen; hält man die Löhne zurück kann das zu mehr Arbeitslosigkeit führen (Makroökonomie). 6. Marktwirtschaft ist zu 50% Psychologie ‐ Durch psychologische Mittel herbeigeführtes wirtschaftliches Verhalten erfüllt den gleichen Zweck wie andere Maßnahmen der Konjunkturpolitik. -38- Kapitel 12: Die Distributionsfunktion des Staates sorgt für den „sozialen Ausgleich“ in einer Marktwirtschaft Diese ergibt sich daraus, dass die Einkommen im Marktprozess vorrangig nach der Leistung, nicht aber nach den Bedürfnissen der Menschen verteilt werden. Es gehört zum Wesen einer Sozialen Marktwirtschaft, das sie über staatlich organisierte Transfers für einen sozialen Ausgleich sorgt. 12.1 Für den Markt zählen die Leistungsfähigkeit und die Nachfrage nach dem mit der Arbeit erstellten Endprodukt Für einen Unternehmer sind vor allem zwei Größen beim Einstellen eines Arbeitnehmers wichtig: • der geforderte Lohn; • der mit der Mehrbeschäftigung zusätzliche Erlös. Die Entlohnung hängt also davon ab, wie leistungsfähig der Arbeiter ist (=Grenzproduktivität) und wie hoch der Preis für das Produkt ist, das mit der Arbeitskraft hergestellt wird. 12.2 Ohne die Distributionsfunktion würden viele Menschen überhaupt kein Einkommen erzielen Würde man auf die Distributionsfunktion des Staates verzichten, könnten viele ihre Existenz nicht bestreiten. Trotz dieser Funktion des Staates leben viele Menschen in Armut. Wobei „Armut“ ein relatives Konzept ist und uns sich „Armutsschwellen“ nie in eine objektive Weise definieren lassen. Trotz der staatlichen Umverteilung gibt es deutliche Unterschiede in der Einkommensverteilung. Graphisch lassen sich solche Daten durch eine sogenannte Lorenzkurve abbilden. Sie kumuliert dazu die Einkommensanteile auf. In dieser Graphik wird auch eine Diagonale eingezeichnet, die für den hypothetischen Fall einer völligen Gleichverteilung der Einkommen gelten würde. Man kann nun die Fläche zwischen der Gleichverteilungskurve und der tatsächlichen Lorenzkurve ins Verhältnis zur gesamten Fläche unter der Gleichverteilungskurve setzen. Diese ermittelte Relation bezeichnet man als „Gini‐Koeffizient“. Dieser ist ein wichtiges Maß für Einkommensungleichheit bzw. allgemein für die Ungleichheit von Verteilungen. Desto höher dieser Koeffizient ausfällt, umso größer ist die Ungleichheit der Einkommen. -39- Lorenzkurven für Deutschland Quelle: P. Bofinger Grundlagen der Ökonomie 13 12.3 Wie soll der Staat die Umverteilung vornehmen? 13.10.2006 Kein optimales Maß der Umverteilung ist möglich, es geht immer um eine effiziente Verteilung. Welche Einkommensverteilung als „gereicht“ oder als „fair“ anzusehen ist, kann mit dem Instrumentarium der Volkswirtschaftslehre nicht bestimmt werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht stellt sich bei der Umverteilung von Einkommen das grundsätzliche Problem, dass es fast zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der Marktprozesse kommt. Gesucht sind Formen der Distributionspolitik, bei denen diese Nebenwirkungen möglichst gering sind: • Die Effizienzeinbußen der Umverteilung sind besonders hoch, wenn dafür direkte Eingriffe in den Marktprozess in Form von Höchst‐ oder Mindestpreisen für bestimmte Güter vorgenommen werden. • Deshalb wird heute die Umverteilung vor allem mittels direkter Transfers durch das Steuersystem vorgenommen. Allerdings sind auch hier nachteilige Anreizeffekte unvermeidlich. Der Staat verfolgt im Rahmen der Allokationspolitik verteilungspolitische Ziele. Das gilt insbesondere für das System der gesetzlichen Krankenversicherung, das sich dem so genannten „Solidarprinzip“ verpflichtet fühlt. Da auf diese Weise das Prinzip von Leistung und Gegenleistung („Äquivalenzprinzip“) verletzt wird, versuchen viele Versicherte sich diesem System zu entziehen, womit die primäre allokationspolitische Zielsetzung gefährdet wird. -40- 12.4 Vor direkten Eingriffen in den Preismechanismus ist dringend abzuraten Um einkommensschwache Personen zu helfen kann man zum Beispiel für lebensnotwendige Güter staatliche Höchstpreise festlegen, das ist die Grundidee und war in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts weit verbreitet. Beispiel Bier: bei 2 Euro pro Glas ‐> 12.000 Gläser Nachfrage Die Wirte sind dann aber nur noch bereit 4000 Gläser pro Abend anzubieten. Nur bis zu dieser Menge liegen ihre Grenzkosten unter dem Preis von 2 Euro. Mit der Preisbindung käme es jetzt also dazu, dass die geplante nachgefragte Menge deutlich höher wäre, als die von den Wirten geplante angebotene Menge. Der Biermarkt kommt durch die Preisbindung also in die Situation eines Ungleichgewichts. Während bisher der Preismechanismus die Zuteilung der knappen Ressource Bier auf die Nachfrager perfekt steuerte, ist das bei Preiskontrollen also nicht mehr der Fall. Denkbare Formen von Zuteilungsverfahren wären: • „Windhund‐Verfahren“: das heißt „first come, first serve“. Irgendwann wird im laufe des Abends kein Bier mehr serviert. • „Türsteher‐Verfahren“: Wirt würde einen Türsteher einstellen der gewisse Leute aussucht, auch die die ihm das höchste Bestechungsgeld zahlen. • Rationierungsverfahren durch den Staat: jeder Bürger erhält Biermarken. Ein Beispiel wäre die DDR in der lange eine Planwirtschaft herrschte. Das „Türsteher‐ Verfahren“ hieß noch nicht so, aber das Grundprinzip, dass bei Preiskontrollen die Verkäufer in eine Machtposition gegenüber den Käufern kommen, galt auch da schon. Genannt wird das dann „Verkäufer‐Markt“. Dieser steht im Gegensatz zum „Käufer‐ Markt“ einer funktionsfähigen Marktwirtschaft. Oft werden dabei auch die Verkäufer durch die Käufer bestochen. Wie die Umverteilung durch Preiskontrollen funktioniert, kann man anhand der Produzentenrente und der Konsumrente sehen. Der Höchstpreis führt dazu, dass die Wirte einen Verlust an Produzentenrente erfahren und ein Teil der Umverteilung kommt den Konsumenten zugute, denen es bei Höchstpreis möglich ist, in den Genuss zum Beispiel von Bier zu kommen. Doch auch der Konsument hat eine Einbuße, da die insgesamt zur Verfügung stehende Menge zurückgeht und ein Teil der Konsumenten leer ausgeht. Es ist ein „Insider‐Outsider‐Problem“. Den Insider geht’s es besser als ohne Preiskontrolle, den Outsider schlechter. Ob sich die Konsumenten insgesamt verbessern, hängt davon ab, ob der Gewinn der Insider größer ist als der Verlust der Outsider. Im ganzen Markt, lässt sich aber erkennen, dass die Preiskontrolle zu einer klaren Effizienzeinbuße geführt hat. Es lassen sich mit einem Marktdiagramm auch nur die kurzfristigen Auswirkungen abbilden. Die Angebotskurve verschiebt sich auf lange Sicht gesehen nach links und die Wohlfahrtsverluste fallen noch höher aus. -41- 12.5 Ein konkretes Anwendungsbeispiel für Eingriffe in den Preismechanismus: Der Europäische Agrarmarkt Durch den Wohlfahrtsverlust werden Preiskontrollen kaum noch von der Distributionspolitik eingesetzt, außer im Europäischen Agrarmarkt. Den Bauern wir ein bestimmtes Einkommen zugesichert in der Weise, dass für Produkte staatliche Mindestpreise festgelegt werden. Da Mindestpreise die Verteilung zugunsten der Arbeiter verbessern sollen, werden sie in der Regel so festgelegt, dass sie über dem markträumenden Preis liegen. Höchstpreise, die die Verteilung zugunsten der Nachfrager verbessern sollen, werden unter dem markträumenden Preis fixiert. Fiktives Beispiel Kartoffel: Der staatlich fixierte Mindestpreis wird bei 4 Euro/kg fixiert. Der Preismechanismus kann auch hier das Zuteilungsproblem nicht perfekt lösen, und es besteht das Problem eines Angebotsüberschusses. Die Angebotene Menge ist beim Mindestpreis viel höher als die Nachfrage. Das ungelöste Zuteilungsproblem kann in diesem Fall nur durch einen direkten staatlichen Eingriff gelöst werden. Damit sich der Mindestpreis auch durchsetzt, ist es jetzt erforderlich, dass eine Interventionsstelle den Angebotsüberschuss von den Produzenten abkauft. Der Staat kauft also zum Mindestpreis mit Steuergeldern Kartoffeln ab und es bilden sich große Lagerbestände der subventionierten Produkte. Diese können am Markt jetzt nicht mehr ohne Beeinträchtigung des Marktes geführt werden. Durch diese Politik entstehen aber erhebliche Wohlfahrtseinbußen. Das primäre Ziel, Rentensteigerung, wird erreicht, gleichzeitig aber massive Wohlfahrtsverluste für den Konsumenten die einen Großteil der Konsumentenrente verlieren. Eine weitere Tatsache ist, dass die Subventionen mit Steuergeldern bezahlt werden. Besonders problematisch ist diese Politik für Entwicklungsländer, die meist komparative Kostenvorteile haben, aber der Preis durch Zölle in die Höhe gedrückt wird. Die EU wird zur Reform gezwungen. 12.6 Eine Umverteilung durch Steuern ist sinnvoller, aber auch nicht ohne Nebenwirklungen Die Distributionspolitik findet heute vor allem in Form direkter Transfers statt, die durch das Steuersystem finanziert werden. Zwei Unterscheidungen: • direkte Steuern, Steuern die auf das Einkommen oder den Ertrag erhoben werden • indirekte Steuern, Abgaben, die sich auf die Ausgaben für bestimmte Güter beziehen. Die wichtigsten Steuern sind die Lohnsteuer (direkt) und die Mehrwertsteuer (indirekt). Es gibt Steuern die dem Bund und den Ländern gemeinsam zufallen (Gemeinschaftliche Steuern), und Steuern, die nur dem Bund, nur den Ländern oder den Gemeinden zufließen. Das Grundproblem einer Umverteilung durch Steuern besteht darin, dass im Prinzip jede Form der Besteuerung mit gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtseinbußen verbunden ist. -42- 12.6.1 Die Umverteilung durch eine indirekte Steuer beeinträchtigt Konsumenten und Produzenten Die Mehrwertsteuer beträgt in der Regel 16%; für bestimmte Güter und Dienstleistungen im Sozial‐ und Kulturbereich gilt ein ermäßigter Satz von 7%. Diese Steuer muss von dem Verkäufer an den Staat abgeführt werden. Die indirekte Steuer, hat obwohl sie von den Produzenten an den Staat abgeführt werden muss, auch zu einer Wohlfahrtseinbuße der Konsumenten geführt. Wie die Aufteilung konkret ausfällt hängt vom Verlauf (genauer: der Elastizität) der Angebots‐ und Nachfragekurven ab. Im Allgemeinen: der Nutzenverlust der Verbraucher fällt umso stärker aus, je unelastischer ihre Nachfrage nach einem Produkt ist. 12.6.2 Auch die Umverteilung über die Einkommensteuer ist nicht ohne Probleme Die Einkommensteuer ist eine wichtige Einnahmequelle des Staates. Sie wird in Form: • der Lohnsteuer (für unselbstständige Einkünfte), • der Kapitalertragssteuer (Kapitaleinkünfte) und • der veranlagten Einkommensteuer (Einkünfte der Selbstständigen) erhoben. Bei einem Bruttolohn von 3 Euro bietet die Aushilfskraft nur noch eine Arbeitsmenge an, die einem Lohnsatz von 2 Euro entspricht. Damit verlagert sich also die Arbeitsangebotskurve nach oben. Die Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Effizienz sind ähnlich wie die von der Mehrwertsteuer und stellen einen Verlust an „Konsumentenrente“ dar. Man geht davon aus, dass der Staat durch die Steuereinnahmen eine gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt stiftet, die den gesamten Verlust an Konsumenten‐ und Produzentenrente jedoch nur teilweise ausgleicht. Somit ergibt sich auch bei der Einkommensteuer ein gesamtwirtschaftlicher Effizienzverlust. Das Grundprinzip ist, dass sich eine Steuer, die von einem der beiden Marktpartner gezahlt werden muss, auf beide Marktseiten gleichermaßen auswirkt. Außerdem ist bei der Steuer unterstellt worden, dass sie sich auf einen festen Betrag pro Arbeitsstunde beläuft. Damit wird die prozentuale Steuerbelastung umso geringer, je höher das Einkommen wird. Man bezeichnet eine solche Steuer als degressiv. Eine Besteuerung des Einkommens, bei dem ein konstanter Prozentsatz auf den Lohn gefordert wird ist eine proportionale Besteuerung. Einkommensteuern, bei denen der Steuersatz – zumindest bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe – mit dem Einkommen bezeichnet man als progressive Besteuerung. • Grenzsteuersatz: Steuerbelastung auf einen zusätzlich verdienten Euro, • Durchschnittssteuersatz: der Steuersatz, der sich ergibt, wenn man seine gesamte Einkommensteuer auf sein gesamtes zu versteuerndes Einkommen bezieht. Bei einem progressiv angelegten Steuertarif ist der Durchschnittssteuersatz immer niedriger als der Grenzsteuersatz. Wichtiger Unterschied zwischen Einkommensteuer und Mehrwertsteuer besteht darin, dass letztere eine regressive Steuer darstellt. Menschen mit höherem Einkommen -43- zahlen also prozentual auf ihr Einkommen weniger Mehrwertsteuer als Menschen mit geringem Einkommen. 12.6.3 Sozialer Ausgleich: eine schwierige Gratwanderung Es herrscht Konsens darüber, dass der Staat durch Transfers von Gut‐ und besser Verdienenden zu sozial Schwächeren für einen Ausgleich zu sorgen hat. Ebenso gibt es Einigkeit, dass diese Transfers am besten durch direkte oder durch indirekte Steuern zu finanzieren sind, nicht jedoch durch direkte Eingriffe in den Preismechanismus. -44- Kapitel 13: Sozialversicherungssysteme und die Allokationsfunktion des Staates 13.1 Überblick Soziale Sicherungssysteme haben eine hohe gesamtwirtschaftliche Bedeutung, insgesamt belaufen sich ihre Ausgaben (wie auch Einnahmen) auf mehr als ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts. Wer abhängiger Beschäftigter ist, wird zur Mitgliedschaft in diesem System verpflichtet. Jetzt werden Modelle propagiert, genannt „Bürger‐ Versicherung“ bei der jeder Bürger und jede Bürgerin verpflichtet ist, eine Absicherung für Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit vorzunehmen – unabhängig davon, in welcher Form er seiner Arbeit nachgeht. Bei der Rentenversicherung beträgt der Beitragssatz 19,5% (GER); die Beiträge sind bis zu einer monatlichen Einkommenshöhe zu zahlen, das ist die Beitragsbemessungsgrenze, wer ein höheres Bruttoeinkommen erzielt, muss dann keinen höheren Beitrag zahlen . Die Versicherungspflicht bleibt auch dann bestehen, wenn ein Arbeitseinkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt wird. Auch die Gesetzliche Krankenversicherung und die Soziale Pflegeversicherung haben Beitragsbemessungsgrenzen, die aber deutlich niedriger liegen. Bei diesen beiden Versicherungen besteht die Versicherungspflicht aber nur dann, wen das Bruttoeinkommen unter der Versicherungspflichtgrenze liegt. Bei einem höheren Einkommen kann eine private Krankenversicherung abgeschlossen, oder ganz auf diese Absicherung verzichtet werden. Für ein Arbeitseinkommen unterhalb der beiden Bemessungsgrenzen wird somit ein Beitrag für die Sozialversicherung von über 40% erhoben – genannt Lohnnebenkosten. Die Sozialversicherungsbeiträge werden vom vereinbarten Bruttoeinkommen nahezu zur Hälfte vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber getragen; genau sind es 20,95% für den Arbeitgeber und 21,85% für den Arbeitnehmer. Diese Leistung wird als Arbeitgeberanteil bezeichnet. Der Anteil vom Arbeitnehmer wird Arbeitnehmeranteil genannt. Im Gegensatz zum Arbeitgeberanteil unterliegt der Arbeitnehmeranteil der Lohnsteuer. 13.2 Wozu braucht man Versicherungen? Als Mitglied einer Krankenversicherung erwirbt der Arbeitnehmer durch einen laufenden monatlichen Beitrag einen Anspruch darauf, dass in „worst case“ (schwere Erkrankung) alle Kosten von der Versicherung übernommen werden. Da aber nicht alle schwer krank werden, können mit den Beiträgen dann die Aufwendungen für die Versicherten finanziert werden, die sehr teure Therapien benötigen. Grundprinzip einer Versicherung besteht darin, eine Risikotransformation vorzunehmen: • für den Versicherten wird das geringe Risiko eines hohen Vermögensverlustes durch Krankheit, durch geringe monatliche Verluste in eine sichere Situation transformiert. -45- • Die Versicherungsgesellschaft kann durch viele Verträge eine Risikodiversifikation erreichen. Für den Gesamtbestand ihrer Versicherten gilt dann das „Gesetz der großen Zahl“, das heißt, die laufenden Ausgaben der Versicherung für schwere Erkrankungen entsprechen genau dem – relativ geringen – statistischen Risiko eines Individuums, eine solche Krankheit zu erleiden, multipliziert mit dem Versichertenbestand. Wichtig bei der Risikodiversifikation, auch Risikobesteuerung, dass die individuellen Wahrscheinlichkeiten unverbunden sind ‐> Die Erkrankung eines Patienten bedeutet nicht die Erkrankung eines anderen. Verbundene Wahrscheinlichkeit liegt im Fall einer Seuche vor. 13.3 Die Gesetzliche Rentenversicherung Da man im Alter kein angemessenes Einkommen mehr erzielen kann und dies gut vorhersehbar ist, sorgt man in jüngeren Jahren für das Alter vor. In der Geschichte wurde das durch Kinder oder einen erarbeiteten Kapitalstock gewährleistet. Entwicklungsländer haben aus diesem Grund zum Teil eine sehr hohe Geburtenrate. 13.3.1 Warum nicht alle Menschen freiwillig für ihr Alter sorgen Es bedarf einer gesetzlichen Rentenversicherung, weil wir nicht genau wissen wir alt wir werden und welchen Kapitalstock das erfordern würde, es kann sein, dass wir dann alle Ersparnisse aufgebraucht haben oder sehr früh sterben und uns zu Lebzeiten viel erspart was jetzt wieder übrigbleibt. Der Staat muss deshalb seine Bürger dazu zwingen, weil einige Menschen in ihrer Jugend überhaupt nicht an das Alter denken und die Dynamik des exponentiellen Wachstums von Vermögensanlagen. Ein „Kurzfristdenken“ könnte gepaart sein mit der Vorstellung, dass man im Notfall immer noch in das relativ großzügig ausgestattete Netz der Sozialhilfe fällt. Solch Verhalten wird als „moral hazard“ (moralisches Risiko) bezeichnet. Das benennt Handlungen von Menschen, die besonders riskante Strategien verfolgen, weil sie damit rechnen können, dass sie die Konsequenzen im Fall des Misslingens nur teilweise oder überhaupt nicht tragen müssen. „Moral hazard“ heißt, dass ein negativer externer Effekt vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn die gesellschaftlichen Kosten einer wirtschaftlichen Aktion höher sind als die privaten: Negativer externer Effekt= Soziale Kosten – Private Kosten Die gesetzliche Rentenversicherung lässt sich also mit dem „Subsidiaritätsprinzip“ rechtfertigen, wonach der Staat nur dann in den Markt eingreifen soll, wenn die Privaten aus eigener Kraft nicht in der Lage oder bereit sind, bestimmte Leistungen zu erbringen. Subsidiaritätsprinzip Das heißt, dass man sich bei sämtlichen staatlichen Regelungen im Bereich der sozialen Sicherungssysteme zu fragen hat, ob nicht die Privaten von sich aus in der Lage wären, -46- bestimmte Leistungen von selbst zu erbringen. Das Subsidiaritätsprinzip entspricht dem Grundlegeden Vertrauen der Ökonomen, dass privatwirtschaftliche Aktivitäten in der Regel perfekt über den Marktmechanismus gesteuert und koordiniert werden können. Staatliche Eingriffe in den Markt sind also nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Sie unterliegen deshalb stets einem Rechtfertigungszwang. 13.3.2 Das Umlagesystem: Eine Beteiligung am Humankapital der Zukunft Das System der gesetzlichen Rentenversicherung ist nach dem Prinzip eines Umlagesystems organisiert. Dies bedeutet, dass die jeweils Erwerbstätigen mit ihren Beiträgen zur Rentenversicherung die Zahlungen für die Rentner bestreiten und ein Erwerbstätiger erwirbt sich den Anspruch darauf, später als Rentner von den dann Aktiven ein bestimmtes Einkommen zu erhalten. Man spricht vom Generationenvertrag, ist aber nicht schriftlich. Elemente sind: • Die heute aktive Generation verpflichtet sich, die im Ruhestandlebende Generation durch Beitragszahlungen zur Gesetzlichen Rentenversicherung zu unterstützen. • Die aktive Generation setzt außerdem Kinder und sorgt für deren Ausbildung. Sie investiert somit in Humankapital. Zudem nimmt sie Sach‐Investitionen im privaten und öffentlichen Bereich vor. Ein hoher Kapitalsock erlaubt es ihren Nachkommen, produktiv zu sein und entsprechende Einkommen zu erzielen. • Die aktive Generation erhält den Anspruch auf ein Renteneinkommen in Abhängigkeit von den Arbeitseinkommen der Zukunft, wenn sie selbst in Ruhestandsphase ist. Dies verdeutlicht ein wichtiges Grundprinzip des Umlagesystems, man kann dieses also als eine Form der Beteiligung am Humankapital der Zukunft ansehen. Wenn die Erwerbstätigen steigende Einkommen erzielen, profitieren auch die Rentner davon. Deshalb ist es wichtig viele Kinder in die Welt zusetzen, dies ist aber kein verpflichtender Teil und somit eine Externalität. Die Kosten der Kinder sind rein privater Natur, die Erträge haben jedoch eine ausgeprägte soziale Komponente. 13.3.3 Wie wird die Rente errechnet? Grundlage dafür ist die Rentenformel: Monatsbetrag d. Rente = Zugangsfaktor * Entgeltpunkte * Rentenfaktor * aktueller Rentenwert Zugangsfaktor beträgt grundsätzlich 1,0. Er ist größer als 1,0, wenn eine Rente wegen Alters trotz erfüllter Wartezeit erst nach Vollendung des Renteneintrittsalters, in Anspruch genommen wird. Die Entgeltpunkte werden für jedes Versicherungsjahr in der Weise errechnet, dass man das jährliche individuelle Einkommen durch das Durchschnittseinkommen aller Versicherten dividiert. Dieser Wert wird dann für alle Versicherungsjahre aufsummiert. Dabei werden auch beitragsfreie Zeiten, zum Beispiel für die Berufsausbildung, berücksichtigt. -47- Der Rentenartfaktor unterscheidet, um welche Form einer Rente es sich handelt. Für eine normale Altersrente ist er 1. Bei Hinterbliebenen Rente und Renten wegen Erwerbsunfähigkeit ist er geringer. Diese Determinanten führen zum Konstrukt des „Eckrentners“. Ein Arbeitnehmer, der 45 Jahre lang jedes Jahr ein durchschnittliches Einkommen erzielt hat. Das Produkt aus Rentenartfaktor Entgeltpunkten und Zugangsfaktor beläuft sich bei ihm auf genau 45. Dieser aktuelle Rentenwert wird nach einer Formel errechnet, die im Prinzip folgenden Aspekten Rechnung zu tragen versucht: • der Anpassung der Renten an die allgemeine Lohnentwicklung, in Formel durch aktuelle Beitragsentwicklung abgebildet. • der Tatsache, dass die Versicherten im Rahmen der „Riester‐Rente“ verstärkt privat Kapital bilden müssen, um gegen geringe Leistungen der Rentenversicherung abgesichert zu sein. • der Notwendigkeit, die Beiträge zu erhöhen, um der Überalterung Rechnung zu tragen. • dem Rückgang der Bevölkerung und damit der Beitragszahler („demographischer Faktor). 13.3.4 Das Rentenniveau und das Problem der Überalterung Das Rentenniveau wird zurzeit abgesenkt, um das zu verstehen muss man sich die Einnahmen und die Ausgaben der Rentenversicherung ansehen. Einnahmen ergeben sich vereinfacht als: E = nA * BAG * BS E = Einnahmen nA = Beitragspflichtige BAG = durchschnittliches Bruttoeinkommen BS = Beitragssatz Unterstellen wir, dass es nur „Eckrentner“ gibt, dann werden die Ausgaben (A) vereinfacht bestimmt durch die Zahl der Rentner (nR) und des Rentenniveaus (RN), d.h. die Relation der „Eckrente“ zum Durchschnittseinkommen. A = nR * BAG * RN Da die Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung im Prinzip ausgeglichen sein sollten, gilt E = A. Damit kann man die beiden Gleichungen gleichsetzen und nach RN auflösen: nA RN = — BS nR -48- Die Relation von Aktiven und Rentnern spielt eine wichtige Rolle im Verhältnis zwischen Rentenniveau und Beitragssatz. Die zunehmende Überalterung stellt ein großes Problem dar. Wenn weiterhin die Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht gehalten werden wollen müssen entweder das Rentenniveau halbiert oder der Beitragssatz verdoppelt werden. Beides ist politisch und ökonomisch wenig sinnvoll: • zu hohe Beitragssätze mindern die Leistungsanreize; • ein zu niedriges Rentenniveau, führt dazu, dass viele, die ein Leben lang gearbeitet haben, nur noch eine Rente in der Nähe der Sozialhilfe beziehen. 13.3.5 Zur Zukunft der Gesetzlichen Rentenversicherung Das Umlagesystem wird für die nächsten Jahrzehnte das Herzstück der gesetzlichen Alterssicherung bilden. In einem Land mit einer relativ großzügigen Sozialhilfe ist es wichtig, eine allgemeine Versicherungspflicht für das Alter vorzuschreiben, da sich ansonsten zu viele Menschen auf die „soziale Hängematte“ im alter verlassen würden. Die schwierige Frage dazu ist, ob man dazu ein staatlich organisiertes Umlagesystem benötigt. Der besondere Vorzug besteht darin, dass es eine Beteiligung am Humankapital der Zukunft bietet, wobei es durch den großen Kreis der gesetzlich Versicherten zu einem straken Diversifikationseffekt kommt. Eine solche Beteiligung kann nur der Staat anbieten, da er als einziger in der Lage ist, Ansprüche auf die Einkommen von Menschen geltend zu machen, die überhaupt noch nicht geboren sind. Ohne dieses System wären die Menschen ganz auf ein System der Kapitaldeckung angewiesen. Es spricht vieles für ein staatliches Umlagesystem zumindest als Grundlage der Alterssicherung und eine überwiegend freiwillige private Kapitaldeckung. 13.4 Die Gesetzliche Krankenversicherung Grundsätzlich gilt hier das gleiche wie für die gesetzliche Krankenversicherung. Einige Private würden sich, wenn es ihnen frei bliebe, nicht versichern und im Fall einer schweren Erkrankung dann aber doch wieder dem Staat zur Last fallen. Es ist also ein externer Effekt zu erkennen, der im Rahmen der Allokationsfunktion des Staates durch eine allgemeine Versicherungspflicht aus der Welt geschafft werden kann. Im Gegensatz zur Rentenversicherung hat man es jedoch hier mit dem erstaunlichen Phänomen zu tun, dass die Versicherungspflicht oberhalb der Versicherungspflichtgrenze völlig aufgehoben wird; bei der Rentenversicherung besteht diese oberhalb dieser Grenze fort, der Beitrag bleibt jedoch konstant. Implizit wird dabei also unterstellt, dass das Problem des „moral hazard“ nur bei Personen mit niedrigeren Einkommen vorliegt. Es stellt sich die Frage, ob es notwendig ist staatlich organisierte Versicherungen anzubieten, wenn es zahlreiche private Krankenversicherungen gibt. Das ist besonders relevant, weil es für viele Menschen deutlich günstiger ist, sich privat zu versichern, als staatlich. Die Umverteilung innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich daraus, dass dort alle Familienmitglieder kostenlos mitversichert sind, während bei der privaten Versicherung für jedes Familienmitglied einzeln bezahlt werden muss. Zudem sind die Leistungen für alle Versicherten gleich, die Beiträge hängen jedoch vom Einkommen ab. -49- Bei der Gesetzlichen Krankenversicherung spielen neben dem Allokationsaspekt auch ausgeprägte verteilungspolitische Ziele eine Rolle. Es geht auch darum, sozial Schwächere zu begünstigen ‐> „Solidarprinzip“ der Gesetzlichen Krankenversicherung. Ein solches Nebeneinander von allokations‐ und distributionspolitischen Zielen ist aus mehreren Gründen problematisch: • da sich meist Besserverdiener vom der Gesetzlichen Krankenversicherung verabschieden, kommt es zu einer Umverteilung von den mittleren auf die niedrigen Einkommen. • Durch die Vermengung von beiden Funktionen wird das gesamte System der sozialen Sicherung sehr intransparent. Es ist sehr schwierig zu erkennen, ob die angestrebte Umverteilung angestrebt werden kann. Das ganze System ist sehr kompliziert, weil die Angebotsseite ein Kartell aus Ärzten ist und auch die Nachfrager muss man zwischen Individuellen und Kollektiven unterscheiden: • Patient (individueller Nachfrager) kann ärztliche Leistungen ohne Budgetrestriktion nachfragen. Meist wissen aber die Konsumenten nicht über den Wert einzelner Diagnose‐ und Therapieverfahren und der Anbieter hat die Möglichkeit den Nachfragern vor allem jene Verfahren anzubieten, die besonders hohe Deckungsbeiträge aufweisen. • Gesetzliche Krankenkassen (Kollektiver Nachfrager) haben das Problem von Budgetrestriktion weil Beitragserhöhungen nur schwer durchgesetzt werden können. Nachteile des derzeitigen Systems werden darin gesehen, dass: • „die Vereinbarungen häufig zu Lasten nicht beteiligter Dritter gehen. • die Organisationen nur ein geringes Interesse an Neuerungen besitzen, • die Verteidigung des Status quo zu Effizienzverlusten und Einbußen bei Wachstum und Beschäftigung führt, und dass • die Organisationen den vielfach fälschlichen Eindruck erwecken, Risiken kleinhalten oder absichern zu können. In Anbetracht dieser Abweichung vom Idealbild eines Marktes ist es nicht überraschend, dass die wirtschaftliche Effizienz des Gesundheitswesens nicht sehr hoch ist. 13.5 Die Arbeitslosenversicherung Auch hier kann man eine allgemeine Versicherungspflicht mit dem Argument des „moral hazard“ rechtfertigen. Sie spielt darüber hinaus eine wichtige Rolle als „gesamtwirtschaftlicher Stabilisator“. Ein Arbeitsloser hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn er in den letzten drei Jahren 360 Kalendertage versicherungspflichtig gearbeitet hat. Das Arbeitslosengeld beläuft sich auf 60% des zuletzt verdienten Nettoeinkommens. Arbeitslosenversicherung kann nur vom Staat angeboten werden. Risiken können nur dann versichert werden, wenn sie statistisch unverbunden sind. Bei der Arbeitslosigkeit ist diese wichtige Voraussetzung jedoch -50- nicht gewährleistet, da die Arbeitslosenzahlen durch gesamtwirtschaftliche Rezessionen insgesamt stark nach oben getrieben werden können. Der Verlust eines Arbeitsplatzes ist sehr stark davon abhängig, ob auch andere Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. -51- Kapitel 14: Umweltpolitik und die Allokatipnsfunktion des Staates 14.1 Öffentliche Güter Bisher wurde davon ausgegangen dass jedes Produkt einen Preis hat (egal ob Endprodukt oder ein Vorprodukt für die Produktion). Nur unter dieser Prämisse ist es möglich, dass der Markt die von ihm wahrzunehmenden Steuerungsfunktionen angemessen wahrnimmt. Bsp.: Natürliche Ressourcen Was geschieht mit Gütern die keinen Preis haben? • aus der Nachfragefunktion: Konsum wird bis zur Sättigungsmenge ausgedehnt; Problem einer zu hohen Nutzung eines Gutes • aus der Angebotsfunktion: wenn der Preis gleich Null ist erhalten Anbieter keinen Deckungsbeitrag ‐ ein solches Gut wird nicht hergestellt/angeboten, auch wenn es für die Gesellschaft ein Nutzen stiftet der höher ist als die Produktionskosten 14.2 Warum haben manche Güter keinen Preis? Die zentrale Voraussetzung für die kostenlose Nutzung von Gütern besteht darin das das Ausschlussprinzip nicht praktiziert wird ‐ der nicht zahlende Nachfrager wird nicht daran gehindert ein Gut zu konsumieren. Wenn dies bei manchen Gütern nicht zur Anwendung kommt, liegt das an den Kosten, die für die Durchsetzung des Ausschlusses erforderlich wären: • bei der Landesverteidigung, dem Seuchenschutz oder der inneren Sicherheit leuchtet es unmittelbar ein, dass ein Ausschluss grundsätzlich nicht praktiziert werden kann • bei anderen Gütern ist der Ausschluss grundsätzlich möglich, aber mit hohen Kosten verbunden. Das Strassennetz und bes. Autobahnen galten lange Zeit als Musterbeispiel ‐ Autobahngebühren, … zeigen dass tolerierbare Ausschlusskosten sich im Zeitlauf durchaus ändern können, dabei spielt der technische Fortschritt durchaus eine große Rolle. Umweltschutz wurde in der Vergangenheit ebenso als Beispiel angeführt ‐ heute: Emissionsrechte für Kohlendioxid Entscheidend, dass ein Gut keinen Preis hat, ist die Tatsache dass ein Ausschluss praktiziert wird. In der Literatur wird häufig die Nicht‐Rivalität in der Nutzung von Gütern als ein weiteres konstitutives Merkmal eines öffentlichen Gutes angesehen. Darunter -52- versteht man, dass ein Gut von zusätzlichen Konsumenten genutzt werden kann, ohne dass damit weitere Kosten anfallen. • Für die Produktionskosten einer Rundfunk oder Fernsehsendung ist es völlig irrelevant wie viele Menschen ein solches Gut konsumieren. • In ein Fußballstadion oder eine Konzerthalle passen häufig mehr Zuschauer als die tatsächlich anwesenden. • Das Telefonnetz könnte, zumindest an bestimmten Tageszeiten und in bestimmten Gebieten, von zusätzlichen Menschen benutzt werden, ohne dass die Kosten der Bereitstellung steigen würden. Dadurch sind zwei Definitionen von öffentlichen Gütern möglich. Bei einer engen Definition kann man ein öffentliches Gut dadurch definieren, dass gleichzeitig die Kriterien des nicht ‐ rivalisierenden Konsums als der Nicht ‐ Ausschließbarkeit vorliegen ‐ in diesem Fall gehören dazu nur sehr umfassende staatliche Leistungen (innere und äußere Sicherheit, Seuchenschutz) Bei einer weiter gefassten Definition kann man öffentliches Gut dadurch definieren das nur das die Nicht ‐ Ausschließbarkeit vorliegt ‐ in diesem Fall zählen die natürlichen Ressourcen auch als ein öffentliches Gut. Öffentliche Güter Ausschlussprinzip Ja Konsum Nein Bier, Wohnung, Rivalisierend CO Emissionen 2 ÖG weiter gefasste Definition: Umweltnutzung durch Straßenverkehr Telekommunikationsn etze, Nicht Rivalisierend Theater mit freien Plätzen ÖG im engeren Sinn: Innere Sicherheit, Autobahnbenutzung, Seuchenschutz 12 Grundlagen der Ökonomie 20.11.2006 14.3 Negative und positive externe Effekte Bei der Darstellung des Marktmechanismus sind wir davon ausgegangen, • dass jeder Produzent für die von ihm beanspruchten Inputs einen Preis bezahlen muss und dass er für die von ihm produzierten Güter einen Preis erzielen kann, • dass damit auch jeder Konsument für die von ihm konsumierten Güter einen Preis bezahlen muss. -53- Bei öffentlichen Gütern sind diese Annahmen nicht mehr erfüllt: Wenn wir mit dem Flugzeug fliegen, zahlen wir nur mit den privaten Kosten (Kosten der Fluggesellschaft) für diesen Flug, nicht aber mit den gesamten Kosten die durch wirtschaftliches Handeln entstehen (Kosten der Fluggesellschaft und Belastung der Umwelt), diese werden soziale Kosten genannt. Wenn die sozialen Kosten höher sind als die privaten Kosten spricht man von negativen externen Effekten (NEE). Probleme treten vor allem bei der Nutzung natürlicher Ressourcen auf bei denen noch kein Ausschluss praktiziert wird. Wenn private Erträge geringer sind als die sozialen Erträge spricht man von positiven externen Effekten (PEE). Ein Beispiel ist die innerbetrieblich Ausbildung, die kostenlos angeboten wird. Der Mitarbeiter wird produktiver, aber bei einem Arbeitsplatzwechsel kann das auszubildende Unternehmen nur teilweise oder überhaupt nicht von den Ausbildungskosten profitieren (soziale Erträge sind höher als private Erträge). Bei positiven externen Effekten stellt sich somit das Problem, dass von einem Gut zu wenig angeboten wird oder überhaupt nicht erstellt wird. Positive externe Effekte verleiten also zu einem “Trittbrettfahrer‐ Verhalten” ‐ man hofft dass andere das Gut erstellen und dass man dann kostenlos davon profitieren kann. Externe Effekte (2) 14 Grundlagen der Ökonomie 20.11.2006 NEE = soziale Kosten ‐ private Kosten PEE = soziale Erträge ‐ private Erträge Diese Terminologie geht auf den brit. Nationalökonomen Arthur Cecil Pigou zurück. -54- Das Schaubild zeigt die Produktion eines umweltbelastenden Gutes, in diesem Fall liegen die sozialen Grenzkosten der Produktion des Gutes höher als die privaten Grenzkosten. Das Angebot richtet sich allein an den privaten Grenzkosten aus, so dass sich bei der Menge x0 der Preis p0 ergibt. Der negative externe Effekt ergibt sich aus der Differenz zwischen den aggregierten sozialen Grenzkosten und dem Marktpreis. Sowohl bei positiven wie bei externen Effekten kommt es also zu einem Marktversagen. Während im Fall negativer externer Effekte ein übermäßig hoher Verbrauch öffentlicher Güter stattfindet, kommt es im Fall positiver externer Effekte dazu, dass das Angebot eines öffentlichen Gutes unterbleibt, obwohl es allen Beteiligten mehr wert ist als die zu seiner Erstellung erforderlichen Kosten. Externe Effekte sind eine wichtige Rechtfertigung dafür, dass sich der Staat auch in einer Marktwirtschaft nicht völlig aus dem Marktprozess zurückziehen kann. Er hat bei • positiven externen Effekten die Aufgabe, die Produktion öffentlicher Güter sicherzustellen, • negativen externen Effekten dafür zu sorgen, dass ein Raubbau an den davon betroffenen öffentlichen Gütern verhindert wird. 14.4 Umweltpolitik Ziel einer auf Vermeidung externer Effekte ausgerichteten Umweltpolitik ist es, dafür zu sorgen, dass die externen Kosten von den Verursachern übernommen werden. Man bezeichnet dies als “Internalisierung externer Effekte” Dies ist anhand der zunehmenden Umweltschäden dringend notwendig geworden, es werden zur Zeit weder die Kosten für unmittelbare Umweltschäden (schlechte Luft, Lärm,…) noch die Kosten für spätere Generationen (Treibhauseffekt, Ozonloch, …), von den Verursachern übernommen. Die so gesehene “optimale Umweltbelastung” kann wie folgt ermittelt werden: Es lässt sich eine Nachfrage eines Unternehmens nach Umweltverschmutzung ableiten, dabei gehen wir davon aus dass ein Unternehmen bereit wäre einen Preis für die Umweltbelastung zu bezahlen, der günstigste Fall ist jedoch das es keinen Preis dafür zahlt. Die privaten Grenzerträge nehmen somit mit jeder emittierten Einheit ab und die Nachfrage wird ohne Umweltpolitik bis zur Sättigungsmenge x* ausgeweitet. Mit steigender Schadstoffemission steigen die sozialen Kosten jedoch überproportional an. Die gesamtwirtschaftliche “optimale” Schadstoffmenge E* -55- ergibt sich als Schnittpunkt der beiden Kurven: Die privaten Erträge aus der Umweltbelastung (=private Grenzkosten der Emissionsvermeidung) entsprechen dann den sozialen Grenzkosten dies wird als S0 bezeichnet. Grenzerträge und –kosten von Umweltverschmutzung Gesamtwirtschaftlich „optimale“ Umweltverschmutzung Ökonomische Lösung: Steuer in Höhe von S0 (Pigou Steuer) Steuer) 17 Grundlagen der Ökonomie 20.11.2006 Ziel der Umweltpolitik muss es sein E* zu erreichen, die einfachste Lösung besteht darin die Unternehmen mit einer Schadstoffsteuer in der Höhe von S0 zu belasten (Pigou‐Steuer) In Deutschland wurden durch die “Ökologische Steuerreform” Steuern auf verschiedene Energieträger deutlich erhöht. Dies führte zu einer Reduktion des Co2 ‐ Ausstossen um rund 3% und gleichzeitig einen positiven Beschäftigungseffekt von rund einem halben Prozent, das dadurch erzielte Steueraufkommen wurde zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge eingesetzt. Eine weiteres innovatives Instrument der Umweltpolitik sind die handelbaren Umweltverschmutzungs‐ (CO2‐) Zertifikaten, man könnte bis zu E* eine Versteigerung durchführen. (Schaubild 14.4 Seite 277) Größere und besonders energieintensive Unternehmen, die in bestimmten Bereichen tätig sind, dürfen nur in dem Maße CO2 emittierten, in dem sie über entsprechende Zertifikate verfügen, ist es mehr, werden sie mit Strafzahlungen belegt. Diese Zertifikate werden in der EU durch nationale Allokationspläne weitgehend kostenlos an Unternehmen abgegeben. (Schaubild 14.4) -56- Äquivalente Lösung: Versteigerung von Verschmutzungszertifikaten Anreize: Verringerung der Steuerzahnlungen durch Verminderung der Emissionen Grundlagen der Ökonomie 18 Daneben wird in der Umweltpolitik auch mit den Instrumenten der staatlichen Auflagen operiert: • Emissionsauflagen legen Grenzwerte für die maximal zulässige Menge an emittierten Schadstoffen fest, im Extremfall können bestimmte Emissionen ganz untersagt werden. • Produktionsauflagen können die Produktion bestimmter umweltschädigender Güter quantitativ begrenzen oder völlig verbieten. • Prozessauflagen geben qualitative Vorgaben für Produktionsverfahren, d.h. sie schreiben bestimmte Technologien oder die Verwendung bestimmter Inputfaktoren vor. Durch die Auflage wird eine maximal zulässige Emissionsmenge E0 vorgegeben, der Vorteil besteht darin, dass sie bestimmte Emissionsstandards mit großer Sicherheit gewährleisten. In der Praxis besteht allerdings das Problem, dass die zuständigen Behörden Überschreitungen zulassen können oder die Anforderungen an einem (veralteten) Stand der Technik festmachen. Aus ökonomischer Sicht besteht der Nachteil von Auflagen, und pauschalen Steuerlösungen darin, dass jeder einzelne Produzent über spezifische Grenzkosten der Emissionsvermeidung verfügt ‐ ein für alle Unternehmen identisches Emissionsniveau garantiert also nicht, dass die privaten und sozialen Kosten übereinstimmen. Bei Auflagen gibt es auch keinen Anreiz für Unternehmen die Verschmutzung weiter zu reduzieren, obwohl die Unternehmen neue Produktionsverfahren einführen könnten mit denen die Grenzkosten der Emissionsvermeidung sinken ‐ bei Auflagen schon. -57- 20.11.2006 Das Schaubild 14.5 unterstellt, dass es durch technischen Fortschritt zu einer Drehung der Nachfrage nach Umweltverschmutzung nach links gekommen ist. Bei der Steuerlösung sinkt die Belastung automatisch von E0 auf E1. Bei der Auflagenlösung bleibt die Schadstoffbelastung konstant, es sei denn der Staat erkennt die technische Entwicklung und der festgelegte Grenzwert wird von E0 auf E1 reduziert. -58- Kapitel 15: Ziele der Makroökonomie: Magische Vierecke und Dreiecke, Zielscheiben und Ziellinien 15.1 Von der Mikroökonomie zur Makroökonomie 15.2 Das magische Viereck Die Makroökonomie dreht sich um 4 wichtige Zielgrößen ‐ stetiges und angemessenes Wirtschaftwachstum ‐ hoher Beschäftigungsstand ‐ stabiles Preisniveau ‐ außenwirtschaftliches Gleichgewicht Da es ziemlich schwierig und oft nahezu unmöglich ist, diese vier Ziele gleichzeitig zu erreichen, spricht man hierbei auch vom “magischen Viereck”. 15.2.1 Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum Mit stetigem und angemessenen Wirtschaftswachstum werden gleich zwei fundamentale wirtschaftspolitische Ziele beschrieben: ‐ Durch angemessenes Wachstum soll der Wohlstand eines Landes allgemein erhöht werden, durch dessen exponentiellen Verlauf kann mit relativ geringen Zuwachsraten starke Veränderung erzielt werden (2% Wachstum ‐ verdoppelter Wohlstand nach 35 Jahren). Wirtschaftswachstum gibt den “weniger wohlhabenden Schichten” die Chance ihre Lage zu verbessern, ohne dass den “Reichen” mehr abgenommen werden muss. ‐ Durch ein stetiges Wachstum sollen starke Ausschläge in der wirtschaftlichen Entwicklung vermieden werden. Diese sind vor allem deshalb problematisch, weil sie in der Regel mit entsprechenden Schwankungen der Beschäftigung und damit auch der Arbeitslosenzahlen einhergehen. Als Indikator für wirtschaftliches Wachstum wird heute weltweit das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verwendet. Es bildet den gesamtwirtschaftlichen Output ab, der in einer Periode produziert (=gesamtwirtschaftliches Angebot) und dann auch von den Konsumenten und Investoren nachgefragt wurde (=gesamtwirtschaftliche Nachfrage), da die Preise von Gütern aber nicht konstant sind muss man deshalb die inflationsbedingte Zunahme aus dem BIP herausrechnen. Ein durchschnittliches Wachstum des BIP von weniger als 1% (in den letzten Jahren in Deutschland) ist unbefriedigend, weil die Arbeitsproduktivität in der Regel um rund 1% zunimmt ‐ soll Arbeitslosigkeit abgebaut werden braucht man über mehrer Jahre ein Wachstum von rund 2%. -59- Das Erreichen eines angemessenen Wirtschaftswachstums geht weit über die reine Stabilisierungsfunktion hinaus. Es umfasst alle 3 Bereiche des staatlichen Handelns im Wirtschaftsprozess: Stabilisierungsfunktion, Distributions‐ und Allokation‐ funktion. Die Stabilisierungsfunktion steht im Mittelpunkt, wenn es um das Teilziel des stetigen Wirtschaftswachstum geht. Dies ist nicht immer geglückt (große Depression 1929‐1933). Die weltweite und gravierendste Wirtschaftkrise war für viele Ökonomen ein klares Zeichen dafür, dass die Selbstheilungskräfte eines Marktsystems bei sehr großen Störungen völlig überfordert sein können. “Urvater” der Makroökonomie, John Maynard Keynes veröffentlichte sein Hauptwerk 1936, er verdeutlicht darin dass derartige Schocks nur mit einem staatlichen Eingreifen in Form einer expansiven Geld‐ und Fiskalpolitik bewältigt werden können. Wenn man das Konzept der Outputlücke verwendet lässt sich das Ziel, die Schwankungen des BIP um seinen Trend möglichst gering zu halten, noch deutlicher abbilden. Die Outputlücke ist definiert als Abweichung des Bruttoinlandsprodukt einer Periode Y von einem bei Vollauslastung aller Kapazitäten möglichen Output, den man als Produktionspotenzial Yv bezeichnet. Die Output‐Lücke wird dabei als prozentuale Abweichung des aktuellen realen Bruttoinlandsprodukts vom Produktionspotenzial definiert: Die Outputlücke: -60- Das Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft lässt sich nicht exakt ermitteln, daher werden unterschiedliche Schätzverfahren angewendet. Für das Ziel des stetigen Wirtschaftswachstums gibt es keine quantitativen Zielwerte. Es ist daher offen, ob bei einer Output‐Lücke von zum Beispiel 1% bereits eine Verletzung vorliegt oder nicht. Dass es insgesamt für eine Volkswirtschaft vorteilhaft ist, starke Schwankungen des gesamtwirtschaftlichen Outputs zu vermeiden, ergibt sich daraus, dass diese in der Regel mit einer inflationären Überhitzung (positive Output‐Lücke) oder aber steigender Arbeitslosigkeit (negative Output‐Lücke) einhergehen. So gesehen besteht also eine deutliche Interdependenz zwischen den gesamtwirtschaftlichen Zielgrößen. 15.2.2 Hoher Beschäftigungsstand Als arbeitslos wird in Deutschland gezählt wer ‐ das 15. Aber noch nicht das 65. Lebenjahr vollendet hat ‐ vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt ‐ der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht ‐ nicht arbeitsunfähig erkrankt ist ‐ ein versicherungspflichtiges, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassendes Beschäftigungsverhältnis mit einer Dauer von mehr als 7 Kalendertagen sucht. Die Arbeitslosigkeit wird meist in Form der Arbeitslosenquote abgebildet: -61- Arbeitslosenquote = Anzahl der Arbeitslosen / Anzahl der zivilen Erwerbspersonen Bei einer Arbeitslosenquote von etwa 4% liegt man bei Vollbeschäftigung, dies ist damit zu erklären, dass es auch bei einer sehr guten Konjunkturlage Arbeitslosigkeit gibt, weil: ‐ die Beschäftigten von einem Job zum anderen wechseln und dabei nicht immer einen lückenlosen Übergang finden (fraktionelle Arbeitslosigkeit) ‐ in manchen Branchen ‐ wie z.B. der Bauwirtschaft ‐ im Winter nicht gearbeitet werden kann (saisonale Arbeitslosigkeit) ‐ es immer auch Menschen gibt, die sich arbeitslos melden, ohne wirklich an einer Beschäftigung interessiert zu sein (freiwillige Arbeitslosigkeit) Dass die Selbstheilungskräfte des Marktes nur bedingt wirken, lässt sich anhand der Arbeitslosigkeit noch besser erkennen als anhand des Wirtschaftswachstums (siehe Schaubild). 15.2.3 Stabiles Preisniveau Geld kann nur seine Funktion erfüllen, wenn sein Wert über die Zeit hinweg stabil ist, hohe Inflationsrate hat nachteilige Effekte für eine Marktwirtschaft. ‐ Funktion des Tauschmittels: Die Erfahrung mit der Hyperinflation von 1923 zeigt, dass Geld dann als Tauschmittel akzeptiert wird, wenn sein Wert stabil ist. Ist das nicht der Fall, dann fällt die Wirtschaft in den Zustand des Naturaltauschs zurück, der mit hohen Such‐ und Transaktionskosten verbunden ist. Der Naturaltausch setzt im Prinzip eine wechselseitige -62- Übereinstimmung der Bedürfnisse voraus. Man spricht hierbei auch von der doppelten Koinzidenz der Bedürfnisse. So müsste beispielsweise ein hungriger Schneider nach einem frierenden Bäcker suchen, der gerade einen neuen Mantel benötigt. Und wenn der Schneider damit erfolgreich ist, erhält er für den Mantel so viele Brötchen, dass er dafür noch nach weiteren Abnehmern suchen muss. ‐ Funktion des Wertspeichers: Ohne stabiles Geld wäre es für die Menschen nicht möglich, ihre Ersparnisse längerfristig bei einer Bank oder in Anleihen anzulegen. Es bleibt ihnen dann nur die “Flucht ins Sachvermögen”. Damit fehlen den Unternehmen die längerfristigen Finanzierungsmittel, die sie für ihre Investitionen benötigen. ‐ Funktion der Recheneinheit: Wir haben gesehen, dass der Preismechanismus das zentrale Signalsystem einer Marktwirtschaft darstellt. Bei einer starken Inflation ist für die Konsumenten schwer zu erkennen, ob ein einzelnes Gut gegenüber anderen Produkten teurer geworden ist (man spricht hier von einer Veränderung der relativen Preise) oder ob das Preisniveau insgesamt schon wieder gestiegen ist. Diese Problematik stellt sich vor allem bei sehr hohen Inflationsraten, wie man sie vor allem in Lateinamerika in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts immer wieder beobachten konnte. Wenn sich in einem Jahr das Preisniveau beispielsweise verdoppelt oder verdreifacht, geht es den Menschen ähnlich, wie uns im Jahr 2002 bei der Euro‐Umstellung. Bei jedem einzelnen Preis muss man erst einmal nachdenken ob ein Produkt im Vergleich zu anderen Gütern teurer oder billiger wurde oder ob es sich im Einklang mit dem allgemeinen Preisauftrieb verändert hat. In der Regel betrachtet man nicht da absolute Preisniveau, sondern dessen Veränderung über die Zeit, die Inflationsrate. Dem Preisindex für Lebenserhaltung wird in der öffentlich am meisten Beachtung beigemessen, er spiegelt die Verkaufsgewohnheiten der Bürgerinnen (seine wichtigsten Komponenten ‐ Schaubild 15.5) -63- Durch den Vergleich der Güter im Warenkorb zu 2 verschiedenen Zeitpunkten erhält man den Preisindex Um die Inflationsrate zu errechnen muss man die Indexwerte für verschiedene Zeitpunkte vergleichen (normalerweise mit dem Vorjahre) Als Ziel eines stabilen Preisniveaus hat die Europäische Zentralbank den Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (Inflation) von unter 2% gegenüber dem Vorjahr definiert. Das dabei nicht 0% als Ziel definiert wird liegt daran dass die statistisch ermittelten Inflationsraten die tatsächliche Geldentwertung tendenziell überzeichnen, Ursachen davon sind Qualitätsverbesserung von Produkten oder die Tatsache dass viele Produkte als “Schnäppchen” erstanden werden. 15.2.4 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht Mit dem Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewicht swar primär gemeint, dass wirtschaftliche Prozesse vermieden werden sollten, die die Teilnahme an dem Bretton‐Woods‐System (weltweites System fester Wechselkurse) gefährdet hätten. 1973 brach dieses System durch die inflationäre Politik der USA zusammen, es folgte ein Übergang zu einem System flexibler Wechselkurse. Das für feste Kurse definierte Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts ist für die Verhältnisse unter flexiblen Wechselkursen nie neu bestimmt worden, es hat in solcher Währungsordnung deutlich an Gewicht verloren. Allerdings stellt sich für Länder, die über Jahre hinweg hohe Defizite in ihrer Leistungsbilanz aufweisen, das Problem, dass sie anhaltend über ihre Verhältnisse leben und dadurch in Zukunft einen wachsenden Anteil des BIP als Zinszahlungen an ausländische Gläubiger leisten müssen. 15.2.5 Zweidimensionale Zielscheiben und eindimensionale Ziellinie In der Makroökonomie, die sich primär auf die Stabilisierungsaufgabe konzentriert, kann man sich auf ein Ziel‐Dreieck aus drei Zielen beschränken: -64- ‐ stetiges Wirtschaftswachstum ‐ hoher Beschäftigungsstand ‐ stabiles Preisniveau Da die Entwicklung der Arbeitslosenrate relativ eng an die Schwankungen des BIP gekoppelt ist, kann der Zielkatalog weiter vereinfacht werden: ‐ mit dem Misery Index bildet man die Entwicklung von Inflation und die Arbeitslosigkeit ab ‐ mit gesellschaftlichen Verlustfunktionen, die heute in der makroökonomischen Theorie eine große Rolle spielen, lassen sich makroökonomische Zielscheiben erstellen, auf denen die Output‐Lücke und die Inflations‐Lücke dargestellt sind Der Misery‐Index wird errechnet als eine einfache Addition der Inflationsrate und der Arbeitslosenrate (siehe Schaubild). Insgesamt gesehen spielt der Misery‐ Index keine zentrale Rolle in der wirtschaftspolitischen Diskussion. Bei den gesellschaftlichen Verlustfunktionen (“social loss functions”) handelt es sich um makroökonomische Zielfunktionen, die sich auf 2 Ziele beziehen: ‐ die Inflationslücke, d.h. eine Abweichung der aktuellen Inflationsrate (pt) von einem Zielwert (π0), der ‐ wie erwähnt ‐ üblicherweise bei etwa 2% fixiert wird ‐ Die Outputlücke, d.h. eine Abweichung des Bruttoinlandsprodukts (Y) von einem bei Bollauslastung aller Kapazitäten möglichen Output, den man auch als Produktionspotenzial (Yv) bezeichnet Makroökonomische Zielfunktionen werden als Verlustfunktionen modelliert. Sie -65- versuchen die Kosten zu beschreiben, die der Gesellschaft durch das Nicht‐ Erreichen gesamtwirtschaftlicher Ziele entstehen: L=(π‐π0)² + λ*[(Y‐Yv)/Yv]² λ … Koeffizient zur Gewichtung der beiden Ziele λ=0 …. Geldwertstabilität (Zielfunktion einer Notenbank) λ=1 …. Funktion lässt sich geometrisch als Kreis abbilden (Schaubild 15.11) Die einfachste Abbildung der makroökonomischen Ziele besteht darin, dass man sich nur noch auf die Output ‐ Lücke konzentriert. Als Rechtfertigung gilt die Vereinfachung der Didaktik und für die Diskussion von Nachfrageschocks ist diese Darstellung völlig ausreichend. 15.3 Die Akteure in der Makroökonomie Da durch den Marktprozess die Ziele der Makroökonomie nicht erreicht werden können, muss eine wirtschaftliche Rollenzuweisung (assignment) vorgenommen werden. ‐ Fiskalpolitik, für die die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden und teilweise die Europäische Gemeinschaft) zuständig sind ‐ Geld‐ und Währungspolitik, die für die Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion ganz in der Verantwortung der Europäischen Zentralbank liegt ‐ die Lohnpolitik, die von den nationalen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden bestimmt wird -66- Kapitel 16: Volkswirtschaftliche Daten und Rechenwerke 16.1 Überblick Die Makroökonomie ist komplexer als die Mikroökonomie, da diese sich nur mit einzelnen Märkten befasst, anders als die Makroökonomie, die die Wirtschaft insgesamt betrachtet. Um das gesamtwirtschaftliche Angebot bzw. die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu ermitteln, wurde das Rechenwerk der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) entwickelt. Weiter ist für eine gesamtwirtschaftliche Analyse von Bedeutung, wie Investitionen finanziert wurden und welche Ersparnisse in der Bevölkerung vorhanden sind. Diese Zusammenhänge werden in der Geldvermögensrechnung dargestellt. Die Zahlungsbilanz gibt Auskunft über die ökonomische Verflechtung einer Volkswirtschaft mit dem Ausland. Für wirtschaftliche Fragestellungen ist es wichtig, die Daten aus den davor genannten Rechenwerken weiter zu bearbeiten. Dafür werden verschiedene Verfahren angewandt, wie die Saisonbereinigung, die logarithmische Abbildung und das Hochrechnen auf Jahresraten. 16.2 Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Bei der VGR handelt es sich um eine rückblickende Betrachtung des wirtschaftlichen Geschehens (=Ex‐post‐Betrachtung). Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sich z.B auf einem Markt am Ende des Tages die angebotene und die nachgefragte Menge immer entsprechen müssen. Bei der VGR spricht man nicht mehr von einem gesamtwirtschaftlichen Angebot oder der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sondern vom Bruttoinlandsprodukt. Den zentralen Schwerpunkt der VGR bildet dabei die Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts. Grundlage der VGR ist die Kreislauftheorie, bei der alle Tauschvorgänge zwischen Unternehmen und Haushalte erfasst werden. Dabei stellt sich das Problem, dass die Unternehmensgewinne statistisch nur unvollständig erfasst werden können. Sie werden daher als Restgröße (=Residuum) der VGR errechnet. Es gibt drei Grundformen der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts: 1. Die Entstehungsrechnung ermittelt wie hoch das gesamtwirtschaftliche Angebot einer Periode war. 2. Die Verwendungsrechnung ermittelt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. 3. Die Verteilungsrechnung errechnet den Wert der produzierten Güter. 16.2.1 Die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts über die Angebotsseite Ausgangspunkt der Enstehungsrechnung ist der Produktionswert der Unternehmen. Dieser wird wie folgt berechnet: -67- Wert der Bestandsveränderung von Waren aus eigener Produktion + Wert der Anlagen = Produktionswert Wichtig dabei ist, dass die Mehrwertsteuer zunächst nicht berücksichtigt wird. Da im Produktionswert auch alle für die Produktion erforderlichen Inputs an Gütern enthalten sind, würde es zu Mehrfachzählungen führen, wenn man diese Größe für alle Unternehmen aufaddieren wollte. Deshalb muss man nun vom Produktionswert die Vorleistungen abziehen. So erhält man die Bruttowertschöpfung eines Unternehmens: Produktionswert – Vorleistungen = Bruttowertschöpfung Nun werden die verschieden Steuern(=Faktorkosten) berechnet. Teilweise wurden sie auch künstlich gesenkt. Summiert man alle Unternehmen, so erhält man das gesamtwirtschaftliche Angebot zu Marktpreisen, das Bruttoinlandsprodukt: Bruttowertschöpfung + Gütersteuern – Gütersubventionen = Bruttoinlandsprodukt Die amtliche Statistik stellt die Bruttowertschöpfung differenziert dar, sodass der Anteil der wichtigsten Wirtschaftsbereiche deutlich wird; so kann man auch den wirtschaftlichen Strukturwandel abbilden und ihn in drei Bereiche unterteilen: 1. den primären Sektor: Land‐ und Forstwirtschaft sowie Fischerei 2. den sekundären Sektor: Industrie und Baugewerbe 3. den tertiären Sektor: Dienstleistungsbereiche 16.2.2 Die Berechnung des Bruttoinlandsprodukt über die Nachfrageseite Das Bruttoinlandsprodukt kann man auch über die Nachfrageseite ermitteln, dabei addiert man alle Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage auf. a) Die privaten Konsumausgaben: Hier handelt es sich um die Konsumausgaben der privaten Haushalte. b) Die Konsumausgaben des Staates: Hier handelt es sich um die Güter, die vom Staat selbst produziert werden. c) Die Brutto­ Anlageinvestitionen: Diese sind untergliedert in Ausrüstungen (Maschinen, Geräte, Fahrzeuge), Bauten (Wohnbauten, Nichtwohnbauten) und sonstigen Anlagen (Computersoftware...) d) Vorratsveränderungen: Bei dieser Größe werden die Veränderungen der Vorratsbestände erfasst, preisbedingte Veränderungen des Bestandes verucht man auszuschalten, da eine Pufferfunktion eintreten könnte. e) Die Exporte: Dazu zählen alle im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen, die vom Ausland nachgefragt werden. Die Summe der Komponenten a) bis d) bezeichnet man als letzte inländisch Verwendung, zusammen mit den Exporten spricht man von der letzten Verwendung. -68- Um die Nachfrage nach den im Inland produzierten Gütern zu erhalten, muss man die Importe von der letzten Verwendung abziehen. So gelangt man von der Verwendungsrechnung zum Bruttoinlandsprodukt. 16.2.3 Die Berechnung des Volkseinkommens über die Verteilungsrechnung Ausgehend vom Bruttoinlandsprodukts versucht die Verteilungsrechnung die Aufteilung des Volkseinkommens auf Arbeitnehmereinkommen und auf die Einkommen auf Unternehmertätigkeit und Vermögen zu ermitteln. Dabei entsteht das Problem, dass das BIP nicht berücksichtig, wie viel auf Ausländer entfällt, ebenso wird das Einkommen von Inländern im Ausland nicht berücksichtigt. Beides wird Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt berücksichtigt. Zieht man diesen vom BIP ab, so erhält man das Bruttonationaleinkommen(=Bruttosozialprodukt): BIP ‐ Saldo der Primäreinkommen = Bruttonationaleinkommen Für die Einkommensermittlung hat man zu berücksichtigen, dass ein Teil der in einem Jahr produzierten Güter dafür verwendet wurde, Maschinen zu ersetzten. Deswegn steht dieser Teil nicht als Einkommen zu Verfügung: • Bruttonationaleinkommen – Abschreibungen = Nettonationaleinkommen Jetzt kommt auch noch der Staat ins Spiel: Für die Verteilungsrechnung werden die indirekten Steuern von der Bruttowertschöpfung subtrahiert und die Subventionen addiert: • Nettonationaleinkommen – Produktionsabgaben und Importabgaben + Subventionen = Volkseinkommen Das Volkseinkommen fließt den Arbeitnehmern, Unternehmern und Vermögensbesitzers zu. Subtrahiert man die Arbeitnehmerentgelte vom Volksabkommen so erhält man die Unternehmer‐ und Vermögenseinkommen: • Volkseinkommen – Arbeitnehmerentgelte = Unternehmer‐ und Vermögenseinkommen 16.3 Die gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung Für viele volkswirtschaftliche Fragestellungen ist nun aber auch die Finanzierungsseite wichtig: Wie wurden das gesamtwirtschaftliche Angebot und Nachfrage finanziert? Antwort liefert die gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung, die die Deutsche Bundesbank jährlich erstellt. Sie zeigt auf, wie die volkswirtschaftliche Ersparnis verwendet worden ist und wie die Investitionen finanziert wurden. Dabei gilt stets folgender Zusammenhang: Bestand einer Periode + Zustrom in einer Periode – Abstrom einer Periode = Bestand am Ende einer Periode. Die wichtigsten Strom‐ und Bestandsgrößen sind: -69- Zahlungsmittel (=Bargeld und Sichtungslagen) Geldvermögen (=Differenz zw. den gesamten Forderungen und den Verbindlichkeiten) Vermögensbestand (=Reinvermögen) 16.3.3 Gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise Für die Analyse des gesamtwirtschaftlichen Geldvermögens ist es wichtig, zw. einer offenen und einer geschlossenen Volkswirtschaft zu unterscheiden. Eine geschlossene Volkswirtschaft ist heute kaum mehr zu finden, als Modellvorstellung ist sie jedoch hilfreich. In einer geschlossen Volkswirtschaft steht jeder Forderung eine Verbindlichkeit gegenüber; ihr gesamtwirtschaftlicher Geldvermögensbestand ist also gleich Null. Im Fall der offenen Volkswirtschaft kann das gesamtwirtschaftliche Geldvermögen größer oder kleiner als Null sein. Es gilt somit: • Einnahmen aus dem Ausland – Ausgaben an das Ausland = Geldvermögen = Saldo der Leistungsbilanz Die Veränderung des Geldvermögens stellt eine wichtige Komponente der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis einer Volkswirtschaft dar. 16.4 Die Zahlungsbilanz Ein drittes, wichtiges volkswirtschaftliches Rechnungswerk ist die Zahlungsbilanz. Sie zeichnet alle Leistungs‐ und Finanztransaktionen auf, die in einem Zeitabschnitt zw. Inland und Ausland stattgefunden haben. Die Zahlungsbilanz ist – trotz ihres Namens eine Stromrechnung. In der Leistungsbilanz werden alle Leistungstransaktionen erfasst. Die Kapitalbilanz stellt klar wie diese finanziert wurden. Außerdem werden alle reinen Finanztransaktionen aufgeführt. Häufig werden Finanztransaktionen, bei denen die Notenbank beteiligt ist, noch einmal separat in der Devisenbilanz abgebildet. 16.5.1 Saisonbereinigung Noch immer spielen Witterungseinflüsse eine wichtige Rolle für die Wirtschaftsentwicklung. Z.b.: Bauwirtschaft: In den Sommermonaten wird mehr gebaut; Preise bei agrarischen Produkten ist billiger bei Erntezeit, denn im Winter müssen sie importiert werden. Statistisch lässt sich nun mit Hilfe des Verfahrens der Saisonbereinigung eine „saisonbereinigte“ Zeitreihe ermitteln. Diese Verfahren ermitteln für jeden Monat einen „Saisonfaktor“, d.h. Einen Größe, die angibt, um wie viel ein Monatswert im langfristigen Durchschnitt über oder unter dem Jahresdurchschnitt liegt. 16.5.2 Hochrechnen auf Jahresraten Das Hochrechnen auf Jahresraten ermöglicht die Entwicklungen in verschiedenen Zeiträumen zu beobachten und zu vergleichen. Dieses Verfahren der Zeitreihenanalyse ist hilfsreich bei temporären Schocks (z.B. ein extrem kalter Winter) und wird häufiger in den USA als in Deutschland angewendet. -70- 16.5.3 Verwendung logarithmischer Werte Die logarithmische Darstellung ist eine hilfsreiche Methode bei der Analyse der Zeitreihen, die für die längerfristigen Beobachtungen geeignet ist. Die Zuwachsraten der beobachteten Größe werden optisch durch eine lineare Entwicklung einer Zeitreihe dargestellt. -71- Kapitel 17: Wie kommen das gesamtwirtschaftliche Angebot und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ins Gleichgewicht? 17.1 Überblick In diesem Kapitel wird versucht, eine Angebots‐ und eine Nachfragekurve für eine gesamte Volkswirtschaft zu bestimmen. Dies ist jedoch nicht ganz so einfach. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die Mikroökonomie nur den Markt eines einzelnen Gutes behandelt, bei dem das Einkommen der Nachfrager festlegt. Die Marktprozesse haben also darauf keine Rückwirkungen(=exogene Größe). In der Makroökonomie werden die Einkommen der Verbraucher im Marktprozess bestimmt. Das Einkommen ist also eine endogene Größe. Wir müssen also die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Angebot anders herleiten als in der Mikroökonomie. Außerdem muss man in der Makroökonomie auch immer den Arbeitsmarkt mit im Blick haben. Man muss also stets prüfen, was ein bestimmtes Gleichgewicht am Gütermarkt für das Ziel der Vollbeschäftigung bedeutet. 17.2 Die gesamtwirtschaftlichen Angebotspläne Für das gesamtwirtschaftliche Angebot, das von den Unternehmen bereitgestellt wird, gibt es in der Makroökonomie zwei unterschiedliche Erklärungsansätze: 1. Man fragt nach, wie hoch das Angebot bei den gegebenen technischen Möglichkeiten und bei Vollbeschäftigung am Arbeitsmarkt ausfallen wird. Man bezeichnet das so hergeleitete Angebot als Vollbeschäftigungsangebot oder auch als Produktpotenzial. 2. Alternativ geht man davon aus, dass sich die Unternehmen bei ihren Angebotsentscheidungen vor allem an der aktuellen Nachfragesituation ausrichten. Man kann das so hergeleitete Angebot als kurzfristiges Angebot bezeichnen. 17.2.1 Das gesamtwirtschaftliche Angebot bei Vollbeschäftigung Man kann sich auf zwei zentrale Aussagen beschränken: • das Arbeitsangebot nimmt durch die Arbeitnehmer zu • die Arbeitsnachfrage geht durch die Unternehmen zurück Außerdem gibt es drei Faktoren, von denen das Angebot bei Vollbeschäftigung bestimmt wird: 1. die Produktionstechnologie, die die Arbeitsnachfrage der Unternehmen aber auch die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion bestimmt 2. die Präferenzen der Erwerbstätigen für Freizeit‐ und Güterkonsum, die den Verlauf des Arbeitangebots bestimmen 3. der (konstante) Kapitalstock -72- Erwähnenswert ist, dass in der makroökonomischen Theorie das langfristige Angebot bei Vollbeschäftigung allein mikroökonomisch determiniert wird. Es bleibt daher völlig unbeeinflusst von zentralen makroökonomischen Größen wie z.B. dem Zinssatz, dem Preisniveau oder der Nachfragesituation. 17.2.2 Das kurzfristige Angebot Sehr vereinfacht kann man für das kurzfristige Angebot unterstellen, dass es genauso hoch ist wie die von dem Unternehmen erwartete Nachfrage. Man nimmt an, dass diese Erwartungen zutreffend sind. Das kurzfristige Angebot ist dann identisch mit der Nachfrage. Es hängt ganz von der aktuellen Nachfragesituation ab. 17.2.3 Kurzfristiges Angebot und Vollbeschäftigungsangebot In welchem Verhältnis stehen nun das kurzfristiges Angebot und das Vollbeschäftigungsangebot? Da das Vollbeschäftigungsangebot unter der Annahme der Ausnutzung aller Produktionsfaktoren hergeleitet wurde, kann man es als eine Obergrenze für das kurzfristige Angebot betrachten. Für das kurzfristige Angebot ist eine solch starre Obergrenze jedoch wenig realistisch, denn die Unternehmer haben stets die Möglichkeit mehr anzubieten (z.B. Überstunden, zusätzliche Maschinenlaufzeiten). Allerdings kann daraus eine konjunkturelle Überhitzung, die mit inflationären Spannungen verbunden ist, entstehen. 17.3 Die gesamtwirtschaftlichen Nachfragepläne Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen: private Konsumausgaben + staatliche Konsumausgaben + Investitionen + Vorratsveränderungen + Exporte – Importe = gesamtwirtschaftliche Nachfrage Vereinfacht lautet die gesamtwirtschaftliche Nachfrage (ohne Staat, Ausland und Vorräte): private Konsumausgaben + Investitionen = gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nun muss man herausfinden, wovon der Konsum und die Investitionen bestimmt werden. Wichtig ist, dass es sich hier um geplante Größen geht, man betreibt also eine Ex­ante­Analyse. Das laufende Einkommen der Haushalte stellt eine entscheidende Determinante ihres Einkommens ist. Außerdem besteht ein sind die in einer Volkswirtschaft erzielten Einkommen identisch mit der gesamtwirtschaftlichen Angebot. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen dem laufenden Einkommen und dem Konsum einer Periode. -73- Dieser Zusammenhang lässt sich in Form einer Konsumfunktion abbilden: Ct = a+bYt b ... marginale Konsumquote, a ... unabhängige (autonome) Konsumkomponente, Yt ... gesamtwirtschaftliche Angebot In diesem Schaubild werden die Konsumausgaben in Abhängigkeit vom gesamtwirtschaftlichen Angebot abgebildet. Nach der absoluten Einkommenshypothese hängt der Konsum nur von der laufenden Periode des Einkommens ab, nicht aber von den folgenden. Bei der permanenten Einkommenshypothese orientiert sich das Konsumverhalten am durchschnittlichen, permanenten Einkommen. Vorübergehende Einkommensänderungen haben insofern keine Änderung des Konsumverhaltens zur Folge. Bei der Lebenszyklushypothese ist das erwartete Lebenseinkommen maßgebend für das Konsumverhalten. 17.4 Wir leiten das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht her Wie schon erwähnt geht es in der Ökonomie vor allem darum, ob und wie unabhängig voneinander gebildete Pläne der Nachfrager und Anbieter ins Gleichgewicht gebracht werden können. Unter einem Gleichgewicht versteht man eine Situation, in der die Pläne von Anbietern und Nachfragern so zusammenpassen, dass weder ein Angebot‐ noch ein Nachfrageüberschuss bestehen. 17.4.1 Grafische und formale Herleitung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Für die grafische Herleitung siehe Schaubild. Die zentrale Aussage dieses einfachen Modells besteht darin, dass ein solches „Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung“ eine Beharrungstendenz aufweist. Es kommt also allein über Marktprozesse nicht dazu, dass die Output‐Lücke geschlossen wird. Das grafisch ermittelte Ergebnis kann nun auch formal hergeleitet werden: -74- Yn = a + bY + I (gesamtwirtschaftliche Nachfrage) Ya = Y (kurzfristiges gesamtwirtschaftliches Angebot) Ya = Yn (Gleichgewichtsbedingung) Mit diesem Gleichungssystem wollen wir zwei Größen errechnen, das gesamtwirtschaftliche Angebot und Nachfrage. 17.4.2 Alternative Lösungen Ein wichtiges Grundprinzip der makroökonomischen Gleichgewichtsanalyse: Da die Determinanten des Vollbeschäftigungsoutputs vollständig unabhängig von den Bestimmungsgründen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sind, hängt es weitgehend vom Konsum und den Investitionen ab, in welcher der drei Situationen sich eine Volkswirtschaft befindet: 1. In einem Unterbeschäftigungsgleichgewicht (=deflationären Lücke) ist die Nachfrage zu gering, um die vorhandenen Kapazitäten und insbesondere das vorhandene Arbeitsangebot voll auszulasten. 2. In einem Überhitzungsgleichgewicht (=inflationäre Lücke) ist genau das Gegenteil der Fall. Es werden von Konsumenten, Investoren oder dem Ausland mehr Güter nachgefragt als von den inländischen Produzenten ohne inflationären Spannungen angeboten werden können. 3. Nur im Vollbeschäftigungsgleichgewicht passt alles zusammen. Der starke Einfluss der Nachfrage auf den Zustand einer Volkswirtschaft bietet damit auch eine erste Erklärung dafür, dass wir über längere Zeiten hinweg bestimmte Schwankungsmuster des Wirtschaftsprozesses erkennen können. Wie kommt es jedoch zu diesen zyklischen Schwankungen der Investitionen? In einer stabilen wirtschaftlichen Situation werden die Unternehmen hohe Investitionen vornehmen, dies erhöht die Einkommen. Die Investitionen erhöhen aber nun gleichzeitig den Vollbeschäftigungsoutput. Dabei besteht die Gefahr, dass ein Investitionsboom allmählich zu Überkapazitäten führt und sich so einen deflationäre Lücke aufbaut. Als Folge nimmt die Investitionsneigung drastisch ab und es ergeben sich negative Effekte auf die Nachfrage. Die Frage, ob eine Wirtschaft von sich aus zu einem Vollbeschäftigungsgleichgewicht tendiert, ist sehr wichtig für die Makroökonomie. Im 18. und 19. Jahrhundert ging man davon aus, dass die Nachfrage immer groß genug sei, um das gesamte Angebot auch zu decken. Bekanntester Verfechter war der Ökonom Say, der meinte es könne nie zu einer Output‐Lücke kommen (Say's Law). Die nachfolgenden Krisen und Rezessionen belegten das Gegenteil. Der Ökonom Keynes war der erste der dafür eine umfassende Theorie entwickelte. -75- 17.5 Was eine negative Output­Lücke für den Markt bedeutet In der Situation mit einer negativen Output‐Lücke wissen die Unternehmer, dass sie mit ihrem Angebot an die starre Schranke der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage stoßen. Sie werden deshalb auf keinen Fall mehr Arbeitskräfte einstellen, als sie benötigen. Die Beschäftigung wird also ganz von der Nachfrageseite bestimmt. Die auf dem Gütermarkt bestehende Beschränkung des Güterangebots führt also zu einer Rationierung auf dem Arbeitsmarkt. (siehe Schaubild) Die auf diese Weise entstandene Arbeitslosigkeit bezeichnet man auch als konjunkturelle oder als keynesianische Arbeitslosigkeit. Das Gegenstück dazu ist die klassische Arbeitslosigkeit, die man auch als Mindestlohn‐Arbeitslosigkeit bezeichnet. Diese tritt auch dann auf, wenn wegen eines zu hohen Lohnniveaus auf dem Gütermarkt keine deflatorische Lücke besteht. -76- Kapitel 18: Die Stabilisierungsaufgabe des Staates 18.1 die Selbstheilungskräfte des Marktes können unzureichend sein Arbeitslosigkeit = gesamtwirtschaftl. Nachfrage < Vollbeschäftigungsangebot Da Investitionen im Zeitablauf stark schwanken ‐> in allen Ländern immer wieder Unterbeschäftigungs‐Gleichgewicht Aus dem Modell aus Kapitel 17 kann man ableiten, dass die keynesianische Arbeitslosigkeit nicht einfach durch Verminderung des Reallohns behoben werden kann. Anders als bei einer klassischen Arbeitslosigkeit sind die Selbstheilungskräfte des Marktes also nicht in der Lage, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Stabilisierungsfunktion des Staates ist angesprochen(Kap. 11) (auch beim entgegengesetzten Störfall, da bei einer positiver Output‐Lücke ‐> Inflation ‐ > soziale Kosten) Zwei wichtige Handlungsparameter für den Staat: 1. Die Staatsausgaben 2. Die Steuersätze 18.2 Wie man mit Staatsausgaben für Vollbeschäftigung sorgen kann Im Modell wird angenommen, der Staat tätigt – wie die Konsumenten oder Investoren – die Ausgaben (zunächst werden keine Steuern berücksichtigt). Staat finanziert seine Ausgaben über Kredite. ‐> Die gesamtwirtschaftl. Nachfrage wird dann um die Staatsausgaben (G) ergänzt: Yn = a + bY + I + G Als Ausgangssituation ‐> in Kap. 17 beschriebene neg. Output‐Lücke in Punkt A mit einem Gleichgewichts‐Output von 6 Mio €, der unter dem Vollbeschäftigungs‐Output von 8 Mio € liegt. (Schaubild 18.1 im Buch) Wie hoch müssen die Staatsausgaben sein, wenn man den Vollbeschäftigungsoutput von 8 Mio € erreichen will? -77- Formale Lösung: Zunächst wird das Gleichgewichtseinkommen Y für eine Modellwelt mit Staatsausgaben (G) errechnet. Yn = a + bY + I + G (gesamtwirtschaftl. Nachfrage) Ya = Y (gesamtwirtschaftl. Angebot) Ya = Yn (Gleichgewichtsbedingung) Mit den oberen 3 Formeln ergibt sich für den Gleichgewichtswert (Y) Für die konkreten Werte von a=2, b=0,5 und I=1 benötigen wir also Staatsausgaben in der Höhe von 1 Mio €, um das Vollbeschäftigungseinkommen von 8 Mio € zu realisieren. Wie wirkt eine Erhöhung der Staatsausgaben auf den Gleichgewichtswert? Die Gleichung wird nach G abgeleitet: Bei b=0,5 beträgt der Multiplikator 2 (auch bei der graphischen Analyse 18.1 zu erkennen) -78- Wie kann der Staat seine Ausgaben finanzieren? Vollbeschäftigungseinkommen 8 Mio € Private Ausgaben autonomen Konsum 2 Mio € Private Ausgaben einkommensabhängiger Konsum 4 Mio € Investitionen v. Unternehmen 1 Mio € (finanziert durch Kredite bei den Privaten) Privater Geldvermögens‐Ersparnis 1 Mio € (kann für den Kauf von Staatsanleihen verwendet werden) Staatsausgeben ‐> Vollbeschäftigungseinkommen ‐> Geldvermögensbildungspläne private Haushalte & Staat entsprechen den Investitionsplänen der Unternehmen ‐> beide belaufen sich auf 1 Mio € Das Zahlenbeispiel verdeutlicht, dass es für den stimulierenden Effekt der Staatsausgaben im Prinzip ohne Bedeutung ist, welche Güter damit gekauft werden. 18.3 Auch mit Steuersenkungen kann man die Wirtschaft beleben Einführung der Einkommensteuer (in das Modell, da makroökonomischen Wirkungen relativ einfach zu beschreiben sind) Annahme: Steuer ist ein fester Betrag (T), der nicht von der Höhe des Volkseinkommens bestimmt wird. Haushalte müssen nun bei ihrer Konsumentscheidung nicht mehr von ihrem Brutto‐ Einkommen (Y) sondern von ihrem Netto‐Einkommen (YN) ausgehen YN = Y – T Konsumfunktion in allgemeiner Form: C = C(YN) Oder konkret: C = a + b(Y­T) Auf der Nachfrageseite haben wir bereits den Konsum des Staates angesprochen (G). Auch hier wird unterstellt, dass diese Größe nicht vom Volkseinkommen abhängt. Außerdem sind nun in den Investitionen(I) auch die Investitionen des Staates enthalten. Die gesamtwirtschaftl. Nachfrage lautet dann: Yn = a + b(Y­T) + G + I -79- Es gilt weiterhin: Ya = Y (gesamtwirtschaftl. Angebot) Ya = Yn (Gleichgewichtsbedingung) Als Gleichgewichtswert (Y) ergibt sich dann: Um den Einfluss auf die gesamtwirtschaftl. Nachfrage zu bestimmen, muss man die zuvor genannte Gleichung nach T ableiten. Da sich b zwischen 0 und 1 bewegt, ist der Multiplikator einer Steueränderung also immer geringer als der von einer Veränderung der Staatsausgaben ausgehende Impuls. Dies liegt daran, dass zusätzliche Staatsausgaben stets zu 100% nachfragewirksam sind, während die Haushalte bei einer Steuersenkung stets einen Teil des so verfügbar gemachten Einkommens sparen. Der Multiplikator von Steueränderungen ist daher umso geringer, je höher die Sparquote ist. Annahme: die autonomen Investitionen liegen bei 1 Mio € der autonome Konsum bei 2 Mio € b sei wieder 0,5 Steuern und Staatsausgaben 1 Mio € Über die Gleichung Y = von: 1 (a − bT + G + I ) erhalten wir einen Gleichgewichts‐Output 1− b € Bei einem Vollbeschäftigungs‐Output von 8 Mio € würde bei den hier gewählten, hypothetischen Werten also wiederum eine deflatorische Lücke bestehen (siehe Schaubild). -80- Die Gleichung zeigt, dass die Arbeitslosigkeit beseitigt werden kann, wenn der Staat die Steuern um 1 Mio € senkt. d.h. der Multiplikator der Steuersenkung = 1 (dies kann man für b=0,5 aus der Gleichung leicht nachvollziehen) Bei Staatsausgaben von 1 Mio € fehlen dem Staat die Einnahmen. Das Defizit des Staates kann durch die Geldvermögens‐Ersparnisse der Haushalte finanziert werden. Diese belaufen sich wiederum auf 2 Mio €, wovon nur 1 Mio € zur Finanzierung der Investitionen benötigt wird. 18.4 Antizyklische Fiskalpolitik und ihre Probleme Mit Steuer‐ und Ausgabenpolitik verfügt der Staat über wirksame Instrumente zur Stabilisierung des Konjunkturverlaufs. Er kann daher ausgleichend wirken, wenn die Wirtschaft von pos. oder neg. Nachfrageschocks betroffen wird. Annahme: Investitionen schwanken stark in jedem geraden Jahr liegen sie bei 0,5 Mio € in jedem ungeraden Jahr liegen sie bei 1,5 Mio € Passive Fiskalpolitik ‐> die Wirtschaft befindet sich je nachdem immer in einer deflatorischen oder inflatorischen Lücke. (Schaubild 18.3A Seite 385) -81- Stabilisierung durch Steuern ‐> der Staat kann dem entgegenwirken indem er in einem ungeraden Jahr 1 Mio € Steuern fordert und in einem geraden Jahr den Privaten einen neg. Steuer (d.h. Transfers) von 1 Mio € zukommen lässt. (Schaubild 18.3B Seite 386) Stabilisierung durch Staatsausgaben ‐> Alternativ könnte er n den ungeraden Jahren die Ausgaben auf 0,5 Mio € senken und sie in den geraden Jahren auf 1,5 Mio € erhöhen (Schaubild 18.3C Seite 386) Mit diesen Strategien wäre es möglich, die Wirtschaft stets in einem Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung und ohne inflationäre Spannungen zu halten. In den 80ern entwickelten sich die Staatsausgaben mehr oder weniger parallel zur Wirtschaftsentwicklung. Anstelle einer antizyklischen wurde eine prozyklische Fiskalpolitik verfolgt. Grundsätzliches Problem einer antizyklischen Fiskalpolitik: Sie lässt sich in Rezessionsphasen relativ leicht umsetzen. Niemand hat etwas dagegen, wenn ein neues Schwimmbad gebaut wird oder die Steuern gesenkt werden. Im Boom ist es dann jedoch politisch meist sehr schwierig, die dann erforderlichen restriktiven Maßnahmen durchzusetzen. Es müssen dann zB. Beschäftigte im öffentl. Dienst entlassen werden, dringend benötigte Baumaßnahmen verschoben oder die Steuern erhöht werden. Im Ganzen kann es zu einem kontinuierlichen Anstieg der Staatsverschuldung kommen, die früher oder später untragbar wird. Ein weiteres Problem besteht darin, dass es im Voraus oft sehr schwierig ist, eine konjunkturelle Abschwächung zu prognostizieren. Kritikpunkt ist auch die „Ricardianische Äquivalenz“ Je höher die Budgetdefizite sinkendes Vertrauen der Investoren & Konsumenten in die Zukunft (höhere Zinsen oder Steuern werden gefürchtet ‐> man spart, statt zu konsumieren) Wirtschaft schwächt sich infolgedessen ab Beschäftigung sinkt Bei dieser Sichtweise ist die antizyklische Fiskalpolitik wirkungslos, da das was der Staat durch höhere Defizite an zusätzlicher Nachfrage generiert, in gleicher Höhe durch eine steigende Geld‐Ersparnis des privaten Sektors kompensiert wird. Ricardianische Äquivalenz wird in der Realität nur selten beobachtet! -82- Beispiel USA: Staatsdefizit in den letzen Jahren massiv ausgeweitet. Trotzdem haben die Haushalte nicht mehr sondern sogar weniger gespart. (Schaubild 18.7 Seite 391) 18.5 Die automatischen Stabilisatoren Modell wird so umgeformt, dass die Steuern abhängig vom Einkommen gezahlt werden. t=Steuersatz T = tY Das verfügbare Einkommen beläuft sich dann auf: YN = Y – tY Der Konsum beträgt also: C = a + b(Y – tY) Die gesamtwirtschaftl. Nachfrage lautet dann: Yn = a + b(Y – tY) + I + G Im Gleichgewicht mit Yn = Ya = Y gilt: Für einen Steuersatz von 0,25 und Staatsausgaben in der Höhe von 2 Mio € ergibt sich ein Gleichgewichtswert von: Die Wirtschaft würde sich also im Zustand der Vollbeschäftigung befinden. Mit Steuereinnahmen und Staatsausgaben in der Höhe von jeweils 2 Mio € wäre der Staatshaushalt im Gleichgewicht. Was geschieht im Fall eine Nachfrageschocks? Aus der Gleichung können wir errechnen, dass das Gleichgewichtseinkommen auf 6,4 Mio € sinkt. Die Steuereinnahmen betragen dann nur noch 0,25 mal 6,4 Mio € d.h. 1,5 Mio €. Bei unveränderten Ausgaben ergibt sich ein Defizit von 0,4 Mio €. Umgekehrt würde bei einem Anstieg der Investitionen auf 2 Mio € das Gleichgewichtseinkommen auf 9,6 Mio € ansteigen, die Steuereinnahmen beliefen sich dann auf 2,4 Mio €. -83- Jetzt käme es zu einem Überschuss im Staatshaushalt von 0,4 Mio €. Wie das Schaubild 18.8 Seite 392 verdeutlicht, kann es also durch konjunkturelle Schocks zu Schwankungen der Neuverschuldung des Staates kommen, ohne dass dazu durch politische Entscheidungen die Staatsausgaben oder Steuersätze verändert werden müssen. Da in diesem Fall die Verschuldung antizyklisch variiert wird, ohne dass staatliche Entscheidungen getroffen werden müssen, spricht man von „automatischen Stabilisatoren“. In der Realität zählen hierzu nicht nur die Steuereinnahmen, sondern auch die Staatsausgaben. (Vor allem die Ausgaben für die Arbeitslosigkeit schwanken konjunkturell sehr stark) Für die Analyse der Fiskalpolitik ist es wichtig, die Effekte von Politik‐Änderungen und automatischen Stabilisatoren auseinander zu halten. ‐> Messkonzept des „strukturellen Defizits“ (BSS)‐> hypothetischer Budgetsaldo, der unter der Annahme der Vollbeschäftigung errechnet wird: BSS = G ‐tYV Der (unbereinigte) Budgetsaldo geht von den tatsächlichen Einnahmen aus: BS = G –tY Vorteil des strukturellen Defizits: Es wird nur von Politik Änderungen beeinflusst. Man kann also sehen in welchem Umfang eine Regierung aktiv auf die Wirtschaftslage Einfluss nimmt. -84- Die blaue Linie zeigt die Schwankungen des tatsächlichen Budgetsaldos. Die rote Linie zeigt, dass das strukturelle Defizit trotz konjunktureller Schwankungen unverändert bleibt. ‐> Daraus kann man schließen, dass die Veränderungen des tatsächlichen Defizits allein auf die Effekte der automatischen Stabilisatoren zurückzuführen sind. -85- Kapitel 19: Wie der Wirtschaftsprozess durch die Notenbank stabilisiert werden kann 19.2 Das Zinsniveau ist eine wichtige Determinante der gesamtwirtschaftl. Nachfrage Bei Betrachtung des Schaubilds 15.8 können wir erkennen, dass jede Rezession von einem deutlichen Anstieg des Zinsniveaus ausgelöst wurde. Dieser starke Einfluss der Zinsen auf die wirtschaftliche Aktivität kann mit zwei unterschiedlichen Theorieansätzen erklärt werden: 1. Der traditionellen Theorie der Investitionsnachfrage 2. Der neueren Theorie des Bilanzkanals („Balance sheet channel“) 19.2.1 Die traditionelle Theorie der Investitionsnachfrage In der Investitionsplanung spielt der Zinssatz eine zentrale Rolle Annahme: Ein Wirt plant eine Ausweitung seines Bierkellers, die Ihn 500.000 € kostet. Er erwartet, dass er dadurch in den nächsten 10 Jahren zusätzliche Einzahlungen in der Höhe von 120.000 € pro Jahr tätigen kann, seine zusätzlichen Auszahlungen belaufen sich auf 30.000 €. Das Projekt bringt ihm also einen jährlichen Einzahlungsüberschuss von 90.000 €. Soll er die Investition durchführen? Zuerst: Errechnung des Kapitalwerts. Dazu subtrahiert man die Anfangsauszahlung von der Summe der Barwerte. Dieses Verfahren erlaubt es, die in verschiedenen Perioden anfallenden Zahlungen vergleichbar zu machen, indem sie auf die Gegenwart abgezinst („abdiskontiert“) werden. Wenn der Wirt für seine Investitionen einen Kredit aufnehmen muss, der zu 8% verzinst wird, kann er den Kapitalwert seiner Investition wie folgt errechnen: -86- Der Kapitalwert ist also positiv. ‐> d.h. es lohnt sich für den Wirt, den Bierkeller zu erweitern. In der Volkswirtschaft ist dieses Verfahren das geeignetste um zu ermitteln, ob eine Investitionen bzw. ein geplantes Projekt rentabel ist oder nicht. „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“ (volkswirtschaftl.) „interner Zinsfuß“ (betriebswirtschaftl.) Ist jener Zinssatz, bei dem der Barwert gerade noch der Anfangszahlung entspricht. Wenn man davon ausgeht, dass alle Projekte kreditfinanziert werden, hängt die tatsächliche Investitionsaktivität allein vom Kreditzins ab! Das in einer Volkswirtschaft vorherrschende Zinsniveau hat also einen wichtigen Einfluss auf die Investitionstätigkeit. Die Volkswirtschaft bildet den Zusammenhang mit der Investitionsfunktion ab, bei der die Investitionstätigkeit einen negativen Zusammenhang zum Kreditzinssatz aufweist. I = d – n + i Ähnlich der Nachfragefunktion (Kap.5) unterstellt die Investitionsfunktion, dass es bei einem Zinssatz von Null „eine Sättigungsmenge“ gibt, d.h. ein maximal durchführbares Investitionsvolumen in Höhe von d. Mit einem steigenden Zinssatz geht dann die Investitionsmenge kontinuierlich zurück. Problem: Es ist für Investoren keinesfalls zwingend, bei temporär höheren Zinsen auf ein an sich rentables Investitionsprojekt zu verzichten. So lange sich die Möglichkeit einer kurzfristigen Finanzierung bietet, sind sie grundsätzlich in der Lage eine zeitweilige Hochzinsphase einfach zu „ untertunneln“. So wäre es für unseren Wirt rentabel, die ersten drei Jahre einen Zinssatz von 15% zu zahlen, wenn er in den folgenden Jahren nur noch mit Zinsen von 8% rechnen muss; der Kapitalwert beliefe sich dabei auf 77.500 € Zudem ist die Unsicherheit der meisten Investitionsprojekte sehr hoch. Unser Wirt wird sich also ohnehin nur für die Erweiterung begeistern, wenn sie ihm eine Mindestrendite von etwa 10% bringt. • Das Problem wird im Schaubild 19.3 Seite 408 ersichtlich. Die Investitionen werden dabei als Abweichung des Investitionsvolumens von seinem Trend dargestellt. Als Zinssatz wird der reale Kapitalmarktzins genommen. Man sieht an diesem Diagramm, dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen nicht besonders gut ist. -87- 19.2.2 Der Einfluss der Zinsen auf die Unternehmensbilanzen „Bilanzkanal“ („balance sheet channel“) = zweiter zinspolitischer Transmissionskanal, der in den letzten Jahren entwickelt wurde Grundlage ist der „Leverage­Effekt“ (aus der BWL) Einem Unternehmen ist es möglich, immer dann seine Eigenkapitalrendite durch die Aufnahme von Fremdkapital zu verbessern, wenn die Fremdkapitalrendite geringer ist als die Rendite des Gesamtkapitals. Entscheidend hierfür ist der allgemeine Zusammenhang zwischen Gesamt‐, Fremd‐ und Eigenkapitalrendite: Da sich das Gesamtkapital aus dem Eigen‐ und dem Fremdkapital zusammensetzt, kann man den Term rGK(GK/EK) auch darstellen als: Setzt man dies in Gleichung ein, erhält man: Der „Leverage‐Effekt“ zeigt sich also daran, dass man bei rGK > rFK die Möglichkeit hat, die Eigenkapitalrendite durch eine Ausweitung der Fremdfinanzierung, d.h. FK/EK steigt, „hochzuhebeln“. • Beispiel für den „Leverage‐Effekt“ Seite 409 Box 19.1 Für die Geldpolitik ist dieser Zusammenhang interessant, da ‐> Fremdkapitalrendite = Kreditzinsen (und diese können von der Notenbank gut gesteuert werden) Eine Hochzinspolitik hat in diesem Modellrahmen also den entscheidenden Effekt, dass rFK nach oben getrieben wird, wodurch die Eigenkapitalrendite vermindert wird. Bei sehr hohen Zinsen kann es auch dazu kommen, dass an sich profitable Unternehmen eine negative Eigenkapitalrendite ausweisen; sie machen also Verluste! -88- Notenbank kann vor allem dann starke Effekte auf die Unternehmen ausüben, wenn • Diese einen hohen Verschuldungsgrad(FK/EK) aufweisen; zB. Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen nur ca. 21% (Tabelle 19.1 Seite 410)‐> sehr gering • Die Verschuldung vor allem kurzfristig ist, so dass sich eine restriktive Zinspolitik auf einen sehr hohen Teil des Fremdkapitals auswirkt. Auswirkungen des Bilanzkanals auf die Unternehmenspolitik sind viel direkter und umfassender als die der traditionellen Theorie der Investitionsnachfrage. Bilanzkanal in gleicher Weise formal abzubilden wie die traditionelle Theorie der Investitionsnachfrage. Es kommt wiederum dazu, dass die Investitionstätigkeit abnimmt, wenn die Zinsen steigen. Der Einfluss der Zinsen auf das Investitionsverhalten wird dadurch jedoch verstärkt. Man spricht auch vom „financial acceleator“ Hochzinspolitik Reduziert Eigenkapitalrendite ‐> diese kann negativ werden Wirkt sich auf neue Investitionsprojekte aus Wirkt sich auf die gesamte Unternehmenspolitik aus Management ist bestrebt Kosten zu reduzieren Entlassungen/Stornierung v. Aufträgen/geringeren Unternehmenskonsum Auch die Einnahmen anderer Unternehmen werden vermindert Gesamtkapitalrate in der Volkswirtschaft sinkt Hochzinspolitik erfasst somit das wirtschaftl. Geschehen auf breiter Front. 19.2.3 Wir können jetzt die gesamtwirtschaftl. Nachfrage in Abhängigkeit vom Zinssatz bestimmen Modellwelt ohne den Staat, wie in Kap. 17 Dazu setzten wir anstelle eines konstanten Investitionsvolumens von I eine zinsabhängige Investitionsfunktion mit den konkreten Werten: I = 10­2i -89- Das bisher unterstellte Investitionsvolumen in Höhe von 1 Mio € entspricht dabei einem Zinssatz von 4,5%.(gesamtwirtschaftl. Nachfrage im Ya –Yn ‐Diagramm / Schaubild 19.4 Seite 413) Die gesamtwirtschaftl. Nachfrage steigt, wenn das Zinsniveau abnimmt. Da sich laut Keynes das kurzfristige gesamtwirtschaftliche Angebot stets an die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anpasst, entsprich jedem Wert für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage auf der vom Zins abhängigen Nachfragekurve auch ein Wert für das gesamtwirtschaftliche Angebot, welches wiederum mit dem Volkseinkommen identisch ist. Formal kann man das Gleichgewichtseinkommen wie folgt herleiten ‐> Die gesamtwirtschaftl. Nachfrage lautet: Yn = a + bY +(d – ni) Das kurzfristige gesamtwirtschaftl. Angebot ist wie bisher: Ya =Y Für den Gleichgewichtsoutput Y = Ya =Yn erhalten wir dann: Die im i/Y‐Diagramm abgebildete, vom Zinssatz abhängige gesamtwirtschaftl. Nachfrage, die im Gleichgewicht dem Angebot entspricht, erhalten wir, wenn wir diese Gleichung nach i auflösen: Sie besitzt eine neg. Steigung, da die gesamtwirtschaftl. Nachfrage abnimmt, wenn der Zinssatz steigt. Die neg. Steigung ist daher umso ausgeprägter, • je geringer die marginale Konsumquote(b) ist und • je geringer der Einfluss von Zinsänderungen auf die Investitionen(n) ausfällt -90- politik 19.3 Die Notenbank kann die gesamtwirtschaftliche Nachfrage mit ihrer mtwirtschaftliche Nachfrage wird vom Zinsniveau Zinspolitik steuern mt, das von der Notenbank bestimmt wird. Die Notenbank kann die Kreditzinsen der Banken recht gut beeinflussen und so das Niveau der zinsabhängigen Investitionen und der Gesamtnachfrage insgesamt steuern. olitik hat bedeutende Stabilisierungsfunktion " Zinsniveaus, die die Europäische Zentralbank seit Beginn ihrer Tätigkeit angesteuert e im IS-LM Diagramm horizontal hat. Leitzinsen der EZB: Grundlagen der Ökonomie „interest rate smoothing“ Ein kleines theoretisches Modell... Vorgehen bei dem die Zinsen (in der Regel) behutsam angepasst werden Ähnlich der Fiskalpolitik ist auch die Geldpolitik in der Lage, mit ihrem Handlungsparameter, d.h. dem Zins, die gesamtwirtschaftl. Entwicklung zu steuern und zu stabilisieren. Outputlücke kann geschlossen werden, wenn der Zinssatz der Notenbank entsprechend angepasst wird! 11 Grundlagen der Ökonomie -91- 19.4 Die Praxis der Geldpolitik ist sehr viel komplexer als unser Modell Mit dem Modell können zwar erste grundlegende Wirkungszusammenhänge der Geldpolitik beschrieben werden, jedoch beschränkt sich das Geschäft der Notenbank nicht darauf, auf einer Nachfragekurve die Zins‐Output‐Kombination zu wählen, die mit Vollbeschäftigung einhergeht. Viel wichtiger für die Europ. Notenbank ist das Ziel der Geldwertstabilität! Der Geldpolitik stellen sich in der Praxis eine Reihe von schwierigen Problemen. Diese resultieren daraus. . . . . . dass die Geldtheorie noch immer nicht sehr gut über den Transmissionsprozess der Geldpolitik informiert ist d.h. also über den Mechanismus, der für das Durchwirken zinspolitischer Impulse auf den Output, das Preisniveau und die Beschäftigung verantwortlich ist. . . . Es ist nicht sicher, ob es neben dem in der zinsabhängigen Nachfragekurve beschriebenen Zusammenhang nicht auch noch andere theoretische Wirkungszusammenhänge für die Geldpolitik gibt. Die EZB stützt sich insbesondere auch auf den Einfluss der Geldmengenentwicklung auf die Inflationsrate. Man bezeichnet dies als Modellunsicherheit! . . . dass die Notenbank die genaue Lage der zinsabhängigen Nachfragekurve ebenso wenig kennt wie ihre Steigung. d.h. sie kann den genauen Effekt von Zinsänderungen auf die Nachfrage nicht ermitteln. Man spricht hier von Diagnoseunsicherheit! Diese bezieht sich auch auf die Wirkungsverzögerungen („time‐lags“) der Geldpolitik. In der Geldpolitik hat man es mit „langen und variablen Wirkungsverzögerungen“ zu tun Die EZB ist zu dem Ergebnis gekommen, dass zinspolitische Maßnahmen ihre maximalen Effekte auf das reale Wirtschaftswachstum und die Inflationsrate erst nach rund zwei Jahren erzielen. -92- Klassische Zinstheorie Keine Notenbank, Z vollkommen auf dem bestimmt ! Unternehmen produ Vollbeschäftigungso ! Angebot: geplante E der HH, Ersparnis u Konsum zinsabhäng ! Nachfrage: geplante Investitionstätigkeit d Unternehmen (zinsa ! Stets Ersparnis = Investitionen bei Das Schaubild zeigt, dass es für Notenbanken keine Alternative zu einer aktiven Vollbeschäftigung ! Steuerung des Zinses gibt. Würde sich eine Notenbank für eine Politik des konstanten Zinssatzes entscheiden, Grundlagen der Ökonomie 13 würde dies bei Nachfrageschocks zu destabilisierenden Effekten führen. 19.5 Ergänzend: Der Zinsmechanismus in der Welt der klassischen Ökonomen „Liquiditätsfalle“ (Keynes) Extremfall, dass alle geplanten Ersparnisse in Bargeld oder unverzinslichen Sichtguthaben gehalten werden. In diesem Fall ist der Effekt einer zusätzlichen Ersparnis auf dem Kapitalmarkt, und das Zinsniveau, gleich Null. Für Keynes hängt der Zins am Kapitalmarkt deshalb allein davon ab, ob Ersparnisse eher längerfristig oder eher kurzfristig angelegt werden. -93- Kapitel 20: Das makroökonomische Zusammenspiel zwischen Geld‐ und Fiskalpolitik Die Geld‐ und die Fiskalpolitik sind die zwei großen Aktionsfelder der Makroökonomie. Sie dienen, vor allem bei Nachfrageschocks der Stabilisierung des Wirtschaftsprozesses. Geldpolitik: Summe der wirtschaftspolitischen Maßnahmen welche die Zentralbank = Notenbank vornimmt um ihre Ziele zu verwirklichen. Sie kann sehr schnell eingesetzt werden und ist jederzeit reversibel. z.B.: Steuerung des Zinsniveaus Fiskalpolitik: wirtschaftspolitische Maßnahmen die der Staat treffen kann, um zur Stabilität beizutragen. z.B.: Beeinflussung von Steuern und Staatsausgaben Nachfrageschock: Verschiebung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch Veränderungen o im privaten Konsum o im Staatskonsum o der Exporte o der Importe oder o der Investitionen. Die Grundfrage ist die der konkreten wirtschaftspolitischen Rollenverteilung („assignment“). Wann soll die Zentralbank eingreifen und wann ist es besser, wenn die Regierung aktiv in den Konjunkturverlauf eingreift? Unterschiede in der Rollenverteilung von Geld‐ und Fiskalpolitik im Euroraum: Nachfrageschock Euroraum Geldpolitik National EZB kann direkt und rasch reagieren EZB kann nicht gezielt reagieren Fiskalpolitik keine Fiskalpolitik auf EU‐Ebene ‐> Problem der Koordination nationale Fiskalpolitik kann gezielt reagieren; Handlungsspielräume eingeschränkt -94- Für die Anwendbarkeit und Effizienz von geld‐ und fiskalpolitischen Maßnahmen sind diese Aspekte von Bedeutung: o der Zeitbedarf der Entscheidungsprozesse, o die mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen verbundenen Wirkungsverzögerungen und o die Reversibilität von expansiven Maßnahmen. Geldpolitik Fiskalpolitik Zeitbedarf der Entscheidungsprozesse kurz, durch Entscheidungsgremien zeitraubender Abstimmungsprozess Wirkungsverzögerung lange und variable Wirkungsverzögerung direkte Wirkung Reversibilität Vorteil, wenn die geldpolitischen Entscheidungsträger politisch unabhängig sind (z.B.: EZB) einfach Entscheidungen zu treffen (z.B.: Steuersenkungen), oft wird aber auf die Folgekosten vergessen -95- Kapitel 21: Wie die Zinsen in einer Volkswirtschaft durch die Notenbank gesteuert werden Bisher wurde zur Vereinfachung immer angenommen, dass die Notenbank=Zentralbank den für Investitionsentscheidungen relevanten Zinssatz perfekt kontrollieren kann. Dabei muss es sich um einen Zins handeln, der von den Banken für Kredite an Unternehmen gefordert wird. Die Einflussnahme der EZB auf diesen Zins wird in der Volkswirtschaftslehre unter dem Begriff „Geldangebotsprozess“ diskutiert. Dabei handelt es sich um zwei interdependente (= gegen‐/wechselseitig abhängige) Kreisläufe. 1. Kreislauf: Interaktion zwischen einer Bank und ihren Kunden. Diese benötigen oft mehr Geld als sie selbst zur Verfügung haben und fragen deshalb bei der Bank um einen Kredit nach. 2. Kreislauf: Zusammenspiel zwischen der Notenbank und den Banken. Auch Banken können einen Liquiditätsbedarf aufweisen, den sie selbst nicht decken können. Deshalb müssen sie bei der EZB oder bei anderen Banken um einen Kredit anfragen und sich verschulden. Ausgangspunkt für die gesamte Steuerung des Wirtschafts‐prozesses durch die Zentralbank ist die Tatsache, dass Unternehmen und Haushalte für ihre Transaktionen Geld benötigen. Der Bedarf an Geld wird in der Volkswirtschaftslehre in der Theorie der Geldnachfrage beschrieben. Die einfachste Variante basiert auf der so genannten Quantitätstheorie: nominelle Geldmenge (M) * Umlaufgeschwindigkeit (v) = Preisniveau (P) * realem Volkseinkommen (Y) Die Umlaufgeschwindigkeit (v) kann nicht unabhängig ermittelt werden. Sie wird aus den statistisch verfügbaren Werten von M, P und Y errechnet. Wenn man eine konstante Umlaufgeschwindigkeit ( ) annimmt, kann man aus der Quantitätsgleichung eine Geldnachfrage­funktion ableiten: -96- Normalerweise formuliert man die Geldnachfrage als eine reale Geldnachfrage, das heißt man dividiert die vorige Formel durch P. Außerdem wird in der so genannten „Cambridge‐Form“ anstelle von (1/ ) der Kehrwert ( ) verwendet: Zentrale Aussage der Geldnachfragetheorie ist, dass die reale Geldnachfrage vom realen Transaktionsvolumen bestimmt wird. Kreditangebot einer einzelnen Bank Beispiel: Herr Müller möchte sich ein Auto für 20.000 € kaufen. Um dies bezahlen zu können muss er einen Kredit bei einer Bank aufnehmen. Die Nachfrage nach Geld ist in den meisten Fällen mit einer Nachfrage nach Kredit identisch. Das Angebot an Geld ist in der Regel also auch mit dem Angebot an Kredit identisch. Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, was Herr Müller mit seinem Kredit tun kann: 1) Er lässt sich den Betrag in bar auszahlen und bezahlt auch sein Auto in bar. 2) Er überweist das Geld auf das Konto des Autohauses (auf eine andere Bank). 3) Wie 2), aber das Autohaus hat sein Konto bei der Bank von Herrn Müller. Im 1. Fall benötigt die Bank 20.000 € Bargeld, die sie Herrn Müller zur Verfügung stellen muss. Dieses kann sie selbst nicht schaffen, daher benötigt die Bank ein Guthaben bei der Zentralbank. Solche Guthaben (= Zentralbankgeld, Geldbasis, Reserven der Bank) erhält die Bank also dadurch, dass sie bei der EZB einen Kredit aufnimmt. Beim 2. Fall läuft es aus Sicht der Bank ganz ähnlich ab. Denn bei einer Überweisung von Bank A auf Bank B, muss zwischen den beiden Banken eine Zahlung erfolgen. Bank B fordert dabei von Bank A eine Überweisung von 20.000 € auf ihr Guthaben bei der Zentralbank. Also muss Bank A einen Kredit aufnehmen, dadurch sinkt ihr Guthaben bei der Zentralbank. -97- Liquiditätsproblem: Unfähigkeit eines Akteurs, Aktiva (Geld) bereitzustellen, die es selbst nicht schaffen kann. Im 3. Fall erfolgt eine Umbuchung innerhalb der Bank. Daher erhöht sich das Guthaben des Autohauses um 20.000 €. Doch auch in diesem Fall ist das Liquiditätsproblem immer noch in abgeschwächter Form präsent. Denn alle Banken im Euroland sind durch eine Mindestreservebestimmung gezwungen, für ihre Sichtguthaben (sowie für alle Einlagen mit einer Befristung von bis zu 2 Jahren) ein Guthaben bei der EZB in Höhe von 2% des Einlagebetrags zu halten. Zusammenfassend geht für eine Bank eine Kreditvergabe in der Regel mit einem zusätzlichen Bedarf an Zentralbankgeld einher. Es handelt sich dabei immer um einen 2‐stufigen Prozess: 1. Stufe: Kreditnachfrage/Geldnachfrage von Herrn Müller und Kreditangebot/Geldangebot der Bank A 2. Stufe: Nachfrage nach Zentralbankgeld/Kredit bei der Zentralbank und Angebot an Zentralbankgeld/Kreditangebot der EZB (alternativ dazu kann sich Bank A über den Geldmarkt auch bei einer anderen Bank verschulden) Für eine einzelne Bank ist jede Kreditvergabe häufig mit einem identischen Bedarf an Zentralbankgeld gleichzusetzen. Für die Geldpolitik ist es deshalb interessant den Bedarf des Bankensystems an Zentralbankgeld insgesamt zu kennen. Dies kann mit Hilfe des Geldschöpfungs­ Multiplikators ermittelt werden. Ausgangspunkt dafür ist die konsolidierte Bilanz (=Forderungen und Verbindlichkeiten des Bankensystems gegenüber den Nicht‐Banken) des gesamten Bankensystems. Zur Vereinfachung werden im Folgenden die Beziehungen zum Ausland weggelassen und es gibt neben den Sichteinlagen keine weiteren Anlagemöglichkeiten bei den Banken. konsolidierte Bilanz ‐ des Bankensystems: Aktiva Passiva Kredite an Nicht‐Banken Bargeld, Sichteinlagen sonstige Aktiva -98- sonstige Passiva Es stehen sich hier die Geldmenge M1, bestehend aus Bargeldbeständen und Sichteinlagen der Bank, und das gesamte Volumen der Bankkredite an Nicht‐Banken gegenüber. Wieder klar ersichtlich ist also die Beziehung zwischen Geld und Kredit. ‐ der Zentralbank: Aktiva Passiva Kredite an Geschäftsbanken Bargeld, Reserven der Geschäftsbanken sonstige Aktiva sonstige Passiva Auf der Aktivseite stehen hier die Kredite der Zentralbank an Geschäftsbanken, auf der Passivseite die Bargeldbestände und die Zentralbank‐Guthaben der Geschäftsbanken. Die Summe aus den beiden Passiva wird als Zentralbankgeld oder Geldbasis bezeichnet. Mit Hilfe des Geldschöpfungsmultiplikators kann nun der Zusammenhang zwischen der Input‐ und Outputgrößen formal beschrieben werden. Der Output des Prozesses sind stets Zahlungsmittel im Sinne der Geldmenge M1. Geldbasis(B) = Bargeld(C) + Reserven der Geschäftsbanken(R) Geldmenge(M) = Bargeld(C) + Sichteinlagen(D) Bargeldhaltungs‐Koeffizienten c = Mindestreserve r = Geldbasis‐Gleichung umgeformt Geldmengengleichung Geldschöpfungsmultiplikator m = M und B von oben einsetzen: m = = -99- Daran sehen wir, dass in einer Volkswirtschaft ein festes Verhältnis besteht zwischen - der Kreditvergabe des gesamten Bankensystems, die bei dieser vereinfachten Darstellung mit einer Ausweitung der Geldmenge identisch ist, und - einem Bedarf des Bankensystems an Geldbasis, der nur von der Zentralbank in Form von Krediten an die Banken befriedigt werden kann. Im Euroland belief sich die Geldmenge M1 am Ende 2005 auf 3.417 Mrd. Euro. Die Geldbasis betrug 720 Mrd. Euro, dies ergibt einen Geldschöpfungsmultiplikator von 4,75. Die Kontrolle über die Geldbasis Da die Banken für ihre Kreditvergabe an die Bereitstellung von Zentralbankgeld angewiesen sind, stellt die Kontrolle über die Geldbasis den wichtigsten Hebel für die gesamtwirtschaftliche Steuerung durch die Geldpolitik dar. Dazu hat die Zentralbank in allen modernen Geldverfassungen ein Monopol über die Emission von Banknoten. Eine Geschäftsbank erhält also nur dann Banknoten von der Zentralbank, wenn sie über ein entsprechendes Zentralbank‐Guthaben verfügt. Die Zentralbank erklärt sich bereit einen Kredit (Refinanzierungskredit) an eine Geschäftsbank zu vergeben und räumt ihr dafür ein entsprechendes Guthaben ein. In den meisten Fällen entsteht die Geldbasis durch Kredite der Notenbank an die Geschäftsbanken. Die wichtigsten geldpolitischen Instrumente der EZB - das Hauptrefinanzierungsinstrument und - die Spitzenrefinanzierungsfazilität, sind daher ganz einfach Kredite der Zentralbank an die Geschäftsbanken. Die makroökonomische Kontrolle der Zentralbank beruht auf folgenden Zusammenhängen: o Wollen Banken zusätzliche Kredite vergeben, brauchen sie zusätzliche Geldbasis. o Die Zentralbank ist der einzige Anbieter von Geldbasis. o Sie stellt die Geldbasis durch Refinanzierungskredite an die Geschäftsbanken bereit. o Durch die Konditionen, zu denen sie Refinanzierungskredite vergibt, kann sie indirekt die Kreditvergabe der Banken an Nicht‐Banken steuern. -100- Bilanz der Zentralbank: Aktiva Passiva Währungsreserven Bargeld Kredite an den Staat Reserven der Geschäftsbanken Kredite an Geschäftsbanken sonstige Aktiva sonstige Passiva Zentralbankgeld kann demnach geschaffen werden durch - Kredite an den Staat, - Kredite an Geschäftsbanken oder - einen Ankauf von Devisen von Geschäftsbanken, dadurch steigen die Währungsreserven der Zentralbank. Steuerung der Kredite an Geschäftsbanken durch die Zentralbank Die EZB stellt den Geschäftsbanken im Euroland den größten Teil der Geldbasis in Form des Hauptrefinanzierungsinstruments zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen Refinanzierungskredit mit einer Woche Laufzeit. Die Banken müssen der EZB dafür einen entsprechenden Bestand an Wertpapieren als Sicherheit überlassen. Die Geschäftsbanken tauschen also zeitlich begrenzt notenbankfähige Sicherheiten (Wertpapiere) in Zentralbankgeld um. Dieses Geschäft wird einmal wöchentlich angeboten und dabei in zwei unterschiedlichen Formen durchgeführt: o Mengentender: Die EZB legt den Refinanzierungszinssatz von vornherein fest. Die Banken nennen die gewünschte Menge an Refinanzierungskrediten. Danach legt die EZB die angebotene Menge fest. Menge < Nachfrage: Repartierung (Zuteilung) o Zinstender: Die EZB fixiert einen Mindestbietungssatz. Die Banken geben Gebote mit Menge und Zinssatz ab. Die EZB addiert alle Gebote und berechnet so eine Nachfragekurve. Jetzt entscheidet sie sich für einen Punkt auf dieser Kurve. Da die EZB eine Politik der Zinssteuerung verfolgt, muss sie in der Regel den Banken, die zu dem von ihr angestrebten Refinanzierungszinssatz passende Geldbasis bereitstellen. In der Praxis ist der Unterschied zwischen diesen beiden Methoden nicht all zu groß. Die EZB hat in den ersten 18 Monaten ihrer Geldpolitik fast ausschließlich den Mengentender gewählt. Aufgrund einiger Diskrepanzen zwischen der Summe der -101- individuellen Gebote und dem tatsächlichen Bedarf der Banken an Geldbasis hat sie sich dann für den Zinstender entschieden. Durch die direkte Kontrolle über die Zinsen für Refinanzierungskredite verfügt die Zentralbank über ein kraftvolles Mittel. Auf dem Geldmarkt werden Zentralbankguthaben zwischen Banken gehandelt. Bank A wird von Bank B für eine bestimmte Zeit ein Zentralbankguthaben zur Verfügung gestellt. In Höhe dieses Betrages hat Bank B dann eine Forderung gegenüber Bank A. Die Laufzeit solcher Geschäfte bewegt sich meistens zwischen einem Tag (Tagesgeld) und drei Monaten. -102- Kapitel 22: Wie es zur Inflation kommt und was die Notenbank dagegen tun kann Einleitung für das Verständnis Auf die Frage wie es zur Inflation kommt wird in diesem Kapitel eigentlich nicht eingegangen, außer das diese eben praktisch durch das gesamtwirtschaftliche System gegeben ist. Hier bei handelt es sich um das Zusammenspiel der Mengengrößen, welche in Kapitel 17 beschrieben worden sind. Also die Größen, welche hier die Inflation erzeugen wären die Höhe des wirtschaftlichen Outputs(Produktion von Konsumgütern) im Verhältnis zu den Einkommen. Insofern spielen auch Arbeitslosenraten eine Rolle. Weiters besagt Inflation grundsätzlich die Erhöhung des Preisniveaus der oben besagten Konsumgüter. Die Inflationsrate beschreibt dadurch praktisch das Verhältnis, welches über den so genannten „Warenkorb“ erstellt wird. Das wir in einer dauerhaften Inflation leben ist allein Wirtschaftssystem bedingt und basiert darauf dieses möglichst stabil zuhalten. Somit wird auch klar wieso die Notenbanken wie später beschrieben auf eine gewisse Inflationsrate abzielen. 22.2 Realzins, Nominalzins und Fisher Gleichung Weil eine Inflation existiert und somit auch eine gewisse Inflationsrate herrscht muss zwischen 2 Arten von Zinsen unterschieden werden. Nämlich dem Nominalzins und dem Realzins. Ersterer ist für den Investor/Anleger gegeben, da aber mit einem Wertverlust zu rechnen ist, eben der Inflationsrate, muss diese Weg gerechnet werden und es bleibt der wirkliche Realzins, also jener der effektiv auf die Mengengröße/Kapital wirkt. Hieraus ergibt sich auch folgende Gleichung, auch Fisher­Gleichung genannt: i = r + π (i) ... Nominalzins (r) ... Realzins (π)(Pi) ... Inflationsrate Bei der Inflationsrate handelt es sich um einen zu erwartenden Wert. Setzt man diese Gleichung in die Investitionsfunktion ein kann man herleiten, dass desto höher der Realzins ist desto geringer ist die gesamtwirtschaftliche Nachfrage/Angebot. 22.3 Phillipskurve Die ursprüngliche Phillipskurve stellte den Zusammenhang zwischen der prozentualen Veränderung des Nominallohns dar und der Arbeitslosenrate. Wichtig ist aber eher die modifizierte Phillipskurve wo man von der Lohnentwicklung zur Entwicklung der -103- Inflationsrate kommt. Hier wird angenommen, dass die Unternehmen ihre Preise an die Lohnentwicklung anpassen. Nun bedeutet dies z.B., wenn die Löhne um 5% steigen und der Produktionsanstieg 2% beträgt, erhöhen die Unternehmen ihre Preise um 3%, was der Inflationsrate(π) entspricht. Also Löhne(f(U)) minus Produktionsfortschritt(λ) ergibt die essenzielle Phillipskurve. Π = f(U) – λ Um noch genauer zu werden muss die zu erwartende Inflationsrate(Πe) auch berücksichtigt werden, da dies ein wichtiger Faktor für die Bestimmung der Lohnhöhe in den Tarifverhandlung ist. Π = f(U)+ Πe – λ Die Phillipskurve und somit die Inflationsrate steigt bei steigendem Einkommen. 22.4, 22.5 Geldpolitik/Steuerung Die eingeschlagene Geldpolitik bezeichnet das Ziel Preisstabilität und somit Geldwertstabilität zu gewährleisten. Wieso wird deshalb eine Inflationsrate von 2% angestrebt und nicht 0%? Den Statistikern ist es nicht wirklich möglich via Preisindex für die Lebenserhaltung alle Faktoren genau zu erfassen, d.h. es gäbe jedenfalls eine Abweichung von Null weg und um diese Auszugleichen wird eine Rate von 0.5 bis 2% als Ziel gesetzt. Die Regulierung erfolgt per Anhebung oder Senkung der Zinsen. 22.6 Schocks Nachfrageschock Es gibt hier den negativen Nachfrageschock, der Konsum geht zurück, und den positiven Nachfrageschock, der Konsum erhöht sich zu drastisch. Bei gleich bleibendem Realzins entsteht eine Output‐Lücke und verursacht einen Rückgang der Inflationsrate(siehe Abb. 22.9) Hier kann die Notenbank durch eine Senkung des Realzinses eingreifen wodurch die Investitionen wieder ansteigen und ausgeglichen wird. Bei dem Nachfrageschock gibt es keinen Zielkonflikt zwischen Vollbeschäftigung und Preisstabilität. Angebotsschock Von diesem spricht man, wenn es zu einer massiven Verteuerung der zentralen Inputfaktoren kommt(Öl, Gas) oder überhöhte Löhne gezahlt werden. Dies bedeutet in der Phillipskurve bekommt einen Störterm dazu, welcher die Inflationsrate direkt beeinflusst. D.h. die Zinsen bleiben gleich, aber die Leute entweder haben entweder mehr Geld zur Verfügung oder müssen plötzlich mehr aufwenden um sich das Angebot zu leisten. Z.B. bei einem positiven Angebotsschock steigt die Inflationsrate und Investitionen würden teurer werden, da der Realzins dadurch sinkt um für einen unveränderten Realzins zusorgen müsste hier der Nominalzins erhöht werden und es würde das -104- System mit einer höheren als geplanten Inflationsrate existieren. Auch die Politik des konstanten Realzinses genannt, welche aber nicht wirklich verfolgt wird da es durch die nach oben angepassten Erwartungen der Inflation zu einer „Lohn‐Preis‐Spirale“ führen kann. Die andere Möglichkeit wäre den Realzins weiter zu erhöhen, dass die Inflationsrate am Zielwert von 2% bleibt, was jedoch zu einem Rückgang im Output und der Vollbeschäftigung führt. Defacto wird beim Angebotsschock meist ein Kompromiss zwischen den beiden Optionen gewählt, was die Überschreitung des Inflationsziels und die Arbeitslosigkeit in Grenzen hält. -105- Kapitel 23: Die Neue Keynesianische Makroökonomie 23.2 Die drei Grundbausteine des neu­keynesianischen Modells a. eine vom Realzins abhängige gesamtwirtschaftliche Nachfrage b. eine um Erwartungen erweiterte Phillips‐Kurve c. eine gesamtwirtschaftliche Verlustfunktion, die von der Inflationsrate und der Output‐Lücke bestimmt wird gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion: • Output‐Lücke (y) wird anstelle der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage als abhängige Variable verwendet • Zwischen Output‐Lücke (y) und Realzins (r) wird ein Zusammenhang angenommen, der durch den Parameter (b) beschrieben wird • Für Nachfrageschocks und Angebotschocks werden die Variabeln (ε1) bzw. (ε2) verwendet. Es wird angenommen, dass diese „Störterme“ normalverteilt sind und eine gewisse Standardabweichung aufweisen. y = Output‐Lücke ε1 = Nachfrageschock a = autonomer Nachfragekomponent ε2 = Angebotsschock b = Paramenter r = Realzins gesamtwirtschaftlicher Nachfragekurve: y = a – b·r+ ε1 wenn keine Nachfragestörung, ε1 = 0, Output‐Lücke ebenfalls Null: r0 = a/b um Erwartungen erweiterte Phillips‐Kurve: π = πe + d·y + ε2 vereinfachte Phillips‐Kurve, da πe (Inflationserwartungen) gleich π0 (Inflationsziel der Notenbank) entspricht: π = π0 + d·y + ε2 makroökonomische Verlustfunktion: Notenbank versucht die quadratischen Abweichungen der Inflationsrate vom Inflationsziel möglichst gering zu halten. L = (π – π0)2 + λ ·y2 λ ≥ 0 23.3 Die optimale Geldpolitik bei Angebots­ und Nachfrageschocks 1. Schritt: wie hoch wird die Output‐Lücke und Inflations‐Lücke ausfallen -106- 2. Schritt: Ermittlung des erforderlichen Realzins, um die Werte der beiden Lücken zu realisieren Zur Ermittlung der optimalen Output‐ und Inflations‐Lücke wird die Phillips‐Kurve in die Verlustfunktion eingesetzt: L = (d·y + ε2)2 + λ ·y2 Löst man nun die vorher nach y abgeleitete Funktion nach y auf erhält man die optimale Output‐Lücke von: y = d/(d2 + λ) · ε2 Inflationsrate mit minimalen gesamtwirtschaftlichen Verlust: (π – π0) = λ/ (d2 + λ) · ε2 Optimaler Realzins: ropt = a/b + 1/b· ε1 + d/b·(d2 + λ) · ε2 In den neu‐keynesianischen Modellen besteht also die folgende Abfolge der geldpolitischen Wirkungsmechanismen: • die Notenbank steuert unmittelbar den Realzins • der Realzins bestimmt die Output‐Lücke • die Output‐Lücke determiniert die Inflationsrate 23.4 Die Taylor Regel: Geldpolitik anhand einer einfachen Regel r = r0 + e · (π – π0) + f·y mit e,f > 0 Taylor Regel: Der Realzins wird erhöht sobald die Inflationsrate steigt. Die Folge ist eine Dämpfung der wirtschaftlichen Aktivität, durch die inflationäre Tendenzen vermindert werden. Dieser Zusammenhang wird als „Taylor‐Prinzip“ bezeichnet. Bei einer unveränderten gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve kommt es bei steigender Inflationsrate also dazu, dass der Realzins steigt, womit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zurückgeht. Wenn sich eine Notenbank an der Taylor‐ Regel orientiert, ergibt sich ein negativer Zusammenhang zwischen der Inflationsrate und der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Taylor-Zins tatsächlicher Zins -107- 23.5 Warum die Taylor­Regel nicht so gut sein kann wie eine „optimale“ Politik Vergleicht man die wirtschaftlichspolitischen Ergebnisse bei einer an der Taylor‐Regel ausgerichteten Notenbank mit einer optimalen, das heißt von einer gesamtwirtschaftlichen Zielfunktion bestimmen, Zinspolitik, erweist sich die Taylor‐ Regel eindeutig als unterlegen. Bei Nachfrageschocks wird zwar eine Zinsanpassung ausgelöst, die in die richtige Richtung geht aber es wird nie zum Optimalpunkt mit einer Output‐Lücke von Null und einer dem Zielwert entsprechender Inflationsrate kommen. Daher müssen sich die Notenbanken an einer gesamtwirtschaftlichen Zielfunktion orientieren. 23.6 Rationale Erwartungen: Wie bisher angenommen ist die Inflationserwartung einfach nach Maßgabe des Inflationsziels der Notenbank bildet worden. Dies ist jedoch nicht zwingend. Um die Erwartungsbildung der Privaten zu beschreiben, hat die Wirtschaftstheorie das Konzept der „rationalen Erwartungen“ entwickelt. Dabei wird angenommen, dass jeder über die gesamte Struktur der Wirtschaft perfekt informiert ist. Optimale Inflationsrate der Notenbank als Funktion der Inflationserwartungen des privaten Sektors: π (πe) = λ/ (d2 + λ) · πe + d2/(d2 + λ) · π0 + = λ/ (d2 + λ) · ε2 Reaktionsfunktion der Notenbank welche Inflationserwartungen werden angesteuert wenn die Privaten bestimmte Inflationserwartungen aufweisen. Optimum wird erreicht wenn die angesteuerte Inflationsrate der Notenbank mit der erwarteten Inflationsrate der Privaten identisch: πopt(πe) = πe Bei einer Übereinstimmung von Inflationsziel und Inflationserwartungen spricht man von einer „glaubwürdigen“ Geldpolitik. Allerdings muss es nicht immer dazu kommen, dass die Inflationserwartungen der Privaten und dem Inflationsziel der Notenbank entsprechen. Abweichungen sind vor allem dann zu erwarten, wenn die Geldpolitik nicht politisch unabhängig ist, sondern stark von der allgemeinen Politik bestimmt wird. Oft versucht dann eine Regierung die Konjunktur der expansiven Zinspolitik zu stimulieren. L= (π – π0)2 + λ·(y – k)2 mit k >0 k = überambitionierte Notenbank, die eine Output‐Lücke größer als Null erreichen will Grundstruktur dieser Interaktion zwischen Notenbank und Privaten wurde mit dem Barro‐Gordon‐Modell entwickelt. -108- Kapitel 24: Makroökonomie, wie sie schon die Großväter lehrten 24.1 Überblick Die neu‐keynesianische Geldpolitik besteht darin, dass die Notenbank versucht, die von ihr steuerbaren Zinsen so festzulegen, dass sie ihr Ziel für die Inflationsrate einhält, ohne dabei eine allzu große Output‐Lücke zu schaffen. Das IS/LM‐Modell beschreibt die Geldpolitik so, dass die Notenbank über die Steuerung der Geldmenge versucht, das Preisniveau zu kontrollieren. In beiden Modelltypen wird davon ausgegangen, dass die Nachfrage negativ vom Zinsniveau beeinflusst wird. 24.2 Die LM­Kurve beschreibt das Gleichgewicht am Geldmarkt Dieses Modell geht davon aus, dass die Notenbank den Zins nicht unmittelbar, sondern indirekt über die Geldmenge steuert. Der Zinssatz ergibt sich dann als Gleichgewichtspreis, der das Geldangebot und die Geldnachfrage ins Gleichgewicht bringt. Die LM‐Kurve beschreibt alle Kombinationen von i (Zins) und Y (Volkseinkommen), bei denen ein solches Gleichgewicht von Geldnachfrage (L wie Liquidity) und Geldangebot (M wie Money) besteht. 24.3 Eine um Zinsen erweiterte Theorie der Geldnachfrage Ausgehend von der Qualitätstheorie, die beschreibt warum unverzinsliches Geld gehalten wird, versucht Keynes 1936 in seiner Theorie der Liquiditätspräferenz diese um den Zinssatz zu erweitern. Die drei Motive der Geldhaltung sind: • Die Transaktionskasse ‐ der Geldmenge, die für den Konsum nötig ist • Die Vorsichtskasse ‐ die Geldmenge, die gehalten wird, um damit unvorhergesehene Zahlungen leisten zu können • Die Spekulationskasse ‐ die Geldmenge, die für den Wertpapierhandel zurückgelegt wird Die Spekulationskasse unterstellt, dass Wirtschaftssubjekte unverzinsliches Geld nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch als Wertspeicher halten. Unter der Annahme, dass Anlegern entweder (unverzinsliches) Geld oder Anleihen (mit fester Verzinsung und unendlicher Laufzeit) zur Verfügung stehen, kann es möglich sein, dass diese ihr Vermögen überwiegend in Geld halten, da der Kurs einer langfristigen Anleihe stark vom aktuellen Zinsniveau bestimmt wird. Wenn das Zinsniveau am Markt sehr niedrig ist, muss man damit rechnen, dass es zu Zinserhöhungen kommt, durch die die Kurse der umlaufenden Anleihen sinken. Solange also die zu erwarteten Kursverluste aus einer Anleihe höher sind als der damit zu erzielende Zins, ist es für einen Investor lukrativ, sein Geldvermögen in unverzinslichem Geld zu halten. -109- Kurs einer Anleihe: iN .... feste jährliche Verzinsung der Anleihe it ..... Marktverzinsung (d.h. die Opportunitätskosten der Anleihe) Der Kurs der Anleihe wird bestimmt von der Relation der Verzinsung der Anleihe und der aktuellen Rendite. Steigt also der Zinssatz, so sinkt der Kurs der Anleihe. Für heutige Verhältnisse ist diese Theorie jedoch hoffnungslos veraltert, da heute niemand unverzinsliches Geld als Wertspeicher halten muss, wenn man einen Zinsanstieg bei festverzinslichen Wertpapieren erwartet. Man kann sein Geldvermögen dann in einer Reihe kurzfristiger verzinslicher Aktiva investieren wie z.B. Geldmarktfonds. Realitätsnaher sind Erklärungsversuche, die eine zinsabhängige Geldnachfrage auf Opportunitätskosten der Bargeldhaltung (d.h. der Verlust durch Zinsentgang) zurückführen. Das Modell von Baumol und Tobin basiert auf dem Grundgedanken, dass der Tausch von verzinslichen Anlageformen in unverzinsliches Geld stets mit Transaktionskosten (Zeitkosten, explizite Kosten bei Abhebung oder Verkauf von Anleihen, Bearbeitungskosten) verbunden ist. Es ist also für die Wirtschaftssubjekte sinnvoll, immer über einen gewissen Bestand an Bargeld zu verfügen. Da durch die Geldhaltung Opportunitätskosten entstehen (man hätte ja eine verzinsliche Anlageform wählen können) wird die optimale Geldhaltung von zwei Faktoren bestimmt: • Transaktionskosten des Umtausches von verzinslichen Aktiva in Geld und • Opportunitätskosten der Geldhaltung, die durch das Zinsniveau bestimmt werden (bei einem Anstieg des Zinsniveaus kommt es zu einem Rückgang der Bargeldhaltung). Die Geldnachfrage in Abhängigkeit vom Zins negativer Einfluss der Zinssätze auf die Bargeldhaltung Der Parameter h beschreibt die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage; der Parameter k den Einfluss der gesamtwirtschaftlichen Transaktionen auf die reale Geldnachfrage. M ... Geldmenge P ... Preisniveau i ... Zins Y ... Einkommen Die reale Geldnachfrage steigt also, wenn die Transaktionen steigen und der Zins sinkt. 24.5 Der Zins ergibt sich aus dem Gleichgewicht auf dem „Geldmarkt“ Die Teilnehmer auf dem Geldmarkt sind die Geschäftsbanken und die Nichtbanken (Unternehmen, Staat, private Haushalte). Das Gleichgewicht auf diesem Geld‐ bzw. Kreditmarkt lässt sich graphisch herleiten, indem man die Geldnachfrage und das Geldangebot in einem Zins/Geldmengen‐Diagramm abbildet. -110- Geldangebot durch Mindestreservesatz reguliert; egal wie hoch der Zinssatz ist, eine gewisse Menge an Geld wird immer angeboten. Bei einer höheren Geldmenge verschiebt sich die Vertikale nach rechts, was zu einem niedrigeren Zins führt. Gleichgewicht: in allen Punkten von i und Y ist der Geldmarkt im Gleichgewicht Die Nachfragekurve weist eine negative Steigung auf (mit sinkendem Zinssatz nehmen die Opportunitätskosten der Geldhaltung ab; es wird also attraktiver, größere Geldbestände zu halten), anders formuliert steigt die Kreditnachfrage mit sinkendem Zins. Das Geldangebot ist völlig unabhängig vom Zinssatz (deswegen in einer Vertikale dargestellt). Der für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage entscheidende Zinssatz ergibt sich dann im Gleichgewicht, d.h. im Schnittpunkt von Geldangebot und Geldnachfrage. Steigt das Volkseinkommen, so verschiebt sich die Nachfragekurve nach oben. Da die Notenbank die Geldbasis unverändert lässt, kommt es nur zu einem Zinsanstieg bei gleichem Geldbestand. Es gilt: Je höher das Volkseinkommen, desto höher ist bei gegebenen Geltangebot das Zinsniveau. In ein i­Y­Diagramm übertragen erhält man den Ort der Geldmarktgleichgewichte bei unterschiedlichen Kombinationen von i (Zins) und Y (Volkseinkommen). Diese Kurve bezeichnet man als LM‐Kurve, da sie ein Gleichgewicht von Geldnachfrage (L wie Liquidity) und Geldangebot (M wie Money) abbildet. Auf der linken Abbildung ist ein positiver Zusammengang zwischen dem Einkommen und dem Zinssatz beschrieben (d.h. je höher das Einkommen, desto höher der Zins), auf der rechten das Geldmarktgleichgewicht. Bei einer Veränderung des Volkseinkommens von Y1 auf Y2 verschiebt sich die Geldnachfragekurve nach oben. Bei unveränderter Geldbasis (M/P)a, kommt es zu einem Zinsanstieg d.h. je höher das Volkseinkommen ist, desto höher ist bei gegebenem Geldangebot das Zinsniveau. Umgekehrt kann die Notenbank über die Geldmenge die LM‐Kurve verschieben (wenn mehr Geld für Transaktionen vorhanden ist, sinken die Opportunitätskosten der Bargeldhaltung Zins sinkt) und somit indirekt den für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage entscheidenden Zinssatz kontrollieren. -111- Wird die LM‐Kurve mit der gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve (IS‐ Kurve)kombiniert, erhält man die IS­LM­Kurve, welche ein simultanes Gleichgewicht auf dem Gütermarkt und dem Geldmarkt beschreibt (wobei starre Preise unterstellt werden d.h. Preisniveau konstant, Inflationsrate = 0) Das IS/LM‐Modell kann zwar die Veränderung des Preisniveaus erklären, hat jedoch den Nachteil, dass es unter der Annahme absolut fester Preise abgeleitet wird und somit nicht in der Lage ist, das Phänomen der Inflation selber zu erklären. Außerdem unterstellt das Modell eine Geldmengensteuerung der Notenbank die heute nicht mehr der Realität entspricht. -112- Kapitel 25: Wirtschaftspolitik in der offenen Volkswirtschaft 25.1 Einleitung Die Globalisierung hat wegen geringen Transaktionskosten einen großen Einfluss auf den internationalen Finanzmarkt. Auch Waren‐ und Dienstleistungsverkehr kennen keine Grenzen mehr. Einzig die Arbeitsmärkte sind durch Zuwanderungsbeschränkungen noch relativ autonom. Bei größeren Wirtschaftsräumen kann man von einer geschlossenen Modellwelt ausgehen, doch für viele kleinere Volkswirtschaften, wie z.B. Österreich, empfiehlt sich eine Betrachtung über die Grenzen hinaus. Dabei geht es um drei zentrale Zusammenhänge: • • • Internationaler Nachfrageverbund Internationaler Preisverbund Internationaler Zinsverbund 25.2 Der Internationale Nachfrageverbund In einer offenen Volkswirtschaft wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht nur durch inländische Komponenten, sondern vielfach auch durch Importe und Exporte bestimmt. Die Entwicklung der Weltkonjunktur kann sich also positiv oder negativ auf Nachfrage, Inflation und Beschäftigung auswirken. Importe in makroökonomischen Modellen sind wie Steuern, sie verringern die Inlandsnachfrage (Entzug inländischer Kaufkraft). Exporte dagegen werden vom Volkseinkommen des Auslands bestimmt und haben einen stimulierenden Effekt auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Vor allem für kleine Volkswirtschaften wie Österreich sind Exporte und Importnachfrage sehr wichtig. M=mY Importe reduzieren die im Inland wirksame Nachfrage X=mfYf Exporte werden vom Volkseinkommen des Auslands bestimmt f.... foreign m.... marginale Importneigung (Einkommen erhöhen sich, wenn Importe um m% steigen) Wobei sich Konjunkturschwankungen stärker auf eine offene Volkswirtschaft auswirken als eine geschlossene (wie z.b. die Eurozone oder die USA) vgl. Anteil der Exporte am BIP. Anhand der Ausgabenmultiplikatoren, ist ersichtlich, dass die Exportnachfrage in der offenen VW einen wesentlich größeren Einfluss auf die Inlandsnachfrage hat, als in der geschlossenen (d.h. Multiplikator in offenen VW kleiner) -113- 25.3 Der Internationale Preisverbund Unter dem Prinzip der „Arbitrage“ versteht man den Anreiz ein Gut dort zu kaufen wo es am billigsten ist (und daraus risikolosen Profit zu schlagen). Um das zu verhindern müssen sich inländische Anbieter an internationalen Preisen orientieren. Was dazu führt, dass Güter überall zu einem einheitlichen Preis angeboten werden „law of one price“ (setzt jedoch freien Handel ohne Zoll oder Importquoten voraus). Der Zusammenhang zwischen inländischer und ausländischer Inflationsrate wird durch die Kaufparitätentheorie beschrieben. Diese überträgt das Prinzip des „law of one price“ auf ganze Volkswirtschaften (für die Gesamtheit aller Güter) d.h. das inländische Preisniveau entspricht dem ausländischen, dividiert durch den Wechselkurs (s). Wobei der Wechselkurs in der Mengennotiz (gibt an wie viele Einheiten der fremden Währung man braucht um eine EH der eigenen zu kaufen) oder in der Preisnotiz (gibt an, was eine EH der fremden Währung in EH der heimischen Währung kostet) angegeben werden kann. Nach der Kaufparitätentheorie wird die Veränderung der Wechselkurse von den nationalen Inflationsraten bestimmt. Dabei können Notenbanken ihren Wechselkurs gegenüber anderen Währungen stabil halten feste Wechselkurse (i.d.R. kleinere Länder am Dollar/€ wobei die niedrige Inflationsrate des Ankerlandes importiert wird). Oder aber die Notenbank entschließt sich den Wechselkurs vom Devisenmarkt bestimmen zu lassen flexible Wechselkurse (sorgt autom. für einen Ausgleich der verschiedenen Inflationsraten). Realer Wechselkurs: bei Veränderung des Wechselkurses und gleichbleibender Inflation werden heimische Produkte im Ausland billiger/teurer P .... Preisniveu Pf .... ausländ. Preisniveau Bei einer realen Aufwertung der nationalen Währung verschlechtert sich dadurch die Wettbewerbsfähigkeit (da heimische Produkte im Ausland teurer werden), umgekehrt führt eine reale Abwertung zu einer Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit (vgl. Euro/Dollar Schwankungen der letzten Jahre). 25.4 Der internationale Zinsverbund Anleger sind stets bestrebt einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. Ohne Beschränkungen transferieren sie ihr Geld grenzübergreifend. Die Zinsparitätentheorie liefert einen Erklärungsansatz für das Anlegerverhalten. Unter Berücksichtigung von Zinssätzen und Wechselkursänderungen fordert die Zinsparität bei flexiblen Wechselkursen die Renditegleichheit von in‐ und ausländischen Kapitalanlagen. Anders gesagt, gibt sie an unter welchen Bedingungen ein Investor der einen Betrag für ein Jahr anlegen möchte, genau indifferent ist zwischen einer Anlage in € und einer Anlage in $. Dazu muss der Zinssatz für die jeweiligen Währungen auf ein Jahr und die für die nächsten 12 Monate erwartete Veränderung des Euro‐Dollar‐ Wechselkurses berücksichtigt werden. Bei einem Zinsvorsprung des Euro gegenüber dem Dollar von z.B. 1% müsste der Dollar ebenfalls um einen 1% aufgewertet werden um von Renditegleichheit sprechen zu können. Die für die inländische Währung -114- erwartete Wechselkursänderung entspricht im Gleichgewicht genau der Differenz zwischen dem Auslandszins und dem Inlandszins (gilt nur wenn keine Kapitalverkehrsbeschränkungen bestehen). Bei festen Wechselkursen bleibt das Zinsniveau zwischen beiden Ländern stabil, bei flexiblen kann es zu Unterschieden kommen. Wechselkursänderungen bergen eine große Unsicherheit in sich und unterliegen oft starken Schwankungen (bei flexiblen und festen Kursen), weswegen der Zinsverbund v. A. zwischen den großen Währungen nicht sehr stark ausgeprägt ist (nicht mal ein Zinsvorsprung von 2 oder 3 % wäre Grund genug in eine Währung zu investieren). 25.5 Makroökonomische Politik in der offenen Volkswirtschaft Durch die drei genannten Transmissionskanäle kann es zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume eines Landes kommen. Bei großen Ländern (wie USA, Japan, EU) ist der Anteil des Außenhandels am BIP relativ gering, so dass sich Entwicklungen in anderen Volkswirtschaften eher schwach auf die eigene Konjunktur auswirken. In kleinen Ländern jedoch spielt die Exportentwicklung eine Zentrale Rolle, sie werden sehr stark durch den internationalen Preis‐ und Nachfrageverbund beeinflusst (und die Finanzmärkte durch den internationalen Zinsverbund bestimmt). Der Offenheitsgrad der Gütermärkte ist ersichtlich, indem der Durchschnitt aus den Importen und Exporten eines Landes in Relation zum BIP betrachtet wird. Kleine Länder (solche die mit makroökonomischer Politik weder das Zinsniveau noch das Preisniveau im Rest der Welt beeinflussen können) weisen einen höheren Offenheitsgrad ihrer Güter‐ und Finanzmärkte auf, während große Länder vom Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft praktisch nicht zu unterscheiden sind. 25.5.1 Das Mundell‐Fleming Modell Das Modell beschreibt eine kleine offene Volkswirtschaft (IS‐LM‐Modell erweitert), die mit anderen Ländern durch Handel und grenzüberschreitende Kapitalströme verbunden ist, und zeigt, welche Politikoptionen bestehen und wie das Land auf Veränderungen der inneren und äußeren Rahmenbedingungen reagiert. Aus diesem Grund gibt es neben der IS‐Kurve, die den Ort aller Gleichgewichte auf dem Gütermarkt darstellt, und der LM‐ Kurve, die alle Gleichgewichte auf dem Geldmarkt abbildet, noch eine dritte Kurve: die ZZ­Kurve. Das MF‐Modell unterscheidet zwischen den Verhältnissen bei festen und bei flexiblen Kursen. Dabei untersucht es die Wirksamkeit der Geld‐ und des Fiskalpolitik. Bei festen Wechselkursen wird bei einem kleinen Land wie Dänemark welches einen festen Wechselkurs gegenüber dem Euro hat das inländische Zinsniveau vollständig vom ausländischen bestimmt. Die ZZ‐Linie stellt alle Orte dar, bei denen die Devisenbilanz der Notenbank im Gleichgewicht ist. Würde der inländische Zins unter dem Zinssatz des Auslandes liegen, würde es zu massiven Kapitalabflüssen (und einer hohen Nachfrage nach dem Euro) kommen. Die dänische Notenbank müsste ihre eigene Währung ankaufen und Euro in den Markt geben (bis die Zinsen wieder gleich sind). Unterhalb der ZZ‐Kurve besteht also ein Ungleichgewicht in der Devisenbilanz. Oberhalb der ZZ‐Kurve besteht ebenfalls kein Gleichgewicht, hier kommt es zu Kapitalzuflüssen, die die dänische Notenbank zum Ankauf von Euro‐Beständen und zum Verkauf von Dänenkronen zwingen würde. -115- Die ZZ‐Kurve beschreibt somit die starke Einschränkung des geldpolitischen Handlungsspielraums, der für ein kleines Land unter dem Arrangement fester Wechselkurse besteht. Bei einem Konjunktureinbruch kann ein solches Land keine ausgleichende Reaktion des Zinsmechanismus erwarten und muss eine Stabilisierung durch die Fiskalpolitik erwirken. Durch die negative Nachfrage verschiebt sich die IS‐Kurve, welche jedoch mit zusätzlichen Staatsausgaben ausgeglichen werden kann und somit wieder Vollbeschäftigung herbeigeführt wird Die zentrale Aussage dieses Modells ist also: In einem kleinen Land und bei festen Wechselkursen ist die Geldpolitik nicht in der Lage die Konjunktur zu beeinflussen, während die Fiskalpolitik dazu uneingeschränkt geeignet ist. Obwohl kleine Länder in dieser Situation keine eigenständige Zinspolitik machen können, ist es trotzdem möglich gute makroökonomische Ergebnisse zu erzielen. Dies setzt voraus, dass die Notenbank im „Ankerwährungsland“ (EZB) eine Zinspolitik bestrebt, die auch für die Situation in Dänemark angemessen ist. Feste Wechselkurse sind also vor allem für Länder mit sehr ähnlichen wirtschaftlichen Strukturen zu empfehlen. Die starke Einschränkung des geldpolitischen Handlungsspielraums bei festen Wechselkursen ist der Grund dafür, dass sich viele Länder für flexiblere Lösungen entschieden haben. In so einem Fall verzichtet ein Land (wie z.B. GB oder die Schweiz) auf die Steuerungsmechanismen und überlässt diese den privaten Akteuren am Devisenmarkt. Diese Länder sind also von der Restriktion eines vorgegebenen Zinsniveaus befreit und können mit ihrer Zinspolitik gezielt auf nationale Angebots‐ und Nachfrageschocks reagieren. Bei Zinssenkungen welche das nationale Niveau unter das Weltzinsniveau bringen, kommt es in einem System flexibler Kurse zu einer Abwertung der inländischen Währung. Die Wettbewerbsfähigkeit verbessert sich, was sich positiv auf die ausländische Nachfrage nach Inlandsgütern auswirkt. In diesem Modell kommt es also ganz automatisch zu einem Ausgleich von binnenwirtschaftlichen Konjunkturstörungen. Die Fiskalpolitik ist hier unwirksam. Nachfrageschock Geldpolitik Fiskalpolitik Feste Kurse Wird verstärkt Unwirksam Wirksam Flexible Kurse Wird voll ausgeglichen Wirksam Unwirksam -116-