15 / 16 R h a p s o d y J a n s o n s SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS Donnerstag 8.10.2015 Freitag 9.10.2015 1. Abo B Herkulessaal 20.00 – ca. 22.00 Uhr 15 / 16 MARISS JANSONS Leitung DENIS MATSUEV Klavier SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS KONZERTEINFÜHRUNG 18.45 Uhr Moderation: Antonia Bruns LIVE-ÜBERTRAGUNG in Surround auf BR-KLASSIK Freitag, 9.10.2015 PausenZeichen: Susanna Felix im Gespräch mit Denis Matsuev Konzert zum Nachhören (on demand): Eine Woche abrufbar auf www.br-klassik.de 4 Programm Überraschungsstück Witold Lutosławski »Variationen über ein Thema von Paganini« für Klavier und Orchester George Gershwin »Rhapsody in Blue« für Klavier und Orchester (Fassung von Ferde Grofé) Pause George Enescu »Rumänische Rhapsodie« A-Dur, op. 11 Nr. 1 Maurice Ravel »Rapsodie espagnole« • Prélude à la nuit. Très modéré – • Malagueña. Assez vif • Habanera. Assez lent et d’un rythme las • Feria. Assez animé Franz Liszt »Ungarische Rhapsodie« Nr. 2 (Bearbeitung für großes Orchester von Karl Müller-Berghaus) 5 Programm Klingende Reiseimpressionen Zum Wesen der Rhapsodie Renate Ulm Werfen wir wieder einmal einen Blick auf Griechenland. Diesmal geht es um den Begriff »Rhapsodie«, der definiert werden soll (was tatsächlich nicht so einfach ist) und für den wir geradezu archäologisch die ursprüngliche Bedeutung ausgraben wollen: Das altgriechische Wort »rhapsodos« ist zusammengesetzt aus den Worten »rhaptein« (nähen, flicken) und »odein« (singen). Ein Rhapsode war also einer, der verschiedene Lieder und die unterschiedlichsten epischen Erzählungen »zusammennähte« und auch Disparates »zusammenflickte«. Demzufolge ist die Rhapsodie – salopp gesagt – ein musikalischer Fleckerlteppich. Es gab in der Antike bedeutende Rhapsoden, wie zum Beispiel Homer, die im gehobenen Tonfall die zunächst nur mündlich überlieferten Heldengedichte höchst lebendig vortrugen. Dabei bedienten sie sich eines Stabes, manchmal auch einer Lyra, um bestimmte Spannungsmomente rhythmisch wie musikalisch hervorzuheben. Da die griechischen Verse nicht nur kunstvoll rhythmisierte Sprache, sondern zugleich musikalische Rede waren, galten die Rhapsoden aus der Sicht der Renaissance als erste Sängerdarsteller. In seinem sehr erhellenden Buch Geschichte der Rhapsodie fasste es der Musikwissenschaftler Walter Salmen so zusammen: »Den Kern des epischen Vortrags bildete ein in Tempo, Tonfall, Mimik und Gestik lebhaft wechselndes, den Personen und Handlungen charakteristisch angepasstes Rühmen in klanghaltigem Sprechgesang mit sinngebender Deutlichkeit.« Die intellektuellen Versuche in der Renaissance (der Wiedergeburt der Antike), das klassische Drama als »eng verknüpfte« Verbindung von Musik und Sprache wieder zum Leben zu erwecken, ließen das Konstrukt Oper (Dramma per musica) entstehen. Aus heutiger Sicht ist die etwas falsch verstandene Wiederbelebung der griechischen Tragödie im Laufe der Zeit vollkommen aus dem Ruder gelaufen, was aber nicht wirklich beklagenswert ist. Aber wie konnte sich aus der musikalisch-rhythmischen Erzählhaltung der alten Griechen die instrumentale Rhapsodie entwickeln, wie sie von Liszt, Ravel, Enescu, Gershwin und vielen anderen geschaffen wurde? Nach Walter Salmen ist der Dreh- und Angelpunkt Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791), der als Moritatensänger durch die Lande zog: »Ich war kein schlechter Rhapsode […], man schauerte, weinte, staunte, und ich sah’s mit dem süßesten Freudengefühle im Herzen, wie offen die deutsche Seele für jedes Schöne, Erhabene sei, wenn man sie aufmerksam zu machen 6 Die Rhapsodie Ein Rhapsode, Darstellung auf einer antiken Amphore weiß.« Epensänger oder Barden konnten sich allerdings nicht wirklich durchsetzen und blieben Einzelerscheinungen. Und nun spaltete sich von der »Bardenmusik« die Kunst der musikalischen Erzählung ohne Worte ab. Schubarts Musicalische Rhapsodien waren es auch – so Walter Salmen –, die diese rein musikalische Entwicklung im späten 18. und gesamten 19. Jahrhundert anregten. Die Idee des Rhapsodisch-Kurzweiligen, des Instrumental-Beschreibenden, der erzählenden Musikdichtung wurde zur Modeströmung (fast möchte man Mendelssohns Lieder ohne Worte hier miteinbeziehen und wohl auch im weitesten Sinne die Gattung der Symphonischen Dichtung). Vermutlich ließ die zusammenhanglose Reihung verschiedener Episoden, die die Rhapsodie kennzeichnet, eine neue kompositorische Freiheit aufkommen, gerade nachdem Beethoven alle zentralen Gattungen wie Symphonie, Variationenzyklus und Lied etc. meisterhaft bedient, 7 Die Rhapsodie bis zu deren Grenzen und darüber hinaus offensichtlich vollkommen ausgeschöpft hatte. Für viele Komponisten nach Beethoven bot daher die Rhapsodie ein weites Feld an neuen, experimentellen Freiräumen. Die Kenntnis, dass sich die antiken Rhapsoden zu den Heldenthemen ihres Landes in orgiastische Begeisterung hineinredeten und -sangen, dürfte dann der Ausschlag dafür gewesen sein, dass zunehmend auch Lokalkolorit mit einfloss. Nicht nur die Komponisten beschäftigten sich mit dem Rhapsodischen, sogar die großen Philosophen bemühten sich um eine Begriffsbestimmung: Für Immanuel Kant (1724–1804) war das Rhapsodische etwas schwer Greifbares und Analysierbares, »ohne Leitfaden, ohne Methode und bestimmtes Princip« – also etwas Willkürliches, und Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) wies »auf das Rhapsodische und oft Fragmentarische unseres Gedankenlaufs« hin, und es fällt nicht schwer, dies sofort zu begreifen. Auf die Musik bezogen, lässt es sich als beliebige Reihung, als ausschnitthafte Gedanken ohne konsequente Fortentwicklung verstehen, in der sich der Komponist »ungehindert durch den Zwang herkömmlicher Formen, in freier Phantasie und zahllosen Arabesken« (Debussy) auszudrücken vermag. Der französische Philosoph und Musikwissenschaftler Vladimir Jankélévitch (1903–1985) hielt in seinem Buch La rhapsodie: verve et improvisation musicale noch etwas anderes fest: »Das 19. Jahrhundert ist das Zeitalter der Rhapsodie, wie es ebenso das Zeitalter der Nationalitäten ist. Das Prinzip der Nationalität und das Prinzip der Rhapsodie sind nahezu synchron.« Dies klingt durchaus stichhaltig, denn heute Abend hören wir Rhapsodien, die fast alle bereits im Titel eine Nation näher bezeichnen und landestypische Musik verarbeiten: ob es sich nun um rumänisches, ungarisches oder spanisches Kolorit handelt. Dabei spielte Liszt die Vorreiterrolle, indem er Volksmelodien zitierte und paraphrasierte, deren Herkunft er dann im Titel wie bei den Ungarischen Rhapsodien festhielt (dabei muss man, gerade was das Ungarische anbelangt, aber auf der Hut sein!). Von dieser Zeit an bleibt die Rhapsodie im Großen und Ganzen national verortet, indem Volksliedanklänge, Tanzrhythmen und Klangfarbe durch spezielle Instrumente (z. B. Kastagnetten = Spanien) deutlich auf das jeweilige Land hinweisen. Die lose Folge von musikalischen Einfällen, von suitenhaft gereihten Tänzen gleicht einer charakteristischen Momentaufnahme einer Stadt, einer Region oder eines Landes. In einer Zeit, als Musik noch nicht mit der Perfektion wie heute aufgenommen und reproduziert wurde, könnten die musikalischen Rhapsodien aber auch klingende Reiseimpressionen gewesen sein, die all die Sehnsüchte nach der Ferne, nach exotischem Flair und nach einer neuen, bisher unerhörten Musik spiegelten. 8 Die Rhapsodie 900107 MARISS JANSONS SYMPHONIK AUS OSTEUROPA Drei außergewöhnlich farbenreiche, großbesetzte Orchesterwerke sind auf dieser CD vereint: Karol Szymanowskis Dritte Symphonie, Witold Lutosławskis Konzert für Orchester und Alexander Tschaikowskys Symphonie Nr. 4. „Eine Referenzaufnahme!“ CD des Monats BÜHNE Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks www.br-klassik.de/label Erhältlich im Handel und im BRshop 10 Untertitel Überraschungsstück www.ard-musikwettbewerb.de Klaviertrio Gesang Bläserquintett Oboe Trompete Klavier Schlagzeug Viola Klarinette Flöte Violoncello Fagott Posaune Harfe Klavierduo Horn Streichquartett Violine Kontrabass Orgel Gitarre ontrabass arfe treichquartett orn 65. Internationaler Musikwettbewerb der ARD München 29. August bis 16. September 2016 Nächster Wettbewerb 2017: Klavier Violine Oboe Gitarre »Olé, olé, anda la Maria!« Notizen zu Emmanuel Chabriers Rhapsodie España Während einer mehrmonatigen Spanienreise, von Juli bis Dezember 1882, besuchten Emmanuel Chabrier (1841–1894) und seine Frau Alice zahlreiche Städte auf der iberischen Halbinsel. Beginnend in San Sebastián, kamen sie über Burgos, Toledo, Sevilla, Granada, Málaga, Cádiz, Córdoba, Valencia und Zaragoza nach Barcelona. Vor allem die Eindrücke aus Andalusien schlugen sich in seinem wohl berühmtesten Werk España nieder, einer spanischen Rhapsodie, die er von Januar bis August 1883, direkt nach seinem dortigen Aufenthalt, komponierte. Gewidmet ist España dem Dirigenten Charles Lamoureux, der die Uraufführung am 4. November 1883 in Paris leitete. Über die Entstehung des Stücks schrieb Emmanuelle Chabrier ausführlich und sehr humorvoll an seine Pariser Verleger Carl Enoch und Georges Constallat. Hier zwei kleine Ausschnitte: »Sevilla, 21. 10. 1882. [Um uns herum wird Flamenco getanzt von einer Art Torero] mit knapp über den Hüften endenden Westen und mit enganliegenden Strumpfhosen, die diese nervösen Beine und den runden Hintern hervortreten lassen. Die Zigeuner singen ihre Malagueñas oder tanzen den Tango, der Manzanilla geht von Hand zu Hand, und alle Welt ist aufgefordert, zu trinken. Diese Augen, die Blumen in den prächtigen langen Haaren, und die Fransentücher um die Taille, diese Füße, die unaufhörlich einen komplizierten Rhythmus stampfen, diese Arme, die ständig um den Körper wirbeln, diese Wellenbewegungen der Hände, dieses strahlende Lächeln und dieser erstaunliche sevillianische Hintern, der sich in jede Richtung drehen kann, während der restliche Körper wie unbeweglich erscheint – und all das wird begleitet von den Schreien olé, olé, anda la Maria! anda la Chiquita! Eso es! Baile la Carmen, anda! anda! […] Währenddessen hören die zwei behäbigen Gitarristen nicht auf, mit der Zigarette zwischen den Lippen, irgendwas im Dreiertakt zu schaben (Der Tango allein ist im Zweiertakt). […] Dieses ständige In-die-Hände-Klatschen: Sie schlagen mit einem bewundernswerten Instinkt den Dreivierteltakt immer synkopisch, während die Gitarre friedlich dem Rhythmus folgt. Granada, 4. 11. 1882. Ich muss Ihnen nicht extra sagen, dass ich für Sie eine erstaunliche Malagueña schreiben werde […]. Die Volksmusik in Spanien ist von einem unvergleichlichen Reichtum. Ich schreibe alles auf, was ich höre, und hoffe sehr, Ihnen Ende Dezember ein interessantes Heft mitzubringen.« Renate Ulm Überraschungsstück Vom Kaffeehaus auf die Konzertbühne Zu Witold Lutosławskis Variationen über ein Thema von Paganini für Klavier und Orchester Monika Lichtenfeld Der junge Witold Lutosławski entwickelte schon früh vielseitige Talente. Er erhielt zunächst privaten Klavier- und Geigenunterricht und wurde bereits mit 13 Jahren Schüler des Warschauer Konservatoriums, zeigte zugleich aber eine starke Neigung zur Naturwissenschaft und studierte zwei Jahre Mathematik an der Universität. Schließlich gewann die Musik jedoch die Oberhand, und nach erfolgreichen Konservatoriums-Examina in Klavier (1936) und Komposition (1937) wollte er, wie es für junge polnische Künstler damals nahezu Pflichtprogramm war, seine Lehrzeit mit einer Studienreise nach Frankreich abschließen. Der Kriegsausbruch setzte solchen Plänen ein jähes Ende. Lutosławski wurde zur Armee eingezogen, floh aus deutscher Kriegsgefangenschaft und musste sich, da jedes offizielle Kulturleben im faschistisch besetzten Polen verboten war, als Kaffeehausmusiker in Warschau mehr schlecht als recht durchschlagen. Er konzertierte als Solist, Klavierbegleiter und Kammermusiker, vor allem im Duo mit seinem ehemaligen Kommilitonen Andrzej Panufnik, der sich nach dem Krieg als Komponist in England etablierte. Als »Bühne« dienten den beiden Pianisten Konzert- und Theatercafés, darunter das seinerzeit sehr beliebte »Sztuka y Moda« in der Warschauer KrólewskaStraße. Ihr Repertoire – vornehmlich Arrangements »seriöser« Musik von Bach, Mozart und Brahms bis Debussy und Ravel, aber auch von Strauß-Walzern und Opernauszügen – hatten sich die jungen Musiker selbst erarbeitet. Rund 100 solcher Gelegenheitswerke entstanden in knapp fünf Jahren, von Herbst 1939 bis Juli 1944; Entstehungszeit 1941 (Originalfassung für zwei Klaviere), 1977/1978 (Bearbeitung für Symphonieorchester und SoloKlavier) Widmungsträgerin der Orchesterfassung Felicja Blumental Uraufführung der Orchesterfassung 18. November 1979 in Miami mit Felicja Blumental (Klavier) und dem Florida Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Brian Priestman Lebensdaten des Komponisten 25. Januar 1913 in Warschau – 7. Februar 1994 in Warschau 12 Witold Lutosławski Witold Lutosławski einzig erhalten geblieben sind indes Lutosławskis Variationen über ein Thema von Paganini von 1941 – alle anderen fielen in den Wirren des Warschauer Aufstands den Flammen zum Opfer. Es erscheint geradezu als Ironie des Schicksals, dass diese kaum mehr als sechs Minuten lange, vom Autor selbst als reine Fingerübung eingestufte Komposition nach dem Krieg rasch Eingang ins Standardrepertoire der Klavierduos fand und schließlich zu einem der populärsten, meisteingespielten Werke Lutosławskis avancierte. Paganinis a-Moll-Capriccio, das letzte seiner legendären 24 Capricci per violino op. 1 (1818), hat zahlreiche Komponisten im 19. und 20. Jahrhundert – angefangen von Schumann (op. 3, 1832), Brahms (op. 35, 1863) und Szymanowski (op. 42, 1918) bis hin zu Rachmaninow (op. 43, 1934), Blacher (op. 26, 1947) und Ginastera (1963) – zu kreativem kompositorischem Weiterdenken inspiriert. Doch anders als bei Brahms, Rachmaninow oder Blacher handelt es sich bei Lutosławskis Paganini-Variationen nicht um 13 Witold Lutosławski Um 1945: das fast völlig zerstörte Warschau. Im Oktober 1944 hatte Hitler den Warschauer Aufstand durch Wehrmachts- und SS-Einheiten brutal niederschlagen lassen. Danach wurden 85 Prozent des Stadtgebietes in Schutt und Asche gelegt eine autonome Neuschöpfung, sondern eher um eine – wenn auch sehr freie – Transkription, gattungsspezifisch etwa vergleichbar mit Liszts Grandes Études de Paganini für Solo-Klavier von 1838. Lutosławski hält sich ziemlich streng an Paganinis Original, das aus elf Variationen und einem Finale besteht, wobei dieser Schlussteil hier durch eine quasi apotheotische Reprise des Themas mit kurzer Codetta ersetzt wird. Ingeniös gelingt es ihm, die brillanten geigerischen Eskapaden der Vorlage in einen farben- und nuancenreichen Klaviersatz zu übertragen. So werden beispielsweise die vertrackten Bariolagen der 2. Variation in chromatisch flimmernde Akkordbrechungen aufgelöst, die parallelen Terzen- und Dezimengänge der 6. Variation in einen kunstvoll gegenläufigen Kanon der beiden Klaviere verwandelt oder der Wechsel von »arco« und »pizzicato« in der 9. Variation als staccatierte Sforzati interpretiert. Changierende Tempi – vom Allegro capriccioso des Beginns über das Poco lento der 6. Variation bis hin zum rasanten Ancora più mosso der Coda – verleihen dem musikalischen Diskurs Struktur und Charaktervielfalt. Rhythmische Akzentuierung und bitonale oder polytonale Schärfungen im Mit- und Gegeneinander der beiden Spieler sorgen zusätzlich für spannungsvolle Kontraste und erinnern mit ihrer leicht ironischen Färbung bisweilen an französische Vorbilder, etwa an Erik Satie, Francis Poulenc oder Darius Milhaud. 14 Witold Lutosławski Felicja Blumental Einer Bitte der polnisch-brasilianischen Pianistin Felicja Blumental folgend hat Lutosławski seine Paganini-Variationen 1977 zu einem MiniKonzert für Klavier und Orchester bearbeitet. Dabei wurde, wie der Komponist selbst in einem Programmkommentar notierte, an der Substanz des Originals kaum etwas verändert. Um jedoch eine einigermaßen akzeptable Länge für ein konzertantes Werk zu erzielen, lässt Lutosławski hier jeden Abschnitt – mit Ausnahme des Themas und der Variationen 10 und 11 – wiederholen, wobei Solist und Orchester jeweils beim zweiten Durchgang ihre Rollen tauschen. Diese 1978 vollendete und ein Jahr später zugleich in Warschau und London publizierte Fassung wurde von der Auftraggeberin, die auch die Widmungsträgerin ist, am 18. November 1979 mit dem Florida Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Brian Priestman in Miami uraufgeführt. 15 Witold Lutosławski »Musikalisches Kaleidoskop Amerikas« Zu George Gershwins Rhapsody in Blue Egon Voss George Gershwins Rhapsody in Blue verdankt ihre Entstehung der Initiative des ebenso erfolgreichen wie umtriebigen Dirigenten Paul Whiteman, den man aber wohl treffender einen Bandleader nennt, da sein Metier nicht die Klassik, sondern die Unterhaltungsmusik war. Allerdings tut man ihm, wenn man ihn darauf reduziert, auch wieder Unrecht. Zwar verdiente er mit der U-Musik sein Geld (und dies nicht schlecht!), doch sein Ehrgeiz galt der Verbindung oder gar Verschmelzung der getrennten Sphären mit dem Ziel der Kreation einer genuin amerikanischen Musik. Insbesondere richtete sich seine Ambition auf einen »symphonischen Jazz«. Deshalb wünschte er sich von Gershwin ein Werk »in a jazz idiom«. Dabei war Gershwin zu Beginn des Jahres 1924, als Whiteman ihn mit seinem Auftrag gleichsam überfiel, nicht viel mehr als ein Broadway-Songschreiber, noch dazu weithin unbekannt. Doch der musikalische Instinkt, der Whiteman die Bedeutung des Jazz erkennen ließ, öffnete ihm auch Augen und Ohren für die Begabung Gershwins. Er irrte sich nicht. Gleich dessen erstes größeres Werk, die Rhapsody in Blue, war ein sensationeller Erfolg und machte Gershwin über Nacht berühmt. Allerdings hatte Whiteman, der auch in Bezug auf Public Relations überaus talentiert war, entsprechend vorgearbeitet. Die Rhapsody in Blue wurde im Rahmen einer groß inszenierten Veranstaltung uraufgeführt, bei der die gesamte Prominenz von New York anwesend war, darunter die Komponisten Rachmaninow und Strawinsky, die Dirigenten Stokowski und Mengelberg sowie die Geiger Fritz Kreisler und Jascha Heifetz. Entstehungszeit Fassung für zwei Klaviere: 7.–25. Januar 1924; Instrumentation durch Ferde Grofé, zuerst für Jazzband (beendet am 4. Februar 1924), dann für Symphonieorchester (1926) Widmung Paul Whiteman Uraufführung der Fassung für Klavier und Jazzband 12. Februar 1924 in New York mit George Gershwin am Klavier und den 32 Musikern von Paul Whitemans Palais Royal Orchestra, im Rahmen des Konzerts »An Experiment in Modern Music« Lebensdaten des Komponisten 26. September 1898 in Brooklyn/New York – 11. Juli 1937 in Beverly Hills/ Los Angeles 16 George Gershwin George Gershwin Bis heute wird darüber gerätselt, ob auch das Datum, an dem Whiteman sein großes Konzert mit der Uraufführung der Rhapsody in Blue veranstaltete, bewusst kalkuliert war. Der 12. Februar nämlich ist der Geburtstag von Präsident Abraham Lincoln, der Symbolfigur für die Abschaffung der Sklaverei. Wie dem auch sei: Alsbald entstand der Mythos von der »emancipation proclamation of jazz«, die mit der Rhapsody in Blue vollzogen worden sei. Ob das den Tatsachen gerecht wird, hängt davon ab, was man unter Jazz versteht, und für Puristen unter den Jazzkundigen gibt es gar keinen Zweifel, dass die Rhapsody in Blue nur wenig mit echtem Jazz zu tun hat. Fest steht, dass das Stück komponiert ist, also festgelegt, und den ausführenden Musikern an keiner einzigen Stelle die freie Improvisation gestattet, die für den Jazz konstitutiv ist. Und auch das Idiom des Werks lässt sich nicht allein vom Jazz herleiten. Es trifft die Sache besser, wenn man von Broadway-Musik spricht, die auch zu Gershwins Zeit bereits Elemente des Jazz in sich aufgesogen hatte. Das entspricht zudem genau der Sphäre, aus der Gershwin stammte und die er wie kaum ein zweiter repräsentiert. Das Stück entstand in Eile, und es entstand in enger Kooperation mit Gershwins Bruder Ira und dem Arrangeur von Whitemans Orchester, Ferde Grofé. Ira nahm Einfluss auf die formale Gestaltung, indem er zur Aufnahme eines langsamen Mittelteils riet und das passende Thema dazu selbst aus Georges Skizzenheften heraussuchte. Auch der Titel des Werks stammt 17 George Gershwin Ira Gershwin (li.) und sein Bruder George bei der gemeinsamen Arbeit von ihm. George hatte es zunächst American Rhapsody nennen wollen, weil er die Komposition »gleichsam als musikalisches Kaleidoskop Amerikas« auffasste und aufgefasst wissen wollte. Doch Ira setzte sich mit dem heute geläufigen Titel durch, der von Gemälden des Malers James McNeill Whistler abgeleitet ist. So hatte er u. a. im Metropolitan Museum of Art in New York Bilder dieses Malers mit Titeln wie Symphony in White, Nocturne in Blue and Silver, Harmony in Gray and Green gesehen. Ferde Grofé, der zweite Mitarbeiter, orchestrierte die Erstfassung des Werkes für zwei Klaviere im unmittelbaren Anschluss an die Komposition, buchstäblich anhand der noch tintennassen Blätter, die ihm Gershwin, bei dem er zu diesem Zweck wohnte, herüberreichte. Grofés Instrumentation bezog sich von vornherein auf Whitemans Orchester, und zwar auf die besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften der einzelnen Instrumentalisten dieses Ensembles. Musterbeispiel ist der Beginn, der dem Klarinettisten Ross Gorman, wie man so sagt, auf den Leib geschrieben wurde. Dass die Musiker sich in der Art ihres Spiels am Jazz orientierten, versteht sich angesichts der Ambitionen Whitemans von selbst. Die musikalische Form ergibt sich aus dem Wechsel von Abschnitten für das Orchester mit solchen für das Klavier allein. Gershwin verwendete fünf größere Themen und einige wenige kleinere Motive, die allesamt als feste Größen behandelt werden und zumeist unverändert erscheinen, sieht man von Tonart und Instrumentation ab. Dazwischen allerdings tritt auch 18 George Gershwin Das Orchester von Paul Whiteman spielte 1924 die Uraufführung von Gershwins Rhapsody in Blue das auf, was man in der europäischen Klassik motivisch-thematische Arbeit nennt, also Veränderung der Thematik und deren Weiterentwicklung. Dies findet sich vornehmlich in den Soloteilen, die dabei oft wie improvisiert anmuten. Ein weiteres aus der Klassik stammendes Element ist die Charakterverwandlung eines Themas durch Änderung des Tempos, geläufig vor allem aus Franz Liszts Symphonischen Dichtungen. Die Rhapsody in Blue ist, so sehr sie amerikanische Musik sein will, der Versuch, spezifisch Amerikanisches mit der europäischen Kunstmusik zu verbinden, ähnlich Werken von Chopin, Grieg, de Falla usw., in denen ebenfalls ein nationales Idiom mit der klassischen Tradition verknüpft wird. Außer auf die bereits genannten Techniken sei auf den RachmaninowTonfall des langsamen Themas hingewiesen und auf das versteckte Zitat des Anfangs von Beethovens Viertem Klavierkonzert im zweiten Thema. Hier wird die rhythmisch-melodische Identität der ersten zwölf Noten allerdings durch die Harmonik so verfremdet, dass man die Übereinstimmung kaum wahrnimmt. Es ließe sich von »amerikanisierter« Klassik sprechen. Doch bezeichnend für das Mit- und Ineinander von Amerikanischem und Europäischem in der Rhapsody in Blue ist die Tatsache, dass sich nicht die Fassung für die amerikanische Jazzband weltweit durchgesetzt hat, sondern die für das europäische Symphonieorchester, auch wenn darin die Reste der Fassung für Jazzband in Gestalt von drei Saxophonen und Banjo noch erkennbar sind. 19 George Gershwin Welterfolg einer »Jugendsünde« Zu George Enescus Rumänischer Rhapsodie A-Dur, op. 11 Nr. 1 Judith Kemp An Feiertagen ist George immer schon lange wach, wenn seine Mutter an die Kammertür klopft, um ihn zu wecken. Vollständig angezogen, in der Hand die selbstgebastelte Geige mit Bindfadensaiten, steht der Dreijährige am Fenster und blickt angestrengt hinaus, um als erster die herannahenden Lǎutari zu erspähen. In der Ferne sieht er sie schließlich mit ihren Instrumentenkästen, ihren Schatztruhen, dem elterlichen Hof entgegenziehen. Während die Musiker noch ihre Flöten, Geigen, Lauten und Klarinetten, das Akkordeon und das Zymbal auspacken, ist George schon unter ihnen und erwartet begierig den Beginn ihres Vortrags. Wie gebannt lauscht er ihren Melodien, dem frechen Am un leu şi vreau sǎ-l beu, zu Deutsch etwa Ich habe einen Groschen und möchte ihn versaufen, der schwermütigen Weise Mugur-Mugurel, dem virtuosen Ciocârlia, das den Gesang einer Lerche imitiert, und ihren traditionellen Tänzen Hora und Sârba. Entstehungszeit 1901 Widmung Bernard Crocé-Spinelli, Komponist, Pädagoge und Studienkollege Enescus in Paris Uraufführung 23. Februar 1903 im Bukarester Ateneul Român unter der Leitung George Enescus Lebensdaten des Komponisten 19. August 1881 in Liveni (Kreis Dorohoi, Rumänien) – 4. Mai 1955 in Paris Der Einfluss der rumänischen Volksmusik findet sich in vielen Stücken Enescus, am unmittelbarsten jedoch in einigen seiner frühen Werke, dem Poème roumain op. 1 und den beiden Rumänischen Rhapsodien op. 11. Das Poème roumain bescherte dem 16-Jährigen 1897 in Paris, wo er seit 1895 bei Jules Massenet und Gabriel Fauré am Konservatorium studierte und das ihm zu einer zweiten Heimat werden sollte, den Durchbruch als Komponist. Die Rumänischen Rhapsodien aus dem Jahr 1901 entstanden nach dem Vorbild der ungemein populären Ungarischen Rhapsodien von Franz Liszt, avancierten bald nach ihrer Uraufführung 1903 im Bukarester Konzert20 George Enescu George Enescu saal Ateneul Român zu den beliebtesten Tonschöpfungen Enescus und sind es bis heute geblieben. Wie Liszt verwendete auch Enescu in seinen Rhapsodien eine Vielzahl an Volksmusikzitaten, wobei in der ersten vor allem Tänze, in der zweiten dagegen Lieder dominieren. Träumerisch, wie eine ferne Hirtenschalmei eröffnet die Solo-Klarinette die erste Rhapsodie mit dem Lied Am un leu şi vreau sǎ-l beu, das von der Oboe weitergeführt und dann in immer größerer Besetzung und gesteigertem Tempo noch zweimal wiederholt wird. Durch einen neuen Rhythmus deutlich abgesetzt erscheint als zweites Volksmusikzitat die Hora lui Dobricǎ, ein berühmter rumänischer Reigen- oder Kreistanz, der mit einem temperamentvollen Aufwärtsschwung beginnt und dann schwelgerisch fortschreitet. Die chromatischen Abwärtsfiguren in den Holzbläsern über der Melodie bilden an dieser Stelle ein besonders auffälliges Beispiel für die kunstvolle Verarbeitung und Verfremdung, die Enescu an dem ursprünglichen musikalischen Material vornimmt. Einer eingeschobenen, lieblichen Sârba mit punktiertem Rhythmus folgt die nochmalige Wiederholung der Hora lui Dobricǎ, in der zunächst die Solo-Bratsche die Führung übernimmt, bevor die Sârba noch einmal kurz anklingt. Überaus düster ist das nun folgende Volkslied Mugur-Mugurel, dessen schwermütige Stim21 George Enescu Rumänische Lǎutari zu Enescus Zeit mung jedoch sehr schnell durch die wiederkehrenden Hora und Sârba aufgelockert wird. Im nächsten Zitat Ciocârlia vollführen die Holzbläser über den Achteltupfern der Streicher ein wahres Vogelkonzert. Immer schneller und furioser dreht sich der Reigen der Volkslieder und -tänze und erreicht zuletzt ein Tempo, das die Zuhörer förmlich aus ihren Sitzen reißt. Mit seinen Rumänischen Rhapsodien hatte sich der 22-jährige Enescu einen festen und beständigen Platz im internationalen Konzertrepertoire gesichert, zugleich aber auch ein Werk geschrieben, das bis heute sein übriges kompositorisches Schaffen überschattet. Noch im Alter beklagte Enescu den Erfolg seiner »Jugendsünde« und die ausbleibende Rezeption seines späteren, fraglos elaborierteren und originelleren Œuvres, darunter Werke wie seine Dritte Symphonie (1918), das Erste Streichquartett (1920) oder seine Oper Œdipe (1921/1922). Doch war er daran selbst nicht ganz unschuldig, da er aufgrund seines überaus bescheidenen Wesens und seines perfektionistischen Selbstanspruchs die Vermarktung seiner eigenen Stücke nur zögerlich vorantrieb. Sehr viel mehr lagen ihm die Vermittlung der Werke anderer, berühmterer Komponisten wie Bach, Beethoven oder Wagner in seinem Heimatland am Herzen sowie die Pflege und der Ausbau der klassischen rumänischen Musikszene. Darüber hinaus fehlte dem musi22 George Enescu George Enescu und Yehudi Menuhin kalischen Allrounder häufig auch die Muße, sich der Veröffentlichung und Verbreitung seiner Schöpfungen anzunehmen, da er als gefragter Dirigent und gefeierter Violinist viel Zeit mit Tourneen durch ganz Europa und Nordamerika verbrachte. An die 2.000 Auftritte absolvierte Enescu während seiner langen internationalen Karriere, stand am Pult renommierter Orchester (darunter das Concertgebouworkest Amsterdam, das London Philharmonic Orchestra und das New York Philharmonic Orchestra), konzertierte als Solist oder Kammermusiker mit Größen wie Pablo Casals oder Leopold Stokowski und widmete sich darüber hinaus intensiv seiner pädagogischen Tätigkeit als Geigenlehrer berühmter Schüler wie Yehudi Menuhin, Arthur Grimaux und Ida Haendel. Den Grundstock für seine geigerische Meisterschaft hatte Enescu übrigens bereits mit vier Jahren unter der Anleitung von Lae Chioru gelegt, einem »Zigeunergeiger« und Lăutar, der selbst keine Noten lesen konnte, dem Kind darum das Spielen nach Gehör beibrachte und ihn mit der rumänischen Musiktradition vertraut machte. Geprägt durch seinen frühen intensiven Kontakt mit der Volksmusik blieb der Komponist diesem Genre Zeit seines Lebens tief verbunden. In den Klängen seiner Heimat eröffnete sich ihm, wie er später einmal sagte, eine unbegrenzte Quelle reiner und origineller Kunst. 23 George Enescu »L’Espagne est ma seconde patrie musicale« Maurice Ravel und seine Rapsodie espagnole Florian Heurich »Die Rapsodie espagnole überraschte mich durch ihren spanischen Charakter«, schrieb Manuel de Falla, der das Werk hörte, kurz nachdem er 1907 nach Paris gekommen war. Dieser Spanier, der sich selbst intensiv mit der Volksmusik seines Landes auseinandersetzte, rühmte die ebenso präzise wie individuelle Art und Weise, auf die sich Ravel in der spanischen Klangwelt bewegte. »Wie aber sollte ich mir diesen so subtil authentischen Hispanismus erklären? Ich fand rasch die Lösung des Rätsels: Ravels Spanien war ein idealisiertes Spanien, wie er es durch seine Mutter kennengelernt hatte.« Anders als die meisten französischen Komponisten, die um die Wende zum 20. Jahrhundert das Land südlich der Pyrenäen als fremdes, exotisch schillerndes Sehnsuchtsland für sich und ihre Musik entdeckten, hatte Ravel eine ganz unmittelbare Beziehung zu Spanien. Seine Mutter Marie Delouart war Baskin, hatte für längere Zeit in Madrid gelebt und lernte in Spanien den Schweizer Ingenieur Pierre-Joseph Ravel kennen. Der gemeinsame Sohn Maurice kam im französischen Teil des Baskenlandes zur Welt, in Ciboure, nur rund zehn Kilometer von der spanischen Grenze entfernt. »Als ich noch ein Baby war, sang meine Mutter mich immer mit baskischen oder spanischen Liedern in den Schlaf«, berichtete Ravel, der auf diese Weise die sanft wiegende Habanera, den sinnlichen Fandango oder die schwungvolle Jota von klein auf verinnerlichte, obwohl er seine Kindheit in Paris verbracht hatte. Dementsprechend ist auch eine Habanera, die Ravel bereits im Jahr 1895 als 20-Jähriger schrieb, sein erstes spanisch inspiriertes Werk. Damals Teil Entstehungszeit Der spätere dritte Satz (Habanera) als Teil einer früheren Komposition bereits 1895, die übrigen Sätze Ende 1907 bis Februar 1908 Die beiden Fassungen, eine für zwei Klaviere und eine für Orchester, entstanden kurz nacheinander Uraufführung der Orchesterfassung 15. März 1908 unter der Leitung von Édouard Colonne im Théâtre du Châtelet in Paris Lebensdaten des Komponisten 7. März 1875 in Ciboure – 28. Dezember 1937 in Paris 24 Maurice Ravel Ricardo Viñes und Maurice Ravel (um 1901) der Komposition Sites auriculaires für zwei Klaviere (frei übersetzt: Hörplätze), an deren Uraufführung der mit Ravel befreundete spanische Pianist Ricardo Viñes beteiligt war, wird diese Habanera später zum dritten Satz der Rapsodie espagnole. Hier stellte Ravel dem Stück einen Vers aus Charles Baudelaires Gedicht À une dame créole (Für eine kreolische Dame) aus dessen Sammlung Les Fleurs du Mal (Blumen des Bösen) voran, der als Motto für die ganze Rapsodie espagnole gelten könnte: »Au pays parfumé que le soleil caresse« – »Im duftenden Land, das die Sonne liebkost«. Aber auch die schweizerische Seite von Ravels Herkunft schlug sich in seinem kompositorischen Schaffen nieder, indem er mit minutiöser Präzision den musikalischen Mikrokosmos erforschte und rhythmische Strukturen festlegte. Igor Strawinsky nannte Ravel sogar den »Schweizer Uhrmacher« unter den Komponisten. Die Dualität zwischen dem sensuell 25 Maurice Ravel Das Geburtshaus von Maurice Ravel in Ciboure nahe der spanischen Grenze Spanischen und dem gründlich Schweizerischen wird wohl durch kein Werk besser versinnbildlicht als durch die musikalische Komödie L’heure espagnole (Die spanische Stunde), in der schweizerisches Uhrwerksticken und spanisches Temperament Hand in Hand gehen. L’heure espagnole entstand Ende des Jahres 1907 fast zeitgleich mit der Rapsodie espagnole und lange bevor Ravel Spanien persönlich kennengelernt hat – seine erste Reise auf die iberische Halbinsel fand erst 1911 statt. Während sich das Opernprojekt noch über zwei Jahre hinzog, war das Orchesterstück schnell fertiggestellt. Zunächst in einer Version für zwei Klaviere konzipiert, erstellte Ravel bis Februar 1908 die Orchesterfassung. Die Uraufführung fand bereits im März desselben Jahres in Paris statt. Claude Debussy hatte wenige Jahre zuvor seiner Soirée dans Grenade (Abend in Granada), dem zweiten Satz der Estampes für Klavier, auch einen Habanera-Rhythmus zugrunde gelegt. Da die beiden Werke durchaus Ähnlichkeiten aufweisen, bestand Ravel bei der Drucklegung der Rapsodie espagnole darauf, als Kompositionszeitpunkt seiner Habanera dort das Jahr 1895 anzugeben. Damit sollten jegliche Vorwürfe der Imitation oder Kopie aus dem Weg geräumt werden. An diesem Plagiatsstreit zerbrach jedoch das ehemals freundschaftliche Verhältnis der beiden Komponisten. 26 Maurice Ravel Um die Habanera gruppierte Ravel weitere spanische Tänze: eine Malagueña als zweiten Satz und eine Jota im vierten Satz mit dem Titel Feria. Als Einleitung stellte der Komponist das langsame, eine Nachtstimmung evozierende Prélude à la nuit (Vorspiel zur Nacht) voran. Die sich ständig wiederholende, absteigende Tonfolge ›f-e-d-cis‹ bildet das Ostinato, den Klangteppich, zu diesem ersten Satz. Das Spanische schlägt sich vor allem im Harmonischen nieder, da Ravel den Satz um eine andalusische Tonfolge herum aufbaute. Abgeleitet aus Flamenco und Volksmusik steht diese Scala als Chiffre für das Nationalkolorit des ganzen Werks. In der sich anschließenden Malagueña griff Ravel auf einen speziellen Stil des Flamenco-Gesangs zurück, der sich in der Gegend um Málaga aus dem Fandango entwickelt hatte: Einleitende Streicher-Pizzicati imitieren die Gitarrenbegleitung, Einwürfe der Trompeten nehmen Volksthemen auf, bevor das Solo des Englischhorns die ornamental ausgezierte Gesangslinie des Cantaors, des Flamenco-Sängers, nachahmt. Als Reminiszenz und verbindendes Moment erscheint das Ostinato-Motiv des ersten Satzes und beschließt diese Malagueña. Der sinnlich träge Rhythmus der Habanera, einer jener Tänze, die aus der einstigen Kolonie Kuba nach Spanien gekommen sind, zieht sich im dritten Satz gleich durch mehrere Instrumentengruppen. Wie schon in der Malagueña sorgt das Tamburin zusätzlich für iberisches Kolorit, das sich in der Fest- und Feierstimmung der finalen Feria noch verstärkt: Kastagnetten lassen nun wirklich keinen Zweifel mehr an der lokalen Verortung des Werks zu, und mit einer Jota zitiert Ravel auch ganz konkret einen Tanz, der ursprünglich in Aragón beheimatet war, sich dann in ganz Spanien verbreitet hat und zum Synonym für Volksfeste wurde. »Dieser Hispanismus wurde nicht einfach durch die Verwendung von folkloristischem Material erreicht, sondern – mit Ausnahme der Jota aus der Feria – durch eine freie Verwendung der Rhythmen, der modalen Melodien und der ornamentalen Wendungen unserer Volksdichtung: Elemente, die den Personalstil des Komponisten nicht veränderten [...].« Manuel de Falla charakterisierte treffend das differenzierte Spanien-Bild, das Ravel in seiner Rapsodie espagnole entwarf. Das Werk ist weniger eine glutvolle, musikalische Ambiente-Schilderung als vielmehr eine subtile Reflexion über ein Land, zu dem Ravel eine tiefe Bindung verspürte. Erst zum Ende hin schält sich das Spanische ganz unmittelbar aus einer Klanglandschaft heraus, in der es ansonsten eher als fein ausgearbeiteter Akzent erscheint. Als »zweite musikalische Heimat« (»L’Espagne est ma seconde patrie musicale«) hat Ravel Spanien bezeichnet. Dort bewegte er sich mit der Sicherheit dessen, der selbst als Außenstehender einen Teil der spanischen Kultur verinnerlicht hatte und in der Musik seinen Wurzeln nachspürte. 27 Maurice Ravel Vom »klassischen Zigeuner« und »ungarischer« Folklore Zu Franz Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 2 Harald Hodeige »Unter allen Künsten ist die Musik die einzige geeignete, die Gefühle gewissermaßen durch ihr blendendes Sieb zu treiben, um sie, abgespült von allen Exzessen des Geistes und Herzens, als Perlen in ihrer ursprünglichen Reinheit leuchten zu lassen«, schrieb Franz Liszt in seinem Buch Des Bohémiens et de leur musique en Hongrie, in dem er seine lebenslange Begeisterung für das, was man damals als »Zigeunermusik« bezeichnete, in Worte fasste. »Unter allen dem Menschen zum Ausdruck gegebenen Sprachen«, fährt er in dem erstmals 1859 in Paris veröffentlichten Bändchen fort, »liebt der Zigeuner nur die Musik; unter allen Gefühlen, die der Zigeuner in seiner Musik enthüllt, ist das lebendigste: der Schmerz, das hervorragendste: der Stolz. […] Die Originalität anderer nationaler Musik ist mehr in der Einförmigkeit des Rhythmus zu suchen – sie erklärt das in ihr herrschende Gefühl –; denn die sesshaften Völker, die eine monotone Lebensart führen, haben die Neigung, in der Kunst nur eine Leidenschaft, nur ein Gefühl, nur eine bei ihnen überwiegende Phase der Seele wiederzugeben. Im Gegensatz zu dieser Eintönigkeit bewegt sich die Kunst der Zigeuner in einer erstaunlichen Vielheit, was diejenigen, die eine zahllose Menge dieser Stücke kennengelernt haben, zu beurteilen wissen. Nichts bezeugt mehr ihre unerschöpfliche Fruchtbarkeit, als die Tatsache, dass ein und dieselben Kombinationen kaum mehrere Male sich wiederholen. […] Ihre Verschiedenheit ist unendlich. Ihre Regel: keine Regel zu haben.« Was Liszt, der sich selbst einmal als »klassischen Zigeuner« bezeichnet hat, am Spiel der ungari- Entstehungszeit Klavierfassung: um 1847 Orchesterfassung: nicht bekannt Widmung László Teleky (Klavierfassung) Uraufführung Unbekannt Lebensdaten des Komponisten 22. Oktober 1811 in Raiding (ungarisch: Doborján, damals ungarisches Kronland des Kaisertums Österreich, heute Burgenland) – 31. Juli 1886 in Bayreuth 28 Franz Liszt Franz Liszt (1858) schen Sinti und Roma seiner Zeit – »mes charmants et excellents collègues«, wie er sie nannte – so überaus schätzte und womit er sich voll und ganz identifizierte, war das ungehemmte Auskosten der Emotion, das Rhapsodische des virtuosen Spiels, das ständige Umformen, Improvisieren – kurz: das spontane Werden der Musik aus sich selbst heraus. »Allein und zu Fuß mit dem Bündel auf dem Rücken« wollte er »die einsamsten Gegenden Ungarns« aufsuchen, um im Zuge einer »nationalen Studie« die »Zigeunermelodien« im Notentext zu dokumentieren – ein Vorhaben, das die Herausgabe des mehrbändigen Klavierwerks Magyar Dalok (Ungarische Nationalmelodien) zur Folge hatte. Die darin enthaltenen Stücke sollten die Basis der Ungarischen Rhapsodien bilden. Mit wirklicher ungarischer Folklore hatte das Ganze allerdings wenig zu tun. Denn obgleich die Verbunkos der ungarischen Sinti und Roma – sich im Tempo fortwährend steigernde Tänze, mit denen einst Rekruten für die österreichisch-ungarische Armee angeworben wurden – genau das repräsentierten, was im musikalischen Europa als »all’ungherese« galt, handelte 29 Franz Liszt Das Geburtshaus von Franz Liszt in Raiding es sich um eine folkloristische Kunstmusik, die ebenso wenig »ungarisch« war wie das »alla turca« Mozarts oder Beethovens »türkisch« – ein Umstand, der im Zuge der musikethnologischen Forschungen Béla Bartóks und Zoltán Kodálys richtiggestellt wurde. Dieses Klangkolorit als »couleur locale«, die im unterdrückten Ungarn des 19. Jahrhunderts unzensierter Ausdruck nationaler Identität war, wurzelte partiell in der ungarischen Volksmusik. Allerdings vermischte es sich untrennbar mit dem Volkstümlich-Artifiziellen und veränderte sich ständig durch die wachsende Vortragskunst der Roma-Kapellen. Zu deren charakteristischen Instrumenten gehörte neben der Violine auch das Cymbal, ein hackbrettartiges, mit zwei Hämmerchen gespieltes Saiteninstrument, das im 19. Jahrhundert im Osten Europas weit verbreitet war. Liszts Abhandlung Des Bohémiens et de leur musique en Hongrie, die er »in der Hoffnung« verfasst hatte, »die Aufnahme dieser unserem Vaterlande so teuren Musik in die höchste Sphäre der Kunst zu erleichtern«, entstand auf der Grundlage eines Vorworts, das ursprünglich für die Ungarischen Rhapsodien gedacht war: »Als wir einen Teil des beträchtlichen Materials, das wir während unserer langen Beziehungen zu den Zigeunern in Ungarn und den Sammlern ihrer hauptsächlichsten Themen anzuhäufen Gelegenheit hatten, dem Klavier als dem Instrument übertrugen, das das Gefühl und die Form der Zigeunerkunst am besten in ihrer Wesenheit wiedergeben 30 Franz Liszt könnte, mussten wir ihnen einen Gattungsnamen geben, der dem von uns mit ihm verknüpften zweifach nationalen Charakter entsprach. So nannten wir die Sammlung aller dieser Stücke ›Ungarische Rhapsodien‹. Mit dem Wort ›Rhapsodie‹ wollten wir das phantastisch epische Element bezeichnen, das wir in ihnen zu erkennen glaubten.« Liszt war erklärtermaßen zu der Überzeugung gekommen, dass seine zwischen 1840 bis 1848 erschienenen Magyar Dalok (Ungarischen Nationalmelodien) – diese »zerstreuten und auseinandergerissenen Melodien« also – Bruchstücke »eines großen Ganzen seien, dass sie sich vollkommen zur Zusammenfügung eines harmonischen Gesamtwerkes eignen würden – eines Gesamtwerkes, das die Quintessenz ihrer hervortretendsten Eigenschaften und frappantesten Schönheiten in sich schlösse und […] als Art nationales Epos betrachtet werden könnte – als ein zigeunerisches Epos […].« Wie radikal der zur improvisatorischen Freiheit neigende Komponist bei der Revision der ursprünglichen Stücke vorging – in Liszts Œuvre machen die Anzahl der Kompositionen, die in einer einzigen Version vorliegen und nicht thematisch auf andere zurückgreifen, nur wenig mehr als ein Fünftel des Gesamtwerks aus –, zeigen auch seine Rhapsodien. Eine AusFranz Liszt am Klavier (Französische Karikatur von 1845) 31 Franz Liszt nahme bildet die zweite: ein überschwängliches, hochvirtuoses und durch seine rhythmische Energie bestechendes Musikstück, das zu Liszts bekanntesten Kompositionen gehört. Nicht umsonst wurde es mit großem Effekt in den Zeichentrickfilmen von Bugs Bunny (Rhapsody Rabbit, Warner Bros. 1946) und von Tom und Jerry aufgeführt (Cat Concerto, MGM 1946), letzteres mit einem Oscar ausgezeichnet. Denn diese cis-Moll-Rhapsodie beruht offenbar nicht auf einer früheren Komposition, wobei bis heute unklar ist, wo die Musik herstammt: Das einleitende Thema ist in einem Skizzenbuch von 1846 als etwas verzeichnet, das Liszt irgendwo gehört hatte, während das übrige Material durchaus originär sein könnte. Gegen Ende des schnellen Abschnitts ließ Liszt Raum für eine »cadenza ad libitum«, den viele Pianisten (u. a. Eugen d’Albert und Sergej Rachmaninow) für Eigenkompositionen genutzt haben. Liszt selbst hat in seinen letzten Lebensjahren anlässlich einer seiner berühmten Meisterklassen neben diversen Ergänzungen und Verzierungen sowie einer neuen Coda auch eine Kadenz für seine Schülerin Toni (Antonia) Raab geschrieben. Zudem hat der Komponist in der Zeit von 1857 bis 1860 das Werk gemeinsam mit fünf weiteren Ungarischen Rhapsodien für Orchester bearbeitet und publiziert (S 359). Die Instrumentierung nahm Franz Doppler unter seiner Aufsicht vor, wobei Liszt Mitte der 1870er Jahre die Stücke grundlegend revidierte. Von der Zweiten Ungarischen Rhapsodie wurde allerdings nicht Liszts Adaption bekannt (S 359/4), sondern das im heutigen Konzert gespielte c-MollArrangement des Dirigenten Karl Müller-Berghaus, der unzählige Bearbeitungen fremder Werke vorgelegt hat. Liszt selbst hat seine Orchesterversion dann noch für Klavierduo bearbeitet (in d-Moll), wobei Franz Brendel unter seiner Aufsicht ebenfalls eine Duoversion verfasste (in c-Moll). Natürlich hat sich Liszt seine Ungarischen Rhapsodien auf den Leib geschrieben – konnte der Jahrhundertvirtuose doch auf »seinem« Instrument Dinge hervorbringen, die »man allgemein für unmöglich gehalten hat und die bisher tatsächlich unerreichbar waren« (Hector Berlioz). Dabei bewunderten die Zeitgenossen nicht nur Liszts brillante Klaviertechnik: »Wir haben alle nur ein paar Finger von seinen beiden Händen« (Johannes Brahms). Sie ließen sich auch von seiner besonderen Aura gefangennehmen, die es ihm erlaubte, das Publikum im »Durcheinanderstürmen der Effekte […] halb taumelnd und bewußtlos« mitzureißen (Ludwig Rellstab). Den Ungarischen Rhapsodien hat der Komponist damit eine nicht zu unterschätzende Hypothek auf den Weg gegeben, da die Stücke letztlich eines kongenialen Interpreten bedürfen, um wirklich plausibel zu wirken – jenes produktiven Künstlers, der in den Worten Liszts »dem in Lethargie befangenen Körper den Atem« einhauchen kann, um »aus der Lehmform ein lebendiges Wesen« zu gestalten. 32 Franz Liszt B r- K L a S SI K-Stu di okonzerte LIEDERABEND FLOrIan BOeSCH BARITON MaLCOLM MartIneaU KLAVIER Schubert Schumann Liszt Karten: Euro 21,– / 29,– Schüler und Studenten: Euro 8,– BRticket 089 / 59 00 10 880 www.br-klassikticket.de München Ticket 089 / 54 81 81 81 facebook.com/brklassik Foto: Lukas Beck Dienstag 27. Oktober 2015 20.00 Uhr Studio 2 im Funkhaus Auch live im Radio auf BR-KLASSIK und als Videostream auf br-klassik.de 34 Biographien Denis Matsuev Seit seinem glänzenden Sieg beim 11. Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb 1998 in Moskau hat sich der russische Pianist Denis Matsuev als einer der meistgefragten Interpreten seiner Generation etabliert. Er erhält Einladungen von den führenden Orchestern in aller Welt und arbeitet regelmäßig mit namhaften Dirigenten wie Mariss Jansons, Valery Gergiev, Zubin Mehta, Yuri Temirkanov, Kurt Masur, Paavo Järvi, Leonard Slatkin, Myung-Whun Chung, Antonio Pappano, Semyon Bychkov, Iván und Ádám Fischer und Vladimir Fedoseyev. Auch die großen internationalen Festivals begrüßen ihn regelmäßig als ihren Gast, so das Ravinia Festival, das Verbier Festival, die BBC Proms, die Festspiele in Edinburgh, SchleswigHolstein, Baden-Baden und im Rheingau, das Chopin-Festival in Polen, der Maggio Musicale Fiorentino und das Stars of the White Nights Festival in Russland. Zugleich zeigt sich Denis Matsuev mit der Leitung eigener Festivals sowie verschiedener pädagogischer Projekte auch jenseits der Klaviatur als wichtige Persönlichkeit des Kulturlebens. Seit 2004 organisiert er in seiner Heimatstadt Irkutsk das Festival »Stars on Baikal«, außerdem ist er Künstlerischer Direktor des Musikfestivals »Crescendo« sowie des International Festival of Classical Music and Competition for Young Pianists im kasachischen Astana. In Frankreich übernahm er 2010 die Leitung des Annecy Classic Festivals, zudem ist er Präsident der Stiftung »New Names«, die die musikalische Förderung von Kindern in verschiedenen Regionen Russlands unterstützt. 2014 ernannte ihn die UNESCO zum Goodwill-Botschafter. Als Interpret pflegt Denis Matsuev ein breites Repertoire. Seine besondere Beziehung zur russischen Musik spiegelt sich auch in seinen CD- und DVD-Veröffentlichungen wider, die u. a. Klavierkonzerte von Tschaikowsky, Rachmaninow, Schostakowitsch und Prokofjew umfassen. Auch der Mitschnitt seines letzten Auftritts beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Dezember 2004 liegt auf CD vor, damals spielte er unter der Leitung von Mariss Jansons Rodion Schtschedrins Fünftes Klavierkonzert. Ganz aktuell erschien eine Aufnahme von Rachmaninows Erstem und Schtschedrins Zweitem Klavierkonzert sowie Strawinskys Capriccio. Denis Matsuev ist der »Rachmaninoff Foundation« und deren Präsident, Alexander Rachmaninow, dem Enkel des Komponisten, eng verbunden. Die Stiftung erwählte ihn, um unbekannte Stücke von Rachmaninow in dessen »Villa Senar« am Vierwaldstätter See auf dessen Klavier zu spielen und aufzunehmen. Denis Matsuev ist Honorarprofessor der Moscow State University und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Schostakowitsch-Preis sowie den Staatspreis für Literatur und Kunst der Russischen Föderation. 35 Biographien 36 Biographien Mariss Jansons Der 1943 in Riga geborene Sohn des Dirigenten Arvı-ds Jansons absolvierte seine Ausbildung am Konservatorium in Leningrad (Violine, Klavier, Dirigieren) mit Auszeichnung; Studien in Wien bei Hans Swarowsky und in Salzburg bei Herbert von Karajan folgten. 1971 war Mariss Jansons Preisträger beim Dirigentenwettbewerb der Karajan-Stiftung in Berlin, im selben Jahr machte ihn Jewgenij Mrawinskij zu seinem Assistenten bei den Leningrader Philharmonikern, den heutigen St. Petersburger Philharmonikern. Bis 1999 blieb er diesem Orchester als ständiger Dirigent eng verbunden. Von 1979 bis 2000 setzte Mariss Jansons Maßstäbe als Chefdirigent der Osloer Philharmoniker, die er zu einem internationalen Spitzenorchester geformt hat. Außerdem war er Erster Gastdirigent des London Philharmonic Orchestra (1992–1997) und Musikdirektor des Pittsburgh Symphony Orchestra (1997–2004). Seit 2003 ist Mariss Jansons Chefdirigent von Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks. Von 2004 bis 2015 stand er zugleich dem Concertgebouworkest Amsterdam als Chefdirigent vor, das ihn im Februar dieses Jahres zu seinem Ehrendirigenten ernannte. Nach seinem Abschiedskonzert im März wurde ihm die Silberne Ehrenmedaille der Stadt Amsterdam überreicht. Mariss Jansons arbeitet auch regelmäßig mit den Berliner und Wiener Philharmonikern, deren Neujahrskonzert er 2016 zum dritten Mal leiten wird. Mariss Jansons ist Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien sowie der Royal Academy of Music in London. Für seinen Einsatz bei den Osloer Philharmonikern wurde ihm der Königliche Norwegische Verdienstorden verliehen. 2003 erhielt er die Hans-von-Bülow-Medaille der Berliner Philharmoniker, 2004 ehrte ihn die Londoner Royal Philharmonic Society als »Conductor of the Year«, 2006 erklärte ihn die MIDEM zum »Artist of the Year«, außerdem bekam er den Orden »Drei Sterne« der Republik Lettland. Im selben Jahr erhielt er für die 13. Symphonie von Schostakowitsch mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks den Grammy in der Kategorie »Beste Orchesterdarbietung«. Mit dem ECHO Klassik wurde Mariss Jansons 2007 als »Dirigent des Jahres«, 2008 für die Einspielung von Werken von Bartók und Ravel sowie 2010 für Bruckners Siebte Symphonie geehrt. 2009 folgte die Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst, 2010 die des Bayerischen Maximiliansordens. 2013 durfte Mariss Jansons für sein dirigentisches Lebenswerk den Ernst von Siemens Musikpreis und von Bundespräsident Joachim Gauck das »Große Bundesverdienstkreuz mit Stern« entgegennehmen, 2015 wurde er zum »Commandeur des Arts et des Lettres« der Französischen Republik ernannt. 37 Biographien br-klassik HIGHLIGHTS IM Fernsehen Bayerisches Fernsehen Sonntag, 11. Oktober 2015 | 09.45 Uhr KlickKlack Das Musikmagazin Moderation: Sol Gabetta Donnerstag, 15. Oktober 2015 | 23.25 Uhr Die Nacht der Trommeln Ghanaba & Robyn Schulkowsky in Accra Ein Film von Klaus Voswinckel (2001) Sonntag, 18. Oktober 2015 | 10.15 Uhr Mariss Jansons dirigiert Igor Strawinsky: »Petruschka« (Fassung 1947) Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (Konzertaufzeichnung aus der Philharmonie im Gasteig vom 17. April 2015, Erstausstrahlung) ARD-ALPHA Sonntag, 11. Oktober 2015 | 11.00 Uhr Lorin Maazel dirigiert Franz Schubert: Symphonie Nr. 1 D-Dur, D 82 Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (Konzertaufzeichnung aus dem Prinzregententheater von 2001) Sonntag, 18. Oktober 2015 | 11.00 Uhr Lorin Maazel dirigiert Lorin Maazel Franz Schubert: Symphonie Nr. 2 B-Dur, D 125 Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (Konzertaufzeichnung aus dem Prinzregententheater von 2001) br-klassik.de br-klassik HIGHLIGHTS IM RADIO Samstag, 10. Oktober 2015 | 18.05 Uhr Jazz und mehr zur ARD-Themenwoche »Heimat« Die Heimischen Mit Musik von Irving Berlin, George Gershwin, Joachim Kühn, Dhafer Youssef u. a. Moderation und Auswahl: Roland Spiegel Sonntag, 11. Oktober 2015 | 10.05 Uhr Symphonische Matinée Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Leitung: Günter Wand Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert B-Dur, KV 595 (Christian Zacharias, Klavier); »Bella mia fiamma, addio – Resta, oh cara«, Rezitativ und Arie, KV 528 (Edith Wiens, Sopran); Serenade D-Dur, KV 250 – »Haffner-Serenade« (Ernö Sebestyen, Violine) Sonntag, 11. Oktober 2015 | 19.05 Uhr Sonderprogramm – live Live aus dem Studio 1 des Bayerischen Rundfunks: »Let the Peoples sing« 44. Internationaler Chorwettbewerb der EBU – Finale Montag, 12. Oktober 2015 | 13.05 Uhr Cantabile Zum 80. Geburtstag des Tenors Luciano Pavarotti Arien aus Opern von Gioacchino Rossini, Gaetano Donizetti, Giuseppe Verdi, Giacomo Puccini, Richard Strauss u. a. Luciano Pavarotti br-klassik.de schulkonzer t.ard.de 28 8 37 50 35 50 31 38 34 38 51 57 51 42 26 50 37 51 30 27 38 58 29 37 47 47 7 49 47 25 32 38 50 33 22 51 37 51 17 50 53 50 50 51 51 24 16 50 37 50 23 38 56 51 11 15 12 50 24 58 23 51 45 37 13 12 21 .1 50 14 59 37 37 10 50 9 2 20 15 38 51 37 50 1 23 20 1. 50 51 49 58 50 6 37 19 55 50 55 54 18 3 54 5 4 donnerstag, 12.11.2015 11.00 uhr g e o r g e g e r s hw i n „ r h a p s o dy i n b l u e “ györgy ligeti „concer t românesc“ für orchester s y mp h o n i e o r c h e s t e r d e s b aye r i s c h e n r u n d f u n ks d e n i s m a t s u e v k l av i e r m a r i s s j a n s o n s d i r i g e n t herkulessaal der residenz münchen l iv e a u f a l l e n a r d - k u l t u r w e l l e n , i m b a y e r i s c h e n f e r n s e h e n u n d a l s v i d e o - l iv e s t r e a m v o n art e Livestream unter concert.arte.tv RUNDFUNKORCHESTER SYMPHONIEORCHESTER SO. 11.10.2015 Prinzregententheater 19.00 Uhr Konzerteinführung 18.00 Uhr 1. Sonntagskonzert DO. 15.10.2015 FR. 16.10.2015 Philharmonie 20.00 Uhr Konzerteinführung 18.45 Uhr 1. Abo A IVAN REPUŠIĆ Leitung ELENA MOŞUC Sopran EVELIN NOVAK Sopran YOSEP KANG Tenor ÁLVARO ZAMBRANO Tenor JAN-HENDRIK ROOTERING Bassbariton u. a. CHOR DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTER MARISS JANSONS Leitung SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS PJOTR I. TSCHAIKOWSKY Fantasie-Ouvertüre »Romeo und Julia« JEAN SIBELIUS »Karelia-Suite«, op. 11 EDGARD VARÈSE »Amériques« ÜBERRASCHUNGSSTÜCK € 25 / 35 / 49 / 58 / 69 / 82 GIACOMO PUCCINI »La rondine« Lyrische Komödie in drei Akten (konzertant) € 18 / 28 / 37 / 45 / 52 41 Vorschau KAMMERORCHESTER MUSICA VIVA SO. 18.10.2015 Prinzregententheater 11.00 Uhr 1. Konzert FR. 23.10.2015 20.00 Uhr Konzerteinführung 18.30 Uhr SO. 25.10.2015 19.00 Uhr Konzerteinführung 17.30 Uhr Herkulessaal 1. Abo / Stockhausen-Festival VESSELINA KASAROVA Mezzosopran RADOSLAW SZULC Künstlerische Leitung KAMMERORCHESTER DES SYMPHONIEORCHESTERS DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Cara sposa, amante cara, dove sei?« (aus: »Rinaldo«, HWV 7a) BÉLA BARTÓK Rumänische Volkstänze, Sz 68 KRASSIMIR KYURKCHIYSKI (Arr.) Bulgarische Lieder RADOSLAV LAZAROV »Song and Toccata misteriosa« WOLFGANG AMADEUS MOZART Symphonie Nr. 4 D-Dur, KV 19 Marsch F-Dur, KV 248 Arien aus »Mitridate, re di Ponto«, KV 87 PETER EÖTVÖS Leitung PIERRE-LAURENT AIMARD Klavier PAUL JEUKENDRUP Klangregie SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS KARLHEINZ STOCKHAUSEN »Hymnen (Dritte Region)«, elektronische Musik mit Orchester »Klavierstück IX« »Hymnen (Dritte Region)« (Wdh.) € 12 / 25 / 38 € 34 / 46 / 56 / 63 / 68 / 74 Vorverkauf auch über Bell’Arte, Tel.: (089) 8 11 61 91 43 Vorschau SYMPHONIEORCHESTER kartenvorverkauf DO. 5.11.2015 FR. 6.11.2015 Philharmonie 20.00 Uhr Konzerteinführung 18.45 Uhr 2. Abo A BRticket Foyer des BR-Hochhauses Arnulfstr. 42, 80335 München Mo.–Fr. 9.00–17.30 Uhr Telefon: (089) 59 00 10 880 Telefax: (089) 59 00 10 881 Online-Kartenbestellung: www.br-klassikticket.de ESA-PEKKA SALONEN Leitung MARIE-EVE MUNGER OMO BELLO Sopran HÉLÈNE HÉBRARD SOPHIE PONDJICLIS JULIE PASTURAUD Mezzosopran FRANÇOIS PIOLINO Tenor ERIC OWENS Bassbariton NATHAN BERG Bass KINDERCHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER CHOR DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS München Ticket GmbH Postfach 20 14 13 80014 München Telefon: (089) 54 81 81 81 Vorverkauf in München und im Umland über alle an München Ticket angeschlossenen Vorverkaufsstellen Schüler- und Studentenkarten zu € 8,– bereits im Vorverkauf ESA-PEKKA SALONEN »Karawane« für Chor und Orchester MAURICE RAVEL »L’enfant et les sortilèges« Oper in zwei Teilen (konzertant) € 18 / 30 / 38 / 46 / 56 / 65 44 Vorschau / Karten Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Mariss Jansons Chefdirigent NIKOLAUS PONT Orchestermanager Bayerischer Rundfunk Rundfunkplatz 1 80335 München Telefon: (089) 59 00 34 111 IMPRESSUM Herausgegeben vom Bayerischen Rundfunk Programmbereich BR-KLASSIK Publikationen Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks REDAKTION Dr. Renate Ulm (verantwortlich) Dr. Vera Baur GRAPHISCHES GESAMTKONZEPT Bureau Mirko Borsche UMSETZUNG Antonia Schwarz, München DRUCK alpha-teamDRUCK GmbH Nachdruck nur mit Genehmigung Textnachweis Renate Ulm, Monika Lichtenfeld, Egon Voss, Judith Kemp, Florian Heurich und Harald Hodeige: Originalbeiträge für dieses Heft; Biographien: Vera Baur (Matsuev), Archiv des Bayerischen Rundfunks (Jansons). BILDNACHWEIS © Lucjan Fogiel / East News (Lutosławski); © M. Siwerczinsky (Warschau); © Edward Steichen / Library of Congress (Gershwin); Antonio Mingotti: Gershwin. Eine Bildbiographie, München 1958 (Ira und George Gershwin); Wikimedia Commons / Public Domain (Orchester von Paul Whiteman, Liszt); Colegiul naţional de muzică »George Enescu« (Enescu S. 19); Éditions du Seuil, Paris (Ravel und Viñes); Roger-Viollet, Paris (Geburtshaus Ravel); Barbara Maier: Franz Liszt, Reinbek 2008 (Geburtshaus Liszt); Bridgeman, Berlin (Karikatur Liszt); CAMI (Matsuev); © Astrid Ackermann (Jansons); © Foto Sessner / Dachau (Maazel); Archiv des Bayerischen Rundfunks. Das Heft wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. 45 Impressum A Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Sprungbrett zu den Orchestern der Welt Ausbildungsplätze 4 Violinen 1 Flöte 2 Violen 2 Violoncelli 1 Oboe 1 Trompete 1 Horn 2 Kontrabässe 1 Klarinette 1 Posaune 1 Fagott 1 Pauke mit Schlagzeug Ausbildung • Instrumentaler Einzelunterricht • Mentales Training • Kammermusik • Mitwirkung bei Proben und Konzerten des Symphonieorchesters Erfolg Absolventen der Akademie finden Engagements in renommierten Orchestern im In- und Ausland Konzerttermin • Dienstag, 24. November 2015, Allerheiligen-Hofkirche Förderer Die Akademie dankt F R E U N D E S Y M P H O N I E O R C H E S T E R B A Y E R I S C H E R R U N D F U N K e.V. Kontakt Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Geschäftsführung: Christine Reif Hanselmannstraße 20, 80809 München Telefon: 089/3509-9756 Fax: 089/3509-9757 E-Mail: [email protected] www.br-klassik.de 1. 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