Artikel als PDF - SRH Perspektiven

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Gesundheit
Neues Verfahren gegen Refluxerkrankungen
Ein Schrittmacher
löscht Sodbrennen
Es brennt wie Feuer und verursacht ätzende Schmerzen: Sodbrennen. Besonders schlimm ist es für Betroffene, wenn es chronisch
wird. Das SRH Zentralklinikum Suhl setzt einen Schrittmacher für
die Speiseröhre bei Reflux­krankheiten ein.
Text Melanie Rübartsch
Es hatte ganz leicht angefangen. Hin und wieder spürte
Ramona Seidel nach dem Essen ein leichtes Brennen im
Oberbauch. Das war vor 33 Jahren, nach der Geburt ihres
Sohnes. Mit der Zeit wurde das  Sodbrennen schlimmer: „Das Brennen im Hals war mitunter regelrecht ätzend“, erzählt die Suhlerin. „Vor dem Essen hatte ich oft
richtige Panik.“ Kein Wunder, musste die heute 54-Jährige
doch ständig mit Magenkrämpfen rechnen. Und dann
dieses Aufstoßen. „Es sammelte sich ständig Luft im
Bauch. Ich konnte das nicht kontrollieren“, berichtet Ramona Seidel. Peinliche Momente an der Supermarktkasse
oder in der Kantine waren keine Seltenheit. Ein Horror für
das alltägliche Leben.
Sodbrennen gilt in Deutschland als Volkskrankheit – jeder
Zweite klagt mehr oder weniger häufig über saures Aufstoßen oder leichtes Brennen hinter dem Brustbein. An
der schweren oder chronischen Form, der Refluxkrankheit,
leidet nach offiziellen Schätzungen immerhin jeder fünfte
Bürger eines Industrielandes. Chronisch wird die Krankheit, wenn die Symptome regelmäßig auftauchen – einbis zweimal in der Woche oder häufiger. Spätestens dann
ist es Zeit, den Hausarzt oder einen Gastroenterologen
aufzusuchen. „Die Therapie folgt in der Regel einem Stufenplan“, weiß Dr. Marc Walther, Chefarzt der Abteilung
Innere Medizin II am SRH Zentralklinikum Suhl.
Zunächst prüft der Arzt, ob eine Umstellung der
Ess- und Lebensgewohnheiten Linderung bringen kann.
Infrage kommen da zum Beispiel Diäten oder der Verzicht
auf Kaffee, Schokolade und Mahlzeiten nach 18 Uhr
(mehr siehe Kasten). In der zweiten Stufe verordnen Ärzte
Medikamente, erst danach kommt eine OP in Betracht.
Ramona Seidels Ärztin brauchte nicht lange, um
bei ihr eine Refluxkrankheit, also chronisches Sodbrennen,
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zu diagnostizieren. Anfangs halfen noch Medikamente.
Aber als hier die höchste Dosis erreicht war, überwies die
Gastroenterologin ihre Patientin im Frühjahr ans SRH Zentralklinikum Suhl. Messungen der Magensäure und der
Speiseröhrenaktivität ergaben, dass die Speiseröhre bereits stark verbrannt und vernarbt war. Das Zwerchfell war
gebrochen, der Schließmechanismus am Mageneingang
konnte nicht richtig arbeiten. Essensreste und Magensäure gelangten immer in die Speiseröhre zurück. Dr. Walther
entschloss sich schließlich gemeinsam mit seiner Patientin
und mit den Viszeralchirurgen des Hauses unter Leitung
von Chefarzt Priv. Doz. Dr. Dieter Kupczyk-Joeris, einen
Schrittmacher für die Speiseröhre einzusetzen.
Schrittmacher gibt den Takt an
Bei  Sodbrennen fließt stark
saure Magensäure in die Speiseröhre zurück, weil sich der
Ma­geneingang nicht richtig
schließt. Die Folgen können ein
brennendes Gefühl hinter dem
Brustbein, starkes Aufstoßen
oder Schluckbeschwerden sein.
Kommt Sodbrennen häufig vor
oder fließt vergleichsweise viel
Mageninhalt zurück in die Speiseröhre, spricht man von einer
Refluxkrankheit. Unbehandelt
kann diese zu chronischen Entzündungen und Vernarbungen
der Speiseröhre führen.
Ein Schrittmacher für die Speiseröhre ist eine relativ neue
Therapieform bei Refluxkrankheiten. Die Operateure,
perspektiven 03/2016
Foto: kongkieat suraka – shutterstock
Wenn aus lästig quälend wird
Neues Verfahren gegen Refluxerkrankungen
Chef­arzt Kupczyk-Joeris und Oberarzt Dr. Mario Wandelt,
implantieren das Gerät, das rund einen halben Zentimeter
dünn und etwas kleiner als eine Scheckkarte ist, in einer
minimalinvasiven Operation am Bauch unter die Haut (siehe Grafik). Die Elektroden des Schrittmachers reichen bis
zur Speiseröhre. „Elektrische Impulse an Muskeln und
Nerven sorgen dafür, dass Magensäure nur noch in normalem Maß in die Speiseröhre zurückfließen kann. Der
Patient merkt von diesen Stimulationen nichts“, erklärt
Oberarzt Dr. Wolfram Schilder.
Das SRH Zentralklinikum Suhl ist in Thüringen das
erste Krankenhaus, das diese Therapie anbietet. Ramona
Seidel war unter den ersten Patienten. Sechs Tage war sie
dafür im Krankenhaus. „Der erste Tag nach der Operation
war unangenehm, aber danach wurde es stetig besser“,
erinnert sie sich. Den Schrittmacher selbst empfindet sie
nicht als Fremdkörper. Sie spürt ihn nur manchmal ganz
leicht, wenn sie sich bückt. Das Wichtigste für sie aber ist:
Die Schmerzen sind weg, vor allem nachts eine große Erleichterung. „Ich habe auch keine Angst mehr vorm Essen
oder davor rauszugehen“, freut sich die Mittfünfzigerin.
Die Dosis der Magensäureblocker reduziert Seidel
ganz allmählich. Etwa alle zwei Monate muss sie zur Kontrolle in Dr. Walthers Abteilung. „Wir prüfen dann, ob der
Schrittmacher noch gut liegt und ob Impulsfrequenz und
-stärke richtig dosiert sind“, erklärt der Spezialist.
Gesundheit
„Für Reflux-Patienten
füllt der Schrittmacher eine
Lücke zwischen rein
medikamen­töser
Behandlung und einer
Anti-Reflux-Operation.“
Dr. Marc Walther,
Chefarzt Innere Medizin II am SRH Zentralklinikum Suhl
jahrelang regelmäßig Beschwerden haben und Medikamente nicht mehr helfen. „Der Facharzt entscheidet dann
im Beratungsgespräch und nach ausführlichen Untersuchungen, welche Therapieform am geeignetsten ist“, erklärt Mediziner Walther. Ramona Seidel ist froh über ihre
Entscheidung. Es fühle sich an, so sagt sie, als seien bei
ihr 33 Jahre zurückgedreht worden. www.zentralklinikum-suhl.de
Foto: SRH
Schonendes Verfahren
Der Chefarzt sieht in dem Schrittmacher eine sehr gute Ergänzung zum bisherigen Therapiespektrum. „Für Patienten mit Refluxkrankheiten füllt er eine Lücke zwischen rein
medikamentöser Behandlung und einer Anti-Reflux-Operation“, begründet er. Bei dieser Operation – der Fach­
begriff lautet Fundoplicatio – legen Chirurgen den oberen
Teil des Magens um das untere Ende der Speiseröhre und
nähen ihn dort an Zwerchfell, Magen und Speiseröhre
fest. Das stärkt den Verschluss am unteren Ende der Speiseröhre. Langzeitstudien haben jedoch ergeben, dass nur
30 Prozent der Patienten langfristig von diesem Eingriff
profitieren und komplett auf Medikamente verzichten
können. In einigen Fällen kann es sogar verstärkt zu Blähungen kommen. Schlimmstenfalls muss die Maßnahme
in einer weiteren Operation rückgängig gemacht werden.
Weil der Einsatz des Schrittmachers nichts an der
Anatomie der Patienten verändert, ist er insgesamt schonender. Hinzu kommt: „Sollte der Patient sich nachhaltig
unwohl mit dem Implantat fühlen oder sollten die gewünschten Effekte doch nicht eintreten, ist es vergleichsweise einfach wieder entfernt. Dann kann man anschließend immer noch an eine Fundoplicatio denken“, stellt
der Chefarzt fest. Grundsätzlich kommen Patienten für
den Eingriff infrage, wenn sie, wie Ramona Seidel, bereits
Das kann …
… Sodbrennen verstärken
… Sodbrennen lindern
 Alkohol, Kohlensäure, Kaffee,
 Kleine Portionen. Mehrere
Schokolade. Sie regen die Magensäureproduktion an. Das
gilt auch für sehr säurehaltige
Getränke wie Zitronensaft.
 Nikotin. Es lässt den Magenschließmuskel erschlaffen.
 Bestimmte Kombinationen von
Speisen. Fettes Essen gemischt
mit Süßem kann Probleme machen, ebenso stark Gewürztes
oder scharf Angebratenes.
 Übergewicht. Es belastet das
Verdauungssystem.
 Medikamente. Manche Mittel
gegen Bluthochdruck oder die
Pille begünstigen Sodbrennen.
 Enge Kleidung, enge Gürtel.
Sie drücken den Mageninhalt
wieder nach oben.
k­ leine Mahlzeiten und leichtes
Essen sind verträglicher.
 Langsam essen. Und alles
gründlich kauen.
 Zeitig essen. Zwei bis drei
Stunden vor dem Schlafengehen keine Speisen – und schon
gar keine schweren – mehr zu
sich nehmen.
 Viel Flüssigkeit. Stilles Wasser,
Kräutertees und Suppen verdünnen die Magensäure und
spülen sie aus.
 Erhöht schlafen. Den Oberkörper höher lagern, zum Beispiel
durch ein verstellbares Kopfteil.
 Auf der linken Körperseite
schlafen. Der Magenverschluss
liegt dann oben.
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