Entwicklung der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände Gewerkschaften Informationen zum System: Die Arbeit der Gewerkschaften wird durch die Verfassung der Slowakei garantiert. Offizielle Quellen geben den Organisationsgrad in Gewerkschaften mit 65 bis 70 % an, unabhängige Quellen schätzen, daß es eher 50 % sind. Die meisten Gewerkschaften sind regierungsunabhängig bzw. unabhängig von politischen Parteien, wenn auch eine stärkere Anlehnung an die eine oder andere Partei unverkennbar ist. Ihr Ziel ist es, für Gewerkschaftspositionen zu werben bzw. in Schlüsselfragen der Arbeitnehmerschaft Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Gewerkschaften können sich zusammenschließen und Mitglied in internationalen Organisationen werden. Die Verfassung garantiert auch das Streikrecht. Erst seit Ende 1989 wurden Arbeitskonflikte offen ausgetragen. In den ersten Jahren nach der Revolution bis zum Jahr 1996 hat es keine nenneswerten Streiks gegeben. In den Betrieben entstanden Streikkomitees, deren Ziel es u. a. war, die Unternehmensleitungen abzulösen. Aus diesen Komitees entwickelten sich neue Grundorganisationen der Gewerkschaften in den Betrieben. Sie haben ähnliche Rechte wie Betriebsräte: sie vertreten die Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber und handeln Kollektiwerträge aus. Die und ben der in Branchen gegliederten Grundorganisationen sind wichtige Ansprechpartner für die Beschäftigten betreuen die Mitglieder. Um auch die Beschäftigten in den neu entstehenden Klein- und Mittelbetriezu organisieren, haben einzelne Gewerkschaften örtliche Gewerkschaftsorganisationen außerhalb Betriebe gegründet. Der Organisationsgrad der Beschäftigten ist in den letzten Jahren signifikant zurückgegangen. Nach jahrelangen (Pflicht-)Mitgliedschaften sind Organisationen aller Art suspekt geworden und mit sich herausbildenden individuellen Lebensstilen nicht vereinbar. Dazu kommt, daß die neue Rolle der Gewerkschaften nur langsam zur Kenntnis genommen wird. In neuen oder restrukturierten Betrieben wird die Tätigkeit von Gewerkschaften oft erschwert oder gar verhindert. Faktisch werden die Gewerkschaften als wenig hilfreich wahrgenommen, wenn es um die Sicherung des Arbeitsplatzes geht. Wer sich an Protestveranstaltungen beteiligt, befürchtet Nachteile. Die Bereitschaft, Konflikte auszutragen, gilt als wenig ausgeprägt. Das trifft für Mitglieder und Funktionäre gleichermaßen zu. Konföderation der Gewerkschaftsverbände der Slowakischen Republik (KOZ) Der bedeutendste Gewerkschaftsdachverband ist die Konföderation der Gewerkschaftsverbände der Slowakischen Republik (KOZ). Sie hat wie alle Gewerkschaften in den letzten Jahren erhebliche Mitgliedereinbußen hinnehmen müssen. Von ursprünglich mehr als 1,5 Millionen Mitgliedern sind noch gut die Hälfte, teils durch Austritte, teils durch Abspaltungen und Konkurrenzorganisationen geblieben, nämlich 830.000.41 Verbände gehören de KOZ an: Metall 122.735, Gesundheitswesen 89.300, Erziehung und Wissenschaft 95.207 Mitglieder. Ein Drittel der Mitgliedsgewerkschaften hat nicht mehr als 5.000 Mitglieder. Konzentrationsbemühungen sind gescheitert. Die Führung der KOZ besteht aus einem fünfköpfigen Präsidium, 19 Vorstandsmitgliedern und dem Rat der Vorsitzenden. Im Beirat der KOZ, dem höchsten Organ zwischen dem alle vier Jahre stattfindenden Kongreß, sind alle Gewerkschaftsverbände vertreten. 1996 wurde die Satzung bezüglich der Vertretung von Einzelgewerkschaften geändert und ein Argernis beseitigt. Jeder Verband hatte unabhängig von der Zahl der Mitglieder eine Stimme. Dieses Prinzip hatte zu einer gewissen Unzufriedenheit geführt. Einzelne Verbände drohten mit Austritt oder sind ausgetreten. Seit 1996 gilt, daß je angefangene 15.000 Mitglieder ein/e Vertreter/in benannt werden kann. Die KOZ ist bemüht, parteipolitisch unabhängig zu bleiben, tatsächlich gibt es eine gewisse Nähe zu den Sozialdemokraten und zur Slowakisch-Demokratischen Linken (SDL). Nach eigenen Angaben zählen sich 52 % der Mitglieder zum linken politischen Lager, 22 % ordnen sich eher den ,,rechten“ Parteien zu. Ein Viertel ist politisch unentschieden. Eine klare politische Linie ist nicht erkennbar. Entwicklung im Berichtszeitraum: Hatte es 1997 noch zahlreiche Abspaltungen bzw. von interessierter Seite forcierte Neugründungen gegeben, hat sich 1998 die Lage beruhigt. Einige dieser neuen Gewerkschaften, die gegründet worden waren, um bestehende Gewerkschaften zu schwächen, sind von der Bildfläche verschwunden. Ob in neuen - meist ausländischen Firmen - Gewerkschaften agieren können, hat viel mit gewerkschaftlichen Traditionen in den Ländern zu tun, aus denen diese Firmen kommen. Als vorbildlich wird immer wieder Kooperation mit Gewerkschaften im VW-Werk Bratislava bezeichnet und der hohe Organisationsgrad (74 %). Andere ausländische Firmen, die aus ihrem Herkunftsland schlechte Erfahrungen mit militanten Gewerkschaften mitbringen, sind zögerlicher oder verhindern Gewerkschaftsarbeit. Nicht ohne Bedeutung sind auch die Sozialleistungen eines Unternehmens für das Interesse der Beschäftigten an der Arbeit von Arbeitnehmervertretungen. Dem neu entstandenen Allgemeinen Freien Gewerkschaftsbund (VSOZ), der nach eigenen Angaben 100 Basisorganisationen vertritt, kommen nach dem Regierungswechsel die Mitglieder abhanden. Einzelne Mitgliedsgewerkschaften haben um Aufnahme in der SLOVES, der Gewerkschaft des Öffentlichen Diensts gebeten. Weiteren Neugründungen ist die Basis entzogen worden (Ökonomischer und sozialer Rat existiert nicht mehr). Der Unabhängigen Christlichen Gewerkschaft (NKOS), 1993 gegründet, gehören nach eigenen Angaben etwa 10.000 Mitglieder an. Anders als KOZ verfügte sie über kein Vermögen aus dem alten Bestand und keinen professionellen Apparat. Ihre Mitglieder kommen vorwiegend aus dem Bereich der Eisenbahn, der Metall- und Textilbranche, auch Schule und Wissenschaft. NKOS orientiert sich an der christlichen Soziallehre, versteht sich aber als religiös und weltanschaulich tolerant. Ihre Schwerpunkte setzt NKOS bei der Verteidigung von Arbeitnehmerrechten, der Durchsetzung von Betriebsräten und der Stärkung der Demokratie. Kollektivverträge sind im Berichtszeitraum in allen Bereichen abgeschlossen worden. Mit der größten Dachorganisation KOZ gibt es eine gute Zusammenarbeit, die noch enger geknüpft werden soll. Streiks - Demonstrationen Während 1997 sieben Streiks offiziell registriert wurden (u. a. Schauspielergewerkschaft, Fahrer der Massenverkehrsmittel), gab es 1998 eine Reihe von Streikdrohungen und Warnstreiks, die sich gegen Entlassungen und ausstehende Lohnzahlungen richteten. Offiziell sind Streiks nur rechtens im Zusammenhang mit Kollektivverhandlungen. Zum Mittel des Warnstreiks greifen nicht nur Gewerkschaften: die Apotheker machten Mitte des Jahres auf die bedrohliche Finanzlage im Gesundheitswesen aufmerksam. Kollektivverhandlungen Verhandlungen mit dem Ziel eines Kollektivvertrages sind auf der Grundlage eines Gesetzes möglich. Die Verhandlungspartner verständigen sich auf den Inhalt der Verhandlungen, in aller Regel geht es um Löhne, arbeitsrechtliche Ansprüche, Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung, die Zusammenarbeit der Sozialpartner im Unternehmen und betriebliche Sozialleistungen. In der Anfangsphase der Transformation erzielten die Gewerkschaften schnelle Erfolge, weil die Arbeitgeber schlecht organisiert waren. Nachdem mehr und mehr Unternehmen privatisiert sind, hat sich die Lage verändert. über Lohnerhöhungen wird erheblich härter verhandelt. Die Tarifparteien verhandeln auf der Grundlage eines Generalvertrages, der im Rat der wirtschaftlichen und sozialen Verständigung (RHSD) beschlossen wird. Im Berichtsjahr hat es keinen solchen Vertrag gegeben. Wie in allen Transformationsländern sind auch die slowakischen Gewerkschaften noch dabei, ihre neue Rolle zu finden. Seit es keine Pflichtmitgliedschaft mehr gibt, die eher als Formsache galt, gehen den Gewerkschaften Mitglieder verloren. Daß die Gewerkschaft Kollektivverhandlungen über Arbeitsbedingungen, Löhne und Urlaub führt und Arbeitnehmerrechte verteidigt, wird von den Mitgliedern noch wenig zur Kenntnis genommen. Vielfach erwarten sie noch die Gewerkschaft als Sozialeinrichtung alter Art. Auch Gewerkschaftsfunktionäre sind noch im Prozeß der Rollenfindung. Information über die Ziele der Gewerkschaft und die Regierungspolitik ist eher die Ausnahme. Das gilt auch für eine Öffentlichkeitsarbeit, die um Unterstützung wirbt. Unklar bleibt oft - nach jahrzehntelanger Parteinähe - das Verhältnis zur Politik. Gewerkschaften schwanken zwischen der Zielsetzung parteipolitischer Neutralität, Ablehnung oder klarer Anlehnung an Parteien. In zahlreichen dubiosen Privatisierungsfällen, die zum Ausverkauf oder Konkurs von Unternehmen führten, ist den Gewerkschaften oft nur die Rolle des ,,trouble shooters“ geblieben: sie führen Verhandlungen mit Vertretern von ,,unbekannten“ Eigentümern, beraten Mitglieder, wenn Löhne nicht ausgezahlt werden, wenn Ansprüche auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld gestellt werden sollen oder wenn Unternehmen konkurs sind, aber Arbeitsverträge nicht lösen. Eine zusätzliche Schwierigkeit entstand den Gewerkschaften dadurch, daß die Meciar-Regierung alle regierungskritischen Gruppierungen aus wichtigen Entscheidungsprozessen ausschloß. Kritik wurde weniger als Aufforderung zum GesprCich, eher als Abkehr von der Regierung oder sogar als Abkehr von der Verantwortung für das Land charakterisiert. Die Regierung suchte sich andere Partner oder initiierte oder unterstützte die Gründung solcher Organisationen. Für die Gewerkschaften war es deshalb ausgesprochen schwer, gegenüber Mitgliedern Erfolge nachweisen zu können. Arbeitgeberverbände Assoziation der Arbeitgeberverbände der Slowakischen Republik (AZZZ SR) Seit 1991 besteht die AZZZ SR, die 40 Verbände vertritt. Ihr gehören Industrieverbände an, Verbände der Klein- und Mittelbetriebe, des Handels und der Finanzwirtschaft sowie Organisationen der Gemeinden, des Gesundheits- und des Bildungswesens. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Mitglied kann werden, wer landesweit tätig ist, Arbeitgeberfunktionen ausübt und in der Regel Kollektivverträge abschließt. AZZZ versteht sich als Interessenvertretung seiner Mitglieder im Gesetzgebungsverfahren, gegenüber dem Nationalen Arbeitsamt und anderen offiziellen Gremien. Sie bietet Mitgliedern Information, Weiterbildung und vertritt sie in internationalen und europäischen Organisationen. AZZ SR ist Mitglied des Rats der wirtschaftlichen und sozialen Verständigung. ,,Rat der wirtschaftlichen und sozialen Verständigung“ (RHSD) Tripartität Wie in den anderen mittel-osteuropäischen Ländern wurde auch in der Slowakei 1990 ein tripartiter ,,Rat der wirtschaftlichen und sozialen Verständigung“ (RHSD) gegründet. Er setzt sich aus je sieben Vertretern der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und der Regierung zusammen. Vorsitzender ist der für soziale Fragen zuständige stellvertretende Premierminister. Nach der Satzung ist er ein ,,unabhängiges Gremium mit Verhandlungs- und Initiativrecht, das sich zum Ziel gesetzt hat, in grundsätzlichen Fragen der Wirtschaft, des Sozialen, der Bezahlung, Beschäftigung und in arbeitsrechtlichen Beziehungen Übereinstimmung zu erzielen oder einen gemeinsamen Standpunkt zu entwickeln“. Wesentliche Aufgabe der Tripartitätsrunde war und ist es, Meinungen und Empfehlungen zu Gesetzesvorhaben abzugeben und ein Generalabkommen abzuschließen. Inwieweit diese Empfehlungen in Gesetze münden, bleibt offen. Ebenso haben die Empfehlungen des Generalabkommens keine Gesetzeskraft und können deshalb nicht eingeklagt werden. Dennoch halten alle Beteiligten die Tripartität für einen wichtigen außerparlamentarischen Diskussionsraum, den es weiterhin zu nutzen gilt. 1997 schied aus Protest gegen ein von der Regierung ohne Konsultation beschlossenes Lohnregulierungsgesetz (Vorgaben bezüglich Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer und Management) KOZ, der größte Gewerkschaftsdachverband, aus dem RHSD aus. Mit einem neuen tripartiten Gremium, dem ,,Ökonomischen und sozialen Rat“, überwiegend aus regierungsnahen, neugegründeten Organisationen und Gewerkschaften, schuf sich daraufhin die Regierung Meciar ihre eigene Plattform. Die neue Regierung hat die Regierungsvertreter aus diesem Gremium abgezogen, so daß der Rat nicht mehr funktionsfähig ist. Der Stein des Anstoßes, das Gesetz zur Lohnregulierung, das durchaus Effekte bezüglich der Lohnentwicklung hatte, ist inzwischen von der Regierung Dzurinda außer Kraft gesetzt worden. Adressen: Arbeitgeberverbände: Assoziation der Verbände und Vereine der Arbeitgeber der Slowakischen Republik (AZZZ SR) Nebelova 18 831 02 Bratislava Präsident: Dipl.-Ing. Michal Lach Sektion für Außenbeziehungen: Direktor: Dipl.-Ing. Daniel Hrdina Gewerkschaften: a) Konföderation der Gewerkschaftsverbände Odboraske nam. 3 815 70 Bratislava Präsident: Ivan Saktor Wichtige Ansprechpartnerin: Eva Mestanova, Internationale b) Unabhängige Christliche Novosadska 4 917 01 Trnava Vorsitzender: Entwicklung l I ) Jahr 1 11989 1 (KOZ) Abteilung Gewerkschaftskoalition (NKOS) Peter Novoveskq der Löhne, 1989 - 1998, insgesamt Durchschnittliches Nominaleinkommen in SK pro Monat 3.142 Wachstumsindex I 1 nominal (in Prozent) 1 der Löhne I real (in Prozent) 1 100,o 100,o I I I 1990 3.281 104,4 94,4 1991 3.770 120,o 69,6 75.7 171,2 I I l ZOO,3 1 750 7.195 1 229,0 1 8.154 259,6 11997 1 9.226 I I 11998 1 10.003 I 321,8 11992 1 4.543 I 144,6 11993 1 5.379 l 11994 1 6.294 11995 1 11996 293,6 I I I I 72,8 1 78,2 83,8 89,4 9181 I I 1 I I