Schwere Depression unter neuem Blickwinkel: Spielt

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Schwere Depression unter neuem
Blickwinkel: Spielt Kognition eine Rolle?
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http://www.medscape.org/viewarticle/813297
Schwere Depression unter neuem Blickwinkel: Spielt Kognition eine Rolle?
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Zielgruppe
Diese Schulung ist für ein internationales Publikum von nicht-US-amerikanischen medizinischen Fachkräften gedacht, insbesondere für Psychiater und Hausärzte, die bei der Behandlung von Patienten mit MDD beteiligt sind.
Ziel
Das Ziel dieser Schulung ist die Vorstellung und kritische Besprechung neuer Studien zu kognitiver Beeinträchtigung bei MDD.
Lernziele
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen nach dem Abschluss der Schulung in der Lage sein:
• Die Implikationen von kognitiver Dysfunktion bei MDD und deren Auswirkung auf die Patientenergebnisse zu identifizieren
• Die verschiedenen Wirkmechanismen von antidepressiven Wirkstoffen und deren potenziellen Effekt auf die Kognition zu kennen
• Die neuesten Daten aus präklinischen und klinischen Forschungsstudien zu kognitiver Dysfunktion bei MDD zu diskutieren
Bei Fragen zum Inhalt dieser Schulung wenden Sie sich bitte an den akkreditierten Serviceanbieter für diese CME/CE-Maßnahme
unter [email protected]. Bei technischen Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
Autoren und Autorenerklärungen
Moderator:
Professor Dr. Siegfried Kasper, Professor und Leiter der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen
Universität Wien
Prof. Dr. Kasper hat folgende relevante finanzielle Beziehungen offengelegt:
Hat als Berater agiert für: Lundbeck, Inc.; Schwabe Pharmaceuticals; Takeda Pharmaceuticals North America, Inc.
Hat als Referent oder als Mitglied eines Referenten-Büros agiert für: AstraZeneca Pharmaceuticals LP; Lundbeck, Inc.; Schwabe
Pharmaceuticals; Takeda Pharmaceuticals North America, Inc.
Professor Dr. Kasper beabsichtigt nicht, den nicht-zugelassenen Gebrauch von Arzneimitteln, mechanischen Geräten, Biologika
oder Diagnostika zu diskutieren, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassen sind.
Professor Dr. Kasper beabsichtigt, in der Prüfung befindliche Arzneimittel, mechanische Geräte, Biologika oder Diagnostika zu
diskutieren, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur nicht zugelassen sind.
Diskussionsteilnehmer:
Guy M. Goodwin, FMedSci, W.A. Handley Chair of Psychiatry, Abteilung Psychiatrie, University of Oxford, Oxford, Großbritannien
Guy M. Goodwin, FMedSci, hat folgende relevante finanzielle Beziehungen offengelegt:
Pg.2
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Hat als Berater agiert für: AstraZeneca Pharmaceuticals LP; Boehringer Ingelheim Pharmaceuticals, Inc.; Bristol-Myers Squibb
Company; Cephalon, Inc.; Janssen-Cilag; Lilly; Lundbeck, Inc.; Otsuka Pharmaceutical Co., Ltd.; P1vital; Roche; SERVIER; Takeda
Pharmaceuticals North America, Inc.; Teva Neuroscience, Inc.
Besitzt Aktien, Aktienoptionen oder Obligationen von: P1vital
Hat als Gutachter agiert für: Eli Lilly
Professor Goodwin beabsichtigt nicht, den nicht-zugelassenen Gebrauch von Arzneimitteln, mechanischen Geräten, Biologika
oder Diagnostika zu diskutieren, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassen sind.
Professor Goodwin beabsichtigt nicht, in der Prüfung befindliche Arzneimittel, mechanische Geräte, Biologika oder Diagnostika
zu diskutieren, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur nicht zugelassen sind.
Diskussionsteilnehmer:
Roger S. McIntyre, MD, FRCPC, Professor der Psychiatrie und Pharmakologie, University of Toronto, Leiter der Abteilung Mood
Disorders, Psychopharmacology, University Health Network, Toronto, Kanada
Roger S. McIntyre, MD, FRCPC, hat folgende relevante finanzielle Beziehungen offengelegt:
Hat als Berater agiert für: AstraZeneca Pharmaceuticals LP; Bristol-Myers Squibb Company; Eli Lilly and Company; GlaxoSmithKline;
Janssen-Ortho Inc.; Lundbeck, Inc.; Merck & Co., Inc.; Organon Pharmaceuticals USA Inc.; Pfizer Inc; Shire
Hat als Referent oder als Mitglied eines Referenten-Büros agiert für: AstraZeneca Pharmaceuticals LP; Eli Lilly and Company;
Janssen-Ortho Inc.; Lundbeck, Inc.; Merck & Co., Inc.; Pfizer Inc
Hat finanzielle Mittel erhalten von: AstraZeneca Pharmaceuticals LP; Eli Lilly and Company; Janssen-Ortho Inc.; Lundbeck, Inc.;
Pfizer Inc; Shire
Professor McIntyre beabsichtigt nicht, den nicht-zugelassenen Gebrauch von Arzneimitteln, mechanischen Geräten, Biologika
oder Diagnostika zu diskutieren, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassen sind.
Professor McIntyre beabsichtigt, in der Prüfung befindliche Arzneimittel, mechanische Geräte, Biologika oder Diagnostika zu
diskutieren, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur nicht zugelassen sind.
Diskussionsteilnehmer:
David Nutt, MD, PhD, Edmond J Safra Professor of Neuropsychopharmacology, Leiter der Abteilung für Psychopharmakologie,
Abteilung Hirnforschung, Imperial College London, Großbritannien
David Nutt, MD, PhD, hat folgende relevante finanzielle Beziehungen offengelegt:
Hat als Berater agiert für: Janssen Pharmaceuticals Products, L.P.; Lundbeck, Inc.
Hat als Referent oder als Mitglied eines Referenten-Büros agiert für: GlaxoSmithKline; Lilly; Pfizer Inc; Reckitt-Benckiser
Pharmaceuticals
Hat finanzielle Mittel erhalten von: GlaxoSmithKline
Professor Nutt beabsichtigt nicht, den nicht-zugelassenen Gebrauch von Arzneimitteln, mechanischen Geräten, Biologika oder
Diagnostika zu diskutieren, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassen sind.
Professor Nutt beabsichtigt, in der Prüfung befindliche Arzneimittel, mechanische Geräte, Biologika oder Diagnostika zu
diskutieren, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur nicht zugelassen sind.
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Schwere Depression unter neuem Blickwinkel: Spielt Kognition eine Rolle?
Kognitive Dysfunktion als Komplikation bei der Behandlung der Depression
Prof. Dr. Siegfried Kasper: Guten Tag und herzlich willkommen bei dem Programm „Schwere Depression unter neuem
Blickwinkel: Spielt Kognition eine Rolle?“ Ich heiße Siegfried Kasper und bin Professor und Leiter der Universitätsklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Wien.
In dieser Reihe von Gesprächen werden wir über die kognitive Dysfunktion als Komplikationsfaktor bei der Behandlung
von Depression sprechen, über multimodale Antidepressiva im Gegensatz zu selektiv wirkenden Substanzen, über deren
Rezeptorenprofile und die erwartete klinische Wirkung sowie über neue Daten aus klinischen Studien über Antidepressiva und
Kognition.
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Für den ersten Teil dieser Reihe begrüße ich Prof. Guy Goodwin, Professor der Psychiatrie und Leiter des Department of Psychiatry
der University of Oxford in Großbritannien. Herzlich Willkommen!
Guy Goodwin, FMedSci: Ich freue mich, hier zu sein.
Dr. Kasper: In diesem Teil werden wir über die kognitive Dysfunktion als Komplikationsfaktor für die Behandlung der Depression
sprechen. Guy, was wissen wir über die Kognition im Zusammenhang mit schwerer depressiver Episode? Können Sie dazu etwas
sagen?
Dr. Goodwin: Das Ganze beginnt mit der Diagnose. Unter den neun Kriterien, die wir im Diagnosekatalog DSM-IV und DSM-V
auswählen können, gibt es ein wichtiges Kriterium, das sich auf Konzentrationsschwierigkeiten bezieht. Dieses Kriterium wurde
geringfügig überarbeitet als „die verminderte Fähigkeit, zu denken oder sich zu konzentrieren, oder Unentschlossenheit, fast
täglich, entweder subjektiv oder von anderen beobachtet.“
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Schwere Depression unter neuem Blickwinkel: Spielt Kognition eine Rolle?
Dies ist offensichtlich eine klinische Definition und deckt nicht ab, was Neurowissenschaftler unter Kognition verstehen.
Wir sollten also die klassische Unterteilung in Aufmerksamkeit, Gedächtnis, exekutive Funktion und psychomotorische
Geschwindigkeit betrachten. In der Umgangssprache würden wir diese Funktionen in Bezug auf Konzentrationsschwierigkeiten,
die bereits in den DSM-V-Kriterien aufgeführt sind, folgendermaßen bezeichnen: Vergesslichkeit, Unentschlossenheit, die wie
gesagt in den Kriterien aufgeführt werden; Verlangsamung der Verarbeitungsgeschwindigkeit und eine beobachtete Retardierung
sind natürlich auch exemplarisch für eine schwere Depression.
Wie häufig treten diese Symptome auf? Die Antwort darauf lautet, dass Patienten, die eine schwere depressive Episode erleiden,
normalerweise auch kognitive Symptome aufweisen. In der Tat werden dadurch die Beeinträchtigungen verursacht, die zum
Fehlen am Arbeitsplatz und zu Störungen der Funktionsfähigkeit führen und die der eigentliche Grund dafür sind, weshalb
Menschen nach Hilfe suchen. Bekannt ist außerdem, dass Restsymptome zwischen depressiven Episoden verbleiben, die ebenfalls
von erheblichem Interesse sind.
Dr. Kasper: Welches sind die bestimmenden Faktoren einer kognitiven Dysfunktion?
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Dr. Goodwin: Wie Sie sich vorstellen können, sind diese kompliziert, da Kognition ein sehr weitläufiger Begriff für eine ganze
Reihe von genetischen und umweltbedingten Faktoren ist. Besonders hervorzuheben ist, dass die Schwere der Erkrankung und
die Dauer der individuellen depressiven Episode klinisch äußerst wichtig sind für das, was Sie bei der Verwendung objektiver
Skalen und Tests der kognitiven Funktion beobachten und messen. Zudem kommt es darauf an, ob der Patient wegen der Episode
behandelt wird und ob es daher zu einer vollständigen Genesung kommt.
Dies sollten wir berücksichtigen und dann über den Funktionszustand des Patienten nachdenken, der mit einer solchen
Beeinträchtigung versucht, seiner Arbeit nachzugehen und ein normales Leben zu führen. Das Ziel ist also, dass eine objektive
Messung einer abnormalen Funktionsfähigkeit mit subjektiven und beobachtbaren Veränderungen der Lebensweise von
betroffenen Menschen übereinstimmt. Eine Reihe von Studien, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, lieferte dafür klare
Ergebnisse.
Dr. Kasper: Welche Auswirkung hat eine Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten auf Patienten mit Depression?
Dr. Goodwin: Die offensichtlichste Auswirkung ist die Beeinträchtigung der Fähigkeit, zu arbeiten und die Aufgaben des Alltags
zu erledigen. Wenn wir kognitive Funktionsfähigkeit besitzen, nehmen wir sie als selbstverständlich hin. Fehlt sie jedoch, haben
wir ein Problem. Wenn Sie unter einer andauernden Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten leiden, wird es schwierig,
ins normale Leben zurückzukehren, sich wieder insgesamt wohl zu fühlen und tatsächlich zu seinem vorherigen Leben
zurückzufinden.
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Dazu gibt es allgemeinmedizinische Studien. In Frankreich wurde eine große Anzahl ambulanter Patienten, die mit einem
Antidepressivum behandelt wurden, nach 5 bis 20 Wochen beobachtet. Von den mehr als 8.000 Patienten, die an der Studie
teilnahmen, sind 2.000 völlig genesen. Man nahm anhand einer einfachen Geschichte Gedächtnistests vor. Man zählte die
Elemente, an die sich die wegen Depression behandelten Teilnehmer erinnern konnten. Es handelte sich um eine Vorher-/
Nachher-Untersuchung und es war zu beobachten, dass es viele potenzielle Faktoren gab, die Auswirkungen auf die Ergebnisse
hatten. Bei nicht genesenen Patienten war wahrscheinlich der Schweregrad der Depression ausschlaggebend. Mit der Genesung
hatte das Ergebnis mit etwas anderem zu tun, nämlich mit der Anzahl vorheriger Episoden.
Auf dieser Grafik ist zu erkennen, dass die Anzahl der korrekten Antworten, also die Anzahl der Elemente, an die sich die
Teilnehmer erinnern konnten, bedeutend abnahm, je mehr vorherige Episoden diese erlitten hatten. Und dies ist das Ergebnis
bei Patienten mit einer symptomatischen Genesung. Bei diesen Patienten liegt nach wie vor eine Beeinträchtigung von ungefähr
10 % vor, mehr oder weniger 2 bis 3 % pro Episode. Es handelt sich also um eine kumulative Beeinträchtigung. Sie können
sich vorstellen, dass eine Beeinträchtigung von 10 % sicherlich Auswirkungen auf Ihre Fähigkeit haben wird, ins Arbeitsleben
zurückzukehren, Ihren Lebensunterhalt zu verdienen, eine Familie zu ernähren usw.
Dr. Kasper: Gibt es hirnbedingte biologische Faktoren?
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Dr. Goodwin: Ja, es gibt Studien, die jedoch in der Regel eher klein sind. Es gibt zwei verschiedene Arten. In der ersten Studie
wurde die Größe des Hippocampus im Verhältnis zur Dauer der unbehandelten Depression untersucht. Der Hippocampus spielt
ja bekanntlich für das episodische Gedächtnis eine große Rolle. Diese Studie ist mittlerweile gut bekannt und zeigt, je länger
die depressive Episode, desto kleiner der Hippocampus. Voraussichtlich handelt es sich hier um einen ”erworbenen Effekt”. Im
Allgemeinen wird dies als eine Atrophie bezeichnet. Da es sich um eine Querschnittsstudie handelt, können die Ergebnisse jedoch
nicht bewiesen werden.
Diese Meta-Analyse fasst alle zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Daten zusammen und untersucht die Größe des Hippocampus
bei Patienten mit schwerer Depression. Die gewonnenen Erkenntnisse stimmen durchweg überein. Mit einer kleinen Studie kann
natürlich nichts nachgewiesen werden. Viele kleine Studien zusammen liefern jedoch ein statistisch signifikantes Ergebnis und
weisen überzeugend darauf hin, dass es gehirnbedingte Faktoren für diese Ergebnisse gibt.
Dr. Kasper: Von der sogenannten PERFORM-Studie liegen vorläufige Daten über die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bei
schweren Depressionen vor. Es handelt sich um eine 2-jährige prospektive Beobachtungs- und Kohortenstudie bei ambulanten
Patienten mit einer schweren depressiven Episode. Die Patienten sind im Alter von 18 bis 65 Jahren. In dieser Studie wurde
versucht, die Funktionsfähigkeit der Patienten und die mit einer Funktionsbeeinträchtigung assoziierten Faktoren zu beschreiben.
Könnten Sie uns etwas über die vorläufigen Ergebnisse dieser Studie berichten?
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Dr. Goodwin: Ja, die Ergebnisse sind vorläufig, aber die Größe der Studie ist recht beeindruckend. Die Studie umfasst fast 1.000
Patienten. Wir haben die Möglichkeit, die Beziehung zwischen Funktionsbeeinträchtigung und einer Reihe von Faktoren, die bei
dieser Patientenpopulation gegeben sind, herauszufiltern.
Die Funktionsbeeinträchtigung wurde in diesem Fall anhand der Sheehan Disability Scale bestimmt. Die Skala ist einfach, hat
jedoch eine starke prädiktive Aussagekraft und wird heute vermehrt in Studien zu Depression und psychiatrischen Erkrankungen
eingesetzt. Wie Sie sehen können, gibt es auf dieser Skala eine Verbindung zwischen der Beeinträchtigung und dem Schweregrad
der Depression sowie der (subjektiv) berichteten kognitiven Dysfunktion. Die Patienten nehmen die kognitive Beeinträchtigung
subjektiv wahr. Dies lässt sich als eine relative Behinderung auf die Sheehan-Skala übertragen. Es liegen weitere Faktoren vor, die
nicht so einfach zu interpretieren sind, doch ich denke, wir müssen auf die endgültige Auswertung dieser Ergebnisse warten, um
uns ein vollständiges Bild zu verschaffen.
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Ich möchte abschließend einfach unterstreichen, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Kognition und Depression
gibt. Durch eine Depression ergibt sich eine kognitive Beeinträchtigung. Die davon betroffenen Bereiche sind vielschichtig.
Dies bedeutet, dass wir mehrere unterschiedliche Tests verwenden können. Wir sollten dabei pragmatisch vorgehen und
diejenigen Tests verwenden, die aussagekräftige Ergebnisse liefern. Wir brauchen objektive und subjektive Tests. Es gibt viele
unterschiedliche Nachweise, dass wiederholte Erkrankungen negative Konsequenzen haben, sei es durch Bildgebung oder
in Gedächtnistests beobachtete Beeinträchtigungen. Die Vorbeugung wiederholter Erkrankungen und die Möglichkeit einer
Behandlung stehen natürlich im Vordergrund. Das macht die Zukunft auf diesem Gebiet wirklich interessant, denn wenn wir die
Möglichkeit haben, zu messen, können wir auch wirklich behandeln. Ich denke, dass ist für heute ein wichtiger Grundsatz.
Dr. Kasper: Ich danke Ihnen für die Hinweise auf die Relevanz der kognitiven Dysfunktion bei Patienten mit Depression. Wir
wissen, dass es sie gibt. Jetzt haben wir verschiedene neue Studien, die diesem wichtigen Forschungsgebiet einen neuen
Stellenwert verleihen. Vielen Dank, dass Sie bei unserem Programm mitgewirkt haben.
Dr. Goodwin: Es war mir eine Freude, Siegfried. Danke.
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Multimodale Antidepressiva im Vergleich zu selektiv wirkenden Substanzen, Rezeptorprofile
und erwartete klinische Wirkmechanismen
Prof. Dr. Siegfried Kasper: Guten Tag, heute möchte ich David Nutt, Professor für Neuropsychopharmakologie am Imperial
College London, willkommen heißen. Ich begrüße Sie David.
David Nutt, MD, PhD: Vielen Dank.
Dr. Kasper: Wir möchten mit Ihnen über die multimodalen Antidepressiva im Vergleich zu selektiv wirkenden Substanzen,
Rezeptorprofile und die erwarteten klinischen Ergebnisse dieser Medikamente sprechen. Können Sie uns jedoch zuerst ein paar
Hintergrundinformationen zu diesen Mechanismen geben?
Dr. Nutt: Auf dieser Folie können Sie sehen, wie sich die Antidepressiva in den letzten 60 Jahren entwickelt haben. Wie Sie sehen,
gibt es drei Hauptbereiche. Links haben wir die Enzyminhibitoren, beginnend mit den Monoaminoxidasehemmern (MAOI) und
dann in den Untergruppen die selektiven Präparate und dann die reversiblen Inhibitoren der Monoaminoxidase A (RIMA). In der
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Mitte sehen Sie die Wiederaufnahmehemmer, beginnend mit den trizyklischen Antidepressiva bis hin zu den selektiven SerotoninWiederaufnahmehemmern (SSRI) und den Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (NARI). Auf der rechten Seite sind die
Rezeptorblocker, die anfangs entdeckt wurden: Mianserin, was sich später zu Mirtazapin entwickelte und auch das Trazodon.
Wir können sehen, welche Entwicklungen es in den letzten 60 Jahren gab. Die Entdeckungen waren zu Beginn glückliche Zufälle.
Die MAOI wurden als Behandlung für Tuberkulose entwickelt und man entdeckte, dass sie die Stimmung der Patienten aufhellte.
Die Trizyklika waren natürlich Derivate der Chlorpromazine, die für die Behandlung von Psychosen getestet wurden und sich dann
als antidepressiv wirkend herausstellten.
Alles, was danach kam, bezeichnen wir als „pharmakologische Verfeinerung“. Es wurde versucht, die Hauptwirkung dieser
Substanzen zu verbessern. Die Trizyklika haben eine Menge unerwünschter Wirkungen, insbesondere die cholinerge Blockade.
Diese wurden praktisch durch die Verwendung von „saubereren Molekülen“ wie die SSRI eliminiert. Die Rezeptorblocker
sind interessant, da sie ursprünglich bei Tiermodellen für Depression entdeckt wurden. Die antidepressive Wirkung wurde in
Tierversuchen nachgewiesen und die Ergebnisse konnten anschließend auf den Menschen übertragen werden. Wir hatten also
einen Prozess der zufälligen Entdeckungen und dann sozusagen eine Entwicklung durch pharmakologische Verfeinerung.
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Als Ergebnis dieser Verbesserungen kristallisierten sich vier verschiedene Arten von Antidepressiva heraus. Zur ersten Gruppe
gehören die Enzyminhibitoren und Monoaminoxidasehemmer; zur zweiten die Wiederaufnahmehemmer, sowohl SerotoninWiederaufnahmehemmer als auch Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer; zur dritten die Rezeptorblocker wie Mianserin,
Mirtazapin, Agomelatin und zur vierten Gruppe gehören die neuen Medikamente, die multimodalen Medikamente. Über diese
Gruppe wollen wir uns heute unterhalten, denn multimodale Medikamente wurden mit dem Ziel entwickelt, die besten Elemente
der Wiederaufnahmehemmer und der Rezeptorblocker zu vereinen.
Dr. Kasper: Könnten sie ein wenig ausführlicher erklären, was Sie mit multimodalen Medikamenten meinen?
Dr. Nutt: Ich werden Ihnen zwei Beispiele für neue multimodale Medikamente zeigen, die beide von der FDA für die Behandlung
von Depression zugelassen wurden. Auf der linken Seite haben wir das Vilazodon. Sie sehen hier, dass Vilazodon auf zweifache
Weise wirkt. Der blaue nach unten zeigende Pfeil ist der Serotonin-Transporter, der SERT, d. h. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer,
und das kleine grüne nach oben zeigende Dreieck zeigt die Wirkung auf 5-HT1A-Rezeptoren. Also zwei verschiedene Aktionen:
Wiederaufnahmehemmung und Rezeptor-Wechselwirkung.
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Auf der rechten Seite haben wir das Vortioxetin. Dieses Medikament ist ebenfalls ein Serotonin-Transporter, erzeugt
aber zusätzlich weitere Wechselwirkungen mit Serotonin-Rezeptoren des Untertyps: 5-HT3, 5-HT1A, 5-HT1D, 5-HT7. Diese
verschiedenen Wechselwirkungen mit Serotonin-Rezeptoren verleihen dem SERT einen zusätzlichen Nutzen. Es fallen einige der
Nebenwirkungen weg, doch wir glauben, dass es außerdem zu einer verstärkten Wechselwirkung mit anderen Botenstoffen im
Gehirn kommt, was dem Medikament ein besonders interessantes Profil verleiht.
Diese Folie zeigt uns die Wirkung von Vortioxetin auf fünf verschiedene Neurotransmitter: Serotonin, Dopamin, Noradrenalin,
Acetylcholin und Histamin. Wie Sie sehen, bewirkt es eine Erhöhung dieser Neurotransmitter. Faszinierend dabei ist, dass vier
dieser Neurotransmitter insbesondere bei kognitiven Prozessen wie Aufmerksamkeit und exekutiver Funktion eine Rolle spielen.
Diese Erhöhungen finden alle im präfrontalen Kortex statt. Es wurde vor kurzem nachgewiesen, dass diese Erhöhungen mit
einem verstärkten Feuern von Pyramidenzellen im präfrontalen Kortex in Zusammenhang stehen. Wir beginnen gerade erst den
pharmakologischen Nutzen von Vortioxetin zu verstehen und wie es eine physiologische Veränderung im Kortex bewirkt. Dies
ist unserer Meinung nach der Grund, weshalb Vortioxetin eine besondere Wirkung auf die kognitive Funktion hat.
Dr. Kasper: Eine jüngste Studie hat sich eingehend mit einigen dieser Wirkmechanismen beschäftigt. Können Sie uns dazu
etwas sagen?
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Dr. Nutt: Wir haben anhand spezieller Tiermodelle gesehen, dass man eine Depression und eine kognitive Störung nachahmen
kann, indem man dem Gehirn für längere Zeit 5-HT entzieht. In solchen Modellen haben die Tiere kognitive Probleme, die durch
traditionelle monomodale Antidepressiva wie Paroxetin oder Duloxetin nicht behoben werden können, während mit Vortioxetin
wahrscheinlich diese kognitiven Störungen wieder korrigiert werden können, weil es ein multimodales Medikament ist.
Dr. Kasper: Vielen Dank für die kurze Zusammenfassung dieser verschiedenen Wirkmechanismen. Vielen Dank für Ihre Teilnahme.
Dr. Nutt: Vielen Dank, Siegfried.
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Antidepressiva und Kognition: Übersicht über klinische Studien
Prof. Dr. Siegfried Kasper: Guten Tag. An meiner Seite ist heute Roger McIntyre, Professor der Psychiatrie und Pharmakologie der
Universität von Toronto in Kanada.
Roger McIntyre, MD, FRCPC: Siegfried, ich freue mich, dass wir das Thema heute besprechen.
Dr. Kasper: In diesem Teil werden wir über Antidepressiva und Kognition sprechen und klinische Studien dazu vorstellen. Die
Frage stellt sich, was wir eigentlich über die Beeinträchtigung des kognitiven Funktionsstatus bei Patienten mit einer schweren
Depression wissen. Welche Hinweise geben die vorliegenden Daten?
Dr. McIntyre: Das ist eine gute Frage, Siegfried. Im Verlauf der Jahre haben wir beide als klinische Ärzte die Erfahrung gemacht,
dass Patienten über eine Beeinträchtigung ihrer kognitiven Fähigkeiten klagen und dass sie sich nicht in der Lage dazu fühlen,
ins Arbeits- und Alltagsleben zurückzukehren. Wir erhalten tatsächlich immer mehr Informationen über die Kognition im
Zusammenhang mit einer Depression.
Bevor wir uns die Daten im Detail ansehen, sollten wir jedoch daran erinnern, dass es bei Menschen mit einer Depression viele
verschiedene Faktoren gibt, die einen Einfluss darauf haben, ob subjektiv oder objektiv kognitive Probleme vorliegen. Aus
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Schwere Depression unter neuem Blickwinkel: Spielt Kognition eine Rolle?
meiner eigenen klinischen Erfahrung, die mit der Literatur in Einklang steht, weiß ich, dass Faktoren wie viele frühere depressive
Episoden oder eine frühere chronische Depression und natürlich eine schwere Depression die Kognition beeinflussen. Diese
Faktoren sollten wir also alle im Auge behalten. Wir dürfen außerdem nicht die Bedeutung der Komorbidität vergessen, wie
Medikamenteneinnahme und Alkoholkonsum unserer Patienten, die einen modifizierbaren Faktor für die Kognition darstellen.
Dr. Kasper: In einer vor kurzem durchgeführten Studie wurde bei Patienten, bei denen eine Behandlung mit Antidepressiva für
schwere Depression begonnen wurde, die Beziehung zwischen einer objektiv gemessenen kognitiven Funktion und der subjektiv
von Patienten berichteten kognitiven Funktion und dem Schweregrad der Depression untersucht. Was bedeuten diese Ergebnisse
für die Patienten?
Dr. McIntyre: Ich denke, es ist wirklich wichtig, dass wir uns vor Augen führen, dass dies subjektive Einschätzungen des Patienten
sind und dass wir genauso an den Ergebnissen der medizinischen Fachkräfte anhand beispielsweise einer Depressionsskala
interessiert sind. Wir sind auch an der Perspektive des Patienten interessiert. Welche Veränderungen spüren sie durch die
Behandlung? Patienten berichten immer wieder dasselbe: „Ich möchte wieder ich selbst sein. Ich möchte mich gesund fühlen. Ich
möchte wieder normal funktionieren.“ Subjektive Patientenberichte oder so genannte PROs (self-reported outcomes) sind also
äußerst wichtig für uns in der klinischen Praxis.
Neue Studien deuten darauf hin, dass es eventuell eine Beziehung zwischen subjektiv berichteten kognitiven Störungen
bei Depression und den objektiv überprüften Defiziten gibt. Bei dieser Studie wurde beispielsweise sorgfältig geprüft, ob
eine Korrelation zwischen subjektiv berichteten kognitiven Defiziten und objektiv überprüfbaren Defiziten besteht. Das
Ergebnis war wirklich interessant. Es gab eine hohe Korrelation zwischen den objektiv gemessenen Daten und dem, was die
Patienten zur Kognition berichteten. Dies ist wichtig, da wir Ärzte in der Klinik vielleicht irgendwann routinemäßig solche
Kognitionsinstrumente miteinbeziehen sollten. Wenn der Patient selbst dazu in der Lage ist, um so besser.
Wir wissen nun zwar, dass es eine Beziehung zwischen der subjektiv berichteten Kognitionsbeeinträchtigung und den objektiv
nachweisbaren Defiziten gibt, doch es gibt einen Aspekt, der sich als etwas komplizierter erweist. Der Schweregrad der
Depression des Patienten kann wahrscheinlich besser durch die objektiv nachweisbare Kognitionsbeeinträchtigung bestimmt
werden als durch die subjektiv berichtete. Mit anderen Worten, es gibt zwar eine Korrelation zwischen objektiver und subjektiver
Kognitionsbeeinträchtigung, wenn wir aber den Schweregrad einer Depression bestimmen wollen, sieht es so aus, als ob die
objektive Messung einer kognitiven Beeinträchtigung mehr Aufschluss darüber gibt.
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Dr. Kasper: In der gleichen Kohorte von rund 560 Patienten, die an dieser Studie teilnahmen, wurden außerdem zusätzliche
Instrumente angewandt, wie beispielsweise die Sheehan Disability Scale, eine Selbstbeurteilungsskala für Patienten zu
Funktionsbeeinträchtigungen bezüglich Arbeitsproduktivität und Lebensqualität. Was bedeuten diese Instrumente für die
Patienten?
Dr. McIntyre: Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass wir wirklich eine auf Instrumenten beruhende medizinische Betreuung
benötigen. Darüber besteht kein Zweifel. Letzten Endes wollen alle Patienten dasselbe, nämlich wieder in der Lage sein, ein
normales Leben zu führen. Sie wollen sich wieder so fühlen wie früher, sie wollen wieder gesund sein. Depressionsinstrumente
sind dabei sicherlich zu einem gewissen Grad hilfreich. Ich verwende Depressionsinstrumente bei jedem Patiententermin in
meiner Praxis, doch es gibt keine hohe Korrelation dieser Instrumente mit einem funktionellen Erfolg. Diese Studie zeigte, dass
die auf einer objektiv standardisierten Skala gemessene kognitive Beeinträchtigung bei Patienten mit Depression ein besserer
Prädiktor für ein funktionelles Ergebnis war. Und das ist ja unser aller übergeordnetes Ziel: die funktionelle Genesung. Vielleicht
können uns die Ergebnisse von Kognitionsinstrumenten Aufschluss über etwas geben, das die Depressionsinstrumente nicht
erfassen.
Dr. Kasper: Welche klinischen Studien zu Antidepressiva gibt es, die die kognitive Dysfunktion bei Patienten mit schwerer
Depression untersuchen?
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Dr. McIntyre: Es ist frappierend, Siegfried. Wir beide kennen die Daten zu Schizophrenie und bipolarer Störung nur zu
gut. Wir beide wissen, dass viele Anstrengungen unternommen wurden, um die Wirkung einer Intervention auf kognitive
Beeinträchtigungen herauszufinden, sei es durch eine medikamentöse oder psychosoziale Intervention oder durch die
sogenannte kognitive Remediation. Doch auf dem Gebiet der Depression gibt es relativ wenige Studien.
So wurden in diese eine Studie, die ich Ihnen hier zeige, nur ältere Menschen aufgenommen. Es handelte sich um Menschen,
die nicht dement, aber depressiv waren. Das Hauptziel der Studie war, herauszufinden, ob Duloxetin die Ergebnisse kognitiver
Instrumente im Vergleich mit Placebo verbessert. Es wurden kombinierte Instrumente in den Bereichen Lernen und Gedächtnis
sowie Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit durchgeführt und bei Einnahme von Duloxetin war tatsächlich eine
Verbesserung zu beobachten. Hervorzuheben ist jedoch, dass Duloxetin im Vergleich zu Placebo nur in einem dieser Bereiche
wirksam war, nämlich dem des Lernens und des Gedächtnisses.
Wir sehen also, dass mit einigen Behandlungen ein gewisser Nutzen in kognitiven Bereichen zu beobachten ist. Wir sehen aber
auch, dass es Behandlungen gibt, mit denen kognitive Fähigkeiten sogar verbessert werden können. Wir wissen beispielsweise,
dass viele Menschen, die unter Depressionen leiden, oft über eine kognitive Beeinträchtigung klagen. Es gibt immer mehr
Forschungsergebnisse, die darauf hinweisen, dass mechanistisch sehr unterschiedliche Wirkstoffe helfen können. Einige der
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Daten sind für SSRI (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer), andere für SNRI (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer).
Allerdings sind diese Studien alle sehr klein. Die Anzahl der aufgenommenen Teilnehmer ist sehr niedrig.
Wichtig ist aber vor allem, Siegfried, dass das Studiendesign nicht hauptsächlich für die Untersuchung der Kognition ausgelegt
war. Die Studie war primär konzipiert, Depression zu untersuchen. Die Untersuchung der Kognition war nur zweitrangig. Um
das Problem präzise und gezielt anzugehen, muss die Kognition das primäre Ergebnis sein und die von mir erwähnte Studie mit
Duloxetin ist eine der wenigen Studien, die wir diesbezüglich bisher vorliegen haben.
Bei dieser Gelegenheit kann ich auf ein neues Antidepressivum zu sprechen kommen, Vortioxetin. Es handelt sich um ein
multimodales Antidepressivum. Wir haben Daten vorliegen, die darauf hinweisen, dass Vortioxetin sowohl subjektiv als auch
objektiv kognitionsfördernd wirkt.
Dieser Effekt von Vortioxetin wird nicht nur bei Patienten beobachtet, die auf die Depressionsbehandlung ansprechen, sondern
auch bei den Patienten, die nicht auf die Behandlung ansprechen. Mit anderen Worten, wenn man bei der Auswertung der Daten
den Effekt auf Depression und Kognition untersucht, so scheint Vortioxetin, unabhängig von seiner Wirkung auf die Verbesserung
der Depressionssyndrome, eine direkte kognitionsfördernde Wirkung zu haben.
Dr. Kasper: Daten aus mehreren klinischen Studien mit Vortioxetin deuten darauf hin, dass eine Milderung der kognitiven
Dysfunktion nachgewiesen werden kann, die nicht nur mit der Linderung der depressiven Symptomatik bei schwerer Depression
in Zusammenhang steht. Könnten Sie darauf etwas näher eingehen?
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Schwere Depression unter neuem Blickwinkel: Spielt Kognition eine Rolle?
Dr. McIntyre: Das ist ein ganz kritischer Punkt, den Sie ansprechen, Siegfried. Als Klinikärzte würden wir erwarten, dass mit
der Besserung der depressiven Symptomatik eine verbesserte Kognition zu beobachten ist. Und so ist es auch. Wichtig bei der
Auswertung der Daten ist, dass wir die Wirkung auf die Depressionssymptome ganz genau untersuchen. Dies kann anhand der
so genannten Pfadanalyse durchgeführt werden, mit der untersucht wird, in welchem Maße die Auswirkung auf die Kognition ein
direkter Effekt ist.
Wenn wir die Daten auf diese Art analysieren, können wir erkennen, dass die Wirkung von Vortioxetin, nämlich die positive
Auswirkung auf die Kognition, in der Tat ein direkter Effekt ist, der nicht mit den Symptomen der Depression korreliert.
Es gab auch einige Studien, die die Kognition unter Vortioxetin anhand einer einzigartigen Methode gemessen haben: Aus dem
uns allen wohl bekannten Depressionsinstrument MADRS (Montgomery–Åsberg Depression Rating Scale) wird ein KognitionsItem herausgegriffen und die Wirkung von Vortioxetin auf dieses Item im Verhältnis zu Placebo untersucht. Es handelt sich um ein
für Patienten wichtiges Item, das häufig anhält. Im Einklang mit diesen bisherigen Studien steht eine Meta-Analyse, die ebenfalls
darauf hindeutet, dass Vortioxetin eine positive Auswirkung in diesem Bereich hat.
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Wenn wir uns zum Beispiel ein Instrument zur subjektiven Messung von Kognition, genannt CPQR, anschauen, das eines der
verschiedenen subjektiven Bewertungen von Kognition ist, so wird der Gesamtscore auf dieser subjektiven Skala sowie viele
untergeordnete Scores, die ebenfalls in dieser speziellen Studie erfasst werden, durch Vortioxetin verbessert.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass es sich um eine Behandlung handelt, die depressive Symptome bedeutend lindert.
Gleichzeitig haben wir eine Behandlung, die sowohl objektiv als auch subjektiv berichtete kognitive Defizite abschwächt, und
zwar unabhängig von der Wirkung auf die Depression, was durch die so genannte Pfadanalyse nachgewiesen wurde.
Dr. Kasper: Was ist über die aktuellen Sicherheitsdaten bekannt?
Dr. McIntyre: Die Wirkung von Vortioxetin wurde mittlerweile nicht nur in Kurzzeit- sondern auch in Langzeitstudien untersucht.
Es konnte nachgewiesen werden, dass Vortioxetin in verschieden starken Dosen gut toleriert wird. Die Studienabbruchsrate
aufgrund von unerwünschten Ereignissen ist sowohl bei Kurzzeit- als auch bei Langzeitstudien in etwa gleich wie in der
Placebogruppe.
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Schwere Depression unter neuem Blickwinkel: Spielt Kognition eine Rolle?
Es ist auch wichtig zu betonen, dass Vortioxetin in vielen Studien kognitionsfördernd wirkte und dass es keine Nachweise einer
negativen Auswirkung auf die Kognition gibt. Dies ist ein Problem bei vielen anderen Antidepressiva, denn einige Antidepressiva
führen zu einer Verschlechterung der Kognition. Wir sehen kognitionsfördernde Wirkungen, aber keine negativen Auswirkungen
auf die Kognition.
Dr. Kasper: Gibt es auch noch andere Ansätze zur Verbesserung der kognitiven Beeinträchtigungen?
Dr. McIntyre: Es gibt einen Bereich, Siegfried, der noch in den Kinderschuhen steckt. Es gibt viele verschiedene
Behandlungsmodalitäten, die noch genauer und eingehender untersucht werden müssen. Zum Beispiel die kognitive
Remediation, die sich bei Schizophrenie und Autismus sowie bei Patienten mit einer Hirnverletzung als wirksam erwiesen hat:
Könnte diese Behandlung auch bei Patienten mit Depressionen ansprechen?
Welche Rolle könnte die neuronale Stimulation wie die transkranielle Magnetstimulation, kurz TMS, spielen? Welche Rolle
könnte eine Kombination aus neuronaler Stimulations- oder Verhaltenstherapie und einem wirksamen kognitionsfördernden
Medikament spielen? Nicht zu vergessen ist natürlich auch die Frage nach der Rolle des körperlichen Ausdauertrainings. Spielt es
für sich allein eine Rolle oder nur in Kombination mit einer Behandlung? Wir schauen der Zukunft mit Spannung entgegen, um die
besten Methoden zur Vorbeugung und für die Behandlung von kognitiven Störungen unserer Patienten zu bestimmen. Es wird
zweifelsohne ein multimodaler Ansatz sein.
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http://www.medscape.org/viewarticle/813297
Dr. Kasper: Vielen Dank, dass Sie uns die Bedeutung der kognitiven Dysfunktion bei depressiven Patienten basierend auf
verfügbaren Daten und die Bedeutung von subjektiven und objektiven Instrumenten näher erläutert haben und dass Sie
insbesondere darauf hingewiesen haben, dass es ein neues Medikament gibt, Vortioxetin, das auf diesem Gebiet wirksam ist. Wir
sehen zukünftigen Entwicklungen gespannt entgegen.
Dr. McIntyre: Vielen Dank, dass Sie mich eingeladen haben.
Dr. Kasper: Ich möchte mich auch herzlich bei unseren Zuschauern für ihre Teilnahme an diesem Programm bedanken.
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