Schule der Tierhomöopathie Ethologie 1 - animalmundi-home

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Schule der Tierhomöopathie
Ethologie 1 / Basisstudium Tierhomöopathie
Einführung in die Allgemeine Verhaltenskunde
Dr. Susanne von Stamm
Einführung in die Verhaltenskunde – Inhaltsübersicht
Schule der Tierhomöopathie
www.animalmundi.com
Sudermühler Weg 17-19
e-mail:[email protected]
21272 Egestorf
Tel. 04175-842533
Verhalten von Tieren
1
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Tierverständnis und Verhaltensforschung im historischen Überblick .................................................. 2
1.1
Die „alten“ Griechen und ihre Nachfolger ...................................................................................... 3
1.2
Umdenken und Darwins „Kränkung der Menschheit“ ................................................................... 5
1.3
Verhaltensforschung auf Abwegen? .............................................................................................. 5
1.4
Verhaltensforschung im 20. Jahrhundert....................................................................................... 6
2
1.4.1
Moderne mechanistische Ansichten....................................................................................... 6
1.4.2
Vergleichende Verhaltensforschung ...................................................................................... 7
1.4.3
... und wieder Umdenken ........................................................................................................ 8
Zunächst einige Begriffe ........................................................................................................................ 9
2.1
Instinktverhalten.............................................................................................................................. 9
2.2
Übersprungverhalten .................................................................................................................... 10
3
Lernverhalten........................................................................................................................................ 11
3.1
Abwandlung angeborener Verhaltensweisen durch Lernen – bedingte Reaktionen................. 11
3.1.1
Klassische Konditionierung – Ausbildung von bedingten Reflexen .................................... 11
3.1.2
Weitere bedingte Reaktionen ............................................................................................... 13
3.2
Bedingte Aktionen......................................................................................................................... 13
3.2.1
Instrumentelle Konditionierung ............................................................................................. 14
3.2.2
Operante Konditionierung ..................................................................................................... 14
3.3
Erkundungs- und Spielverhalten .................................................................................................. 15
3.4
Gewöhnung................................................................................................................................... 16
3.5
Nachahmung und Tradition .......................................................................................................... 16
3.6
Prägung......................................................................................................................................... 17
4
3.6.1
Definition ................................................................................................................................ 17
3.6.2
Allgemeine Eigenschaften .................................................................................................... 17
3.6.3
Verschiedene Prägungsarten ............................................................................................... 18
Kognitive Leistungen ............................................................................................................................ 18
4.1
Definitionen ................................................................................................................................... 18
4.2
Generalisieren und Abstrahieren ................................................................................................. 18
4.3
Einsichtiges Handeln – keine menschliche Besonderheit .......................................................... 19
4.4
Betrügerische Absichten............................................................................................................... 19
4.5
Sprache und Logik....................................................................................................................... 20
5
Sonderstellung des Menschen? .......................................................................................................... 20
6
Verschiedene Interpretationsmöglichkeiten von Verhaltensweisen................................................... 21
6.1
Meisen und Milchflaschen ............................................................................................................ 21
6.2
Termitenbauten............................................................................................................................. 21
7
Der 7. Sinn der Tiere ............................................................................................................................ 21
8
Hypothese der Formenbildungsursachen (Anhang) ........................................................................... 22
9
Die vier naturwissenschaftlichen Kränkungen des Menschenbildes (Anhang)................................. 23
10
Literatur ............................................................................................................................................. 24
1 Tierverständnis und Verhaltensforschung im historischen Überblick
Zuvor eine Geschichte ...  Fazi, der Ausbrecherkönig (DRÖSCHER 1996, S. 11 ff.)
© 2003 Dr. Susanne von Stamm
Verhalten von Tieren
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1.1 Die „alten“ Griechen und ihre Nachfolger
1
DEMOKRIT (460-370 v. Chr.), der die Lehre des Atomismus von LEUKIPP weiterentwickelte, führte das
Verhalten und alle Eigenschaften von Lebewesen auf deren kleinsten Teilchen (Atome) zurück.
ARISTOTELES und PLATON zogen eine deutliche Trennlinie zwischen dem denkenden Menschen und
dem Rest des Tierreiches.
Nach PLATON (428-348 v. Chr.) besitzt der Mensch zwei Seelen: Die unsterbliche Seele hat ihren Sitz
im Kopf und verleiht den Verstand und stellt die Verbindung zum ewig Göttlichen her; die sterbliche
Seele sitzt in Brust und Bauch; nichtmenschliche Wesen haben nur die sterbliche Tierseele.
„Auch ARISTOTELES [384-322 v. Chr.] definierte den Menschen als ein ‚Tier mit Verstand' und entwarf
die Große Kette des Seins, an deren Spitze der freie Mann stand, mit Geist ausgestattet und allein
den Engeln untertan. Unter den Mann stellte er die Frau, den Sklaven und das Kind, weil es ihnen an
Verstand mangele und sie deshalb dazu bestimmt seien, beherrscht zu werden. Wieder eine Stufe
tiefer setzte er die nichtmenschlichen Wesen, deren einziger Daseinszweck darin bestehe, den Menschen zu dienen. Diese Tiere konnten Schmerz und Lust empfinden und besaßen sogar ein Gedächtnis, aber es fehlte ihnen eindeutig an Verstand und Gefühl. (FOUTS 1998, S. 67)
„ARISTOTELES beschäftigte sich mit Instinkthandlungen von Tieren, deren Triebhaftigkeit und Zweckmäßigkeit er erkannte. Die erstaunliche Zweckmäßigkeit tierischen Verhaltens erklärte er durch trans2
zendente Kräfte, die Entelechien , die auf die Organismen wirken." (HORNUNG et al. 2000, S. 16)
3
Die auf die aristotelischen Theorien zurückgehenden Vitalisten waren ausgezeichnete Tierbeobachter, bemühten sich jedoch nicht um eine kausale Erklärung des Verhaltens; sie hielten ganzheitsbezogenes Verhalten für mechanistisch nicht erklärbar und setzten als letzte Ursachen entelechiale
"ganzmachende" Faktoren und unfehlbare, unerklärliche Instinkte. "Wir betrachten den Instinkt, aber
wir erklären ihn nicht." (BIERENS DE HAAN 1940). Verhalten ist demgemäß zweckmäßig, gewissermaßen auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet, Zielvorstellungen lenken die Tätigkeit; das Tier wird von
Absichten geleitet, die keiner weiteren Erklärung bedürfen.
„Die griechische Vorstellung von einer Welt, die allein um des Menschen willen geschaffen worden
war, fiel auf fruchtbaren Boden in der jüdisch-christlichen Tradition, der zufolge die Erde und alle
Lebewesen dem Menschen untertan waren." (FOUTS 1998, S. 67 f.)
1
Atomismus: Naturphilosophische Richtung, die behauptet, die Materie sei aus kleinsten, unveränderlichen, unteilbaren Teilchen zusammengesetzt und das Naturgeschehen müsse aus den Eigenschaften der Atome bzw. deren Bewegung erklärt
werden.
2
Entelechie: Bei Aristoteles das Vermögen eines Organismus zur Selbstentwicklung und -vollendung
3
Vitalismus, lat. vita = Leben: Auf ARISTOTELES (384-322 v. Chr.) zurückgehende Theorie, die zur Erklärung von Entstehung,
Struktur oder Funktion des Lebens oder lebender System die Existenz von Substanzen oder Prinzipien annehmen, die sich dem
Nachweis oder der Erklärung durch mathematische, physikalische oder chemische Methoden prinzipiell entziehen. Aristoteles
nahm an, daß leblose Materie kraft der Prägung durch die Organisationsmuster der jeweiligen "Seele" zu einem Organismus
wird.
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THOMAS VON AQUIN (1225-1274), seit 1879 offizieller Philosoph der katholischen Kirche: "Nun unterscheidet sich aber der Mensch von den sonstigen, unvernünftigen Geschöpfen darin, daß er Herr
seiner Handlungen ist." (HORNUNG et al. 2000, S. 147). „Der Mensch hat ein sinnliches Verlangen und
ein rationales, den Willen. Seine Wünsche und Handlungen werden nicht wie beim Tier völlig von
Sinneseindrücken bestimmt, sondern er besitzt die Fähigkeit der Selbstbestimmung, die es ihm ermöglicht, zu handeln oder es zu unterlassen [...] Der Wille wird davon bestimmt, was der Verstand in
einem rationalen Sinne als gut erachtet. Dies stellt allerdings keinen Zwang dar: ein Zwang liegt dann
vor, wenn ein Wesen vollständig von äußeren Ursachen bestimmt wird. Der Mensch aber ist frei, weil
er rational ist, weil er von äußeren Ursachen nicht zu Handlungen getrieben werden kann und weil er
mit seinem Verstand die jeweiligen Mittel wählen kann, um das Gute oder Zweckmäßige zu verwirklichen.“; „Andere handeln nach einer Art von Entscheidung, wie etwas ein nicht aufgrund von Vernunft
handelndes Tier, denn das Schaf flieht vor dem Wolf, weil es eine Art von Urteilsfähigkeit besitzt, mit
deren Hilfe es den Wolf als gefährlich einschätzen kann; dieses Urteil ist nicht frei, sondern von der
Natur vorgegeben.“ (MCFARLAND 1999, S. 321).
RENE DESCARTES (1596-1650), der den schon seit der Antike bekannten und verwendeten Begriff des
4
Mechanismus neu belebte, vollzog im 17. Jh. die völlige Trennung des Menschen von der natürlichen
Welt. Der Mensch hat einen Körper, aber seine Existenz verleiht ihm allein der Geist: ‚Ich denke, also
bin ich.’; die nichtdenkenden, geistlosen Tiere wurden in dieser kartesianischen Welt zu gefühllosen
Zahnrädern im umfassenden Mechanismus der Natur. "Ein Hund, der getreten oder gar viviseziert
wird, jault nicht aus Schmerz, sondern gibt Töne von sich wie eine verklemmt Uhrfeder." (FOUTS 1998,
S. 68).
1630 kam der erste Schimpanse nach Europa; 1699 zerlegte EDWARD TYSON, Englands berühmtester
Anatom, einen Schimpansen. Er „entdeckte eine Anatomie, die ‚dem Menschen in vielen seiner Teile
ähnelte, mehr als jede andere Affenart oder jedes andere Tier der Welt.' Besonders beunruhigt war
TYSON über das Gehirn und die Kehlregion des Wesens, die beinahe menschlich aussahen und darauf hindeuteten, daß dieses Tier fähig sein könnte, zu denken und zu sprechen. Aber als guter Karte5
sianer ging TYSON davon aus, daß ein denkendes und sprechendes Tier schlichtweg unmöglich war.
So kam er zu dem Schluß, dieser Affenmensch besitze zwar den gesamten Apparat zum Denken und
Sprechen, nicht aber die gottgegebene Fähigkeit, ihn zu benutzen. TYSON war es, der das Paradigma
des geistlosen Affen aufstellte: den Schimpansen mit menschlichem Gehirn ohne einen einzigen Gedanken darin, mit menschlichem Nervensystem, aber ohne das geringste Gefühl, mit einem Sprechapparat, aber ohne mitteilbare Inhalte. TYSON erfand die Auffassung vom Schimpansen, an der die
biomedizinischen Forscher noch heute festhalten: ein Tier mit der Physiologie des Menschen, aber mit
der Psychologie einer leblosen Maschine - ein behaartes Reagenzglas, dazu geschaffen, vom Menschen benutzt zu werden." (FOUTS 1998, S. 69)
Fazit: Der Mensch mag zwar den anderen Tieren physisch ähnlich sein, geistig besteht jedoch nicht
die geringste Übereinstimmung..
4
Mechanismus: Alles Verhalten läßt sich letztlich auf die Grundgesetze der Mechanik bzw. der Physik zurückführen; Ablehnung
des von den Vitalisten verwendeten Ganzheitsbegriffes; subjektive Phänomene werden ignoriert, nur Beschreibung des objektiv
Beobachtbaren; "Psychologie ohne Seele"
5
Kartesianismus: Die an Descartes (latinisiert Cartesius) orientierte philosophische Richtung des 17. und 18. Jh.
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1.2 Umdenken und Darwins „Kränkung der Menschheit“
IMMANUEL KANT (1724-1804): Der Mensch ist ein "animal rationabile", ein zur Vernunft befähigtes Tier.
THOMAS HUXLEY (1863): Die anatomische Ähnlichkeit zwischen Menschen und Menschenaffen ist kein
Zufall, sondern eine "Familiensache". HUXLEY legte vier Jahre nach DARWINS Veröffentlichung der
Abstammungslehre "Über die Entstehung der Arten" - DARWIN hatte die stammesgeschichtliche Herkunft des Menschen dabei nicht mit berücksichtigt - die zwingenden anatomischen Beweise für die
Verwandtschaft zwischen Menschen und Menschenaffen über einen gemeinsamen Vorfahren vor.
CHARLES DARWIN (1809-1882) wird als Vater der modernen Verhaltensforschung angesehen.
"Wir stellen also fest, daß alle Gefühle und Eingebungen, die verschiedenen Emotionen und Begabungen wie Zuwendung, Erinnerung, Aufmerksamkeit, Neugier, Nachahmung, Verstand usw., derer
der Mensch sich rühmt, ansatzweise oder bisweilen schon recht weit entwickelt auch bei den niedriger
stehenden Tieren auftreten können.“
„So groß nun auch nichtsdestoweniger die Verschiedenheit an Geist zwischen dem Menschen und
den höheren Tieren sein mag, so ist sie doch sicher nur eine Verschiedenheit des Grads und nicht der
Art.“
(Zitate nach DARWIN, 1871: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl)
"Aber DARWINS Abstammungslehre war nicht nur eine Gefahr für die biblische Interpretation von der
Entstehung des Menschen. Die Evolution bedrohte - und bedroht noch immer - die Platonsche Grundvoraussetzung aller abendländischen Philosophie, der zufolge allein der Mensch vernunftbegabt ist.
Nun behauptete DARWIN, wir ähnelten unseren Verwanden, den Affen, nicht nur anatomisch, sondern
auch geistig. Die Evolution wisse nichts von der vermeintlichen Einzigartigkeit des Menschen. Wenn
sich das genetische Programm für das Gehirn von Menschenaffen bzw. von Menschen durch winzige
adaptive Mutationen entwickelt habe, dann könnten sich auch die Vorgänge innerhalb dieser Gehirne
nur in geringem Maß voneinander unterscheiden. Niemals könne die Evolution einen derart gewaltigen Widerspruch hervorbringen wie Tysons Schimpansen - ein menschenähnliches Gehirn ohne Inhalt.
In der Abstammung des Menschen erklärte DARWIN, daß nichtmenschliche Tiere, vor allem die Menschenaffen, die Fähigkeit besäßen, zu denken, Werkzeuge zu benutzen, nachzuahmen und sich zu
erinnern - alles Eigenschaften der Vernunft, die lange Zeit als Monopol des Menschen gegolten hatten." (FOUTS 1998, S. 71)
6
1.3 Verhaltensforschung auf Abwegen?
BREHMS Tierleben (1864) - naive Tierbeobachtung, Tierpsychologie: „Als Basis für das Verhalten von
Tieren wurde die Vernunft gesehen, tierische Handlungen wurden als Ergebnis von Erfahrungen, Reflexionen und Entscheidungen betrachtet. Tiere wurden wie Menschen gesehen, zumeist nicht als voll
leistungsfähige Erwachsene, aber zumindest wie beseelte menschliche Kleinkinder, die Mitleid, Liebe,
6
98,4 % der menschlichen DNS sind mit der von Schimpansen identisch!!
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Stolz und Haß empfinden und aus diesen Empfindungen heraus handeln." (HORNUNG et al. 2000, S.
16)
GEORGE ROMANES, Freund und Schüler DARWINS (1882): Seine Veröffentlichung ‚Die geistige Entwicklung im Tierreich“ stellte eine erste allgemeine Abhandlung der vergleichenden Psychologie dar.
Romanes schrieb Tieren geistige Fähigkeiten zu, z.B. logisches Denken, und Gefühle wie etwa Eifersucht.
Solche Vorstellungen wie die von BREHM und ROMANES lösten in der etablierten Wissenschaft einen
Aufruhr aus, an dessen Spitze CONWAY LLOYD MORGAN (1852-1936) stand. "Niemals dürfen wir ein
Verhalten als Ergebnis einer höheren geistigen Befähigung interpretieren, wenn es sich genausogut
als Resultat einer auf der psychologischen Skala niedriger einzustufenden Fähigkeit erklären läßt."
(Zitat nach MORGAN 1894: Einführung in die vergleichende Psychologie). Später (1900) ergänzte er
allerdings: „Damit das Ausmaß dieser Regel nicht mißverstanden wird, sei hinzugefügt, daß sie in
keinem Fall die Deutung einer bestimmten Handlung als Ergebnis höherer geistiger Prozesse ausschließt, wenn für diese genügend unabhängige Hinwiese vorliegen.“
In der Wissenschaft wurde diese Tierpsychologie bald stark angezweifelt und es wurde eine konsequente Abkehr von der vermenschlichenden Betrachtung tierischen Verhaltens vollzogen. Es wurden
Experimente durchgeführt, die eindeutige Schlüsse erlaubten. Die anthropomorphe Interpretation
wurde durch naturwissenschaftliche Forschung ersetzt; es wurde tlw. schon als anthropomorph verpönt, Säugetieren Empfindungen wie Hunger oder Schmerzen zuzugestehen – und damit wurde die
mechanistische Auffassung in der etablierten Wissenschaftlich noch fester verankert.
1.4 Verhaltensforschung im 20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert entwickelte sich in Europa die vergleichende Verhaltensforschung und in Amerika der Behaviorismus. Gemeinsam war diesen beiden Forschungsrichtungen die Abkehr von der
anthropomorphen Betrachtung tierischen Verhaltens und die Einführung wissenschaftlich exakter
Methoden, Standards und Fachsprachen; beide Richtungen führen das Verhalten zunächst überwiegend auf angeborene (unbedingte) und erlernte (bedingte) Reflexe zurück. Damit hörten dann jedoch
auch die Gemeinsamkeiten auch schon wieder auf.
1.4.1 Moderne mechanistische Ansichten
Behaviorismus
Vor allem in Amerika beheimatete Richtung der Verhaltensforschung, die versuchte, Verhalten und
Verhaltensänderungen ausschließlich auf Reize aus der Umwelt zurückzuführen.
Als Begründer des Behaviorismus gelten J.B. WATSON (1913) und E.L. THORNDIKE (1874-1949), die
ihrerseits durch die Arbeiten des Briten MORGAN beeinflußt waren. Weitere bekannte Anhänger dieser
Forschungsrichtung waren K.S. LACHLEY (1938) und B.F. SKINNER (1904-1990).
"Nach behavioristischer Auffassung hat sich die Psychologie nur mit dem Verhalten an sich und nicht
mit den damit einhergehenden geistigen Vorgängen zu befassen. Behaviorismus im strengen Sinne
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lehnt bei der Interpretation von Verhalten jeden Bezug auf innere Prozesse ab." (MCFARLAND 1999, S.
7)
„Die Behavioristen lehnten somit subjektivistische Ausdrücke wie Empfindung, Aufmerksamkeit, Wille
ab; sie ließen nur beobachtbare Reize, Muskelbewegungen und Drüsensekretionen als Erklärung für
das Entstehen von Verhalten zu. Um auch komplexes Verhalten mit ihrem Reiz-Rektions-Schema
erklären zu können, forderten sie verdeckte oder implizite Reiz-Reaktions-Beziehungen.
Sie waren der Meinung, Tiere besäßen lediglich einige angeborene Reflexe und lernten dann im Laufe
ihres Lebens als Reaktion auf Umwelteinflüsse, mit denen sie konfrontiert werden, durch Versuch und
Irrtum ihr gesamten Verhaltensrepertoire. Sie bestritten die Existenz genetisch angelegter Verhaltensweisen ebenso wie die Möglichkeit zu spontanem Verhalten, das also nur durch innere Antriebe
abläuft und nicht als direkte Reaktion auf Außeneinflüsse. [...] Sie behaupteten auch weiterhin, daß
auch der Mensch alle seine Verhaltensweisen durch Erziehung und sein soziales Umfeld erlernt. Sie
bestritten folgerichtig sogar die Existenz von erblich bedingten Lerndispositionen und Begabungen.
Menschen waren für sie uneingeschränkt formbar und manipulierbar." (Hornung et al. 2000, S. 21).
7
Zunächst wurden Fragen nach kognitiven Leistungen aus methodischen Gründen ausgeklammert,
später entwickelte sich daraus das Dogma, daß es höhere kognitive Leistungen bei Tieren überhaupt
nicht gibt. "Skinner ging sogar so weit, alle über das Lernen durch Versuch und Irrtum hinausgehenden geistigen Vorgänge bei Tieren generell zu bestreiten." (HORNUNG et al. 2000, S. 26).
Als einen Vorläufer des Behaviorismus kann die sogenannte Reflexologie, angesehen werden, die
von W. BECHTEREW (1913) und I.P. PAWLOW (1849-1936) begründet wurde: Alles Verhalten beruht auf
bedingten und unbedingten Reflexen, kompliziertere Verhaltensabläufe beruhen auf Kettenreflexen.
PAWLOWS Ergebnisse lieferten zu einem gewissen Grad die physiologischen Grundlagen für den Behaviorismus.
1.4.2 Vergleichende Verhaltensforschung
8
Vergleichende Verhaltensforschung = Ethologie ; Biologie des Verhaltens
Die Ethologie beschäftigt sich mit der Untersuchung nah verwandter Tierarten; Übereinstimmungen
und Unterschiede in ihrem Verhalten lassen Schlüsse auf die stammesgeschichtliche Entwicklung von
Verhaltensweisen zu.
„Sie forscht sowohl nach den unmittelbaren Ursachen, die einem Verhalten zugrunde liegen, als auch
nach Selektionsbedingungen, die für seine Entstehung letztlich verantwortlich sind. Damit bringt die
Ethologie die stammesgeschichtliche Dimension in die Verhaltensforschung ein." (EIBL-EIBESFELD
1999, S. 30)
Die Verhaltensforschung begann als Verhaltensmorphologie mit der Erstellung von Verhaltenskatalo9
gen (Ethogrammen ): Die einzelnen Verhaltensweisen der beobachteten Tiere wurden genau beschrieben und benannt (deskriptive Vorgehensweise); dabei wurden Freiland- und Gefangenschafts-
7
kognitiv, lat., die Erkenntnis betreffend
8
Ethos, griech., Gewohnheit, Sitte
9
Ethogramm: Verhaltensinventar einer Tierart; umfaßt einfache Muskelbewegungen bis hin zu komplexen Verhaltensabfolgen
Erfassung durch intensive Beobachtungen und genaues Protokollieren.
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beobachtung kombiniert; die Freilandbeobachtung diente als Korrektur für falsche Ansätze oder Fragestellungen in der Gefangenschaftsbeobachtung.
Bereits bei der Erhebung eines Ethogramms stellt sich der Verhaltensforscher die Frage, welche spezifische Aufgabe oder Funktion ein Verhalten erfüllt, welchen selektionistischen Vorteil es dem Merkmalsträger als Anpassung einbringt.
Tiere haben neben erworbenen auch angeborene Fertigkeiten, Verhaltensmuster, die sich nicht erst
durch Nachahmen eines Vorbildes oder andere Formen der Dressur lernen müssen. Die "Instinktforschung" war daher zunächst ein Schwerpunkt der Ethologie, sie hat sich aber nicht darauf beschränkt.
Als eigentliche Begründer der vergleichenden Verhaltensforschung gelten KONRAD LORENZ (19031989) und NIKOLAAS TINBERGEN (1907-1989). Sie untersuchten das Verhalten zahmer, frei gehaltener
Wildtiere und hielten die Tiere möglichst unter naturnahen Bedingungen.
1.4.3 ... und wieder Umdenken
1984 - Umschwung durch amerikanischen Verhaltensbiologen D.F. GRIFFIN ("Können Tiere denken?")
1. Denken und Bewußtsein sollten nicht von vornherein aus den Betrachtungen ausgeklammert
werden.
2. Als Zugang zum Bewußtsein von Tieren kann ihre Verständigung untereinander dienen. Man
sollte deswegen genauer untersuchen, was sie sich mitteilen.
3. Auch Handlungen von Insekten, wie etwa von Bienen oder Ameisen, könnten möglicherweise
bewußt erfolgen.
"Heute ist die heftige wissenschaftliche Kontroverse zwischen vergleichender Verhaltensforschung
und Behaviorismus Geschichte. Der radikale Ausschließlichkeitsanspruch des Behaviorismus hat sich
als falsch erwiesen. Geblieben sind jedoch viele wichtige Erkenntnisse über Lernverhalten und exzellente experimentelle Verfahren, die auch in anderen Zusammenhängen Anwendung finden. Grundlegende Konzepte der Vergleichenden Verhaltensforschung wie z.B. das Instinktkonzept und die arterhaltende Zweckmäßigkeit wurden ebenfalls zu Grabe getragen." (HORNUNG et al. 2000, S. 21)
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2 Zunächst einige Begriffe
2.1 Instinktverhalten
Umgangssprachlich steht Instinkt für „sicheres Gefühl“ und instinktiv für „trieb-, gefühlsmäßig, unwillkürlich“. Die wissenschaftliche Bedeutung des Wortes sieht etwas anders aus: „Instinkt – geschichtlich
zentraler und stets umstrittener Begriff der Ethologie, der seiner Vieldeutigkeit wegen heute immer
weniger benutzt wird, da er zusätzlich auch in die Umgangssprache eingegangen ist.
Meist wird unter Instinkt ein angeborener Mechanismus der Verhaltenssteuerung verstanden, der
durch Schlüsselreize über einen angeborenen auslösenden Mechanismus ausgelöst werden kann und
sich in einer geordneten Folge von Erbkoordinationen äußert.
In diesem Sinne ist Instinkthandlung mit angeborener Handlung identisch, [...]“ (Herder Lexikon der
Biologie, zitiert nach HORNUNG et al. 2000, S. 43).
„Schon KONRAD LORENZ sah diese Ungenauigkeit des Instinktbegriffs, denn er schrieb 1932: „Wenn
ich [...] das Wort Instinkt vermeide und statt dessen den deutschen Ausdruck Triebhandlung verwende, so geschieht dies aus dem Grund, daß das Wort Instinkt schon in zu vielen verschiedenen Bedeutungen gebraucht wurde. [...] Das, was ich unter Triebhandlung verstehe, ist ein an sich durchaus
starres Gebilde, dem gar nichts Verstandesgemäßes anhaftet [...]“.
Trotzdem hat sich in der Vergangenheit eingebürgert, das Wort Instinkt für die Triebhandlung zu verwenden. Da aber beginnt die Problematik: Das „durchaus starre Gebilde“ existiert zwar in manchen
Fällen. Es hat aber durchaus nicht die allgemeine Verbreitung, wie sie die alten Verhaltensbiologen
annahmen. Die angeborenen Verhaltensweisen sind in den meisten Fällen flexibel und durch mannigfaltige äußere Faktoren abwandelbar und werden insbesondere bei Säugetieren in vielfältiger Weise durch Lernen verändert.“ (HORNUNG et al. 2000, S. 43)
„Der Instinktbegriff hat sich mit zunehmender Erkenntnis dahingehend verändert, daß das Verhalten
sowohl durch die Umwelt als auch durch das Erbgut beeinflußt werden kann.“ (MCFARLAND 1999, S.
336).
10
Die Auslösung von Instinktverhalten ist abhängig von der inneren Bereitschaft , eine bestimmte
Handlung auszuführen. Z.B. wird ein Star im Herbst keinen noch so geeigneten Nistkasten beziehen,
weil er damit beschäftigt ist, sich auf den Zug vorzubereiten.
Einfluß auf die innere Bereitschaft, ein bestimmtes Instinktverhalten auszuführen haben unter anderem Hormonhaushalt, circadiane
11
Rhythmen, Entwicklungszustand und Alter.
 Einflüsse auf die Handlungsbereitschaft – HORNUNG et al. 2000, S. 46
10
Handlungsbereitschaft, Reaktionsbereitschaft – innerer Zustand des verhaltenssteuernden Systems eines Tieres, der mitbestimmt, welche Handlungen auf äußere Reize hin bevorzugt ausgeführt werden.
11
circa = lat. ungefähr, dies = lat. Tag
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„Schlüsselreiz – ethologische Bezeichnung für Reize, die bei einem Tier über einen angeborenen
auslösenden Mechanismus (AAM) wirken und dadurch ein Verhalten auslösen oder aufrechterhalten.“
(Herder Lexikon der Biologie, zitiert nach HORNUNG et a. 2000, S. 45)
Beispiele
 Eirollbewegung der Graugans - MCFARLAND 1999, S. 326
Bettelverhalten des Möwenkükens
Schlüsselreize lassen sich manchmal auf ein einfaches, manchmal nur ein Merkmal umfassendes
Signal reduzieren. Dies stellte TINBERGEN in sogenannten abbauenden Attrappenversuchen fest.
Die meisten Auslösemechanismen sind allerdings durch Erfahrung verändert, sie werden auch als
EAAM, also durch Erfahrung modifizierte angeborene Auslösemechanismen, bezeichnet. Besonders bei höheren Wirbeltieren werden nahezu alle Verhaltensweisen durch Lernen beeinflußt oder
verändert (z.B. Prägung, s.u.).
Es können sich sogar allein durch Erfahrung erlernte Auslösemechanismen (EAM) bilden, z.B. verwenden Vögel beim Nestbau zunächst ungeeignete Halme, wählen aber später gezielt nur zweckmäßige Formen aus. Hier wirkt der Erfolg der Handlung rückkoppelnd positiv auf die Bildung des EAM
ein. Umgekehrt kommt es bei Mißerfolgen, oder wenn der Reiz an Bedeutung verliert, zu einer Abschwächung der Reizwirkung.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es für Instinkthandlungen und die sie auslösenden Reize
genetische Grundlagen gibt, die artspezifisch und dem Evolutionsgeschehen unterworfen sind. Oft
werden sie mehr oder weniger stark durch die jeweils vorhandene Situation oder durch Lernen modifiziert. Sowohl innere als auch äußere Faktoren beeinflussen also die Handlungsbereitschaft und damit
die Intensität des Instinktablaufs. (Hornung et al. 2000, S. 46)
2.2 Übersprungverhalten
Übersprungverhalten, auch als Übersprunghandlung oder –bewegung bezeichnet, ist ein Verhalten,
das eine andere Handlung unterbricht, der aktuellen Situation aber nicht angepaßt ist. Es wird gezeigt
von Tieren oder Menschen, die in Konfliktsituationen geraten, in denen sie momentan nicht wissen,
wie sie reagieren sollen; es sind Situationen, in denen zwei nicht miteinander vereinbare Verhaltensweisen gleichzeitig und etwa gleich stark aktiviert sind. Beispielsweise löst die Bedrohung durch einen
gleich starken Rivalen die beiden antagonistischen Triebe Flucht und Angriff aus. Das Antwortverhalten in Form von Kratzen oder kurzem Putzen ist eine typische Übersprunghandlung. Diese Verhaltensweise stammt aus dem Bereich der Körperpflege und ist eigentlich nicht die passende Antwort auf
die Konfliktsituation. Weitere Beispiele:
• Kopfschlagen bei Pferden.
• Hastiges Fressen bei Pferden.
• Gefiederputzen während der Balz bei verschiedenen Entenarten.
• Futterpicken während des Kampfes von Haushähnen.
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3 Lernverhalten
Lernen ist Änderung des Verhaltens auf die Dauer oder für eine gewisse Zeit. Es ist abhängig von der
• Disposition (Lernvermögen, Lernfähigkeit): artspezifisch (genetisch vorbestimmt) und individuell verschieden.
• Motivation (Lernbereitschaft): individuell; beeinflußt durch
• exogene Faktoren (z.B. Belohnung)
• endogene Faktoren (z.B. Rosse, Hunger, Schmerz)
• Lernblockaden durch Angst (z.B. Bestrafung)
• Erhöhung der Lernbereitschaft durch Neugierde.
Lernen ermöglicht eine Anpassung des tierischen Verhaltens an komplexe soziale Konstellationen
und wechselnde Umweltbedingungen (HORNUNG et al. 2000).
„Lernt ein Tier, so ändert sich damit sein Verhaltensrepertoire für den Rest seines Lebens.“
(MCFARLAND 1999, S. 293).
3.1 Abwandlung angeborener Verhaltensweisen durch Lernen – bedingte Reaktionen
Angeborene Verhaltensweisen können durch Lernen verändert werden, indem die Tiere bei ihrer
Ausführung angenehme oder unangenehme Empfindungen haben. Angenehme Empfindungen verstärken das Verhalten, unangenehme schwächen es ab. Es kommt somit zu durch diese Empfindungen bedingten Reaktionen; sie werden nach dem englischen Begriff „conditioned reflex“ auch als
klassische Konditionierung bezeichnet. Immer wird durch die Ausbildung bedingter Reaktionen das
genetisch festgelegte oder zuvor schon erlernte Verhalten verändert, besser an die Umweltbedingungen angepaßt und somit effektiver und ökonomischer.
3.1.1 Klassische Konditionierung – Ausbildung von bedingten Reflexen
 Klassische Konditionierung: MACFARLAND 1999, S. 282 f., HORNUNG et al. 2000, S. 48
Die klassische Konditionierung geht auf Pawlow (1849-1936), einen russischen Wissenschaftler, zurück.
„Er spannte einen hungrigen Hund in ein Geschirr ein und zeigte ihm in regelmäßigen Abständen
kleine Futterportionen. Kündigte Pawlow die Präsentation von Futter durch einen vorausgehenden
äußeren Reiz, wie z.B. ein Klingelzeichen, an, änderte sich allmählich das Verhalten des Hundes
diesem Reiz gegenüber. Der Hund richtete seine Aufmerksamkeit auf das Klingelzeichen und begann, sich die Lefzen zu lecken und Speichel abzusondern. Als Pawlow den Speichel mit Hilfe eines in den Speicheldrüsenkanal eingesetzten kleinen Schlauches sammelte und die Speichelmenge genau bestimmte, stellte er fest, daß die abgesonderte Speichelmenge zunahm, je häufiger
dem Tier die beiden Reize vorher gekoppelt geboten worden waren. Es zeigte sich, daß der Hund
gelernt hatte, das Klingelzeichen mit dem Futter zu verbinden.“ (MCFARLAND 1999, S. 282).
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Unbedingter Reiz  Futter; das Futter löst beim Hund unkonditioniert Endhandlungen, hier den Speichelfluß, aus
Unbedingte Reaktion (unbedingter Reflex)  Speichelsekretion auf die Darbietung von Futter
Bedingter Reiz  Klingelzeichen
Bedingte Reaktion (bedingter Reflex)  Speichelfluß als Antwort auf das Klingelzeichen
Die Konditionierung ist also das Ergebnis einer vom Experimentator hergestellten Verknüpfung zwischen dem unbedingten Reiz (Futter) und einem äußeren Reiz (Klingelzeichen). Als Folge der Konditionierung löst schließlich auch das Klingelzeichen als bedingter Reiz die Reaktion aus.
Folgt der unbedingte Reiz (Futter) im Verlauf der Konditionierung auf den bedingten Reiz (Klingelzeichen), so wird die Reaktion (Speichelfluß) aufgrund des unbedingten Reizes verstärkt. Der unbedingte Reiz wird deshalb auch als Verstärker bezeichnet.
Positive Konditionierung
Bei der Konditionierung wird ein positiver Verstärker (= Belohnung), z.B. der unbedingte Reiz, zur
Förderung der bedingten Reaktion eingesetzt.
Negative Konditionierung
Bedingte Reaktionen werden durch negative Verstärker (= Bestrafung) hervorgerufen.
Beispiel 1: Einem Luftstrom, der auf das Auge eines Kaninchens gerichtet ist, wird ein akustischer
Reiz vorausgeschickt; schließlich wird dieser allein das Schließen des Auges auslösen können.
Unbedingter Reiz  Luftstrom
Unbedingte Reaktion  Schließen des Auges
Bedingter Reiz  akustischer Reiz
Bedingte Reaktion  Schließen des Auges als Antwort auf den akustischen Reiz
Beispiel 2, Versuch von BECHTEREW (1913): Einem Hund wurden leichte Stromstöße (unbedingter
Reiz) an eine Vorderpfote des Hundes gegeben, zeitlich gefolgt von einem akustischem Signal
(bedingter Reiz). Zu Beginn der Versuchsreihe zog der Hund als Reaktion auf den Stromreiz die
Pfote weg (unbedingte Reaktion); später zog er auch bei alleinigem Ertönen des akustischen Signals die Pfote weg (bedingte Reaktion).
„Diese klassisch konditionierte Abwehrreaktion war viele Jahre lang in der Psychologie ein Paradigma
für das Erlernen von Meidereaktionen.“ (MCFARLAND 1999, S. 290).
Die klassische Konditionierung ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen im Tierreich, das sich in
vielen Bereichen des täglichen Lebens der höheren Tiere einschließlich des Menschen wiederfindet.
„Pawlow konnte zeigen, daß Konditionierung bei Affen und Mäusen zu finden ist; ebenso wurde sie für
eine Reihe von Invertebraten angenommen. Allerdings müssen solche Annahmen sehr vorsichtig
gehandhabt werden, da sich die echte klassische Konditionierung von anderen Lernformen unterscheidet.“ (MCFARLAND 1999, S. 283).
Klassische bzw. Pawlowsche Konditionierung  Verknüpfung eines Reizes mit einer Belohnung.
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3.1.2 Weitere bedingte Reaktionen
Bedingter Instinkt
Auf einen bedingten, erlernten Reiz hin führen Tiere (bei vorhandener Handlungsbereitschaft!) die
erbkoordinierte Endhandlung eines Instinktverhaltens aus.
• Isoliert gehaltene Wachtelmännchen beginnen auf Pfiff hin zu balzen, nachdem man gleichzeitig mit dem Angebot eines Weibchens einen Pfiff ertönen ließ.
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Bedingte Appetenz
Veränderung des Appetenzverhaltens, z.B. des Suchens nach Nahrung, durch bestimmte Signale,
die mit dem Finden der Nahrung verbunden werden. Beispiele:
• Beim Füttern eines Zwergwelses an einer bestimmten Stelle des Aquariums ertönt ein Pfiff –
später beginnt der Zwergwels an der Futterstelle zu suchen, sobald der Pfiff ertönt.
• Isoliert aufgezogene Jungfüchse reagieren nicht auf Mäusepfiffe; nachdem sie aber mehrmals
Mäuse gefangen und gehört haben reagieren sie auf Mäusepfiffe mit Suchverhalten in der Gegend, aus der der Pfiff zu hören war.
Bedingte Aversion
Entwicklung von Meideverhalten nach einer unangenehmen Erfahrung. Bedingte Aversionen betreffen
aber meist nur die zweite Phase des Appetenzverhaltens, das Appetenzverhalten wird selten ganz
unterdrückt.
• Auf einen Fuchs wird mehrfach an einer Stelle seines Reviers geschossen; er meidet daraufhin
diese Stelle eine Zeit lang.
Bedingte Hemmung
Durch schmerzhafte Erfahrungen beim Ausführen einer Handlung wird diese Handlung in Zukunft
nicht mehr ausgeführt.
• Ein junger Hund, der nach einer Wespe geschnappt hat und von ihr gestochen wird, läßt in Zukunft Wespen in Ruhe.
3.2 Bedingte Aktionen
Bei der Ausbildung bedingter Aktionen lernen Tiere, daß nach einer zunächst zufällig ausgeführten
Handlung etwas Angenehmes geschieht und es bildet sich eine Assoziation zwischen der Handlung
und der angenehmen Empfindung. Die zunächst zufällig ausgeführte Handlung kann in Appetenzhandlungen oder Endhandlungen von Instinktverhalten eingebaut werden.
• Iltisse, die zufällig beim Umdrehen eines Steines Beute gefunden hatten, drehten danach sehr
oft beim Beutesuchen Steine um.
• Junge Katzen lernen durch Erfolg, wie sie Beutetiere fassen und beißen müssen, wenn ihnen
die Mutter „angeschlagene“ Beutetiere zum „Üben“ bringt.
Bedingte Aktionen kann man bei Versuchstieren (und auch Haustieren!!!) sehr gut entwickeln. Deswegen bezeichnet man diese Form des Lernens auch als instrumentelle oder operante Konditionierung. Im natürlichen Verhalten wurden bedingte Aktionen bisher nur bei Säugetieren, Vögeln und
vereinzelt bei Reptilien und Fischen nachgewiesen.
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Appetenz = Tendenz zur Durchführung eines bestimmten Verhaltens; Stärke der inneren Bereitschaft, ein Verhalten auszuführen
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3.2.1 Instrumentelle Konditionierung
 Instrumentelle Konditionierung: MCFARLAND 1999, S. 287 f.
Die instrumentelle Konditionierung wurde von den amerikanischen Behavioristen THORNDIKE und
WATSON entwickelt.
THORNDIKE führte Versuche mit Katzen durch, in denen die in einem Käfig sitzenden Katzen eine Tür
öffnen mußten, um an außerhalb des Käfigs sichtbar liegendes Futter heranzukommen.
„Wird eine hungrige Katze in solch eine Situation gebracht, so versucht sie mit den Pfoten zwischen den Holzstäben hindurch an das Futter zu gelangen, kratzt aber auch an Gegenständen innerhalb des Käfigs. Dabei kann die Katze zufällig den Öffnungsmechanismus auslösen. Bei aufeinanderfolgenden Versuchen konzentriert sich das Verhalten der Katze zunehmend auf den Bereich
des Auslösers für den Öffnungsmechanismus, während andere Aktivitäten allmählich aufhören.
Schließlich kann die Katze sofort das richtige Verhalten ausführen, sobald sie in den Käfig gesetzt
wird. THORNDIKE (1898) bezeichnete diese Form des Lernens als ‚Versuch, Irrtum und zufälliger
Erfolg’. Heute bezeichnet man sie als instrumentelles Lernen, da die richtige, instrumentelle Reaktion den Zugang zu einer Belohnung liefert. Diese Lernform war Zirkusdompteuren schon seit
Jahrhunderten bekannt, Thorndike untersuchte sie jedoch als erster systematisch und entwickelte
eine auf seinen Beobachtungen beruhende Lerntheorie.“ (MCFARLAND 1999, S. 288).
Instrumentelle Konditionierung  Verknüpfung einer Aktion mit einer Belohnung.
Gesetz der Wirkung (THORNDIKE 1913): Eine Aktion mit belohnenden, positiven Folgen erhöht die
Wahrscheinlichkeit für ihr weiteres Auftreten, wogegen belästigende, negative Folgen diese Wahrscheinlichkeit senken. Ein verstärkender Reiz erhöht somit die Häufigkeit einer entsprechenden bedingten Aktion, da er die erlernte Verbindung zwischen dieser Aktion und der diesem Reiz vorangehenden Situation verstärkt (Reiz-Reaktions-Theorie).
3.2.2 Operante Konditionierung
 Operante Konditionierung: MCFARLAND 1999, S. 290 f.; HORNUNG et al. 2000, S. 53
Der Begriff operantes Verhalten geht auf SKINNER (1937) zurück, der damit spontan auftretendes Verhalten ohne Vorhandensein eines offensichtlichen Reizes bezeichnete; reaktives Verhalten dagegen
umfaßt sämtliches Verhalten, das in Reaktion auf einen erkennbaren Reiz erfolgt.
Operante Konditionierung bedeutet, ein Tier zu trainieren, eine bestimmte Aufgabe durchzuführen, um
dafür eine Belohnung zu erhalten; sie stellt eine Weiterentwicklung der oben beschriebenen instrumentellen Konditionierung dar.
Beispiel: Konditionierung einer Taube, die für eine Futterbelohnung an eine Scheibe picken muß.
„Eine hungrige Taube wird dabei in einen kleinen Käfig gesetzt, der mit einem FutterspendeMechanismus und einem Beleuchtungsfeld in Kopfhöhe der Taube ausgestattet ist. Diese Art von
Käfig ist heute unter dem Namen „Skinner-Box“ bekannt. Die Ausschüttung von Futter wird normalerweise von einem kleinen Licht angezeigt, das die Getreidekörner beleuchtet. Die Tauben lernen sehr schnell, das Aufleuchten mit der Futtergabe zu verbinden, und sie nähern sich dem Futterspender, sobald das Licht aufleuchtet.
Im nächsten Stadium der sukzessiven Annäherung wird die Futtergabe von einem bestimmten
Verhalten der Taube abhängig gemacht. Normalerweise wird hierfür das Picken gegen das Beleuchtungsfeld gewählt. Skinner war jedoch der Meinung, daß jedes Verhalten mit Hilfe der suk-
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zessiven Annäherung konditioniert werden kann. Beispielsweise können Tauben dazu gebracht
werden, Gefiederpflege zu betreiben oder sich im Kreise zu drehen, um eine Futterbelohnung zu
erhalten. Das Scheibenpicken kann im Versuch dadurch erreicht werden, daß man die Belohnungen auf solche Körperbewegungen des Tieres beschränkt, die zunehmend dem Scheibenpicken
ähneln. Nähert sich also beispielsweise die Taube dem Pickfeld, um eine Belohnung zu erhalten,
so kann sie schon belohnt werden, wenn sie aufrecht steht und sich der Kopf in Nähe des Pickfeldes befindet. In diesem Stadium des Versuches pickt die Taube gewöhnlich von allein gegen die
Scheibe, [...] Pickt die Taube nun gegen das Feld, so betätigt sie einen Schalter in einem Stromkreis, und der Mechanismus des Futterautomaten wird ausgelöst. Von diesem Zeitpunkt an wird
die Taube nur belohnt, wenn sie gegen das Feld pickt, [...]“ (MCFARLAND 1999, S. 290 f.).
Der Grundsatz SKINNERS, jedes Verhalten könne durch Verstärkung andressiert werden, wurde jedoch später angezweifelt. Bei Versuchen, Tieren bestimmte Tricks beizubringen, erwiesen sich einige
Aktivitäten auch durch eine Belohnung als nicht veränderbar.
„Beispielsweise wurde versucht, einem Schwein beizubringen, ein Geldstück in ein Sparschwein zu
stecken. Das Schwein hob zwar einen Stock auf, anstatt ihn jedoch in einen Behälter fallenzulassen, ließ es ihn mehrere Male auf den Boden fallen: ‚Wühlen, Fallenlassen, den Stock den Weg
entlang schieben, in die Schnauze nehmen, Hochschleudern, Fallenlassen, weiteres Wühlen.’ “
(MCFARLAND 1999, S. 291)
Diese Probleme traten immer dann auf, wenn das zu erlernende Verhalten einen Instinktverhalten
sehr stark ähnelte.
3.3 Erkundungs- und Spielverhalten
 Kennzeichen des Spielverhaltens (aus: HORNUNG et al. 2000, S. 51)
• Kombination von Instinkthandlungen und erlernten Handlungen
• Fließende Übergänge zwischen Spiel und Ernst
• Abkoppelung der Instinkthandlungen von den ihnen zugrundeliegenden Handlungsbereitschaften
• Aktivierung einzelner Handlungen, nicht ganzer Handlungeketten und -komplexe
• Kombination von Endhandlungen und Teilen des Appetenzverhaltens
• Freie Kombinierbarkeit von Verhaltensweisen aus verschiedenen Funktionskreisen
• Häufiger Rollenwechsel der Spielpartner
• Schnelles Beenden einzelner Handlungen
• Schnelles Abwenden von Objekten und Zuwenden zu neuen Objekten
• Üben und Erlernen nützlicher Handlungen
• Gewinn notwendiger Erfahrungen und Kenntnisse
• Spiel- und Neugierappetenz nach unbekannten Objekten und neuen Spielsituationen
• Antrieb zu vielfältigen Bewegungen
• Hohe Übereinstimmung von Spiel- und Lernappetenz
• Nachlassen von Spielappetenz im Alter
• Spielen ist Voraussetzung einer normalen Entwicklung !!!
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Erkundungsverhalten, Neugierverhalten – in unbekannter Umgebung laufen die meisten Säugetiere, sobald sie sich ungestört fühlen und keine Angst haben, überall herum und erkunden mit allen
Sinnen die neue Umgebung.
Erkundungs- und Spielverhalten findet nur statt, wenn keine starke Handlungsbereitschaft für Ernsthandlungen besteht; ein sehr hungriges Tier erkundet und spielt nicht.
Der biologische Sinn des Spielens und Erkundens von (Jung-) Tieren liegt in der Übung und Vervollkommnung der Fähigkeiten, die sie später für ihr Überleben brauchen.
3.4 Gewöhnung
Gewöhnung im Sinne von Adaptation – Sinneszellen, die einem Dauerreiz ausgesetzt werden, reagieren im Laufe der Zeit nur noch abgeschwächt oder gar nicht mehr auf diesen Reiz.
Gewöhnung im Sinne von Habituation – Lebewesen reagieren auf Reize, die sich als bedeutungslos
erwiesen haben, nicht mehr und sparen damit unnötige Aktivitäten und Energie.
 Der Fuchs belügt seine Kinder (DRÖSCHER 1996, S. 187 ff.)
3.5 Nachahmung und Tradition
Durch Nachahmung ihrer Eltern lernen Tierkinder viele überlebenswichtige Verhaltensweisen, z.B.
welches Futter gut eßbar ist oder wie man an bestimmte Futter herankommt. So lernen Schimpansenkinder von ihren Müttern, wie man mit Hilfe von Steinen Nüsse knackt.
„Schon sehr junge Schimpansenkinder schauen stundenlang ihrer Mutter beim Nüsseknacken zu.
Mit zunehmendem Alter führen sie ähnliche Bewegungen aus wie die gesehen, was ihnen aber nur
sehr unvollkommen gelingt. Anfangs geben sie nach wenigen Versuchen auf, erst nach einigen
Monaten haben sie mehr Ausdauer. Durch Versuch und Irrtum werden die Bewegungen mit dem
Hammerstein ganz langsam effektiver, das Gleiche gilt für das Hinlegen des Amboßsteines und
der Nuß darauf. Ebenso werden anfangs oft ungeeignete Steine ausgewählt. Nur selten helfen die
Mütter den Schimpansenkindern, indem sie ihnen die Werkzeuge überlassen oder zeigen. Es dauert mehrere Jahre, bis ein Schimpanse gut Nüsse knacken kann.“ (HORNUNG et al. 2000, S. 55)
Durch diese Art der Nachahmung können sich in bestimmten Tierpopulationen Traditionen ausbilden.
Auch bei Ratten ist das Lernen am Vorbild sehr ausgeprägt; das macht es sehr schwierig, Ratten mit
Giftstoffen zu bekämpfen.
„Ratten meiden ein bestimmtes Futter, wenn sie sehen, daß eine andere Ratte das tut. Wenn eine
Ratte von einem ausgelegten Giftköder nur ganz wenig frißt, und das machen Ratten bei ihnen unbekannten Substanzen so, stirbt sie nicht durch die Giftwirkung, sondern wird krank und hat
Schmerzen. In Zukunft meidet sie den Köder nicht nur, sondern markiert ihn mit Urin [das bedeutet,
daß die einzelne Ratte weiß, woher ihre Schmerzen kommen!!!]. Alle Tiere der Gruppe, die das
sehen oder riechen, fressen diese Substanz dann ebenfalls nicht mehr.“ (HORNUNG et al. 2000, S.
55).
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3.6 Prägung
 KONRAD LORENZ: Das Gänsekind Martina (BÖHME & MESCHKOWSKI 1986, S. 24 ff.)
 KONRAD LORENZ mit Gänsen
3.6.1 Definition
„Prägung bezeichnet kurze Phasen, in denen bestimmte Inhalte aufgrund eines biologischen Programms besonders leicht gelernt werden. Der Begriff ‚Prägung’ stammt von KONRAD LORENZ (19031989), der beobachtete, daß Gänse- und Entenküken in einer kurzen Zeitspanne nach der Geburt
das erste sich bewegende Objekt als ihre Mutter akzeptieren und ihm folgen. Auf diese Weise
konnte LORENZ Küken nicht nur auf Gänse, sondern auch auf Holzpuppen, Fußbälle oder sich
selbst ‚prägen’.“ (Microsoft® Encarta® Professional 2002)
Die oben vorgestellte Art der Prägung wird auch genauer als Nachfolgeprägung bezeichnet.
3.6.2 Allgemeine Eigenschaften
(nach HORNUNG et al. 2000)
1. Die Prägung findet nur in einer bestimmten Zeit, der sensiblen Phase, statt. Zeitpunkt und Dauer der sensiblen Phase können je nach Tier- und Prägungsart sehr verschieden sein.
2. Die erworbenen Kenntnisse werden zeitlebens behalten, zumindest werden die geprägten
Auslöser oder Handlungen immer bevorzugt.
3. Als Merkmale des Prägungsobjektes lernen die geprägten Tiere zumeist überindividuelle, also
artspezifische Merkmale. Bei der Nachfolgeprägung entsteht allerdings ein individuelles Bild der
Mutter.
4. In einem Prägungsvorgang wird immer nur eine Handlung oder eine bestimmte Reaktion auf ein
bestimmtes Objekt geprägt.
5. Prägung kann zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem die geprägte Handlung noch nicht stattfindet
oder noch nicht ausgelöst werden kann.
6. Verglichen mit anderen Lernarten sind Prägungen besonders schnelle und effektive Lernvorgänge, für die es allerdings einen ganz engen, genetisch festgelegten Spielraum gibt. Prägungen werden weder durch Strafen noch durch Belohnungen, also weder durch angenehme noch
durch unangenehme Empfindungen, beeinflußt.
„Aus diesen Kennzeichen des Prägungsverhaltens folgt, daß es zum Beispiel falsch ist zu sagen, ein
Tier sei auf den Menschen geprägt. Die verschiedenen Verhaltensweisen, die durch Prägung auf ein
Objekt fixiert werden, sind völlig unabhängig voneinander. Eine Gans kann so in ihrem Nachfolgeverhalten auf den Menschen, in ihrem Sozialverhalten auf Enten und sexuell auf Schwäne geprägt sein,
wenn sie zu Forschungszwecken in den jeweiligen sensiblen Phasen mit diesen Lebewesen zusammengebracht wurde.
Auch die Art einzelner Prägungsvorgänge ist von Art zu Art verschieden. Gänse werden erst auf die
Mutter, dann auf soziale Verhaltenspartner und danach erst sexuell geprägt. Bei Dohlen liegt aber die
Prägbarkeit sexueller Reaktionen vor der Nachfolgereaktion, die unmittelbar vor dem Flüggewerden
liegt. Die Wirksamkeit der Nachfolgeprägung wird dann nach zwei bis drei Tagen sichtbar, die der
sexuellen erst nach zwei Jahren.“ (HORNUNG et al. 2000, S. 57)
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3.6.3 Verschiedene Prägungsarten
• Artprägung (z.B. Nachfolgeprägung (s.o.), Sozialprägung, Sexualprägung)
• Ortprägung – auf bestimmte Kennzeichen des Geburtsortes; z.B. bei Lachse und anderen
Wanderfischen auf den Geschmack des Wassers.
• Biotop-Prägung – dauerhafte Bevorzugung eines bestimmten Lebensraumes; bei vielen Singvögeln und Säugetieren.
• Nahrungsprägung – dauerhafte Festlegung einer Nahrungspräferenz; bei spezialisierten Insekten, manchen Schlangen- und Schildkrötenarten.
• Prägung auf das eigene Junge durch Prägung auf den Geruch direkt nach der Geburt; kurze
sensible Phase, durch starke Oxytocin-Ausschüttung gesteuert; bei vielen Huftieren, z.B. Gnus,
Ziegenarten, Pferde, Kühe.
• Prägung bei Brutparasiten auf bestimmte Eigenschaften der Wirtseltern; z.B. bei Witwenvögeln.
4 Kognitive Leistungen
4.1 Definitionen
Kognitiv = lat. die Erkenntnis betreffend.
Kognitive Prozesse = alle mit dem Erkennen und Steuern von Handlungen zusammenhängenden
Vorgänge wie Wahrnehmen, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Denken.
Kognitive Ethologie = Richtung der Verhaltensforschung, die bewußte Denkvorgänge und überlegtes
Handeln als wesentlichen Bestandteil des Verhaltens vieler Tiere betrachtet.
4.2 Generalisieren und Abstrahieren
Tauben kann man mit Hilfe von Belohnungen (operante Konditionierung) darauf dressieren, von drei
gezeigten Mustern nur auf das achsensymmetrische zu picken. Bald können sie mehr 50 symmetrische von unsymmetrischen Mustern unterscheiden (Generalisation). Auch wenn sie neue Muster
bekommen, picken sie nur auf symmetrische Muster (Abstraktion).
Viele Tiere verhalten sich in bestimmten Situationen unerwartet intelligent, während sie in anderen
überfordert sind. Diese bereichsspezifische Intelligenz hat sich offenbar zur Bewältigung spezifischer Lebenssituationen in der Evolution als nützlich erwiesen.
„Sprache ist für geistige Leistungen offensichtlich keine Voraussetzung. Man spricht daher auch von
averbalem Denken und – wenn z.B. Gegenstände anhand ihrer Farben oder Formen klassifiziert
werden – von averbalen Begriffsbildungen. Schimpansen verfügen sogar über averbale Wertvorstellungen: Münzen, mit denen sie Leckerbissen aus Automaten ziehen können, behandeln sie ihrem
Wert entsprechend, indem sie mehr Mühe aufwenden, um an wertvollere Münzen zu kommen.“
(HORNUNG et al. 2000, S. 60)
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4.3 Einsichtiges Handeln – keine menschliche Besonderheit
 HORNUNG et al. 2000, S. 61
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Zum Thema einsichtiges Handeln zunächst eine Anekdote . Sie stammt von Hans Kummer, einem
Schweizer Biologen und Verhaltensforscher:
„Eine Paviangruppe saß auf einer Felsterasse. Eins der Pavianweibchen rückte im Sitzen ganz
langsam vom dominierenden Männchen der Gruppe fort auf einen hohen Steinblock zu. Das langsame Fortrücken dauerte etwas 20 Minuten. Hinter dem Stein saß ein jüngeres Männchen. Das
Weibchen nahm eine Position ein, in der das ranghohe Männchen seinen Rücken sehen konnte,
nicht aber seine Arme. Das rangniedere Männchen machte sich ganz klein, war für den Ranghohen nicht sichtbar und genoß es sichtlich, vom Weibchen gepflegt zu werden.“ (Hornung et al.
2000, S. 61)
Die folgende Darstellung geht auf Beobachtungen von Wolfgang Köhler zurück, der das Verhalten von
Schimpansen studierte; der anschließend dargestellte Versuch wiederholte Köhler mit mehreren
Schimpansen.
„Im Gehege eines Schimpansen wurde eine Banane so an die Decke gehängt, daß sie für das Tier
nicht erreichbar war. Im Gehege befanden sich jedoch Kisten, mit denen das Tier zuvor schon gespielt hatte. Allerdings hatte es bisher immer nur eine Kiste zur Verfügung. Der Schimpanse
schleifte sofort eine Kiste unter die Banane, stieg auf und streckte seine Arme nach der Banane
aus, ohne sie erreichen zu können. Darauf setzte sich der Schimpanse eine Zeit lang hin, blickte
von einer Kiste zu einer anderen und noch zu einer, dann zur Banane an der Decke und auf den
Platz unter der Banane auf der Erde, wo die erste Kiste stand. Er wiederholte die Folge von Blicken
mehrmals, ging dann zielstrebig zu den Kisten, schleifte sie heran, stapelte sie aufeinander, stieg
darauf und holte die Banane.“
4.4 Betrügerische Absichten
Kommunikation unter Artgenossen dient nicht immer dem reinen Informationsaustausch. Sie wird
auch als Bluff oder Lüge eingesetzt, sich eigene Vorteile zu verschaffen.
„So wird von einem jungen Pavian aus den südafrikanischen Drakensbergen berichtet, der ein
ausgewachsenes und deshalb stärkeres Weibchen beobachtete, das schmackhafte Knollen ausgrub und verzehrte. Es war aussichtslos für den Jungen, etwas davon abzubekommen. In der Nähe befand sich seine Mutter. So verfiel er auf die List, laut zu schreien, als ob er angegriffen würde.
Die Mutter stürzte herbei, vertrieb das Weibchen von ihren Knollen, während sich das Kind genüßlich darüber hermachte.
Ein anderer, nicht ganz erwachsener Pavian wurde bei einem ganz ähnlichen Bluff beobachtet: Er
hatte sich offensichtlich schlecht benommen und wurde von Mitgliedern seiner Gruppe angegriffen.
Anstatt hektisch zu fliehen, richtete er sich so auf und schaute aufmerksam in die Umgebung, wie
es Paviane tun, wenn sie einen Beutegreifer, etwa einen Löwen entdeckt haben. Dies ist eine
Warngeste, die andere Paviane ebenfalls sofort aufmerksam sichern läßt. In diesem Fall aber war
es blinder Alarm. Er hatte den Erfolg, daß die Artgenossen so von dem vermeintlichen Feind in Anspruch genommen waren, daß sie den verfolgten „Flegel“ vergaßen.
Die amerikanische Affenforscherin SHIRLEY STRUM beschreibt das lügnerische Verhalten eines Pavianweibchens: ‚Ein Weibchen entwickelte besondere Vorliebe für Fleischnahrung, obwohl meistens die Männchen jagten. Ein Männchen, das ungern etwas abgab, erbeutete eine Antilope. Das
Weibchen pflegte ihm solange das Fell, bis er sich seelenruhig auf den Rücken legte. Dann
schnappte es sich die Beute und rannte damit weg.’ “ (HORNUNG et al. 2000, S. 81)
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Anekdote, hier: einmalige Beobachtung einer Verhaltensweise
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Vgl. auch Geschichte: Der Fuchs belügt seine Kinder (s. Abschn. 3.4)
4.5 Sprache und Logik
Beispiele aus dem Buch: „Bewußtsein bei Tieren“ von GOULD & GOULD 1997
 Ein Papagei lernt sprechen (Gesprochene Sprache, S. 206 ff.)
 Verstehen einer Gebärdensprache bei Delphinen und Seelöwen (S. 209 ff.)
 Verwenden einer Gebärdensprache (ASL) bei Schimpansen (S. 212 ff.)
 Erlernen einer Symbolsprache bei Schimpansen (S. 214 ff.)
5 Sonderstellung des Menschen?
Die Sonderstellung des Menschen in der Natur wurde mit seinen besonderen Fähigkeiten Vernunft,
Bewußtsein, Werkzeuggebrauch, Sprache und Kultur begründet. Tiere, so glaubte man früher und
teilweise auch heute noch, haben diese Fähigkeiten nicht und stehen daher unter dem Menschen. Es
hat sich aber gezeigt, daß zumindest einige Tiere ebenfalls die ausschließlich dem Menschen zugesprochenen Fähigkeiten haben – damit zumindest läßt sich die Sonderstellung des Menschen also
nicht mehr begründen.
Vernunft
Tiere sind zu einsichtigem Handeln und abstraktem Denken in der Lage, wie unzählige Beobachtungen vor allem an Menschenaffen gezeigt haben.
Bewußtsein
Menschen sind sich ihrer selbst bewußt, denken über Leben und Tod nach. Aber zumindest
Schimpansen und andere Menschenaffen verfügen ebenfalls über die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis: Sie erkennen im Spiegel, daß sie es sind, die einen Fleck auf der Stirn haben und versuchen
ihn wegzuwischen. Auf Selbsterkenntnis verweist auch folgende Anekdote: Ein männlicher Schimpanse verdeckt seinen erigierten Penis, als er von einem ranghöheren Männchen bei einem
Schäferstündchen mit einem Weibchen entdeckt wird.
Und auch haben Tiere ein Verständnis vom Tod, wie folgende Geschichte belegt:
 Tote schlafen fest (DRÖSCHER 1997, S. 163 f. )
Werkzeuggebrauch
Die Anwendung von Werkzeug ist bei allem möglichen Tieren beobachtet worden: Seeotter benutzen Steine, um hartschalige Meerestiere zu knacken; Spechtfinken benutzen Dornen, um an Insektenlarven zu kommen; Schimpansen stellen sogar Werkzeuge her: sie präparieren Zweige, um
damit Termiten aus ihrem Bau zu angeln (erstmalig von JANE GOODALL beobachtet).
"Jetzt müssen wir entweder Werkzeug neu definieren, oder wir müssen Mensch neu definieren, oder wir müssen Schimpansen als Menschen akzeptieren." (LOUIS LEAKEY, 1903-1972, Anthropologe)
Sprache
Forschungsprojekte mit Menschenaffen haben verschiedentlich bewiesen, daß diese Tiere durchaus in der Lage sind, eine Sprache zu erlernen und sinnvoll anzuwenden. Schimpansen wurde
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zum Beispiel eine künstliche Symbolsprache oder die „American Sign Language“ (ASL) beigebracht, mit der sie dann mit den Menschen und auch untereinander kommunizierten.
Kultur
Kultur bedeutet unter Biologen die Weitergabe von Information durch Verhalten, insbesondere
durch Lernen und Lehren. So kommt es zu Verhaltensunterschieden zwischen verschiedenen
Gruppen oder Populationen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Solche Traditionsbildungen kann man auch bei vielen Tieren, v.a. Säugetieren und Vögeln beobachten. Beispiele:
1. Die Laubenvögel Neuguineas schmücken ihre kunstvollen Nester mit allerhand bunten
Materialien. Innerhalb einer Art verwenden die in verschiedenen Tälern lebenden Populationen unterschiedlich gefärbte Plastikchips.
2. Milchflaschen aufpickende Meisen.
3. Makaken auf der japanischen Insel Koshima waschen Süßkartoffeln und Weizen
4. In einigen Teilen Westafrikas knacken Schimpansen hartschalige Nüsse mit Hilfe von Steinen.
6 Verschiedene Interpretationsmöglichkeiten von Verhaltensweisen
6.1 Meisen und Milchflaschen
„In Großbritannien wird nichthomogenisierte Milch in Flaschen vor die Haustür geliefert. Einige Meisen
lernten es, die Aluminiumkappen der Flaschen aufzupicken, um sich Zugang zu der oben abgesetzten
Sahne zu verschaffen. Diese zweifellos nützliche Erfindung breitete sich innerhalb kurzer Zeit über die
gesamten britischen Inseln aus. Seit einiger Zeit wird in England auch entrahmte Milch in Flaschen mit
blauen Deckeln verkauft. Daß man sich um diese Flaschen nicht zu kümmern braucht, machte unter
den britischen Meisen ebenfalls schnell die Runde.“ (HORNUNG et al. 2000, S. 151)
Wie kommt es zu der Ausbreitung dieses Verhaltens? Dazu zwei unterschiedliche Erklärungsansätze:
 GOULD & GOULD 1997, S. 88 ff.: Die Blaumeisen und die Milchflaschen
 SHELDRAKE 1999a, S. 223 ff.: Das Meisenrätsel
6.2 Termitenbauten
 GOULD & GOULD 1997, S. 136 ff.
 SHELDRAKE 1999a, S. 279 ff.
7 Der 7. Sinn der Tiere
 Jaytees Vorahnungen (SHELDRAKE 1999b, S. 71 ff.)
 Beweise für ASW (außersinnliche Wahrnehmung) bei Pferden (BLAKE 1997, S. 133 ff.)
Tiere ahnen den Tod voraus –  Ausschnitt aus: Tote schlafen fest (DRÖSCHER 1997, S. 163 f. )
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8 Hypothese der Formenbildungsursachen (Anhang)
Die Hypothese der Formenbildungsursachen nach RUPERT SHELDRAKE (1999a) besagt, daß Organismen oder
morphische Einheiten auf jeder Entwicklungsebene durch morphische Felder organisiert werden, die selbst wiederum durch morphische Resonanz mit allen früheren Einheiten ähnlicher Art beeinflußt und stabilisiert werden.
Die morphische Einheit stellt eine Einheit der Form oder Organisation, z.B. Atom, Molekül, Kristall, Zelle, Pflanze, Tier, Muster instinktiven Verhaltens, soziale Gruppe, Element der Kultur, Ökosystem, Plante, Planetensystem,
Galaxis. Morphische Einheiten sind zu geschachtelten Hierarchien von Einheiten in Einheiten organisiert. Ein
Kristall etwa enthält Moleküle, und diese wiederum enthalten Atome; die Atome enthalten Elektronen und Kerne,
die Kerne Kernteilchen und die Kernteilchen Quarks.
Das morphische Feld ist das Feld in und um eine morphische Einheit, das deren charakteristische Strukturen
und Aktivitätsmuster organisiert. Morphische Felder liegen der Form und dem Verhalten von Holons (Ganzheiten,
die auch Teile eines größeren Ganzen sein können) oder morphischen Einheiten auf allen Ebenen der Komplexität zugrunde. Der Begriff „morphisches Feld“ bezieht sich nicht nur auf morphogenetische Felder im engeren
Sinne, sonder auch auf Verhaltensfelder, soziale Felder, kulturelle Felder und mentale Felder. Morphische Felder
werden durch morphische Resonanz mit früheren morphischen Einheiten einer ähnlichen Art geformt und stabilisiert. Sie enthalten daher eine Art kumulative Erinnerung und haben eine Tendenz zu fortschreitender Habitualisierung.
Die morphische Resonanz beschreibt den Einfluß, den vergangene Aktivitätsstrukturen auf spätere, von
morphischen Feldern organisierte Aktivitätsstrukturen ähnlicher Art ausüben. Aufgrund von morphischer Resonanz können formative Kausaleinflüsse über Raum und Zeit wirksam werden; sie können nur aus der Vergangenheit kommen, und ihre Wirkung verringert sich nicht mit wachsender räumlicher und zeitlicher Entfernung. Je
größer die Ähnlichkeit, desto stärker der Einfluß der morphischen Resonanz. In der Regel besteht eine große
Ähnlichkeit zwischen einer morphischen Einheit und ihren eigenen vergangenen Zuständen, so daß sie in Resonanz mit ihrer eigenen Vergangenheit steht.
Eigenschaften morphischer Felder
1. Sie sind selbstorganisierende Ganzheiten.
2. Sie besitzen sowohl einen räumlichen als auch einen zeitlichen Aspekt und organisieren räumlich-zeitliche
Muster von rhythmischer Aktivität.
3. Durch Anziehung führen sie das unter ihrem Einfluß stehende System zu bestimmten Formen und Aktivitätsmustern hin, deren Entstehung sie organisieren und deren Stabilität sie aufrechterhalten. Die End- oder Zielpunkte, auf welche die Entwicklung unter dem Einfluß der morphischen Felder zusteuert, werden
Attraktoren genannt.
4. Sie verflechten und koordinieren die morphischen Einheiten oder Holons, die in ihnen liegen, und auch
diese sind wiederum Ganzheiten mit eigenen morphischen Feldern. Die morphischen Felder verschiedener Grade oder Ebenen sind ineinander verschachtelt, sie bilden eine Holarchie.
5. Sie sind Wahrscheinlichkeitsstrukturen, und ihr organisierender Einfluß besitzt Wahrscheinlichkeitscharakter.
6. Sie enthalten ein Gedächtnis, das durch Eigenresonanz einer morphischen Einheit mit ihrer eigenen Vergangenheit oder durch Resonanz mit den morphischen Feldern aller früheren Systeme in ähnlicher Art
gegeben ist. Dieses Gedächtnis ist kumulativ. Je häufiger ein bestimmtes Aktivitätsmuster sich wiederholt,
desto mehr wird es zur Gewohnheit oder zum Habitus.
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9 Die vier naturwissenschaftlichen Kränkungen des Menschenbildes (Anhang)
(Zusammenstellung nach HORNUNG et al. 2000, S. 144)
1. Die kosmologische Kränkung - KOPERNIKUS 1543 - Im Jahr 1543 beweist KOPERNIKUS, daß die Erde nicht
der Mittelpunkt der Welt, sondern ein ganz gewöhnlicher Planet ist, der sich um die Sonne dreht.
2. Die biologische Kränkung - DARWIN 1859 - Obwohl DARWIN in seiner "Entstehung der Arten" den Menschen
nur in einem einzigen Satz erwähnt, ("Licht wird auch fallen auf den Ursprung des Menschen und seine
Gesichte"), sind die Konsequenzen jedermann klar: "Vom Affen sollen wir abstammen?", soll sich die Frau
des Bischofs von Worcester empört haben. "Mein Lieber, wir wollen hoffen, daß das nicht wahr ist. Aber
wenn es wahr ist, wollen wir beten, daß es sich nicht herumspricht!"
3. Die psychologische Kränkung - FREUD 1895 - FREUD weist nach, daß das Unbewußte eine viel größere
Macht über unser Verhalten hat, als wir uns eingestehen. „Die dritte und empfindlichste Kränkung aber soll
die menschliche Größensucht durch die heutige psychologische Forschung erfahren, welche dem Ich
nachweisen will, daß es nicht einmal Herr im eigenen Hause, sondern auf kärgliche Nachrichten angewiesen bleibt von dem, was unbewußt in seinem Seelenleben vorgeht."
4. Die sozibiologische Kränkung - DAWKINS 1976 - Aufbauend auf der Erkenntnis WILLIAM HAMILTONS, nach
der der Erfolg von Genen nicht davon abhängt, daß sie dem Organismus nützen, sondern nur davon, daß
sie sich selbst nützen, erklärt RICHARD DAWKINS Organismen - also auch uns Menschen - zu kurzlebigen
Vehikeln ihrer selbstsüchtigen Gene: "Sie sind in dir und in mir, sie schufen uns, Körper und Geist; und ihr
Fortbestehen ist der letzte Grund für unsere Existenz."
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10 Literatur
BLAKE, HENRY (1997): Versteh Dein Pferd. Neue Wege der Verständigung, 6. Aufl. – Müller Rüschlikon
BÖHME, RENATE & KATRIN MESCHKOWSKI (Hrsg.)(1986): Lust an der Natur – Piper München Zürich
DRÖSCHER, VITUS B. (1996): Ein Krokodil zum Frühstück. Verblüffende Geschichten vom Verhalten der
Tiere – Ullstein
DRÖSCHER, VITUS B. (1997): König Salomons Ring. Geschichten aus dem Tierreich – C. Bertelsmann
München
EIBL-EIBESFELD, IRENÄUS (1999): Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung, 8. Aufl. – Piper
München, Zürich
FOUTS, ROGER (1998): Unsere nächsten Verwandten. Von Schimpansen lernen, was es heißt, ein
Mensch zu sein – Limes Verlag München
GOULD, JAMES L. & CAROL GRAND GOULD (1997): Bewußtsein bei Tieren. Ursprünge von Denken, lernen und Sprechen – Spektrum Akademischer Verlag
HORNUNG, GERHARD, WOLFGANG MIRAM & ANDREAS PAUL (2000): Verhaltensbiologie. Materialien für
den Sekundarbereich II – Schroedel, Hannover
MCFARLAND, DAVID (1999): Biologie des Verhaltens – Spektrum Akademischer Verlag, 2. Aufl.
SHELDRAKE, RUPERT (1999a): Das Gedächtnis der Natur. Das Geheimnis der Entstehung der Formen
in der Natur, 5. Aufl. – Piper Verlag München
SHELDRAKE, RUPERT (1999b): Der siebte Sinn der Tiere. – Scherz Verlag, Bern, München, Wien
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