Syntax III ● Syntaktische Funktionen von Sätzen ● Satztypen ● Eingebettete Sätze Syntaktische Funktionen von Sätzen Sowohl kleinere als auch größere Konstituenten können syntaktische Funktionen haben: dass/ob-Sätze: können Objekt- oder Subjektfunktion einnehmen. a. Arno weiß, dass sich die Erde dreht. → Akkusativ-Obj b. Dass er schon wieder krank ist, überrascht mich. → Subj c. Er fragt sich, ob sie wohl vorbeikommt. → Akkusativ-Obj ● seit/obwohl/weil-Sätze: können die Funktion von Adverbialen einnehmen. d. Seit sie wieder aus Japan zurück ist, erzählt sie von nichts anderem mehr. → temporal e. Obwohl sich die Erde dreht, wird uns nicht schlecht. → konzessiv ● Syntax III 2 Syntaktische Funktionen von Sätzen Sowohl kleinere als auch größere Konstituenten können syntaktische Funktionen haben: Relativsätze können die Funktion von Attributen übernehmen: a. Das Mädchen, das neben uns wohnt, singt schön. b. Peter schenkt Maria Rosen, die ihr sehr gefallen. ● → Somit sind sie Teile von Subjekten oder Objekten!! Dies bedeutet, dass C-Elemente (Complementizer) einen Einfluss auf die syntaktische Funktion des Satzes haben → C-Elemente sind sogenannte Köpfe der Sätze, sie sie einleiten (VL-Sätze)! ● Syntax III 3 Eingebettete Sätze Ein Satz kann einen anderen einbetten. → Komplexer vs. Einfacher Satz → Wer das behauptet, lügt. vs. Er lügt. ● Der eingebettete Satz wird auch als Nebensatz/Untergeordneter Satz bezeichnet; er kann nicht alleine stehen. Der Satz, in den eingebettet wird, ist der Hauptsatz/übergeordnete Satz. Er kann selbständig stehen. ● In einen untergeordneten Satz kann nun allerdings auch noch ein weiterer Satz eingebettet sein. Dann nennt man ihn aber nicht Haupt-, sondern Matrixsatz. → [S1 [S2 Obwohl ich eine teure Schuhcreme benutze, [S3 wenn ich meine Schuhe putze]], sehen sie nach einer Stunde wieder dreckig aus]. ● Syntax III 4 Formale Klassifizierung von Sätzen Die Besetzung der linken Klammer/C eines Satzes bzw. die Verbposition entscheidet darüber, von welcher Art ein Satz ist: Untergeordnete Sätze kennzeichnen sich dadurch, dass sie in den meisten Fällen ein unterordnendes Element in C haben. Solch eine Besetzung der LK führt automatisch zu VL-Stellung. → ...[LK/C dass] [MF er] [RK kommt]. ● Das einleitende Element eines untergeordneten Satzes können Subjunktionen (dass, ob, als...), w-Elemente (wer, wann, wo...) oder Relativpronomen (der, die, welcher, ...) sein. ● Die Subjunktion bestimmt, ob ein untergeordneter Subjunktionalsatz finit oder infinit ist: → Sie sah, dass es nicht besser wurde. / Er kam, um zu essen. ● Syntax III 5 Formale Klassifizierung von Sätzen W-Sätze werden durch w-Wörter eingeleitet. Sie sind finit. → Ich weiß nicht, wer das Problem lösen kann./ Es ist unglaublich, wieviel Geld man damit verdienen kann. ● Relativ-Sätze werden durch ein Relativpronomen eingeleitet. Sie sind finit. Sie beziehen sich in der Regel auf das Nomen, mit dem sie kongruent sind. → Ich weiß ein Plätzchen, wo es schön ist./Das Mädchen, das in meinem Haus wohnt, ist nett. ● Freie Relativsätze haben kein Bezugselement und sind daher schwer von w-Sätzen zu unterscheiden. → Wer so unfreundlich ist, macht sich unbeliebt. Test: Derjenige, der... ● Syntax III 6 Formale Klassifizierung von Sätzen V1-Sätze sind meist Ja/Nein-Fragen oder Imperative. Es kann sich jedoch auch um uneingeleitete Nebensätze handeln. Diese haben meist eine „wenn“-Interpretation. ● a. Kennst du sie gut? b. Lauf endlich los! c. Hast du keine Hoffnung mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. V2-Sätze sind Aussagesätze oder w-Fragen. Das Vorfeld kann von unterschiedlichen Satzgliedern besetzt sein. ● d. Heute gehe ich in die Bibliothek. e. Ich gehe heute in die Bibliothek. f. Wohin gehst du heute? Syntax III 7 AUFGABE Markieren Sie bei den unten stehenden Sätzen, was der HS und was der NS ist! Welche Typen von Sätzen finden Sie vor (formale Klassifizierung)? ● a. Kennst du einen, kennst du alle. b. Wer sich noch ein Foul leistet, wird verwarnt. c. Ich kenne eine Studentin, die schon ihr drittes Studium angefangen hat. d. Kommst du mit nach München? Syntax III 8 AUFGABE Markieren Sie bei den untenstehenden Sätzen, was der HS und was der NS ist! Welche Typen von Sätzen finden Sie vor (formale Klassifizierung)? ● a. Kennst du einen (uneingel. NS), kennst du alle (V2). b. Wer sich noch ein Foul leistet (freier Rel.), wird verwarnt (V2). c. Ich kenne eine Studentin (V2), die schon ihr drittes Studium angefangen hat (Rel). d. Kommst du mit nach München?(V1) Syntax III 9 Positionen von eingebetteten Sätzen Bei eingebetteten Sätzen bestehen oft Schwierigkeiten bei der Feststellung von Mittelfeld bzw. Nachfeld, speziell wenn die RK leer ist. ● VF LK MF RK ?Ich ?Ich weiß weiß Noch nicht, ob ich nächstes Mal komme Noch nicht Ob ich nächstes Mal komme Durch komplexe Verbformen kann man exakt bestimmen, wo welches Element steht. → Man besetzt die RK einfach selbst! ● Syntax III 10 Positionen von eingebetteten Sätzen . VF ?Ich ?Ich Ich LK MF RK weiß Weiß Habe da Noch nicht, ob ich nächstes Mal komme Noch nicht noch nicht Ich noch nicht Gewusst weiß Ob ich nächstes Mal komme Ob ich nächstes Mal komme Ob ich nächstes Mal komme Durch komplexe Verbformen kann man exakt bestimmen, wo welches Element steht. → Man besetzt die RK einfach selbst! ● Ebenso so durch Umformung in einen VL-Satz. Hierbei wird das finite Verb von C (da) in die rechte Klammer gezwungen. ● → Daraus lässt sich feststellen: Der ob-Satz steht im Nachfeld, hinter dem Verb wissen im NF. Syntax III 11 AUFGABE Geben Sie von folgendem Satz... 1. an, was HS und NS sind 2. eine formale Klassifikation aller HS und NS an 3. eine topologische Felderanalyse an: Die einzige Möglichkeit, produktive Wortbildungsmuster zu entdecken, bietet eine detaillierte Korpusanalyse, die auf Wahrscheinlichkeitsrechnung beruht. Syntax III 12 AUFGABE (HS) Die einzige Möglichkeit, (NS, Infinitiv, uneingeleitet) produktive Wortbildungsmuster zu entdecken, bietet eine detaillierte Korpusanalyse, (NS, Relativsatz) die auf Wahrscheinlichkeitsrechnung beruht. VF LK MF Die einzige Möglichkeit, produktive...entdecken Bietet (die) die Eine detaillierte Korpusanalyse Produktive WB-Muster Auf Wahrscheinlichkeitsrechnung Syntax III RK die...beruht. Zu entdecken beruht 13 V1, V2, VL & Verbbewegungen Der Zusammenhang von V1, V2 und VL-Sätzen im Deutschen ist umstritten. Was ist die „normale“ Satzstellung? Intuitiv: V2! (Wie in Englisch, Französisch, etc.) S-V-O ● Es gibt jedoch Theorien, die davon ausgehen, dass VL die Ausgangsposition für alle anderen verbalen Strukturen ist. S-O-V ● Um zu V1 oder V2 zu gelangen, müsste man das Verb aus seiner ursprünglichen Position (VL)heraus nach vorne bewegen. Es gäbe also eine ursprüngliche und eine Endstruktur von Sätzen. ● a. [VF…] [LK/C dass ] [MF Peter zur Party] [RK kommt. ] b. [VF Peter] [LK/C kommtt ] [MF zur Party ] [RK t ] Syntax III 14 V1, V2, VL & Verbbewegungen Umstellungen werden durch t (trace = Spur) gekennzeichnet. Das Ganze nennt sich „V2-Bewegung“, weil das Verb nach V2 bewegt wurde. ● Andere Arten von Bewegungen im Deutschen sind Bewegungen ins VF (Topikalisierung (a), W-Bewegung (b)), Bewegung im MF (Scrambling (c)) & Bewegungen ins Nachfeld (Extraposition (d)). ● a. [VF Dem Professor] [LK gibt] [MF Peter t das Buch]. b. [VF Wen] [LK hast] [MF du t] [RK getroffen]? c. [LK dass] [MF dem Studenten der Professor t das Buch] [RK gab]. d. [VF Ich] [LK habe] [MF einen Mann t] [RK gesehen] [NF der ein blaues Auto hatte]. Syntax III 15 V1, V2, VL & Verbbewegungen Außer der Beiordnung von Elementen gibt es noch andere Phänomene, die vermuten lassen, das VL fürs Deutsche die grundlegendste Verbstellung ist, und dass die anderen daraus hergeleitet sind. ● Man spricht bei vielen Verben von einer V1&V2-Phobie, weil mindestens Teile von ihnen in VL bleiben: Infinitive (a&b), trennbare Verben (c&d), rückgebildete Verben/Inkorporationen (e&f). ● a. [MF Bitte nicht aus dem Fenster] [RK lehnen]! b. *[VF Bitte] [LK lehnen] [MF nicht aus dem Fenster]! c. [VF Ich] [LK melde] [MF mich morgen für die Prüfung] [RK an]. d. *[VF Ich] [LK anmelde] [MF mich morgen für die Prüfung]. e. [VF Manche Kinder] [LK rechnen] [MF gerne] [RK kopf]. f. *[VF Manche Kinder] [LK kopfrechnen] [MF gerne]. Syntax III 16 Zusammenfassung Es scheint, dass Sätze eine Oberflächen- und eine zugrundeliegende Struktur (auch: Tiefenstruktur) haben können. Die Oberflächenstruktur kann durch Bewegungen von Verben und anderen Satzgliedern zustandekommen. ● ● Es scheint, dass im Deutschen alle Sätze von VL ausgehen! Um zu zeigen, wie sich diese Bewegungen abspielen und was die Gründe dafür sind (speziell bei Verbbewegungen), reicht das topologische Modell nicht aus. ● Nächste Sitzung: Wortarten, syntaktische Kategorien, x-bar-Syntax (hierarchisches Modell zur Darstellung von Sätzen und Verbbewegungen). ● Syntax III 17