Gefährliche Liebschaften

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 Gefährliche Liebschaften
Rebecca Madita Hundt, David N. Koch und Katja Gorst in "Gefährliche Liebschaften" (Choderlos de
Laclos)
nach dem Briefroman von Choderlos de Laclos
Uraufführung. Inszenierung: Joe Knipp
Assistenz: Andrea Richarz
rheinkultur im Dezember 2009:
"Joe Knipp hat am TaS den Roman zu einer wirklich fulminanten Theaterfassung kondensiert, auf
der kleinen Spielfläche Gleichzeitiges und Sukzessives dramaturgisch virtuos miteinander verzahnt,
das Changieren von Emotionen schillernd eingefangen."
Kölnische Rundschau 10. Okt. 2009:
Joe Knipp zeigt eine rasante Inszenierung von Gefährliche Liebschaften“ am Sachsenring
Von Katharina Hamacher
Es ist das alte Spiel um Liebe und Lust, um Rache und Eitelkeiten, Macht und Intrigen: Mit
„Gefährliche Liebschaften“ hat Regisseur Joe Knipp den bedeutendsten Briefroman des 18. Jahrhunderts
von Choderlos de Laclos als letztes Stück im TAS inszeniert.
Für den Leiter des Theaters am Sachsenring, das am 19. Dezember nach 22 Jahren seine Tore schließen
wird, war diese Premiere ein schwieriger Schritt. „Ich war nervöser als sonst und sehr froh durch die Arbeit
der vergangenen Wochen abgelenkt zu sein. Doch jetzt kommt erst einmal ein großes schwarzes Loch.“
Er hat die Arbeit mit den Schauspielern sehr genossen und wollte unbedingt diese Besetzung, betont Knipp.
Tatsächlich stimmt die Chemie zwischen Katja Gorst, Rebecca Madita Hundt und David Koch im fein
gesponnenen Intrigenspiel.
Die Marquise de Merteuil (Hundt) und der Vicomte de Valmont (Koch) schließen die perfide Wette ab, ob
sich die unschuldige 15jährige Klosterschülerin Cécile de Volanges noch vor ihrer Hochzeitsnacht
verführen lässt. Und gelingt es dem Vicomte außerdem, das Herz der schönen, frommen und tugendhaften
Madame de Tourvel zu erobern, die ihrem Gatten so treu ergeben ist?
Mit intensiven Momenten, rasanten Rollenwechseln und
komödiantischen Einlagen meistern die drei Schauspieler die komplizierten Verwicklungen. Knipps
Inszenierung kommt mit karger Ausstattung und wenigen Requisiten aus – der Fokus des
anspruchsvollen Stoffes liegt klar auf der Sprache; gewürzt wird die gehobene höfische
Ausdrucksweise mit manchmal derbem Vokabular.
In beeindruckendem Tempo liefern sich die beiden Intriganten bitterböse Wortgefechte, und
besonders Rebecca Madita Hundt als durchtriebene Marquise sprudelt ihre spitzzüngigen Gemeinheiten in
geradezu schwindelerregender Schnelligkeit hervor. Auch Katja Gorst beeindruckt bis zum bitteren Finale
im Wechsel zwischen dem linkisch-naiven Mädchen und der tugendhaften Madame de Tourvel. Eine
gelungene Premiere Knipps, der künftig mit einem freien Ensemble arbeiten wird.
Ein verführerisches Spiel treiben alle Beteligten. (Foto: Weimer)
"Die Liebe ist das herrschende Gesellschaftsspiel, unglaublich prickelnd, weil es immer im Begriff
steht, ernst zu werden und den Kopf zu kosten."
Heinrich Mann, 1920
Foto: Wolfgang Weimer
Katja Gorst in einer Doppelrolle (Tourvel, Cécile de Volanges), Rebecca Madita Hundt als Mme de
Merteuil
David N. Koch als M. de Valmont
Gefährliche Liebschaften im Theater am Sachsenring –
Letzte Inszenierung!
Von Annika Leister
Zwei Frauen vergewaltigen einen Mann. Die eine setzt sich auf sein Gesicht, während die andere ihm
unverfroren und mit Ankündigung den „Finger ins Arschloch steckt“, der Arme windet sich, er schreit,
doch aus der vaginalen Hölle gibt es kein Entkommen. Dies ist nur eine von vielen vor Erotik berstenden
Szenen in der Inszenierung der Gefährlichen Liebschaften am Theater am Sachsenring. Mit Choderlos de
Laclos Briefroman greift Regisseur Joe Knipp auf eine literarische Vorlage aus dem Jahr 1782 zurück, die
mehr Sex- und Genderdiskussionen bietet, als alle Sex and the City-Folgen zusammen.
Die Geschichte der Marquise Isabelle Merteuil, die sich als unverheiratete Adlige mit eben so viel Hingabe
ihrer Lust hingibt wie ihren intriganten Spielereien, wurde schon häufig für den Film überarbeitet. Glenn
Close und John Malkovich stritten sich über Michelle Pfeiffer, zehn Jahre später trieb Sarah Michelle Gellar
ihr laszives Spiel mit Ryan Phillippe und Reese Witherspoon und stürzte damit Millionen Mädchen in einen
pubertären Weinkrampf vorm Fernseher. Ein Stück, das schon oft adaptiert und interpretiert wurde und
deswegen auf modernen Bühnen heute häufig nur noch sehr abstrakt umgesetzt wird.
Von einer modernen Umsetzung mit Stoffpenisen und Hasenkostümen, wie sie Anfang des
Jahres im Deutschen Theater Berlin aufgeführt wurde, hat sich das Ensemble am Sachsenring
dankenswerterweise ferngehalten. Nichts als ein Klavier, auf dem Valmont immer wieder spielt, und ein
paar Sitzgelegenheiten, die ständig verrückt und herumgeschleudert werden, zieren die Bühne. Auch die
drei Schauspieler tragen keine ausgefallenen Kostüme: Die Marquise de Merteuil (Rebecca Madita Hundt)
trägt ein kurzes Schwarzes, hochgeschlossen aber verrucht bis zur Hüfte geschlitzt, der Vicomte de
Valmont (David Koch) nimmt in einfachem Beinkleid und altmodischem Rüschenhemd am Klavier Platz.
Nur Katja Gorst, die in kurzem Tüll-Kleidchen auf die Bühne tritt, greift neben ihrem knappen Outfit
immer wieder zu einem schwarzen Tuch und wechselt mit diesem ihre Rolle. Trägt sie das Tuch um die
Schultern und die Haare offen, ist sie Madame Trouvel, die fromme und treue Frau einer der ehemaligen
Geliebten der Marquise de Merteuil. Ständig versucht und verführt von Valmont, der sich das Ziel gesetzt
hat, sie seiner Trophäensammlung hinzuzufügen, bleibt sie lange standhaft. Cecile de Volanges hingegen,
in die sich Katja Gorst verwandelt, wenn sie das Tuch ablegt und sich ihre Haare zu Zöpfen links und rechts
am Kopf zusammengebunden hat, hat dem leidenschaftlichen Stürmen des Vicomtes nicht so viel
entgegenzusetzen. Gerade erst 15 und ebenso naiv-dümmlich wie sie langsam ihren Text rezitiert, kann sie
sich dem nächtlich eindringenden Vicomte nicht erwehren, worauf Vergewaltigungsszene Nummer Zwei
folgt.
Sowieso wird in dem Stück gevögelt, was der alte Choderlos hergibt: Der Vicomte mit der Trouvel und
dem kleinen Naivchen, obwohl er ja ursprünglich die Marquise will, die aber ist mit dem Danceny zu
Gange, der seine Finger auch im Höschen der jungen Cecile hat. Dass bei solch ungeheuerlichem
Hedonismus und bitterbösem Intrigenspiel kein Happy End herauskommen kann, ist vorgezeichnet. Und so
kommt es, wie es kommen muss: Der Vicomte erhält von Danceny die Aufforderung zum Duell, kaum hat
er den Brief geöffnet, sinkt er auf der Bühne des Sachsenrings in seinem Stuhl zusammen. Übrig bleibt die
Marquise Merteuil, die dem Publikum starr gerade ausblickend in wenigen – den letzten – Worten des
Stückes, ihre eigene Zukunft nach dem Tod des Vicomtes schildert: Ihr schönes Gesicht von den schwarzen
Pocken zerfressen und ausgestoßen aus der Pariser Gesellschaft, findet sie ihr wohlverdientes Ende in der
Isolation.
Den Schauspielern des Ensembles am Sachsenring bieten die Gefährlichen Liebschaften eine letzte
Möglichkeit gemeinsam aufzutreten, bevor das Theater im Dezember aus Finanzierungsproblemen
schließen muss. Und mit ihrem körperbetonten, vor allem auch unter der Gürtellinie glaubwürdigen
Spiel beweisen sie, dass in wenigen Wochen nicht nur eine wunderschöne Location, sondern auch ein
begabtes, aufeinander eingespieltes Ensemble sein Zuhause verliert.
Kölner Stadt-Anzeiger vom 13. 10. 2009:
"Gefährliche Liebschaften", die letzte Premiere im Theater am Sachsenring
Süffisanter Verführer
von Jessica Düster
Der Briefroman "Les Liaisons Dangereuses" von Choderlos de Laclos wurde seit seinem Erscheinen Ende
des 18. Jahrhunderts schon etliche Male auf die Bühne gebracht und verfilmt - wobei die Adaption mit
Glenn Close, John Malkovich, Michelle Pfeiffer und Uma Thurman in den Hauptrollen sicher die
prägendsten Bilder hinterlassen hat. Joe Knipp braucht für seine Neubearbeitung des Stoffes nur drei
Darsteller und verzichtet auf barocke Ausstattung, doch weniger eindringlich gerät das subtil unmoralische
Intrigenspiel der Marquise de Merteuil und des Vicomte de Valmont um den Verlust von Unschuld, um
Liebe und Macht im Theater am Sachsenring keineswegs.
Emotionale Wucht
Eine Stärke der Inszenierung ist die Rückbesinnung auf die ursprüngliche Form der "Gefährlichen
Liebschaften": In Anlehnung an die schriftliche Korrespondenz zwischen den Charakteren entfaltet sich
das hohe sprachliche Niveau der Vorlage in geschliffenen Monologen, die szenisch raffiniert zu Gesprächen
verknüpft werden oder wie Briefe wirken, die schon während ihres Entstehens vielsagend mimisch und
gestisch kommentiert werden. Den anspruchsvollen Text und die psychologische Komplexität meistert das
junge Ensemble mit großer emotionaler und physischer Wucht.
David N. Koch überzeugt nach seinem beeindruckenden Solo in "Kafkas Welten" auch als
süffisanter Verführer, Rebecca Madita Hundt als Society-Queen mit tiefem Schlitz im Kleid und
Sternchenstrümpfen strahlt gekonnt die Unbarmherzigkeit einer Giftschlange aus und Katja Gorst
in der doppelten Opfer-Rolle wechselt mühelos zwischen der naiven 15-Jährigen, die die Lust
entdeckt und der frommen Gattin, die an der Leidenschaft zugrunde geht.
Eine ebenso frische wie zeitlose Inszenierung, eine würdige letzte Premiere für das Traditionshaus, das im
Dezember schließen muss.
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