FH Giessen-Friedberg StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik 4 Wechselstromtechnik 4.1 Wechselgrößen Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Nimmt eine Wechselgröße in bestimmten aufeinander folgenden Zeitabständen wieder denselben Augenblickswert an, nennt man sie periodische Wechselgröße. Allgemeine Darstellung periodischer Wechselgrößen: v (t ) = v (t + k ⋅ T ) 4.2 mit: k = 0, ±1, ±2,... (4.1) Sinusförmige Wechselgrößen Sinusförmige Wechselgrößen ändern sich zeitlich sinusförmig: v (t ) = v$ ⋅ sin(ωt + ϕ ) (4.2) 1 FH Giessen-Friedberg 4.3 StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Klassifikation von Wechselgrößen Arithmetischer Mittelwert – Gleichanteil der Größe: T v= 1 T ∫ v (t ) ⋅ dt (4.3) 0 Gleichrichtwert: T v = 1 T ∫ v (t ) ⋅ dt (4.4) 0 Beispiel: Brückengleichrichter u = 2 $ ⋅u π Effektivwert: Unter dem Effektivwert (quadratischer Mittelwert) einer Wechselgröße versteht man den Wert, der die gleiche Leistung am gleichen Ohmschen Widerstand R erbringt wie eine ebenso große Gleichgröße. T Veff = 1 T ∫ [v (t )] 2 ⋅ dt (4.5) 0 2 Veff 2 v$ = 2 ⇒ Veff v$ = 2 (4.6) 2 FH Giessen-Friedberg StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 4.4 Darstellung von sinusförmigen Wechselgrößen durch Zeiger Sinusförmige Wechselspannungen und Wechselströme lassen sich als sog. rotierende Zeiger darstellen, d.h. die Sinusschwingung wird im Zeigerdiagramm durch einen mit der Kreisfrequenz ω im Gegenuhrzeigersinn um den Nullpunkt rotierenden Zeiger der Länge v$ beschrieben. Transformation einer sinusförmigen Zeitfunktion in einen rotierenden Zeiger: Die Projektion des rotierenden Zeigers v (t ) auf die imaginäre Achse ist der Augenblickswert v (t ) der sinusförmigen Wechselgröße. Die sinusförmige Wechselgröße v (t ) wird somit in eine entsprechende komplexe Zeitfunktion v (t ) eindeutig abgebildet (sog. Transformation ins Komplexe). 3 FH Giessen-Friedberg StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 4.5 Komplexer Widerstand und komplexer Leitwert Komplexer Widerstand (Impedanz): Unter dem komplexen Widerstand versteht man das Verhältnis zwischen den komplexen Momentanwerten von Spannung und Strom. Er ist gleich dem Verhältnis der komplexen Amplituden. Z= u$ j (ϕu −ϕi ) ⋅e = Z ⋅ e jϕ $i (4.11) Z = Z ⋅ e jϕ = Z ⋅ cos(ϕ ) + j ⋅ Z ⋅ sin(ϕ ) = R + jX Z = R2 + X 2 ; ϕ = arctan ( X R ) (4.12) (4.13) Z nennt man Scheinwiderstand, R den Wirk- und X den Blindwiderstand. Widerstandsdreieck für die Reihenschaltung eines Wirkwiderstandes mit einem induktiven (a) bzw. kapazitiven Blindwiderstand (b): jX c Z = R + jX c 4 FH Giessen-Friedberg StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Komplexer Leitwert (Admittanz): Der komplexe Leitwert Y ist der Kehrwert des komplexen Widerstandes. Y = 1 1 I = = = Y ⋅ e − jϕ jϕ U Z Z ⋅e (4.14) Y = Y ⋅ e − jϕ = Y ⋅ cos(ϕ ) − j ⋅ Y ⋅ sin(ϕ ) = G + jB Y = G2 + B2 ; (4.15) ϕ = arctan ( B G ) (4.16) Y nennt man Scheinleitwert, G den Wirk- und B den Blindleitwert. Parallelschaltung eines Wirkleitwertes mit einem kapazitiven (a) bzw. induktiven Blindleitwert (b): jBL Y = G + jBL Beispiel 4.1: Die Reihenschaltung eines Wirkwiderstandes mit RR=100Ω und eines induktiven Blindwiderstandes mit XL,R=200Ω soll in eine äquivalente Parallelschaltung mit RP und XL,P umgerechnet werden. 5 FH Giessen-Friedberg StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 4.6 Ohmscher, kapazitiver und induktiver Widerstand im Wechselstromkreis Ohmscher Widerstand: Bei einem Ohmschen Widerstand gibt es zwischen Spannung und Strom keine Phasenverschiebung. Im Zeigerdiagramm liegen Stromzeiger I und Spannungszeiger U in gleicher Richtung. u$ = R ⋅ $i bzw. U = R ⋅I (4.18) ϕu = ϕi (4.19) Linien- und Zeigerdiagramm des Ohmschen Widerstandes: Kapazitiver Widerstand: Der kapazitive (Blind-)Widerstand –XC als Quotient der Amplituden von Spannung und Strom ist gleich dem Kehrwert des Produktes ω·C, also frequenzabhängig. Der Strom durch die Kapazität C eilt der Spannung um π/2 voraus. 1 u$ − XC = = ωC $i $i = ωC ⋅ u$ (4.20) bzw. ϕ = ϕu − ϕi = − π 2 I = ωC ⋅ U bzw. ϕi = ϕu + (4.21) π 2 (4.22) 6 FH Giessen-Friedberg StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Linien- und Zeigerdiagramm des kapazitiven Widerstandes: Induktiver Widerstand: Der induktive (Blind-)Widerstand XL als Quotient der Amplituden von Spannung und Strom ist gleich dem Produkt ω·L, also ebenfalls frequenzabhängig. Die Spannung an der Induktivität L eilt dem Strom um π/2 voraus. u$ X L = ωL = $i u$ = ωL ⋅ $i (4.23) bzw. ϕ = ϕu − ϕi = π 2 U = ωL ⋅ I bzw. ϕu = ϕi + (4.24) π 2 (4.25) Linien- und Zeigerdiagramm des induktiven Widerstandes: 7 FH Giessen-Friedberg StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 4.7 Leistung im Wechselstromkreis In einem Gleichstromkreis ist die Leistung zeitlich konstant, weil die Spannung und der Strom zeitlich konstant sind: P = U ⋅I In Wechselstromkreisen sind Spannung und Strom sinusförmige Größen, d.h. auch das Produkt – die Augenblicksleistung – ist zeitlich veränderlich: p = u ⋅ i = u$ ⋅ sin (ωt + ϕu ) ⋅ $i ⋅ sin (ωt + ϕi ) = pw + pB (4.26) Die Augenblicksleistung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: • Leistungskomponente, die mit 2ω pulsiert, dabei aber ihr Vorzeichen nicht wechselt. Die durch sie beschriebene Leistung fließt also in einer Richtung und kann somit als dauernde Energieentnahme bzw. -aufnahme, d.h. als irreversible Leistungsumwandlung, gedeutet werden. Sie wird als Wirkleistung pw bezeichnet. • Leistungskomponente, die mit 2ω um die Nulllinie pendelt, d.h. ihr Vorzeichen periodisch wechselt. Das bedeutet, dass sich auch die Richtung des Leistungsflusses periodisch umkehrt. Es wird in dem Verbraucher lediglich Energie gespeichert, die dann wieder abgegeben wird. Im Mittel wird dem Verbraucher von dieser Leistungskomponente keine Energie zugeführt. Man spricht von der Blindleistung pB. pw = u$ ⋅ $i ⋅ cos (ϕu − ϕi ) ⋅ 1 − cos 2 (ωt + ϕu ) 2 pB = − u$ ⋅ $i ⋅ sin (ϕu − ϕi ) ⋅ sin 2 (ωt + ϕu ) 2 (4.27) (4.28) 8 FH Giessen-Friedberg StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Scheinleistung: Die Scheinleistung PS ist die Leistung, die scheinbar zur Verfügung steht, wenn man z.B. mit einem Messgerät getrennt zuerst die Spannung und dann den Strom misst (Effektivwerte), also die Phasenlage nicht berücksichtigt. Die Scheinleistung lässt sich auch über das Leistungsdreieck ermitteln. PS = u$ ⋅ $i = Ueff ⋅ Ieff = Pw2 + PB2 2 (4.31) PS PB α PW Wirk-, Blind- und Scheinleistung am komplexen Widerstand (nur Impedanz): • Die Wirkleistung Pw ist ein Maß für die im Ohmschen Widerstand umgesetzte Leistung. • Die Blindleistung PB ist ein Maß für die gespeicherte Leistung. • Die Scheinleistung PS ist ein Maß für die gesamte Leistung, d.h. die im Ohmschen Widerstand umgesetzte und die in den induktiven und kapazitiven Widerständen gespeicherte Leistung. I Rr jX r UR UX Z ges = Rr + jX r U Pw = 21 ⋅ I ⋅ Re {Z ges } (4.32) PB = 21 ⋅ I ⋅ Im {Z ges } (4.33) 2 2 9 FH Giessen-Friedberg induktiver Widerstand: StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Wechselstromtechnik PB = 12 ⋅ I ⋅ ω Lr 2 kapazitiver Widerstand: PB = − 12 ⋅ I ⋅ 2 Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler mit: X r = ω Lr 1 ω Cr mit: X r = − 1 ω Cr U = Z ges ⋅ I = Rr2 + X r2 ⋅ I ⇒ PS = U ⋅I 1 2 = 2 ⋅ I ⋅ Rr2 + X r2 2 induktiver Widerstand: PS = 12 ⋅ I ⋅ Rr2 + ω 2 L2r 2 kapazitiver Widerstand: PS = 12 ⋅ I ⋅ Rr2 + 2 1 ω Cr2 2 10