Kammermusik der S ä c h s i s c h e n S ta at s k a p e l l e 2. Aufführungsabend M i t t wo ch 17.02.10 2 0 U h r · S e m p ero p er Dirigent Pablo Heras-Casado Violoncello Isang Enders Ensemble Cellokonzert: Rozália Szabó Flöte Bernd Schober Oboe Wolfram Große Klarinette Thomas Eberhardt Fagott Robert Langbein Horn Tobias Willner Trompete Nicolas Naudot Posaune Kai Vogler Violine Friedwart Christian Dittmann Violoncello Martin Knauer Kontrabass Joseph Haydn (1732–1809) Sinfonie Nr. 1 D-Dur Hob. I:1 1. Presto 2. Andante 3. Finale: Presto Paul Hindemith (1895-1963) Kammermusik Nr. 3 op. 36 Nr. 2 für obligates Violoncello und 10 Soloinstrumente 1. Majestätisch und stark. Mäßig schnelle Achtel 2. Lebhaft und lustig 3. Sehr ruhige und gemessen schreitende Viertel 4. Mäßig bewegte Halbe. Munter, aber immer gemächlich Gegrün de t 1854 als To n k ü n s t l e r -V e r e i n z u D r es d e n Ver ant wortlich Friedwart Christian Dit tmann, Ulrike Scobel und Christoph Bechstein Vorschau 5. Kammerabend m i t t wo ch 03.03.10 20 Uhr S e m p ero p er Werke von Heinrich Ignaz Franz Biber, Dietrich Buxtehude, Dietrich Becker u.a. 2. Aufführungsabend Dr e s d e n Die Mitwirkenden werden noch bekannt gegeben. pause Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Sinfonie D-Dur KV 504 «Prager» 1. Adagio – Allegro 2. Andante 3. Presto I m p r e ss u m bilder Pablo Heras-Casado: Miguel Peñalver; Isang Enders: Nam Baek Texte Sächsische Staatsoper Dresden Intendant Prof. Gerd Uecker Generalmusikdirektor Fabio Luisi Spielzeit 2009|2010 Herausgegeben von der Intendanz © Februar 2010 Die Einführungstexte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Redak tioN und Te x te Tobias Niederschlag G e s ta lt u ng u n d s at z schech.net | www.schech.net Dr u c k Union Druckerei Dresden GmbH w w w . s ta at s k a p e l l e - d r e s d e n . d e Kammermusik der S ä c h s i s c h e n S ta at s k a p e l l e Dr e s d e n Gegrün de t 1854 als To n k ü n s t l e r -V e r e i n z u D r es d e n Ver ant wortlich Friedwart Christian Dit tmann, Ulrike Scobel und Christoph Bechstein Joseph Haydn Sinfonie Nr. 1 D-Dur Hob. I:1 Joseph Haydn gilt als «Erfinder» des Streichquartetts und als «Vater» der Sinfonie. Zwar hat er die letztgenannte Gattung nicht erfunden, sie aber durch seine 104 überlieferten Sinfonien entscheidend geprägt und zur zentralen Gattung höfischen Musizierens erhoben. Seine aller­erste Sinfonie Hob. I:1 komponierte Haydn vermutlich 1757 als Kapellmeister des Grafen Morzin in Lukavec bei Pilsen. Die Sinfonie war Mitte des 18. Jahrhunderts eine noch junge Gattung, die sich vor allem aus der italienischen OpernSinfonia (Ouvertüre) entwickelte. Die ersten Werke waren drei- oder viersätzig. Erst mit der Zeit wurde es zur Norm, die drei Sätze mit der Folge schnell-langsam- schnell um ein Menuett zu erweitern. Haydns erste Sinfonie ist noch dreisätzig angelegt und weist die damals übliche Besetzung auf (mit Streichern, einem Oboen- und einem Hörnerpaar), wobei der Cembalo-Bass in der Regel durch ein Fagott verstärkt wurde. Unterschiedlich sind die Meinungen über Haydns sinfonischen Erstling. Während einige Musikwissenschaftler das Werk noch nicht als Geniestreich ansehen, loben andere den «meisterhaften, ganz detail-ökonomischen Aufbau» des Kopfsatzes und die Tiefsinnigkeit des AndanteMittelsatzes. Besetzung: 2 Oboen, 2 Hörner, Streicher, Basso continuo Dauer: ca. 10 Minuten Paul Hindemith Kammermusik Nr. 3 op. 36 Nr. 2 (Cellokonzert) Nach spätromantischen Anfängen avancierte Paul Hindemith in den 1920er Jahren zum musikalischen «Bürgerschreck»: Mit Experimenten in Harmonik und Satztechnik sowie Einflüssen aus Jazz- und Gebrauchsmusik irritierte er das Publikum. Einen Großteil seiner hoch virtuosen Musik führte er dabei als Geiger bzw. Bratscher selber auf (von 1915 bis 1923 war er Konzertmeister an der Frankfurter Oper). Mit seinem Bruder Rudolf, einem begabten Cellisten, spielte er im Amar-Quartett, das als eines der führenden Ensembles der damaligen Neuen Musik galt. Für Rudolf komponierte er 1924/25 auch seine dritte Kammermusik – ein Cellokonzert. Zwischen 1921 und 1927 entstanden insgesamt acht «Kammermusiken» für kleine Ensembles, wobei der nüchterne Titel mit Bedacht gewählt ist: Zwar handelt es sich nicht um Kammermusik im traditionellen Sinn des Wortes; allerdings sind in diesen Werken alle Mitwirkenden «solistisch» gefordert, so dass man auch von Konzerten bzw. Ensemblewerken für mehrere Soloinstrumente sprechen kann. Die dritte Kammermusik, die Hindemith im Untertitel als Cellokonzert spezifizierte, entstand in einer Phase höchster Produktivität und nahezu zeitgleich mit der zweiten Kammermusik (einem Klavierkonzert). Heinz von Loesch schrieb über das Werk in seiner Gattungsgeschichte des Cellokonzerts: «Hier sind die Widersprüche, die die Gattung im 19. Jahrhundert zu einem ‹unmöglichen› Kunstwerk gemacht hatten, so gut wie verschwunden: die Widersprüche zwischen Solo-Tutti-Gegensatz und symphonischem Anspruch einerseits sowie zwischen Virtuosität und symphonischem Anspruch andererseits.» Das viersätzige Werk wurde am 30. April 1925 in Bochum uraufgeführt (ein Jahr vor der Uraufführung von Hindemiths Oper «Cardillac» an der Semper­ oper). Rudolf Hindemith spielte den ­ ellopart, der Komponist dirigierte. Schon C bald fand das Werk Eingang ins Repertoire vieler großer Cellisten. Besetzung: Violoncello solo, Flöte (auch Piccolo), Oboe, Klarinette (auch Es-Klarinette), Fagott, Horn, Trompete, Posaune, Violine, Violoncello, Kontrabass Dauer: ca. 17 Minuten Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie D-Dur KV 504 «Prager» Mozart schrieb in seinen letzten zehn Wiener Jahren, verglichen mit der früheren Produktionsfülle, nur relativ wenige Sinfonien. Die späten Werke sind an konkrete Aufträge oder Konzertvorhaben gebunden, oder – wie die letzten drei Sinfonien – biografisch gar nicht einzuordnen. Mozarts letzte Sinfonie vor dieser berühmten Trias entstand im Jahr 1786. Wie man heute weiß, komponierte er das Finale bereits im Frühjahr des Jahres, die übrigen Sätze dann im Dezember. Das Werk fällt damit genau zwischen die Komposition der beiden Da-Ponte-Opern «Le nozze di Figaro» und «Don Giovanni», die hinsichtlich ihrer Entstehungs- und Wirkungsgeschichte eng mit der Stadt Prag verbunden sind. Auch die D-DurSinfonie KV 504 entstand vermutlich für Konzerte in der böhmischen Metropole, was ihr den populären Beinamen «Prager» eingebracht hat. Nicht nur chronologisch, sondern auch musikalisch scheint das Werk eng mit den genannten Opern verbunden zu sein: Musikwissenschaftler haben immer wieder auf thematische Bezüge zwischen der Sinfonie und den Opern hingewiesen, so etwa auf die Entsprechung des FinaleHauptthemas mit dem Duett Susanna/ Cherubino aus dem «Figaro». Neben dem opernhaften «Prunk» wurden aber häufig auch die introvertierten und melancholischen Züge des Werkes hervorgehoben, was die emotionale Spannweite der späten Musiksprache Mozarts veranschaulicht. Gegen den Prunk spricht allerdings auch, dass Mozart auf den in dieser Hinsicht repräsentativsten Satz verzichtete: In der «Prager Sinfonie» gibt es kein Menuett – wodurch sich das Werk formal wieder den dreisätzigen Opern-Sinfonias aus der Frühzeit der Gattung annähert. Gleichwohl zeichnen sich die drei Sätze durch eine besondere Komplexität aus: Alle drei sind in Sonatensatzform gehalten und lassen Einflüsse der barocken Polyphonie erkennen. Vor allem in den beiden Ecksätzen ist die Auseinandersetzung mit den Werken Händels und Bachs deutlich zu erkennen. Die langsame Einleitung zum Kopfsatz (bei Mozart keine Norm) wurde dagegen wohl durch die Sinfonik Joseph Haydns angeregt. An kompositorischer Größe steht die «Prager» den letzten drei Sinfonien Mozarts in nichts nach. In ihrer Eigenartigkeit ist sie vielleicht sogar die radikalste der späten Mozart-Sinfonien. Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher Dauer: ca. 30 Minuten To b i a s N i e d e r s c h l a g Pablo Heras-Casado dirigent Pablo Heras-Casado, 1977 im andalusischen Granada geboren, begann seine Karriere als Principal Conductor des spanischen Orquesta de Girona (2005-2008). Inzwischen erobert er zunehmend die internationalen Podien. So verbindet ihn seit einigen Jahren eine enge Zusammenarbeit mit der Opéra National de Paris. Sein viel beachtetes USADebüt gab er im Juni 2008 mit einem Konzert in der New Yorker Carnegie Hall, im Dezember des Jahres dirigierte er auch erstmalig das Los Angeles Philharmonic Orchestra. Für die Jahre 2010 und 2011 stehen Debüts bei Orchestern wie San Francisco Symphony, Cleveland Orchestra, Orchestre Philharmonique de Radio France, Deutsches Symphonie Orchester Berlin und NHK Symphony Orchestra Tokyo in seinem Terminkalender. Außerdem leitet er Premieren am Teatro Real in Madrid und am Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel. Mit dem heutigen Aufführungsabend steht Pablo Heras-Casado zum ersten Mal am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Isang Enders violoncello Isang Enders, 1988 als Sohn deutsch-koreanischer Eltern in Frankfurt am Main geboren, kam als Neunjähriger erstmals mit dem Cello in Berührung und begann schon wenig später ein Jungstudium bei Michael Sanderling an der Frankfurter Musikhochschule. Später studierte er bei Gustav Rivinius in Saarbrücken und absolvierte Meisterkurse bei David Geringas, János Starker, Steven Isserlis und bei Lynn Harrell, mit dem er noch heute in enger Verbindung steht. Solistisch trat er mit Orchestern wie dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin oder der Deutschen Streicherphilharmonie auf. Seit der Saison 2008/09 ist Isang Enders als jüngster Solocellist Deutschlands Konzertmeister Violoncello der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Er spielt ein Cello von Joseph Gagliano aus dem Jahr 1720, das ihm durch den Deutschen Musikinstrumentenfonds zur Verfügung gestellt wurde.